Das Schwerpunktthema des diesjährigen 129. Deutschen Ärztetags ist der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Medizin. Aber mit größerer Spannung auch in der Zahnärzteschaft wird erwartet, wie sich die 250 Delegierten zum Entwurf einer neuen Gebührenordnung für Ärzte verhalten werden, der gemeinsam von Bundesärztekammer (BÄK), PKV-Verband und Beihilfe erarbeitet wurde. Sollte die Politik diesen Entwurf als Grundlage einer GOÄ-Novellierung annehmen, könnten damit weitreichende Folgen für die gesamte Vergütung im Gesundheitswesen verbunden sein.
Aber zunächst wird der Ärztetag am 27. Mai 2025 in der Leipziger Nikolaikirche mit rund 1.000 Gästen und im Beisein von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken feierlich eröffnet. „Es wird das erste öffentliche Zusammentreffen der neuen Ministerin mit der Ärzteschaft sein“, heißt es in der Ankündigung der Bundesärztekammer.
Positionierung zur aktuellen Politik
Die Arbeitssitzungen der 250 Abgeordneten des „Parlaments der Ärztinnen und Ärzte“ finden vom 27. bis 30. Mai im Congress Center Leipzig statt. Im Zentrum der gesundheits- und sozialpolitischen Generalaussprache des Deutschen Ärzteages stehen die gesundheitspolitischen Vorhaben der neuen Bundesregierung. Die 250 Abgeordneten werden diese intensiv diskutieren, Impulse für deren praktische Umsetzung setzen, aber auch Leerstellen im Arbeitsprogramm der neuen Bundesregierung benennen. Außerdem will man sich mit ärztlichen Aspekten zum Thema Schwangerschaftsabbruch befassen.
Das Schwerpunktthema Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Gesundheitsversorgung sowie in der Forschung soll mit hochkarätigen Expertinnen und Experten unter medizinischen, wissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten beleuchtet werden.
Die Diskussion über die seit 1988 anhängige Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und vor allem die jetzt vorgelegte Fassung einer mit PKV-Verband und Beihilfe im Paragrafenteil, Leistungsbeschreibung und -bewertung erarbeiteten GOÄneu hat im vergangenen Sommer neue Sprengkraft bekommen, als die BÄK den Teil der Leistungsbeschreibungen und -bewertungen vorlegte und damit heftige Diskussionen und Auseinandersetzungen in der Ärzteschaft, vor allem bei den Fachärzteverbänden, auslöste.
Zahnärzte: Keine Blaupause für GOZ
Auch vonseiten der Zahnärzteschaft und der Bundeszahnärztekammer wird der Vorschlag für die GOÄneu sehr kritisch bewertet, sie sei keineswegs eine Blaupause für eine Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), hieß es offiziell. „Lieber keine GOZ-Novellierung als so etwas wie die GOÄneu“, ist die weit verbreitete Haltung, da die GOÄ mit „robustem“ Einfachsatz und wegfallender Steigerungsmöglichkeit viele Wege für eine angemessene Vergütung zahnärztlicher Leistungen verschließe und zugleich den Weg in eine Einheitsvergütungsordnung und Bürgerversicherung ebne (eine kritische Analyse dazu hat Dr. Uwe Axel Richter verfasst). Problematisch sieht man auch die neuen oder häufig abgewerteten Positionen im Entwurf der GOÄneu, auf die aus der GOZ verwiesen wird/verwiesen werde müsste. Hier stelle sich die Frage, ob man diese Positionen – unter anderem Bildgebung – doch in die GOZ überführe, heißt es vonseiten der GOZ-Experten.
BÄK wirbt um Zustimmung
Der BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt wirbt bei den Ärzten um Zustimmung. Man habe die Kritik aufgenommen und Änderungen eingearbeitet, hieß es nun vor dem Deutschen Ärztetag – verbunden mit der Ansage, dass die weitere Gesprächsbereitschaft der PKV davon abhänge, ob die Delegierten die GOÄneu jetzt akzeptierten. Der BÄK-Vorstand hat die Beratungen mit umfangreicher Berichterstattung unter anderem im „Deutschen Ärzteblatt“ intensiv vorbereitet. Dennoch gibt es weiterhin Kritik, vor allem aus dem Kreis der Fachärzteverbände. Ob sich die neue Bundesregierung bei einer Zustimmung in Leipzig dann mit der GOÄneu befasst, bleibt abzuwarten, denn im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-roten Bundesregierung sind keine Aktivitäten in Richtung Gebührenordnungen Ärzte oder Zahnärzte enthalten.
Auf jeden Fall haben sowohl BÄK als auch der Hartmannbund (dessen Vorsitzender der BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt ist, der die GOÄ-Novelle seit mehr als zehn Jahren verantwortet) im Vorfeld des Deutschen Ärztetags nochmals mit Partnern und Verbänden Appelle an die Delegierten gerichtet, dem vorliegenden Entwurf zuzustimmen.
BÄK hat mit DKG und PKV-Verband gesprochen
So haben die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), die BÄK und der PKV-Verband haben im Vorfeld des Deutschen Ärztetags in Leipzig das Gespräch gesucht, um die von der DKG geäußerten Bedenken im Hinblick auf den zum Ärztetag vorgelegten Entwurf für die neue GOÄ auszuräumen. Denn die GOÄ regelt auch die Vergütungen bei der Behandlung von Privatversicherten und selbstzahlenden Patientinnen und Patienten für die wahlärztliche Behandlung in den Krankenhäusern.
DGK: Zustimmung nicht weiter verzögern
Dazu erklärt Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzende der DKG: „Ich bin der Bundesärztekammer und dem PKV-Verband dankbar, dass sie die von uns geäußerten Bedenken hinsichtlich einer Verabschiedung der neuen Gebührenordnung zum Anlass genommen haben, weitere aktuelle Informationen und Berechnungen zu übermitteln. Wir hatten die Gelegenheit, diese aktuellen Daten und Fakten nochmals intern zu bewerten und mit weiteren Verantwortlichen aus dem Krankenhaussektor zu diskutieren. In der Gesamtschau der jetzt insgesamt vorliegenden Erkenntnisse und angesichts des äußerst aufwändigen und langen Verhandlungsprozesses zur Entwicklung der neuen Gebührenordnung erkennt die Deutsche Krankenhausgesellschaft an, dass die Zustimmung zu der aktuell vorliegenden neuen Gebührenordnung angesichts der insgesamt erreichten Verbesserungen nicht weiter verzögert werden sollte. Wir erkennen die Chancen der GOÄ trotz nach wie vor einzelner bestehender Kritikpunkte. Darüber hinaus haben wir die Zusage sowohl vom Verband der Privaten Krankenversicherung wie auch von der Bundesärztekammer, zu den Themen in einem engen Dialog zu bleiben, um zukünftig sehr zeitnah Erfahrungen aus dem stationären Versorgungsbereich in die weiteren Entwicklungen der Gebührenordnung einfließen zu lassen.“
PKV: Nach positivem Votum weiter im Gespräch bleiben
PKV-Verbandsdirektor Dr. Florian Reuther betont: „Eine Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte ist von großer Bedeutung für die Privatmedizin – ausdrücklich auch im stationären Bereich. Für Krankenhäuser und Krankenhausärzte wird die neue GOÄ die Abrechnung wahlärztlicher Leistungen auf eine moderne, transparente und rechtssichere Grundlage stellen. Es ist gut, dass wir die aufgekommenen Fragen und Sorgen konstruktiv mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft erörtern konnten und nun eine gemeinsame Perspektive einnehmen. Dazu gehört die Verabredung, nach einem positiven Ärztetagsvotum weiterhin im Austausch zu bleiben, um gemeinsam auf eine bestmögliche Umsetzung der neuen GOÄ hinzuwirken.“
BÄK-Präsident Reinhardt betont: „Wir stehen auf dem Ärztetag vor einer wichtigen Weichenstellung auf dem Weg zu einer neuen GOÄ. Die Novelle ist seit vielen Jahren überfällig. Der jetzt vorliegende Entwurf bedeutet die Chance, endlich wieder Bewegung in den jahrelangen politischen Stillstand bei diesem Thema zu bringen. Ich freue mich, dass auch die Deutsche Krankenhausgesellschaft diesen Weg mitgeht. Wir werden weiterhin im Gespräch bleiben und die Hinweise und Erfahrungen der Krankenhäuser aufgreifen.“
Verbände: GOÄ-Reform jetzt auf den Weg bringen!
Der Hartmannbund als Verband der (niedergelassenen) Ärztinnen und Ärzte hat gemeinsam mit dem Bundesverband der Deutschen Internistinnen und Internisten (BDI), dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärztinnen, dem Hausärztinnen- und Hausärzteverband, dem Spitzenverband ZNS und dem Virchowbund am 22. Mai 2025 ebenfalls einen Aufruf veröffentlicht, in dem sie fordern, dem Entwurf der GOÄneu jetzt zuzustimmen. Es liege jetzt ein tragfähiger Kompromiss mit PKV und Beihilfe vor. „Der neue Ansatz erkennt endlich die ärztliche Zuwendung zum Patienten in allen Fachgebieten wieder angemessen an und führt insgesamt zu einer besseren Honorierung. Vor allem aber ist es für die gesamte Ärzteschaft von immensem Wert, durch den Entwurf nach zwei Jahrzehnten der Beratungen und Diskussionen endlich die Voraussetzung für eine Novellierung der GOÄ durch den Verordnungsgeber zu schaffen. Eine zeitgemäße Honorarordnung ist ein Wesensmerkmal des freien ärztlichen Berufs. Dieser Funktion kann eine seit Jahrzehnten überalterte GOÄ nicht mehr gerecht werden“, heißt es.
Ein Scheitern oder eine erneute Vertagung der Entscheidung über eine neue GOÄ wäre angesichts der Diskussionen um die sozialen Sicherungssysteme ein „fatales Signal für die Zukunft des dualen Versicherungssystems und den Erhalt einer eigenständigen ärztlichen Gebührenordnung“, heißt es. Die Ärzteschaft müsse ihre Gestaltungsfähigkeit in diesem für die Zukunft des Berufsstands zentralen Themenfeld unter Beweis stellen.
Im Clearingverfahren der letzten Monate hätten mit den Verbänden, „die sich konstruktiv beteiligt haben“, zahlreiche Anpassungen erreicht werden können. „Die neue Bundesgesundheitsministerin steht nun in der Verantwortung, das Novellierungsverfahren auf der Basis eines positiven Ärztetagsvotums zügig einzuleiten“, so die Verbände.
Faktencheck vom Bündnis „GOÄneu, so nicht!“ – Gegencheck der BÄK
Im „Deutschen Ärzteblatt“ gibt es aktuell dazu einen Beitrag, der sich mit dem „Faktencheck“ der Novellierungsgegner befasst, die sich im Bündnis „GOÄneu, so nicht!“ unter Federführung der Deutschen RöntgenGesellschaft (DRG) zusammengefunden haben. Dort versammeln sich 40 Fachgesellschaften und Berufsverbände, darunter viele Verbände der Labor- und Gerätemedizin, aber auch Urologie, Gynäkologie, Neurochirurgie, Orthopädie und weitere Facharztgruppen. Sie begründen ihre ablehnende Haltung unter anderem damit, dass bis Ende April 2025 immer noch keine finale Fassung der zur Abstimmung stehenden GOÄneu vorgelegen habe und auch die Genese dieses Entwurfs nicht transparent und von nicht innerärztlicher Diskussion bestimmt sei.
„Die gewählte Volumenbetrachtung mit anscheinend willkürlicher Festsetzung der Vergütungssätze schafft Ärzte unterschiedlicher Klassen. Auch wenn dies möglicherweise nicht bewusst erfolgt ist, führt diese Absenkung der Vergütungssätze zu unterschiedlicher Vergütung der ärztlichen Arbeitszeit. Dies ist von Fachrichtung zu Fachrichtung sicherlich verschieden stark ausgeprägt, widerspricht jedoch den Beschlüssen zurückliegender Ärztetage, die die Gleichwertigkeit ärztlicher Arbeitszeit festgelegt hatten. Dies ist nicht im Sinne einer bestmöglichen Patientenversorgung. Die Disziplinen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Ein solcher Ansatz leistet einer innerärztlichen Spaltung Vorschub und wird von uns grundsätzlich abgelehnt“, heißt es in einer Stellungnahme des Bündnisses von Anfang Mai.
Die Delegierten des Ärztetags werden sich voraussichtlich am Donnerstag unter „TOP IV: Novellierung der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ)“ mit der GOÄneu befassen.
Dr. Marion Marschall, Berlin