0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
1799 Aufrufe

Corona-Virus: Wirtschaftspolitiker Prof. Gunther Schnabl über die Ursachen des wirtschaftlichen Abschwungs

Die Verbreitung des Coronavirus hat für die deutsche und internationale Wirtschaft bisher noch nicht absehbare Folgen: Unternehmen haben mit drastischen Umsatzeinbrüchen zu kämpfen, der deutsche Aktienindex Dax stürzt ab, die Ölpreise sinken. Die Bundesregierung ist bemüht, die negativen Folgen der Corona-Krise durch Sofortmaßnahmen einzudämmen. Doch wie wirksam sind diese angesichts der sich zuspitzenden Lage auch in Deutschland? Prof. Dr. Gunther Schnabl, der Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig, gibt Antworten auf diese und andere drängende Fragen.

Herr Professor Schnabl, die Ausbreitung des Coronavirus und ein drastischer Sturz des Ölpreises sorgen für große Unsicherheit an den Finanzmärkten. Wohin könnte diese Entwicklung noch führen und wie kann ihr Einhalt geboten werden?


Prof. Dr. Gunther Schnabl ist Leiter des Instituts für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig. Bild: Swen Reichhold/Universität Leipzig

Prof. Dr. Gunther Schnabl: Hinsichtlich der möglichen Ursachen der Turbulenzen auf den Finanzmärkten müssen mindestens drei mögliche Gründe unterschieden werden. Erstens galten die Aktienpreise aufgrund der anhaltend expansiven Geldpolitiken bereits lange Zeit als überbewertet. Zweitens wurde bereits seit Ende 2019 in vielen Ländern ein Abschwung erwartet oder hatte bereits eingesetzt. Drittens haben das Coronavirus beziehungsweise die Reaktion politischer Entscheidungsträger auf das Virus die Rezessionserwartungen verstärkt. Es droht wohl eine schmerzhafte Krise. Inwieweit diese dem Virus zuzuschreiben ist, ist unklar. Die Wirtschaftspolitik müsste berücksichtigen, dass die Probleme tiefer liegen.

Die Koalition hat ein umfangreiches Paket zur Abfederung von wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Krise beschlossen. Reicht das aus oder muss noch mehr getan werden, um die deutsche Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten?

Schnabl: Das ist schwer zu sagen, weil die realwirtschaftlichen Folgen des Coronavirus noch nicht voll abzusehen sind. Einige Beobachter sind der Meinung, dass die Krise derzeit medial verstärkt wird. Auch können die Finanz- und Geldpolitiken kein Virus bekämpfen. Neben dem erwarteten Abschwung durch die Absage von Großveranstaltungen und möglicherweise unterbrochene Lieferketten gibt es große Strukturprobleme in der deutschen Wirtschaft. Das sind die Abkehr vom Verbrennungsmotor, die hohe Exportabhängigkeit und die Zombifizierung der europäischen Wirtschaft durch anhaltend niedrige Zinsen. Die Corona-Krise könnte dazu führen, dass diese grundlegenden Strukturprobleme aus dem Blickfeld der Öffentlichkeit rücken und damit ungelöst bleiben.

Was halten Sie von dem Vorschlag aus dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, zeitlich befristet die Mehrwertsteuer zu senken?

Schnabl: Dadurch könnte der Konsum von Gütern und Dienstleistungen angeregt werden. Der erwünschte Effekt könnte jedoch auch ausbleiben, wenn wegen des Virus viele Menschen zu Hause bleiben und aus Angst mehr sparen. Ich würde eher für eine langfristige Senkung der Mehrwertsteuer plädieren, weil dadurch auf Dauer die Kaufkraft der Bürger gestärkt würde. Begleitend wären eine effizientere Gestaltung der Staatsausgaben und der Abbau von Regulierung nötig. Eine vorsichtig straffere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank würde das Vertrauen in das Geld- und Finanzsystem wieder stärken.

Die chinesische Wirtschaft liegt am Boden. Welche Auswirkungen hat das auf die deutsche und die Weltwirtschaft?

Schnabl: Die Ursachen für Wachstumsschwäche in China liegen tiefer. Zwischen 2001 und 2014 wurden in China mit Hilfe von viel billigem Kapital aus den Industrieländern große Überkapazitäten in der Industrie aufgebaut. Im Jahr 2014 ist diese Blase geplatzt, sodass seither die chinesische Wirtschaft an Fahrt verliert. Weil die chinesische Regierung mit billigen Krediten einen Abbau der Überkapazitäten verhindert, um Arbeitslosigkeit zu vermeiden, werden Chinas Wachstumskräfte weiter erlahmen. Deutschland und die Weltwirtschaft können sich nicht mehr darauf verlassen, dass China die globale Konjunkturlokomotive bleiben wird. Jetzt helfen nur noch umfassende Reformen, die nicht kostenlos zu haben sind.

Titelbild: Who is Danny/Shutterstock.com
Quelle: Universität Leipzig Wirtschaft Nachrichten

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
22. Nov. 2024

Kurz und knapp

Kurznachrichten und Informationen aus der (dentalen) Welt – November 2024
21. Nov. 2024

Vom regionalen Depot zum überregionalen Familienunternehmen

Jürgen Richter tritt nach 56 Jahren von der Geschäftsleitung bei „GERL.“ zurück
19. Nov. 2024

Ärzte ohne Grenzen geben bei Voco Einblicke in ihre Arbeit

Dentalhersteller spendet auch in diesem Jahr 20.000 Euro an die Hilfsorganisation
15. Nov. 2024

Mehr als 1,3 Millionen verkaufte Implantate in Deutschland

Implantate bleiben ein bedeutender Faktor im Markt – Armin Vollmer übernimmt von Martin Lugert den Vorsitz des VDDI-Arbeitskreises Dentalimplantate
15. Nov. 2024

Dentaurum bleibt dem Standort Deutschland treu

Dentalunternehmen investiert umfassend in Standort Ispringen
14. Nov. 2024

30 Jahre VDDS – ein Grund zum Feiern

Ein Rückblick auf drei Jahrzehnte Softwareentwicklung und Arbeit im Dienst der deutschen Zahnmedizin
8. Nov. 2024

DANK fordert: Kindergesundheit endlich politisch ernstnehmen

Nach aktuellen Studien ist der Zuckerkonsum in den ersten 1.000 Tagen entscheidend für die Gesundheit im Erwachsenenalter
8. Nov. 2024

Forschungs- und Entwicklungskapazitäten erweitert

Solventum eröffnet hochmodernes Biolabor am Standort in Wuppertal – Investition in Innovation