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Zuversicht, Verheißungen und die nüchterne Realität
Die neue Koalition und die größte Baustelle der Sozialpolitik – Dr. Uwe Axel Richter mit einer Bestandsaufnahme vor der Kanzlerwahl
(c) penguiin/Shutterstock.com
„Es ist mein persönliches Ziel, dass die Menschen in Deutschland mit neuer Zuversicht in die Sommerferien gehen können.“ Mit diesem verheißungsvollen Versprechen für den nahenden Sommer endet das Schreiben von Friedrich Merz an die CDU-Mitglieder, nachdem die Koalitionsverhandlungen zwischen seiner Partei und der SPD abgeschlossen waren.
Und da wir gerade bei Verheißungen sind: „Einmal werden wir noch wach, Heisa, dann ist Kanzlerwahltag“: Am 6. Mai 2025 soll Wahlsieger Friedrich Merz, der Bundesvorsitzende der CDU zum deutschen Bundeskanzler gewählt und die Minister für die 21. Bundesregierung vereidigt werden. Dann wird auch die denkwürdige Zeit einer wie auch immer legitimierten hybriden „Regierungsform“ aus Wahlsieger und noch nicht gewählten Kanzler in spe auf der einen und zurückgetretener, aber geschäftsführender Regierung auf der anderen Seite (endlich) zu Ende sein.
Kohabitation und politische Vorfestlegungen
Wobei dieses Ende lediglich als formaler Akt interpretiert werden sollte. Denn in der neuen Regierung übernimmt die SPD – Kanzlerpartei der dann der Vergangenheit angehörenden 20. Legislatur – in der neuen Koalition die Position der Grünen. Diese, obwohl auch abgewählt, haben sich als Teil der nur noch geschäftsführend tätigen Regierung mit Hilfe eines Deals – Grundgesetzänderung zur „Reformierung“ der Schuldenbremse gegen zukünftige Finanzierung zusätzlicher Klimaschutzprojekte – teuer verkauft. Auf dem Preiszettel sollen 50 Milliarden gestanden haben, mithin eine weitere Kugel am Bein des Kanzlers in spe.
SPD: Viel Drama bei wenig Beteiligung
Apropos „Kugeln am Bein“ des zukünftigen Bundeskanzlers: Die Terminsetzungen von CDU/CSU (Kanzlerinauguration) und SPD (Mitgliederbefragung) haben dafür gesorgt, dass es dramaturgisch bis kurz vor der Vereidigung spannend bleibt. Was wiederum keine Überraschung ist, sondern für den Zustand der SPD angesichts des Wahlergebnisses wie auch der schwachen Beteiligung der SPD-Mitglieder an der Abstimmung zur Koalitionsvereinbarung (358.000 SPD-Mitglieder, 56 Prozent Wahlbeteiligung, 84,6 Prozent Zustimmung) bezeichnend ist.
„Ü-Ei“: Welche Minister stellt die SPD?
Egal wie, die SPD, hat ihre Minister und Ministerinnen erst am 5. Mai, mithin 24 Stunden vor der geplanten Kanzlerwahl und Vereidigung bekanntgeben. Von den sieben(!) der SPD zugesprochenen Ministerien der zukünftigen Regierung der 21. Legislatur stand am Wochenende nur einer öffentlich fest: SPD-Vorsitzender Lars Klingbeil wird das Finanzministerium übernehmen und Vizekanzler werden. Eine steile Karriere für ein bekennendes Mitglied der Antifa. Aber auch nicht ungewöhnlich, wenn man sich die entsprechenden Einlassungen von Karin Prien, CDU, und Familien- und Bildungsministerin in spe, vor Augen führt.
Für den Bundeskanzler in spe bedeutet das nichts anderes, als das er seine Regierungsmannschaft erst kurz vor knapp (zumindest öffentlich) kennt. Im Hinblick auf gewünschte Fach- und Sachkompetenz – man erinnere sich an die Begründung von Merz zu seiner Absage an die Geschlechterparität bei der Verteilung von Ministerposten unter Verweis auf die Inkompetenz der ehemaligen Verteidigungsministerin Christine Lambrecht – und das notwendige Teamplay ist das nicht die beste Ausgangslage. Und so waren am Montagmorgen einige für die Öffentlichkeit eher überraschende Namen für das SPD-Minister/Ministerinnen-Portfolio bekanntgegeben worden (zumindest die Kurz-Vitae signalisierten immerhin, dass die neu Benannten in den ihnen zugedachten Tätigkeitsfeldern und/oder im politischen Betrieb bereits erfahren sind).
Bye bye, Karl!
Wobei das mit der Fach- und Sachkompetenz als Erfolgsfaktor wie auch dem Teamplay unter den Ministern, vor allem aber im jeweilig verantworteten Ministerium, so eine Sache ist. Oder anders formuliert: Auch Doktor- und Professorentitel führen nicht zwangsläufig zum Erfolg, wie man bei Prof. Dr. med. Karl W. Lauterbach an seinem Wirken als Bundesgesundheitsminister beispielhaft betrachten konnte. Er hinterlässt ein ausgelaugtes Ministerium, viele halbgare Gesetze (Cannabisgesetz, Krankenhausreform, Digitalgesetze), unfertige Projekte (ePA), eine löchrige, weil in weiten Teilen noch ungeregelte ambulant-stationäre Versorgung und ein riesiges Finanzloch in der GKV. Von der dringendst notwendigen Neuordnung der Notfallversorgung nicht zu reden. Und vom bedrohlich gewachsenen Finanzloch in der Pflegeversicherung ganz zu schweigen.
Ministerium oder Orchester – das Mindset des Dirigenten entscheidet
Ob diese Aufzählung nun vollständig ist oder nicht – eines wird deutlich: Die Führung eines Ministeriums wird nicht dadurch erfolgreicher, dass der jeweilige Minister oder die Ministerin in einzelnen Fach- und Sachfragen über größeres Wissen verfügt als die jeweiligen Fachleute des Ministeriums. Vielmehr hängt der Output davon ab, dass die richtigen Schwerpunkte gesetzt, sauber dekliniert, nachvollziehbar delegiert und kommuniziert werden. Ohne pathetisch sein zu wollen: Die Führung eines Ministeriums unterscheidet sich nicht wesentlich von der Führung eines großen Orchesters – sofern dem Dirigenten klar ist, dass seine Aufgabe nicht ist, der bessere Komponist oder die erste Geige zu sein.
Der Ankündigungsminister
All dies gehörte nicht zu Karl Lauterbachs Stärken. So betrachtet, kann es nur besser werden. Und zwar unabhängig davon, ob man den Zeitverlust aufgrund des verfrühten Endes der Ampelregierung als Entschuldigung für Lauterbach und manch geplantes, aber nicht umgesetztes Gesetz anführen will. (Ich habe über seine vollmundigen Ankündigungen neuer Gesetze und dann nie fertigwerdenden Entwürfen an dieser Stelle schon mehr als einmal geschrieben.) Aber egal: Mit mit dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Wechsel des Gesundheitsministeriums hin zur CDU war das Ende für Karl Lauterbach als Bundesgesundheitsminister eh beschlossene Sache.
Überraschende Kandidatin für das BMG
Nun mag man zu Friedrich Merz stehen, wie man will, aber mit seiner Personallösung für die Leitung des Bundesgesundheitsministeriums hat er echt überrascht. Denn die konservative Nina Warken aus der baden-württembergischen CDU hatte niemand der sogenannten „kundigen Thebaner“ auf dem Zettel. Gleiches gilt auch für die Vorschläge für die beiden parlamentarischen Staatssekretäre: Dr. Georg Kippels aus Nordrhein-Westfalen und Tino Sorge aus Sachsen-Anhalt, beide gesundheitspolitisch durchaus erfahren. Letzterer galt immerhin als aussichtsreichster Kandidat für den Posten als Bundesgesundheitsminister. Und nun Staatssekretär?!
Starkes Team für große Aufgaben?
Führt man sich die anstehenden Aufgaben im Gesundheitswesen vor Augen, scheint es sich bei diesem Personaltableau um eine ausgewogene Teamlösung zu handeln – obwohl alle drei Juristen sind. Auch die Werdegänge, der Mix der Wahlkreise von städtisch bis ländlich, die politischen Schwerpunkte der vergangenen Jahre wie auch das ehrenamtliche Engagement – beispielweise war Nina Warken acht Jahre Präsidentin des THW in Baden-Württemberg – sprechen dafür, dass die Leitung des Ministeriums gute Voraussetzungen hat, der gemäß Koalitionsvertrag wesentlichen Aufgabe der kommenden Legislatur gerecht zu werden: der Etablierung einer primärärztlichen Versorgungsebene. Was in der Konsequenz nichts anderes bedeutet, als die ambulante Versorgung und deren Verzahnung mit dem stationären System neu zu denken und zu organisieren. Angesichts der komplexen Gemengelage der Akteure und den vielfältigen regulatorischen Abhängigkeiten ist bereits das eine Herkulesaufgabe.
Neue Schwerpunkte notwendig
Hinzu kommen die dringend notwendige Überarbeitung der Krankenhausreform und damit zwingend verbunden der Notfallreform, die Regelung einer für die Heilberufler rechtssicheren Nutzung der bis dato unstrukturierten ePA im Praxisalltag und nicht zuletzt das Realisieren dringend notwendiger Kosteneinsparungen im gesamten GKV-System. Und dies nicht nur auf Seiten der Leistungserbringer, sondern in allen kostenrelevanten Bereichen, also auch bei den Krankenkassen – bei gleichzeitiger Fokussierung auf eine breite, die Gesundheit der Versicherten verbessernde und Kosten reduzierende Prävention.
Nur den Gürtel enger schnallen wird nicht reichen
Nur den Gürtel enger zu schnallen, vulgo Leistungseinschränkungen aufzuspüren und zu exekutieren, wird das seit Jahrzehnten stetig wachsende Gesundheitssystem in seiner jetzigen Form nicht am Leben halten können. Insoweit ist ein möglichst wenig verstellter Blick auf das Gesundheitswesen kein Nachteil, vielmehr ein Vorteil.
Noch mehr Komplexität ist nicht leist- und finanzierbar
Zu viele Aufgaben für eine Legislatur? Mit Sicherheit! Aber wer antritt, um Versorgung zukunftssicher zu machen, wird sich vom singulären Problemlösungsdenken schnell verabschieden müssen. Das Gesundheitswesen ist nicht nur aufgrund differenter Interessenlagen der Akteure so komplex, sondern auch aufgrund einer sich permanent erhöhenden Regelungsdichte. Ein Mehr an Gesetzen und deren bürokratischen Folgen löst nachgewiesenermaßen die Probleme nicht, treibt aber den Komplexitätsgrad in Größenordnungen, der auch mit weiter steigender Digitalisierung kaum sinnhaft (Kosten!) beherrschbar sein wird.
Die größte Baustelle der Sozialpolitik
Aber wie sagte Friedrich Merz treffend: Das Gesundheitswesen ist die größte Baustelle der Sozialpolitik. Und eine der interessantesten Aufgaben.
Stimmt! Solange diese lösbar bleiben.
Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf
Foto: Verena GaliasDr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.
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