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Marina Pommée: Fehler und Lösungen aus CIRS sind ein guter Impuls für das praxiseigene Qualitätsmanagement

(c) Roman Samborskyi/Shutterstock.com

Die konstruktivste Möglichkeit, aus einem Fehler zu lernen, besteht darin, den Fehler nicht selbst machen zu müssen. Diese Erkenntnis entstammt einer Bewegung, die sich „Patientensicherheit“ nennt. Sie formierte sich Ende des vergangenen Jahrtausends in Amerika und auch Organisationen in Deutschland erkannten Anfang der 2000er-Jahre die Dringlichkeit, die Fehlerkultur im Gesundheitswesen zu fördern. Und so fand vor einigen Jahren das Thema Fehler- und Risikomanagement Eingang in die QM-Richtlinie, die für Arzt- und Zahnarztpraxen gleichermaßen gilt.

Fehler und Lösungen anderer ansehen

Marina Pommée
Marina Pommée
Privat

Eine Möglichkeit, aus einem Fehler zu lernen, besteht darin, den Fehler selbst zu machen. Das kann schmerzhaft ausgehen und oft hört man danach den Satz „Das passiert mir nie wieder!“

Weniger schmerzhaft ist es, aus den Fehlern anderer zu lernen. Doch wie geht das am besten? Indem man sich die Fehler und insbesondere die Lösungen anderer ansieht, sich fragt, ob sie für das eigene Arbeitsumfeld relevant sind und sich Vorbeugemaßnahmen abguckt. Es geht also um das Teilen von Wissen, um Fehler zu vermeiden und damit die Patientensicherheit zu erhöhen.

Wenn die Umstände in der Praxis Fehler zulassen

Die stetige Optimierung von Arbeitsprozessen kommt nicht nur den Patientinnen und Patienten zugute, auch die Kolleginnen und Kollegen profitieren davon. Dies führt zu einer besseren Identifikation mit der Praxis und im besten Fall zu weniger Fluktuation, insbesondere, wenn alle im Team aktiv beteiligt sind und sich einbringen können.

Eine wichtige Voraussetzung für eine positive Fehlerkultur ist die Übereinkunft aller Teammitglieder, dass wir in den meisten Fällen deshalb Fehler machen, weil es die Umstände in der Praxis zulassen. Und jeder Fehler, der einer Kollegin passiert, hätte genauso gut einem anderen geschehen können.

CIRS – „Datenbank oder Sammlung für Fehler und kritische Ereignisse“

Berichts- und Lernsysteme werden auch CIRS genannt (Critical Incident Reporting System).

Synonyme zu Berichts- und Lernsystemen sind neben CIRS auch Fehlermeldesystem, Berichtssystem und Fehlerberichtssystem. Die Begriffe sind unterschiedlich, sie meinen aber alle das Gleiche: Ein System, in dem anonym Fehler berichtet und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden können. Das Ziel ist immer, gemeinsam aus diesen Fehlern zu lernen.

Fälle werden mit weiteren Hinweisen versehen

Generell können diese Systeme als Datenbank oder Sammlung für Fehler und kritische Ereignisse angesehen werden. Sie sind aber weit mehr: Denn dort sind nicht nur anonym Fälle aus Zahn-/Arztpraxen (oder aus Krankenhäusern, dem Rettungsdiensten, Pflegeheimen) hinterlegt, die Fälle sind im Idealfall schon von den Berichtenden mit Maßnahmen zu deren Vermeidung beschrieben. Zusätzlich wird der Fall von einem Analyseteam kommentiert und mit weiteren Hinweisen versehen.

Miteinander statt gegeneinander

CIRS bieten daher die Chance, aus den Fehlern anderer zu lernen. Fallberichte im Allgemeinen und Lösungsvorschläge der Analyseexperten im Speziellen sind nützlich, um nicht den gleichen Fehler in der eigenen Zahn-/Arztpraxis zu wiederholen. Miteinander statt gegeneinander ist hier das Zauberwort.

Frei zugängliche Berichts- und Lernsysteme

Im Internet stehen mehrere frei zugängliche Berichts- und Lernsysteme zur Verfügung. Frei zugänglich bedeutet, dass keine Benutzerkennung benötigt wird und das System für alle nutzbar ist. Eine weitere Voraussetzung ist die Anonymität.

CIRSmedical war zunächst Teil der gemeinsamen Qualitätssicherungsmaßnahmen der Bundesärztekammer (BÄK) und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Seit Juli 2020 wird die Plattform durch die BÄK organisiert. Sie enthält die bisher größte Anzahl an Fällen. Mittlerweile sind dort mehr als 10.000 Fehlerberichte enthalten. Die meisten Berichte stammen zwar aus dem stationären Sektor, aber auch der ambulante Bereich ist vertreten.

CIRS-NRW ist regional verankert und richtet sich sektorenübergreifend an alle Tätigen in Kliniken, Arzt- und Psychotherapiepraxen, Apotheken, Pflegeheimen oder in Rettungsdiensten in NRW.

Jeder-Fehler-zählt spricht hauptsächlich diejenigen in der hausärztlichen Versorgung an und bietet darüber hinaus in einer extra Kategorie Tipps zur Fehlervermeidung, die sich auf besonders fehleranfällige Bereiche beziehen, zum Beispiel Laborbefunde oder Medikationsfehler.

CIRS Health Care hat unter anderem spezielle Themenschwerpunkte, wie zum Beispiel Sepsis oder Covid-19.

Ausnahme: Cirs dent

Auch die Zahnärzteschaft hat ihr eigenes Berichts- und Lernsystem. CIRS dent –Jeder Zahn zählt wird von der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung betrieben.

Im Unterschied zu den vorher genannten Systemen ist diese Plattform jedoch nicht für alle frei zugänglich. Es werden Login-Daten benötigt, um Fehlerberichte sehen oder einstellen zu können. Einen Registrierungsschlüssel können ausschließlich Vertragszahnärztinnen und -ärzte per E-Mail beantragen (Informationen dazu finden sich auf der Plattform).

Wer kann was berichten?

Die kurze Antwort lautet: Alle alles. Jede und jeder kann in einem Berichts- und Lernsystem Situationen, die die Patientensicherheit gefährdet haben oder hätten gefährden können, berichten.

Dies ist aus verschiedenen Bereichen des Praxisalltags denkbar, zum Beispiel im Rahmen der Behandlung, sei es mit direkter oder indirekter Beteiligung der Patientinnen und Patienten, bei der Medizinprodukteaufbereitung oder bei organisatorischen Abläufen, die den Praxisablauf durcheinanderwirbeln.

Aber auch kritische Ereignisse im Sinne von Notfallsituationen, die sofortiges Handeln erforderlich machen, wie zum Beispiel ein anaphylaktischer Schock oder plötzlich auftretende starke Blutungen, können berichtet werden.

Andere von eigenen Fehlern lernen lassen

In den meisten Fällen verläuft zwar alles nach Plan, aber manchmal passieren eben Dinge, die nicht hätten passieren sollen und die, unter anderen Umständen, hätten vermieden werden können. Wer andere von solchen Fällen lernen lässt, leistet aktiv einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Patientensicherheit. Und mal ehrlich: Wer will das nicht?

Und warum? Letztendlich entscheidet jede und jeder selbst, ob ein Fall berichtenswert ist, denn es besteht keine Pflicht, Fehler in ein CIRS zu melden. Situationen, die den sprichwörtlichen Rattenschwanz an Arbeit nach sich ziehen, kennen sicherlich alle. Suchen (Akten, Material, Telefonnummern, Patienten), Warten (auf Rückrufe, Antworten von Kolleginnen und Kollegen oder Chefinnen beziehungsweise Chefs), viele und lange Wege müssen nicht einfach hingenommen werden, sondern können aktiv angegangen werden, um sie zu verbessern. Manchmal braucht es dafür nur einen kleinen Anstupser.

Nicht selten: Ver-Fehler?

Ver-Fehler sind typische Fehler, die etwas mit Verhören, Verschreiben, Verwechseln, Verlesen oder Vergreifen (und manchmal auch mit Vergessen) zu tun haben. Für diese „Human Factors“ braucht es Barrieren, und zwar bessere als „einfach beim nächsten Mal besser aufpassen“.

Von anderen Branchen lernen

Es gibt Beispiele aus anderen Branchen, zum Beispiel dem Bankenwesen. Früher kamen, nachdem man PIN und gewünschten Geldbetrag eingegeben hatte, zuerst das Geld und danach die Karte zurück aus dem Automaten. Um das Vergessen der Karte zu verhindern (oder mindestens das Risiko dessen zu minimieren) wurde dieser Prozess technisch insofern umgestellt, dass mittlerweile zuerst die Karte und erst dann das Geld ausgegeben werden. Ein „besser aufpassen“ ist also nicht notwendig, das System sorgt dafür, dass ich es richtig mache.

Eine Bodenwelle als Stolperfalle auf dem Weg ins Wartezimmer? Natürlich kann man ein Schild aufstellen oder man macht es gleich effektiv und lässt sie entfernen. Anregungen aus einem frei zugänglichen CIRS können unterstützen, Lösungswege zu identifizieren.

Impuls für das Qualitätsmanagement

Fehler und Lösungen aus einem Berichts- und Lernsystem sind ein guter Impuls für das praxiseigene Qualitätsmanagement, denn damit können die Prozesse in der Praxis so gestaltet werden, dass die (von anderen) berichteten Fehler in der eigenen Praxis so nicht passieren. Und wenn unerwünschte Ereignisse in der Praxis durch eine sichere Regelung entschärft werden, können andere Praxen davon profitieren. Die Systeme leben vom Geben (Wie können andere von mir lernen?) und Nehmen (Wie kann ich von anderen lernen?).

Sharing is caring – Teilen ist Fürsorge.

Marina Pommée, Abteilungsleiterin Patientensicherheit der KV Westfalen-Lippe

Auch die Referatsleiter des Verbands medizinischer Fachberufe e.V. haben sich in Praxisnah 1+2/24 zum Fehlermanagement geäußert.

Quelle: Praxisnah1+2/24 Praxisführung Team

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