Jeder Zahnarzt kennt die ärztliche Schweigepflicht. Diese gilt nicht nur für ihn, sondern er muss auch dafür sorgen, dass seine Mitarbeiter sich daran halten. Verstößt ein Mitarbeiter dagegen, ist regelmäßig eine fristlose Kündigung angezeigt.
Mit einem solchen Fall hatte sich jetzt das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg (LAG) zu beschäftigen (Az. 12 Sa 22/16). Eine Medizinische Fachangestellte (MFA) einer großen röntgenologischen Praxis fotografierte den Bildschirm des Praxiscomputers ab, auf dem der Name und das Geburtsdatum einer Patientin und der zu untersuchende Körperbereich zu sehen war. Dieses Foto schickte sie per WhatsApp an ihre Tochter. Die Patientin war der MFA und ihrer Tochter persönlich bekannt. Die Tochter gab diese Nachricht wiederum per WhatsApp an Mitglieder eines Sportvereins weiter.
Auch ohne vorherige Abmahnung möglich
Die Praxis kündigte der MFA fristlos, ohne sie vorher abgemahnt zu haben. Diese Kündigung wurde vom LAG bestätigt. Die Gewährleistung der ärztlichen Schweigepflicht auch durch das nichtärztliche Personal sei grundlegend für das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient. Deshalb müsse der Arzt bei einem Verstoß das Vertrauen möglichst schnell wiederherstellen können. Einer Abmahnung bedürfe es nicht, da der Verstoß schwerwiegend war und die MFA in ihrem Arbeitsvertrag ausdrücklich zur Verschwiegenheit verpflichtet wurde.
Im Einzelfall Abmahnung prüfen
Allerdings kommt es in diesem Zusammenhang auf den Einzelfall an: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg (Az. 17 Sa 2200/13) hielt in einem anderen Fall eine Abmahnung für erforderlich: Dort hatte eine Krankenschwester mit einem Frühchen ein Selfie gemacht und dieses auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht. Das Frühchen war später verstorben. Dieser Verstoß wurde als weniger schlimm betrachtet, da aufgrund des Bildes kein Bezug zum Arbeitgeber herzustellen sei.
Zahnarzt sollte schnell reagieren
Jeder Zahnarzt sollte daher im Arbeitsvertrag ausdrücklich auf die Schweigepflicht hinweisen. Sollte es zu Verstößen kommen, sollte er schnell scharfe arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreifen. Zu der Frage, ob vor einer fristlosen Kündigung eine Abmahnung erforderlich ist, sollte er anwaltlichen Rat einholen.
Dr. Wieland Schinnenburg, Hamburg
Vita
Dr. Wieland Schinnenburg studierte Zahnmedizin und Jura und war bis Ende 2017 als Zahnarzt in eigener Praxis in Schleswig-Holstein tätig. Parallel arbeitete er als Rechtsanwalt und Mediator in Hamburg und ist in diesem Bereich weiter aktiv. Schinnenburg ist FDP-Mitglied und war unter anderem Vizepräsident der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit der Bundestagswahl 2017 ist er Mitglied des Deutschen Bundestags. Er ist Mitglied des Gesundheits- und des Rechtsausschusses und Drogenpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion. Foto: Burgis Wehry/Schinnenburg