Robert Ganley gehört zu den interessantesten Persönlichkeiten in der internationalen Dentalwelt. Er wird geschätzt für seine Marktkenntnis und seine Fähigkeit, Trends und Entwicklungen der Zukunft zu erkennen – nicht nur in Produkten, sondern auch in Chancen für Zahnärzten und Zahntechniker. Was ihn auszeichnet, sind auch seine Empathie und sein Interesse für Menschen. Diverse Auszeichnungen machen das immer wieder deutlich. Im Gespräch mit Dr. Aneta Pecanov-Schröder, Bonn, für Quintessence News, gibt Robert Ganley Auskunft über diesen ganz besonderen Markt.
Sie haben wirklich schon viele IDS-Messen miterlebt – welches sind aus Ihrer Sicht die dentalen Megatrends, die auf der IDS 2019 sichtbar wurden?
Robert Ganley: Ein Megatrend ist sicherlich der anhaltende Erfolg der IDS – die Dentalmesse wird immer grösser und gleichzeitig noch erfolgreicher und attraktiver. Einen weiteren Megatrend sehe ich in der Kommunikation: auf der einen Seite das zwischenmenschliche Gespräch, und auf der anderen die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine oder sogar die Kommunikation zwischen Maschinen.
An der Pressekonferenz von Ivoclar Vivadent haben Sie betont, dass Ihnen eine Balance zwischen Mensch und Technologie wichtig ist. Wie will Ihr Unternehmen das erreichen? Was würden Sie für die Zukunft empfehlen?
Ganley: Ja, das Verhältnis zwischen Mensch und Technologie soll ausgewogen sein. Das ist von grosser Bedeutung. Die Macht des "Mausklicks" ist uns ebenso bewusst, wie der Wert der "Berührung". Beides muss eine Symbiose ergeben. Als Unternehmen sind wir bestrebt, Zahnärzten und Dentallabors die bestmöglichen Technologien zur Verfügung zu stellen und sie mit leistungsstarken Produkten zu versorgen, die eine hohe Produktivität ermöglichen und gleichzeitig auch den ästhetischen Ansprüchen genügen – unterstützt durch eine optimale Schulung. Ausgewogenheit ist also gefordert. Genau diese Ausgewogenheit versuchen wir in unserem Unternehmen und in unseren Produkten umzusetzen.
Die Digitalisierung ist heute ein Megatrend in der Zahnheilkunde. In Deutschland arbeiten nur 15 Prozent der Zahnärzte mit digitalen Abformungen, während die Zahntechniker sehr viel vertrauter mit der Scan-Technologie sind. Warum gibt es diese Diskrepanz?
Ganley: Ich denke, dass der Nutzen der digitalen Technologien für das Labor schneller ersichtlich war als für die Praxis und dass sie deshalb früher investiert haben. Digitale Technologien verschaffen Dentallaboren klare Vorteile, und es ist für sie auch positiv, wenn Zahnärzte in Intraoralscanner investieren. Ein Scan der Mundsituation ist in wenigen Sekunden beim Techniker auf dem Bildschirm. Sauber, verständlich und leicht handelbar. Das ist insgesamt viel angenehmer als eine analoge Abformung zu erhalten, die aus dem Mund des Patienten kommt und zuerst desinfiziert werden muss – ein aufwendiges Prozedere, wie jeder weiss, der schon einmal in einem Dentallabor war. Ich bin auch der Überzeugung, dass der Bereich Intraoral-Scanner sehr schnell wachsen wird, weil die Vorteile der Technologie einfach auf der Hand liegen.
Erwarten Sie eine klare Kehrtwende in den nächsten fünf Jahren?
Ganley: Neue Technologien haben in der Vergangenheit immer etwas Zeit gebraucht, bis sie Eingang in die Zahnarztpraxen gefunden haben. Der Nutzen musste messbar sein. Am schnellsten wurde die digitale Radiografie akzeptiert, aber da gab es auch keine große Wahlmöglichkeit, weil die analoge Technologie durch die digitale ersetzt wurde.
Die Scan-Technologie hat heute weltweit eine Verbreitung von etwa 10 Prozent. Ich schätze, dass dieser Prozentsatz sich innerhalb der nächsten zwei Jahre beträchtlich erhöhen wird. Befreundeten Zahnärzten rate ich schon lange, auf die Scan-Technologie umzusteigen. Denn eigentlich ist es eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten, wenn anstelle von analogen Daten digitale Daten übermittelt werden können – für die Praxis, für das Dentallabor und für die Patienten.
„Wir sind ein Unternehmen, das von Innovation lebt“
Im Markt sind Konsolidierungstendenzen beobachtbar. Wie steht Ivoclar Vivadent zu diesem Konsolidierungsprozess?
Ganley: Die Frage nach der „kritischen Größe“ haben wir uns in der Vergangenheit oft gestellt. Ob wir groß genug sind, um konkurrenzfähig zu sein. Das ist heute kein Thema mehr. Es gibt eine Größe, die ausreicht, um mit dem Handel zu arbeiten und die es erlaubt, die notwendigen Investitionen in die Entwicklung von neuen Produkten und Technologien zu tätigen.
Wir glauben, dass heute Geschwindigkeit für den Unternehmenserfolg entscheidender ist – die Geschwindigkeit des Denkens, der Entscheidungsfindung, der Geschäftsprozesse und Produktionsverfahren. Schnell überlegen, verstehen, entscheiden und handeln zu können, ist wichtiger als Größe. Ivoclar Vivadent ist ein Familienunternehmen. Wir investieren sehr viel in Forschung und Entwicklung. Wir sind ein Unternehmen, das von Innovation lebt, das ist sicher.
Wir gehören zu den zehn wichtigsten Dentalunternehmen der Welt, und wir sind davon überzeugt, dass wir einer der zwei Top-Innovatoren der Branche sind, gemessen an der Einführung von Neuprodukten und der Wertschöpfung, die beim Kunden generiert werden kann. All unsere Produkte müssen einen definierten Qualitätsstandard aufweisen, bevor wir sie auf den Markt bringen. Und mit dieser hohen Qualität der Innovationen sorgen wir dafür, dass sich Zahnärzten und Dentallaboren ganz neue Möglichkeiten eröffnen.
Welches sind die größten Herausforderungen, die auf Ivoclar Vivadent als Familienunternehmen in den nächsten fünf Jahren zukommen?
Ganley: Eine der großen Herausforderungen war immer, eine klare Vision zu haben: zu erkennen, welches die Trends sind, in welche Richtung wir gehen sollen. Wir agieren in einer Branche, die hart umkämpft ist und sich schnell verändert.
Das zweite, was Sie als Medizinproduktehersteller in der Gesundheitsbranche benötigen, sind kompetente Analysen, präzise Vorhersagen und Echtzeitmessungen. Das wird zukünftig eine wachsende Herausforderung in dieser Industrie sein. Um die eigenen Strategien umzusetzen, versucht man, die besten Mitarbeitenden zu bekommen und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass diese besten Mitarbeitenden erfolgreich zusammenarbeiten und das beste Team bilden.
Und schließlich noch etwas Wichtiges: Sie müssen in der Lage und willens sein, den Kunden zu verstehen. Kunden und ihre Denkweisen sind Veränderungen unterworfen. Sie müssen im permanenten Austausch stehen, aktiv zuhören und verstehen, was den Kunden wirklich wichtig ist.
Wir geben sehr viel Geld aus im Bereich Datenerfassung und Studien, aber an einem Messestand wie an der IDS kommunizieren wir mehr, das ist mir sehr wichtig. Wenn ich am IDS-Stand bin und Zeit mit Zahnärzten und Zahntechnikern verbringe, kann ich Fragen stellen wie: Wie läuft das Geschäft und welche Herausforderungen kommen in den nächsten fünf Jahren auf Sie zu? Welche möglichen Lösungen sehen Sie? Was kann Ivoclar Vivadent tun? Was ist gut an Ivoclar Vivadent, was nicht? Und wenn Ihnen etwas nicht gefällt, was können wir besser machen?
Welche Antwort bekommen Sie da?
Ganley: Zahnärzte wollen Produkte, die einfacher, schneller und besser sind. Sie wollen Effizienz. Und sie wollen Ästhetik. Das Wichtigste ist heute, hochwertigen Zahnersatz zu liefern, der kosteneffizient realisiert werden kann.
Wir sehen eine Konsolidierung im Bereich der Zahnarztpraxen. Zahnärzte fragen sich, was passiert mit meiner Praxis? Wie kann meine Praxis erfolgreicher werden?
Zahnärzte wollen alles über neue Technologien wissen. Sie erwerben sie sich Wissen durch Fortbildungskurse, aber auch durch Informationen von Herstellern. Ivoclar Vivadent investiert sehr viel, um Zahnärzten – und auch Zahntechnikern – Weiterbildungsmöglichkeiten auf höchstem Niveau anzubieten.
„Für mich ist heute eine sehr gute Zeit für die Dentalbranche“
Auf der IDS habe ich erfahren, dass es eine Zusammenarbeit zwischen Ivoclar Vivadent und Amann Girrbach gibt. Was ist der Zweck dieser Partnerschaft?
Ganley: Es gibt viele Hersteller von CAD/CAM-Fräsgeräten, denen es wichtig ist, dass unsere e.max-Blöcke und Scheiben mit ihren Geräten verarbeitet werden können. Amann Girrbach ist einer davon. Es ist nicht so einfach, dem zuzustimmen, denn wir müssen sicherstellen, dass die Fräsmaschine unsere Rohlinge problemlos verarbeiten kann. In der Regel werden viele Tests durchgeführt – wir nennen das Validierung –, bis wir einer Kooperation zustimmen. Dass wir diese Partnerschaft nun realisieren konnten, freut uns natürlich sehr, weil unsere Kunden davon profitieren.
Sie haben fast 40 Jahre lang für Ivoclar Vivadent gearbeitet. Sagen Sie uns, was ist so besonders am Dentalmarkt, und was ist so besonders an Ivoclar Vivadent?
Ganley: Für mich ist heute eine sehr gute Zeit für die Dentalbranche: Die Menschen wissen, wie wichtig eine gute Mundgesundheit ist und was dafür getan werden muss. Und immer mehr Menschen schätzen die Vorteile von qualitativ hochwertigem Zahnersatz sowie einem ästhetischen Aussehen.
Heute gehen Patienten zum Zahnarzt, nehmen ihr Smartphone heraus, betrachten sich, machen ein Foto und schicken es an ihre Freunde – „Schaut Euch mein Lächeln an!“ – das werden wir in Zukunft noch häufiger sehen. Die Unternehmen der Dentalbranche wissen das und arbeiten daran, noch bessere Lösungen bereitzustellen.
Ich habe in meinen Jahren bei Ivoclar Vivadent immer versucht, das Beste für das Unternehmen zu tun – indem ich eine klare Vision vorgab, bestrebt war, die besten Leute zu finden und die besten Teams zu schaffen. Zu den besten Leuten gehört auch Diego Gabathuler, mein Nachfolger. Er stellt gerade sein eigenes Team zusammen und rekrutiert qualifizierte Mitarbeiter. Damit wird Ivoclar Vivadent auch in Zukunft erfolgreich seinen Weg gehen.
english version: "New technologies need to translate into clear value"