Wenn die Ehefrau des Praxisinhabers in der Praxis mitarbeitet, führt dies oft zu Konflikten. DH Andrea Lohrmann ist „Zahnarztfrau“ und führt die Praxis ihres Mannes Dr. med. dent. Horst Lohrmann in Berg am Starnberger See, den sie bereits in ihrer Schulzeit kennengelernt hat. Als ihr Mann 1997 die Praxis gegründet hat, arbeitete sie zunächst als ZFA in der Praxis mit. Heute ist sie Dentalhygienikerin und das Team akzeptiert sie als „Chefin“, sieht in ihr aber auch ein „Bindeglied“ zwischen Mitarbeitern und Praxisinhaber. Das war nicht immer so, „aber ich bin diplomatischer geworden und weniger impulsiv“, so Lohrmann. In nachstehendem Interview spricht sie mit Quintessence-News-Redakteurin Birgit Strunk über ihre Erfahrungen.
Welchen Bezug hatten Sie zur Zahnmedizin, bevor Sie mit Ihrem Mann die Zahnarztpraxis eröffnet haben?
Andrea Lohrmann: Während meines Soziologie-Studiums habe ich als angelernte Aushilfe in einer zahnärztlichen Praxis gejobbt, deren Inhaberin meine Eltern kannten. Außerdem habe ich meinen Mann schon sehr früh kennen gelernt und Einiges mitbekommen, was er so von seinem Zahnmedizin-Studium erzählt hat.
Diese Erfahrungen, meine Vorliebe im Kleinen zu arbeiten und eine gewisse Unzufriedenheit beziehungsweise Perspektivlosigkeit mit meinem Studiengang haben dazu geführt, dass ich mich für die Zahnmedizin entschieden habe.
Aufbau der Prophylaxeabteilung
Waren Sie vor der Praxiseröffnung bereits ZFA?
Lohrmann: Mein Mann hat im Jahre 1997 die Praxis übernommen, in der er zuvor als Assistent tätig war. Ich hatte mich im Jahr davor entschieden, mein Studium nicht fortzusetzen und daher in der oben erwähnten Praxis deutlich mehr gearbeitet.
Mein Berufswunsch Dentalhygienikerin war das neue Ziel! Also nahm ich 1996 als externe Kandidatin an der ZFA-Abschlussprüfung teil, da diese ja die Basis für alle Aufstiegsfortbildungen darstellt. So zügig wie möglich absolvierte ich dann in Stuttgart bei Herrn Prof. Einwag alle weiteren Fortbildungen (damals war das etwas anders geregelt als heute), bis ich im Jahr 2000 die Weiterbildung zur Dentalhygienikerin abschließen konnte.
Sobald ich qualifiziert genug war, habe ich in unserer Praxis die Prophylaxeabteilung aufgebaut. Der vorige Praxisinhaber hatte nur bei Kindern durch seine Assistentinnen IP-Leistungen durchführen lassen, aber keine Dentalhygiene für Erwachsene angeboten.
Sie sagen, Sie sind diplomatischer geworden und weniger impulsiv. Wie war das Verhältnis anfangs zwischen Ihnen und dem restlichen Praxisteam?
Lohrmann: Das Team und ich waren sehr jung, so Mitte 20, und es war eine neue Situation, ein eigenes Unternehmen an der Seite meines Mannes zu leiten. Im Besonderen Mitarbeiter zu haben und zu führen, war herausfordernd. Sollte ich unsere gleichaltrigen Mitarbeiterinnen duzen oder nicht? Sollte ich freundschaftlich mit ihnen umgehen oder mich eher unnahbar geben?
Heute glaube ich, dass ich mich aus dieser Unsicherheit heraus mal so und mal so verhalten habe und schwer einzuschätzen war. Ich habe mal das Du angeboten, dann war ich in meinen Ansagen wieder sehr autoritär. Damit war es für beide Seiten viel schwieriger und spannungsreicher als heute!
Verhältnis zum Praxisteam hat sich positiv entwickelt
Wodurch hat sich das Verhältnis zum Praxisteam verändert und wie ist das Verhältnis heute?
Lohrmann: Das Verhältnis zum Praxisteam hat sich meiner Meinung nach gefestigt und eher positiv entwickelt, da ich heute klar sehe: Mein Mann und ich führen zwar die Praxis, unsere Mitarbeiterinnen wollen sogar geführt werden, aber wir müssen auch jede einzelne mit ihren Belangen sehen und auf deren Bedürfnisse eingehen. Heute ist uns mehr denn je bewusst, wie sehr wir unsere Mitarbeiterinnen brauchen.
Ist es gerechtfertigt oder notwendig, treffe ich Personalentscheidungen, die mein Mann mitträgt. Wir hatten zum Beispiel einmal eine Mitarbeiterin an der Rezeption, die wirklich eine schwierige Persönlichkeit hatte, aber gute Arbeit geleistet hat. Alle Mitarbeiterinnen hatten immer wieder Stress mit ihr. Als sie sich dann auch mir gegenüber unmöglich und völlig respektlos verhielt, war innerhalb von Sekunden klar, dass sie jetzt diese Praxis verlassen muss. Am nächsten Arbeitstag nach diesem Vorfall musste sie dann ihre Sachen packen.
„Wir sind quasi alle Allrounder“
Sie bieten Ihren Mitarbeitern verschiedene Wochenarbeitszeiten und „Schichtdienst“ an. Wie sind die Zeiten bei Ihnen verteilt, und wie regeln Sie einen Personalausfall?
Lohrmann: Unsere Mitarbeiterinnen arbeiten zwischen drei und vier Tage wöchentlich für uns, obgleich die Praxis von Montag bis Freitag geöffnet ist.
Zwei Mitarbeiterinnen in der Assistenz teilen sich diesen Arbeitsbereich. Die Rezeption ist an drei Tagen von einer Mitarbeiterin besetzt. An den anderen beiden Tagen wird sie von einer Mitarbeiterin aus der Assistenz beziehungsweise von mir oder meiner direkten Kollegin bedient.
An unserem langen Arbeitstag (mittwochs von 8:30 Uhr bis 20:00) Uhr ist jeweils eine Assistentin für den Stuhl vormittags, eine andere nachmittags im wöchentlichen Wechsel da.
Am Freitag bin ich in der einen Woche im Prophylaxezimmer und meine Kollegin an der Rezeption. In der anderen Woche ist es umgekehrt.
Bei Krankheit einer Mitarbeiterin versuche ich selbst, immer einzuspringen, sei es in der Assistenz oder an der Rezeption. Allerdings sind oft auch unsere Mitarbeiterinnen bereit, mal ein oder zwei Tage extra zu kommen. Wir sind quasi alle Allrounder, können also alle das Wichtigste an in der Rezeption und am Stuhl assistieren. Das erleichtert unser System sehr!
„Es ist ein Geben und Nehmen“
Sie vergeben in Ausnahmefällen auch Termine außerhalb der Sprechstundenzeiten. Macht Ihr Team dann Überstunden?
Lohrmann: Termine außerhalb der Sprechzeiten finden vor allem bei mir im Dentalhygienebereich statt. So habe ich zum Beispiel im vergangenen November zwei Samstage gearbeitet, um den Patientenstau zum Jahresende abzufangen. Mein Mann ist dann selbstverständlich auch anwesend, beschäftigt sich aber mit ZE-Planungen und dergleichen.
Sollte mein Mann einmal extra arbeiten wollen oder müssen und dies mittelfristig bekannt sein, kommt seiner Bitte um Assistenz in der Regel eine Mitarbeiterin nach. Ansonsten helfe ich ihm.
Für dieses Entgegenkommen (Einspringen, wenn die Kollegin krank ist, extra oder länger arbeiten) können unsere Mitarbeiterinnen auch immer auf unsere Großzügigkeit zählen. Wenn ein wichtiger Termin ist, etwas mit der Familie oder den Tieren ist, können sie dafür früher gehen oder später kommen. Es ist und bleibt ein Geben und Nehmen!
„Wir haben eine klare gemeinsame Vorstellung“
Was würden Sie einer Kollegin oder einem Kollegen empfehlen, die oder der auch in der Praxis des Partners arbeitet?
Lohrmann: Ganz wichtig ist allem voran, dass die Mitarbeiterinnen wissen und spüren, dass das Paar immer in die gleiche Richtung denkt und handelt. Nicht im Kleinen (ich finde beispielsweise, dass wir den Anamnesebogen aktualisieren sollten, mein Mann findet das nicht so nötig), sondern im großen Ganzen. Wir halten immer zusammen und uns gegenseitig den Rücken frei. Wir haben eine klare gemeinsame Vorstellung davon, welche Außenwirkung unsere Praxis haben soll, und wie wir mit unseren Patienten umgehen wollen.
Dann halte ich es für wichtig, gerade als Frau unter Frauen, ein offenes Ohr zu haben für all die persönlichen Belange und Sorgen unserer Mitarbeiterinnen. Dennoch bin ich nicht fürs Duzen.
Im Idealfall ist die Frau vom Chef ein „kleiner Chef“ und gleichzeitig eine Vertrauensperson und damit auch ein Bindeglied zwischen dem derzeit noch immer meist männlichen Praxisinhaber und dem Team.