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„Ausgabenmoratorium“ und Gesundheitsgipfel im Kanzleramt gefordert – Sondierungsgespräche von Union und SPD zunächst ohne Gesundheitsexperten

(c) SyedMKimi/Shutterstock.com

Am Freitag nach der Bundestagswahl haben die Sondierungsgespräche für die Regierungsbildung begonnen – zwischen CDU/CSU und SPD, die angesichts der Stimmenverteilung im Deutschen Bundestag die beiden einzigen Parteien der demokratischen Mitte sind, die eine stabile Regierungskoalition bilden können. Dass beim Thema Gesundheit dringender Handlungsbedarf besteht, machen nicht zuletzt die jüngsten Prognosen zum Kassendefizit von mehr als sechs Milliarden Euro für 2024 deutlich. Und so kommen von allen Seiten Forderungen – und Gegenforderungen.

Der heftigste Protest aus der Ärzteschaft kam auf die Forderungen der Vorsitzenden des AOK Bundesverbands, Dr. Carola Reimann, die angesichts des Kassendefizits ein Sofortprogramm mit „kurzfristigen Finanzierungs- und Sparvorschlägen“ vorlegte. Kern des Sparprogramms mit einem Volumen von rund 35 Milliarden Euro: Die gerade erst umgesetzte Entbudgetierung bei den Hausärzten und bei den Kinder- und Jugendärzten, die sie als „Honorargeschenke“ bezeichnete. Reimann fordert eine Rückkehr „zum Grundsatz der Wirtschaftlichkeit“ in der Gesetzlichen Krankenversicherung und Pflege. Sowohl die Verbände der Hausärzte und Kinder- und Jugendärzte als auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung wiesen diese Forderungen zurück. Der Grund für die Budgetierung sei 1993 eine „Ärzteschwemme“ gewesen, heute könne angesichts des Ärztemangels gerade bei Haus- und Kinderärzten keine Rede mehr sein.

Vonseiten der KBV hieß es, „was der AOK-Bundesverband als sein Sofortprogramm ausgibt, ist ein Offenbarungseid gegenüber den eigenen Versicherten und zugleich ein Spiegelbild davon, was Kassenfunktionäre eigentlich wollen: keine qualitativ hochwertige Versorgung der Patientinnen und Patienten zu angemessenen und fairen Preisen, sondern Dumpingangebote nach dem Hamsterradmotto ,Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sollen immer mehr leisten – und das umsonst'.“

KBV: „weniger Geld – weniger Termine“

Es sei eine Frechheit, die Rücknahme der Entbudgetierung der kinderärztlichen und hausärztlichen Versorgung zu fordern und diese stumpf als Honorargeschenke zu bezeichnen. „Wenn die AOK nicht bereit ist, erbrachte Leistungen auch voll zu bezahlen, dann soll sie benennen, auf welche Leistungen ihre Versicherten künftig verzichten sollen“, so die KBV

„Inzwischen müssen wir wohl eher darüber sprechen, wie der kontinuierlichen Zechprellerei der Krankenkassen mit einem nach unten angepassten Leistungsangebot begegnet werden kann. Die Devise wird dann heißen: weniger Geld – weniger Termine. Denn letztlich ist klar: Das rigide Streichkonzert trägt die AOK auf dem Rücken der Patientinnen und Patienten aus, die immerhin ein Wahlrecht haben, wo sie versichert sein wollen“, so die KBV.

Zahnärzte erneuern ihre Forderungen

Direkt nach der Wahl hatten alle Standesvertretungen, Kassenverbände und Berufsvertretungen gegenüber einer künftigen Bundesregierung ihre Forderungen bekräftigt und Gesprächsbereitschaft angekündigt. Die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung hat ihre Forderungen in der „Agenda Mundgesundheit“ formuliert, mit einem starken Fokus auf Selbstverwaltung, flächendeckender Versorgung und Prävention.

Aus Sicht der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) ist es unerlässlich, dass das Thema Gesundheitspolitik, anders als im Wahlkampf, wieder verstärkt die notwendige Aufmerksamkeit erhält. Sie fokussiert in ihren Forderungen unter anderem auf die Entbürokratisierung und die Rahmenbedingungen für junge Zahnärztinnen und Zahnärzte. „100 Arbeitstage pro Jahr verbringt eine Vollzeitkraft in einer Zahnarztpraxis durchschnittlich mit der Erfüllung von Dokumentations- und Informationspflichten – eine Bürokratielast, die ebenso unnötig wie folgenreich ist. Dadurch bleibt weniger Zeit für die Patientinnen und Patienten. Wir fordern daher ein Ende der Prüfbürokratie und mehr Mut, den hochqualifizierten freien Berufen mehr Eigenverantwortung bei verschlankter Bürokratie zuzutrauen“, so die BZÄK. Zusätzlich muss die neue Bundesregierung die Rahmenbedingungen für die Niederlassung verbessern, damit sich junge Zahnärztinnen und Zahnärzte gern weiterhin selbstständig überall in Deutschland niederlassen.

Prävention stärken, Krankheitslast senken

Um die hohe Krankheitslast in Deutschland zu mindern und damit volkswirtschaftliche Kosten zu verringern, müsse der Gesetzgeber Prävention stärker in den Fokus nehmen. Es werde zu häufig vergessen: Gesundheit beginnt im Mund, eine unbehandelte Parodontitis kann Einfluss auf das Herz-Kreislauf-System nehmen und damit weitere Krankheiten, wie Diabetes oder Schlaganfälle, befördern. „Das kann sich Deutschland nicht mehr leisten“, heißt es.

Kassen: Versicherungsfremde Leistungen aus Steuergeldern finanzieren

Bei allen Krankenkassen steht die Forderung nach vollständigem Ausgleich der Kosten für versicherungsfremde Leistungen und die Versicherung von Bürgergeldempfängern ganz oben auf der Agenda. Auch die Steuerung der Patienten durch (auch von den Kassen organisierte) Leitstellen/Terminvergabeportale wird immer wieder gefordert.

Pfeiffer fordert „Ausgabenmoratorium“

Die Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbands, Dr. Doris Pfeiffer, hatte am Wochenende gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) ein „Ausgabenmoratorium“ gefordert, damit es nicht zu einem weiteren starken Anstieg der Krankenkassenbeiträge kommt: Das Moratorium müsse so lange gelten, bis durch geeignete Strukturreformen Einnahmen und Ausgaben wieder ins Gleichgewicht gebracht seien, so Pfeiffer. Allein die Übernahme der Beiträge für die Bürgergeldempfänger aus Steuermitteln würde die Kassen um jährlich zehn Milliarden Euro entlasten – rund 0,5 Beitragssatzpunkte, so Pfeiffer.

Im Beitrag auf RND heißt es dazu: „Nötig sei ein grundlegender Kurswechsel in der Gesundheitspolitik, forderte die Verbandschefin. Das Problem seien die galoppierenden Ausgaben. ‚Hier muss die Politik ran, denn zu oft müssen die Krankenkassen zu viel Geld für zu wenig Qualität bezahlen“‘, sagte sie. Die Gesundheitspolitik der vergangenen zehn Jahre habe viele Gewinner und einen Verlierer verursacht: Die Krankenhäuser hätten so viel Geld wie noch nie bekommen, die Pharmafirmen gewaltige Einnahmesteigerungen und die Ärztinnen und Ärzte überproportional gestiegene Honorare. ‚Verlierer waren die Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, die das alles durch hohe Beitragssatzsteigerungen bezahlen müssen‘, beklagte Pfeiffer.“

Gesundheitsgipfel im Kanzleramt

Der Vorstandsvorsitzende der DAK, Dr. Andreas Storm, brachte erneut einen Gesundgipfel im Bundeskanzleramt in den kommenden zwei Monaten ins Gespräch – eine Forderung, die von den Krankenkassen breit begrüßt wurde. Im Herbst 2024 hatte bereits ein Bündnis vonseiten der Leistungserbringer einen solchen Gesundheitsgipfel gefordert, damals allerdings mit Fokus auf die Gesetzgebung des Bundesgesundheitsministers Prof. Dr. Karl Lauterbach (SPD).

Lauterbach könnten sich weitere Amtszeit vorstellen

Lauterbach, bis zur Vereidigung einer neuen Regierung nur noch kommissarisch im Amt, erklärte inzwischen mehrfach, dass er sich eine weitere Amtszeit als Bundesgesundheitsminister gut vorstellen könne. Ob das realistisch sein könnte, bleibt abzuwarten. Seit Tagen wird über verschiedenste Konstellationen und Personalien gemutmaßt, bis hin zu einem „Supersozialministerium“. Unter den als potenziellen Ministerkandidaten genannten Namen taucht Lauterbach bislang allerdings nicht auf, und auch zum Sondierungsteam am Freitag gehörte er nicht – dort waren gar keine Gesundheitsexperten dabei.

Auch im Bundestag Neusortieren angesagt

Klar ist auch, dass sich im neu gewählten Bundestag auch die Gesundheitspolitik neu sortieren muss – viele gestandene Gesundheits- und Pflegeexpertinnen und -experten hatten entweder nicht mehr kandidiert oder wurden nicht wiedergewählt. Ob die Wiedergewählten dann weiter in der Gesundheitspolitik bleiben werden oder in andere Politikbereiche wechseln, ist ebenfalls offen. Einen Überblick über die Abgeordneten mit Bezug zum Gesundheitswesen hat die Ärzte Zeitung zusammengestellt. Darunter sind eine Zahnärztin (Dr. Christina Baum, AfD), ein Zahnarzt (Marlon Bröhr, CDU) und 14 Ärztinnen und Ärzte.

Dr. Marion Marschall, Berlin

Quelle: Quintessence News Politik Nachrichten

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