Ende Mai müssen die Delegierten des 129. Ärztetag in Leipzig (27.–30. Mai 2025) erneut und jetzt wohl final über die Zukunft der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) entscheiden. Der Vorstand der Bundesärztekammer hat den Paragrafenteil des gemeinsam mit dem Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV-Verband) erarbeiteten Vorschlags auf ihrer Internetseite öffentlich eingestellt.
Die GOÄ-Novellierung „hängt“ bereits seit Beginn der 200er-Jahre politisch in der Luft. In der bürgerlich-liberalen Koalition von Union und FDP hatte der damalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP, Mai 2011 bis 2013) Ärzteschaft und Kostenträgern (PKV und Beihilfe) 2011 quasi den Auftrag erteilt, einen gemeinsamen Vorschlag für die – eigentlich von der Regierung zu erarbeitende – Novellierung der GOÄ vorzulegen. Sowohl die folgenden Großen Koalitionen aus Union und SPD als auch die letzte Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP hatten die GOÄ-Novelle immer wieder aufgeschoben oder gar nicht in ihre Koalitionsverträge aufgenommen und bis auf vage Ankündigungen, man werde sich das anschauen, das Thema nicht angepackt.
Kritik am Leistungsteil
Seit September 2024 liegt nun ein Entwurf nicht nur des Paragrafen-, sondern auch des komplett neuen Leistungsteils der GOÄ vor. Dieser Entwurf hat in der Ärzteschaft für kritische Diskussionen und auch Ablehnung gesorgt, sodass der geplante Diskussionsprozess verlängert wurde. Vonseiten der Zahnärzteschaft wurde diese GOÄ-neu als mögliches Vorbild für eine GOZ-Novellierung abgelehnt, Kritiker sehen in ihr eine Steilvorlage für eine Einheitsgebührenordnung.
Von PKV und Beihilfe mitgetragen
Bei der Bundesärztekammer heißt es offiziell zum aktuellen Stand: „Nach den Gesprächen mit dem PKV-Verband liegt seit September 2024 ein Vorschlag für eine neue GOÄ vor, der auch von PKV und Beihilfe mitgetragen wird. Dieser Entwurf wurde den beteiligten Verbänden zur Prüfung übermittelt. Im Rahmen der anschließenden Clearinggespräche mit den Berufsverbänden und Fachgesellschaften konnten deren Hinweise erörtert und einige sachgerechte Anpassungen an dem Entwurf mit dem PKV-Verband besprochen werden. Der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig wird im Mai 2025 entscheiden, ob der erarbeitete GOÄ-Entwurf als Kompromiss zwischen Ärzteschaft und PKV-Verband akzeptiert und an das Bundesgesundheitsministerium übergeben werden kann.“
Dringende Appelle im Beitrag des BÄK-Vorstands
Im begleitenden langen Beitrag von BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt, BÄK-Vizepräsidentin Dr. Ellen Lundershausen und BÄK-Geschäftsführer Ulrich Langenbeg im „Deutschen Ärzteblatt“ vom 2. Mai 2025 heißt es: „Dabei geht es um viel mehr als um die Vergütungsregelungen für die Behandlung der Privatversicherten in Deutschland. Es geht um ein Wesensmerkmal des freien ärztlichen Berufs. Denn zu den Kernelementen der Freiberuflichkeit gehört eine staatliche Gebührenordnung. Dahinter steht die Einsicht des Staates, dass freiberufliche Leistungen sich aufgrund ihrer Komplexität, ihres Gemeinwohlbezugs und ihres persönlichen Charakters grundlegend von gewerblichen Leistungen unterscheiden.“
Düsteres Szenario: Ablehnung und „Weiter so“ keine Option
Der Beitrag zeichnet auch ein düsteres Szenario, das nach einer Ablehnung durch den Ärztetag folgen könnte. „Wer jedoch nach all den Jahren der Verhandlungen und vor dem Hintergrund der äußeren Rahmenbedingungen des Zustandekommens einer neuen GOÄ immer noch glaubt, ein substanziell besserer Kompromiss mit dem PKV-Verband wäre erzielbar, der gibt völlig unrealistischen Erwartungen Hoffnung“, heißt es.
Auch ein „Weiter so“ wäre für die Breite der Ärzteschaft mit erheblichen Nachteilen verbunden, denn die Mehrzahl würde vom jetzigen Entwurf profitieren können. Zudem sei in der Gesundheitspolitik „die Erkenntnis breit verankert, dass die bestehende GOÄ ein veraltetes und mit Blick auf Fehlanreize zu technisch geprägten Leistungen problematisches Gebührenwerk ist. Parallel laufen Debatten um angebliche oder tatsächliche Benachteiligungen von GKV-Versicherten bei der Terminvergabe.“
Keine neue politische Debatte provozieren
Und nicht zuletzt sei die Verhandlungsbereitschaft der Kostenerstatter begrenzt. „Aufseiten des PKV-Verbandes (und der Beihilfe) besteht bis zum Ärztetag die Bereitschaft, sich auf den vorliegenden Entwurf als Kompromiss einzulassen. Eine Bereitschaft, die Fehlentwicklungen der geltenden GOÄ einfach weiter hinzunehmen, besteht jedoch nicht“, heißt es im Beitrag.
Die BÄK-Spitze warnt daher in ihrem Beitrag: „Das Scheitern eines Kompromisses auf dem Deutschen Ärztetag wäre deswegen der Beginn einer politischen Debatte über die Zukunft der Privatliquidation unter völlig anderen Voraussetzungen.“
Reuther: Keine Nachverhandlungen mit der PKV
Foto: PKV-Verband
Ärzteschaft und Patienten werden profitieren
Reuther betonte, dass sowohl die Ärzteschaft als auch die Patienten von der neuen GOÄ profitieren werden. „Es gibt niemanden, der die Notwendigkeit einer Reform ernsthaft in Frage stellt“, so der Verbandsdirektor. Man habe das Leistungsverzeichnis aktualisiert, an die moderne Medizin angepasst und digitale Leistungen abgebildet. „Wir schaffen eine höhere Transparenz für alle Anwender der GOÄ. Patienten sowie Ärztinnen und Ärzte erhalten mehr Rechtssicherheit.“
Gleichzeitig seien wichtige Elemente der bestehenden Gebührenordnung erhalten und weiterentwickelt worden, die von der Ärzteschaft zu Recht als integraler Bestandteil der Freiberuflichkeit angesehen würden: „Einzelleistungsvergütung, Therapiefreiheit, Innovationsoffenheit, und dass es keine Budgetierung geben wird“, so Reuther. Besonders hob er hervor, dass die ärztliche Zuwendung als Kernelement ärztlicher Leistung aufgewertet und gestärkt worden sei, wovon alle Ärzte profitieren würden.
PKV sieht keinen weiteren Spielraum
Mit Blick auf die Kritik einzelner Fachgruppen innerhalb der Ärzteschaft stellte Reuther klar: „Wir nehmen dieses Rumoren wahr, es geht vor allem um Bewertungs- und Vergütungsfragen“. Er wies jedoch darauf hin, dass das vorliegende Verhandlungsergebnis ein Kompromiss sei, der der PKV viel abverlangt habe. Über den jetzt vereinbarten Gesamtrahmen hinaus gebe es daher keinen weiteren Spielraum.
Reuther erinnerte daran, dass die PKV als Treuhänderin der Beitragsgelder ihrer Versicherten handeln müsse. „Wir sind den Ärzten an vielen Stellen entgegengekommen. Wenn der Ärztetag der neuen GOÄ nicht zustimmt, wird es auch keine Nachverhandlungen über die Vergütung geben.“
Votum des Ärztetags entscheidet über Aktivität der Politik
Ob eine GOÄ-Reform in der neuen Legislaturperiode umgesetzt werde, hänge entscheidend von der Zustimmung des Ärztetages ab, so Reuther. „Sobald das gemeinsame Werk von beiden Seiten getragen wird, kommt die Politik nicht umhin, entsprechende Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren einzuleiten.“ Auch deshalb sei es wichtig, dass der Deutsche Ärztetag zustimme. „Dann gibt es für die Politik kein rationales Argument mehr, das Thema nicht aufzugreifen.“