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Interview mit Markus Heinz, CEO der Ivoclar Gruppe, über die aktuelle Entwicklung des Unternehmens

(c) Ivoclar Vivadent AG

Im vergangenen Jahr feierte die Ivoclar Gruppe mit Hauptsitz in Schaan ihr hundertjähriges Jubiläum. Im März 2024 meldete das Unternehmen ein solides Geschäftsjahr mit positiven Ergebnissen, kündigte zugleich aber eine Reorganisation und auch Entlassungen an. Im Gespräch mit Quintessence-News-Chefredakteurin Dr. Marion Marschall berichtet Markus Heinz, seit 23. März 2023 CEO des Unternehmens, über Marktsituation, Reorganisation, Workflows, Kundenbeziehungen und die besondere Kultur des immer noch familiengeführten, international aktiven Unternehmens.
 

2023 war für Ivoclar mit dem 100. Geburtstag ein ganz besonderes Jahr in der Firmengeschichte. Wie haben Sie dieses Jahr erlebt und welche Wirkung hat es im Markt und bei den Kunden, aber auch im Unternehmen selbst gehabt?

Markus Heinz: 2023 war wirklich ein ganz besonderes, unvergessliches Jahr für Ivoclar. Ich bin seit 40 Jahren in diesem Unternehmen tätig und war im vergangenen Jahr als neuer CEO auch bei vielen unserer Kundinnen und Kunden. Diese 100 Jahre schaffen bei ihnen eine sehr große Vertrauensbasis – und im Unternehmen selbst ein sehr großes Zusammengehörigkeitsgefühl. Mit ein Grund dafür ist sicher auch, dass Ivoclar nach wie vor ein familiengeführtes Unternehmen ist und die Familie sich mit großer Verantwortung für die Mitarbeitenden, für die Kundinnen und Kunden sowie für die Zukunft des Unternehmens engagiert.

Gerade in den Gesprächen mit Kundinnen und Kunden erfahren wir immer wieder, dass dieses Zusammengehörigkeitsgefühl auch auf sie ausstrahlt. Und sie wollen mit uns über die Zukunft sprechen, weil sie Ivoclar als ein innovatives, zukunftsorientiertes Unternehmen kennen und wahrnehmen. Uns verbindet mehr als nur die Geschäftsbeziehungen.

Das macht alle Mitarbeitenden auch stolz. Diesen Stolz haben wir im Jubiläumsjahr und darüber hinaus gefühlt, bei unseren Feiern, nicht nur in Schaan. Dafür ist auch das Engagement der Familie ein ganz wichtiger Faktor, die Unternehmenskultur. Das kann man nicht kopieren. Wir haben das Jubiläum ganz bewusst vor allem für und mit unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gefeiert. Sie machen den Unterschied – unsere Produkte machen den Rest.


Nun ist ein Jubiläum das eine, die weitere Unternehmensentwicklung das andere. Wie hat sich 2023 für Ivoclar wirtschaftlich in den Märkten und Produktbereichen dargestellt?

Heinz: Trotz der weltweit schwierigen Rahmenbedingungen war 2023 für die Ivoclar Gruppe mit einem Wachstum von insgesamt 4 Prozent ein solides Geschäftsjahr. Wir haben im Markt fast überall in unseren Kernkompetenzen ein Wachstum von mindestens 2 bis 3 Prozent erreicht.

Allerdings trüben der starke Schweizer Franken und die deutlich gestiegenen Kosten von Rohstoffen bis Energie etc. das Ergebnis. Dieses Kostenproblem wird bleiben. Wir müssen daher jetzt die Weichen stellen und die Zukunft gestalten. Deshalb haben uns Anfang März dieses Jahres entschieden, zu konsolidieren und zu reorganisieren. Wir prüfen unsere Strategien und richten uns in allen Bereichen auf die neuen Herausforderungen aus, um auch weiterhin innovativ und erfolgreich sein zu können.

Dazu gehört leider auch, dass wir Personal reduzieren mussten – aber sorgfältig erarbeitet, begründet und sozial begleitet.

„Die gesamte geopolitische Situation hat sich geändert“

Wie weit sind die Folgen der Corona-Pandemie noch spürbar und welche Rolle spielen globale Risiken wie der Ukraine-Krieg und regulatorische Anforderungen wie die europäische Medical Device Regulation für den Geschäftserfolg?

Heinz: Die gesamte geopolitische Situation hat sich verändert, das bleibt nicht ohne Folgen. Die gestiegenen Energie- und Rohstoffpreise hatte ich schon genannt. Aber auch Handelswege sind betroffen.

Und natürlich belasten uns all die regulatorischen Auflagen – zum Beispiel durch die Medical Device Regulation. Das bindet viele Kapazitäten. Gerade auch für kleine Unternehmen in der Branche bedeutet dies einen riesigen Aufwand. Neue Produkte auf dem Markt zu platzieren, wird damit komplexer.
 

Welche Rolle spielt der deutsche Markt für Ivoclar?

Heinz: Der deutsche Markt ist und bleibt einer der wichtigsten Märkte für uns und ist mit Abstand der größte Markt in Europa. Deutschland war unsere erste Zweigniederlassung, wir haben hier eine breite und treue Kundschaft, die sehr qualitätsbewusst, aber auch offen für Innovationen ist und sich hier auch aktiv einbringt. Mit unserem neuen Globalen Distributionszentrum in Ellwangen haben wir den Markt und den Standort gestärkt. Deutschland ist zudem der einzige Markt weltweit, in dem der zahnärztliche und der zahntechnische Bereich gleich stark sind.
 

Welche Bereiche werden von der Reorganisation betroffen sein?

Heinz: Reorganisation heißt weder, dass wir irgendwelche Bereiche reduzieren oder gar schließen, noch dass wir unstrukturiert überall kürzen. Ganz im Gegenteil: Wir werden weiter in die Kerngeschäftsbereiche stark investieren, um Innovationen zu fördern und den Reifegrad der Materialien und des Equipments zu erhöhen.

„Prävention ist essenziell. Wir werden daher hier vermehrt investieren und neue Workflows und Produkte entwickeln.“
„Prävention ist essenziell. Wir werden daher hier vermehrt investieren und neue Workflows und Produkte entwickeln.“
Foto: Ivoclar Vivadent AG
Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden helfen, erfolgreich zu sein – inbesondere durch unsere immer besser abgestimmten Workflows. Dafür brauchen sie und wir stabile Prozesse und ein hohes Servicelevel. Und dafür brauchen wir qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Das ist eines der ganz großen Themen für jedes Unternehmen heute. Wir haben hier in den vergangenen Jahren Initiativen und Prozesse gestartet, mit denen wir qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in allen Bereichen gewinnen und im Unternehmen halten können. Das setzen wir fort.

Ich war viele Jahre bei Ivoclar in Organisationsprozesse in der Produktion eingebunden. Wir haben für neue Produkte neue Fertigungsstrecken entwickelt. Hier gehört Reorganisation immer dazu. Prozesse können optimiert, mit neuer Technologie vereinfacht, kosten- oder energieeffizienter etc. gemacht werden. Wir müssen unsere Prozesse, unsere Workflows und auch den Arbeitseinsatz effektiver machen. Es geht darum, knappe Ressourcen, Technik, Fachkräfte, Energie besser einzusetzen, um auch in Zukunft innovativ, wettbewerbsfähig und servicestark zu sein.
 

3-D-Druck, neue Werkstoffe, Aligner, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz – Welche Trends und Entwicklungen im Dentalmarkt, aber auch darüber hinaus, sind für Ivoclar derzeit besonders wichtig und interessant?

Heinz: Neben all den technischen Innovationen und der Digitalisierung, über die immer geredet wird, ist „Prevention and Care“ ein oft weniger beachtetes Thema. Aber Prävention ist essenziell. Wir werden daher hier vermehrt investieren und neue Workflows und Produkte entwickeln. Es wird viel über Zahnärztinnen und Zahnärzte sowie Zahntechnikerinnen und -techniker gesprochen. Jedoch nehmen auch Prophylaxefachkräfte und Dentalhygienikerinnen und -hygieniker eine wichtige Rolle ein. Das soll sich neben unserem Produktportfolio vermehrt auch in unserem Schulungsangebot spiegeln.

Natürlich sind auch „technische“ Themen wie der 3-D-Druck zentral. Hier haben wir Partnerschaften mit weiteren Herstellern geschlossen beziehungsweise erweitert, so mit SprintRay und Exocad. Der Einsatz von künstlicher Intelligenz wird Prozesse einfacher machen, das ist vor allem bei der eingesetzten Software in unseren Geräten und im Design wichtig.

Grundsätzlich ist für uns alles wichtig und interessant, was mit Workflows zusammenhängt – was sie einfacher macht, die Qualität und das Ergebnis verbessert. Unsere Spezialistinnen und Spezialisten arbeiten in interdisziplinären und länderübergreifenden Teams an all diesen Themen. Im nächsten Jahr dürfen Sie einiges erwarten an Innovationen in unseren Workflows. Für uns ist und bleibt Innovation die Basis für den Erfolg.

„Man vertraut uns und unserer Kompetenz“

Sie sagten es schon: Ivoclar setzt seit einigen Jahren nicht mehr darauf, einzelne Produkte in den Fokus zu stellen, sondern folgt dem Workflow-Gedanken in Praxis und Labor. Wie kommt diese Workflow-Orientierung bei den Kundinnen und Kunden an?

Heinz: Ivoclar steht für bewährte, langlebige und hoch ästhetische Versorgungen – ganz gleich, ob in der Praxis oder im Labor. Dahinter stehen oft komplexe Abläufe und Arbeitsschritte. Unsere Workflows sollen helfen, diese Abläufe zu vereinfachen, die hohe Qualität sicher und reproduzierbar zu erreichen. Wir wollen unsere Kundinnen und Kunden damit unterstützen. Daher schauen wir: Wie ist die Situation, wo gibt es Probleme, wie können wir helfen und diese Probleme lösen? Das wird geschätzt – man vertraut uns und unserer Kompetenz.

Wir sind im Kern eine Materialherstellerin, das werden wir weiterhin bleiben. Aber wir haben immer ganzheitliche Systeme angeboten – Keramiken und Öfen, Befestigungssysteme etc. Wir werden weiterhin Innovationen bei Materialien auf den Markt bringen und diese werden weiterhin in Workflows eingebettet sein – ein Beispiel hierfür ist unser Workflow der direkten Füllungstherapie auf Zahnarzt-Seite. Hier war es uns möglich durch einen ideal aufeinander abgestimmten Workflow die Effizienz beim Legen einer Seitenzahnfüllung deutlich zu steigern und so den Zeitaufwand erheblich zu reduzieren.
 

Welche neuen Workflows oder Workflow-Erweiterungen stehen aktuell auf der Agenda?

Heinz: Unsere Teams in Forschung und Entwicklung sind kontinuierlich in engem Austausch mit unserem Produktmanagement, unserem Kundenservice, unseren Key Opinion Leadern, aber auch mit unseren Partnern. So bekommen wir viele Impulse für das Optimieren von Workflows und Produkten. Wir schätzen diese Zusammenarbeit mit unseren Kundinnen und Kunden sowie Partnern und werden die Kooperationen mit Unternehmen und Dienstleistern noch ausweiten.

Für uns ist es wichtig, dass es für Kundinnen und Kunden und letztlich für Patientinnen und Patienten Vorteile bringt. Stichwort „digital“: Das reicht heute nicht mehr, um ein Produkt erfolgreich zu platzieren. Es muss weitere Vorteile bringen. Das gilt für analog wie für digital.
 

Gerade in der Zahntechnik hat Ivoclar in Deutschland nach wie vor eine starke Position – international geht der Trend aber vielfach zum Praxislabor und zur Chairside-Fertigung von Zahnersatz. Wie wichtig sind beide Parts – das gewerbliche Dentallabor und die Praxis – für Ivoclar, und wie werden Sie diesen doppelten Anforderungen gerecht?

Heinz: Ja, das ist extrem von der jeweiligen Region abhängig, ob Chairside, Praxislabor oder gewerbliches Labor im Fokus stehen. Für alle Bereiche gibt es Kundensegmente, und die Grenzen werden fließender. Im Augenblick ist das Thema Design für viele Anwender wichtig, weil es vergleichsweise viel Zeitaufwand erfordert. Jeder Bereich hat eigene Anforderungen, nicht alle Workflows und Produkte sind überall sinnvoll. Für uns ist wichtig, dass Praxis, Praxislabor und gewerbliches Labor mit unseren Workflows und Produkten effizient arbeiten können – und nicht zuletzt gut zusammenarbeiten können.

Ein aktueller Trend ist, dass die Praxen scannen und die Daten dann an ein Labor zur weiteren Bearbeitung senden. Das Labor hat die größere Bandbreite an Design- und Fertigungstechniken zur Verfügung und kann damit oft effizienter sein. Gerade in dieser Zusammenarbeit können Zahnärztinnen und -ärzte sowie Zahntechnikerinnen und -techniker sehr effizient und gut ihre Patientinnen und Patienten versorgen. Ich habe mit vielen Expertinnen und Experten darüber gesprochen – alle sind überzeugt davon, dass diese flexiblen Workflows bleiben werden. Darauf richten wir uns aus, zum Beispiel auch über die angesprochenen Partnerschaften.

„Wir werden weiter in Beratungsangebote investieren“

Ihr Vorgänger hatte unter anderem eine Kundenservice-Offensive mit vielen Facetten gestartet – bis hin zur individuellen Beratung von Dentallaboren. Wie sind die Erfahrungen und die Wirkung dieser Offensive sowohl bei den Kundinnen und Kunden als auch im Unternehmen selbst?

Heinz: Ich war in diesen über mehrere Jahre laufenden Prozess sehr eng eingebunden und habe das mit umgesetzt. Der Erfolg bei den Kundinnen und Kunden zeigt uns, dass dieser Weg richtig war und ist. Wir haben komplexe Workflows und Produkte, die entsprechenden Service benötigen. Hier müssen wir unsere Angebote von Kundeninformation bis Fortbildung immer wieder an die Bedürfnisse anpassen.

Gerade mit der von Ihnen angesprochenen individuellen Beratung der Dentallabore haben wir einen Nerv getroffen – das Feedback ist überaus positiv. Wir können unseren Kundinnen und Kunden in den Laboren mit unserer Erfahrung, unseren Produkten und unseren Workflows helfen, noch erfolgreicher zu sein. Daher werden wir weiter in den Kundenservice und ähnliche Angebote investieren.
 

Sie blicken jetzt auf mehr als ein Jahr als CEO von Ivoclar zurück – was waren für Sie die größten Herausforderungen, vielleicht auch die größten positiven wie negativen Überraschungen?

Heinz: Eine Herausforderung für jeden, der die Aufgabe eines CEO übernimmt – gerade in einem Unternehmen wie Ivoclar mit großen Vorbildern in dieser Rolle –, ist es, die weitere Entwicklung des Unternehmens festzulegen und die Entscheidungen dafür zu treffen. Wir bewegen uns in einem komplexen Umfeld, wie wir auch in diesem Gespräch gesehen haben.

Mir war es in meinem ersten Jahr als CEO daher auch sehr wichtig, rauszugehen, in alle Regionen zu reisen, mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Partnern zu sprechen. Ich habe so erleben können, welch großes Potenzial wir allein im Unternehmen selbst schon haben. Aber auch, wie hoch die Komplexität ist.

Auch der Austausch mit Kundinnen und Kunden sowie Key-Opinion-Leadern war und ist sehr wertvoll. Diese Begegnungen und Gespräche waren eine überaus positive Erfahrung. Das ist mir und uns – ich bin ja nicht alleine an der Spitze hier im Vorstandsteam und mit der Unternehmerfamilie – auch eine gute Stütze.
 

Welche Aufgaben und Ziele haben Sie für das Unternehmen neben der Reorganisation auf Ihrer Agenda? 2025 ist ja auch wieder Internationale Dental-Schau (IDS) in Köln.

Heinz: Davon habe ich ja viel schon umrissen. Es ist mir wichtig, diesen Zusammenhalt im Unternehmen, dieses Vertrauen, und die enge Beziehung zu unseren Kundinnen und Kunden, aber auch zu unseren Partnern, zu pflegen und in die Zukunft zu führen. Das wird man auch auf der nächsten Internationalen Dental-Schau in Köln erleben können: Natürlich wird Ivoclar auch 2025 hier dabei sein. Für uns ist die IDS nach wie vor ein zentrales Herzstück, um unsere Innovationen zu zeigen sowie mit unseren Kundinnen und Kunden den Austausch zu suchen, Kontakte zu pflegen und Beziehungen zu stärken.

Foto: Ivoclar Vivadent AG
Markus Heinz (Jahrgang 1969) trat im Jahr 1985 als Maschinenschlosser am Standort in Naturns, Italien, in die Ivoclar Gruppe ein. Er hatte verschiedene Führungspositionen inne, leitete unter anderem die Fertigung in Naturns und Manila und übernahm 2011 die Funktion als Managing Director von Ivoclar Manufacturing in Naturns. Seit 2015 ist er Mitglied der Geschäftsleitung der Ivoclar Gruppe am Hauptsitz in Schaan: Von 2015 bis 2022 in der Funktion als Chief Production Officer, ab Juli 2022 als Chief Operating Officer und seit 23. März 2023 als CEO. Unter seiner Federführung wurde die globale Produktion mittels Operational Excellence wertstromorientiert ausgerichtet. Markus Heinz baute die Prozessorganisation in drei Kernprozessen und einer Reihe von Management- und Support-Prozessen als Basis einer langfristigen Wettbewerbsfähigkeit und Profitabilität auf. Zudem richtete er den Bereich Customer Care auf die zukünftigen Bedürfnisse der Kundinnen und Kunden der Ivoclar Gruppe aus.

 

Quelle: Quintessence News Wirtschaft Menschen Nachrichten

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