0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
1838 Aufrufe

Keine unabhängige Bewertung und Prüfung der auf der Focus-Ärzteliste empfohlenen Ärzte – Urteil noch nicht rechtskräftig

(c) DG-Studio/Shutterstock.com

Die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts München I hat am 13. Februar 2023 der Unterlassungsklage der Wettbewerbszentrale hinsichtlich der Verleihung und Publizierung sogenannter „Ärzte-Siegel“ gegen einen Verlag stattgegeben (LG München, Az.: 4 HKO 14545/21). Die Wettbewerbszentrale beanstandete, dass die Beklagte (der Burda-Verlag, -Red.) gegen Entgelt an Ärztinnen und Ärzte Siegel verleiht, die sie als sogenannte „Top Mediziner“ beziehungsweise „Focus Empfehlung“ auszeichnen.

In der Klage gegen den Verlag ging es um das einmal jährlich veröffentlichte Magazin „Focus Gesundheit“ unter dem Titel „Ärzteliste“. „Gegen eine zu bezahlende Lizenz in Höhe von rund 2.000 Euro netto erhalten Ärzte ein Siegel unter der Rubrik ‚Focus Empfehlung‘, das sie sodann werbend benutzen können und dies auch (unter Angabe der Fachrichtung bzw. des Landkreises) tun“, heißt es in der Pressemeldung des Landgerichts.

„Die Beklagte verstößt durch die Vergabe der Siegel, die nach ihrem eigenen Vortrag von den Ärzten werblich genutzt werden sollen, gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot. Mit den Siegeln wird bei deren angesprochenen Verkehrskreisen der Eindruck erweckt, dass die betreffenden Ärzte, die als ‚TOP-Mediziner‘ bezeichnet beziehungsweise als ‚Focus-Empfehlung‘ angepriesen werden, aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet wurden und dadurch eine Spitzenstellung unter den Ärzten gleicher Fachdisziplin einnehmen“, so die Meldung des Gerichts weiter.
„Die vom Verlag gegen Bezahlung einer nicht unerheblichen sogenannten Lizenzgebühr vergebenen Siegel haben die Aufmachung eines Prüfzeichens und werden in den vorgelegten Medien auch als solche werbend verwendet“, heißt es.

Hinweis auf Prüfzeichen für Verbraucherentscheidung wichtig

Hierzu habe die Kammer Folgendes ausgeführt: Die angesprochenen Verkehrskreise würden die Siegel, die von der Beklagten lizenziert werden, ähnlich wie Prüfsiegel der Stiftung Warentest auffassen und davon ausgehen, die betreffenden Ärzte seien aufgrund einer neutralen und sachgerechten Prüfung ausgezeichnet worden.

Nach der Lebenserfahrung habe der Hinweis auf ein Prüfzeichen für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers eine erhebliche Bedeutung. Der Verbraucher erwarte, dass ein mit einem Prüfzeichen versehenes Produkt oder eine Dienstleistung von einer neutralen und fachkundigen Stelle auf die Erfüllung von Mindestanforderungen anhand objektiver Kriterien geprüft wurde und bestimmte, von ihm für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehener Eigenschaften aufweisen.

Tatsächlich sei es aber selbst nach dem Vortrag der Beklagten so, dass sich die Qualität ärztlicher Dienstleistungen nicht mit Messgeräten im Testlabor ermitteln und vergleichen lasse. Vielmehr seien von den Kriterien, die nach dem Vortrag der Beklagten bei ihren Empfehlungslisten berücksichtigt würden, Kriterien dabei, die auf ausschließlich subjektiven Elementen beruhten, wie zum Beispiel die Kollegenempfehlung oder die Patientenzufriedenheit.

Nicht von der Pressefreiheit umfasst

Die Beklagte könne auch nicht damit gehört werden, die Lizenzierung sogenannter Siegel sei ein unselbständiger, nachgelagerter Akt der Ärztelisten, der ebenfalls von der Pressefreiheit umfasst sei. Zwar erstreckte sich die Pressefreiheit in dem Sachverhalt, welcher der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2003, 277, Juve-Handbuch) zu Grunde lag, auch auf die Refinanzierung der redaktionellen Inhalte. Diese Aussage des Bundesverfassungsgerichts bezog sich jedoch allein darauf, dass in dem dort zu entscheidenden Fall nicht festgestellt werden konnte, dass durch die Veröffentlichung von Ranglisten in sittenwidriger Weise auf die Aufgabe von Inseraten hingewirkt wurde und dass anzeigenfinanzierte Medien regelmäßig darauf angewiesen sind, zur Schaltung von Anzeigen zu motivieren.

Unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung

Hiervon unterscheide sich der vorliegende Fall jedoch grundlegend: Die Wettbewerbswidrigkeit der Prüfsiegel ergibt sich im vorliegenden Fall daraus, dass in irreführender Weise der Bereich des redaktionellen, wertenden Beitrags verlassen und der Eindruck erweckt wird, es finde eine Bewertung nach objektiven Kriterien statt.

Hinzu kommt, dass Medien zwar regelmäßig darauf angewiesen sind, sich durch Anzeigen zu finanzieren, nicht jedoch durch die Vergabe von Prüfsiegeln gegen ein nicht unerhebliches Entgelt. „Dass dies eine unübliche, nicht zwingend erforderliche Art der Finanzierung redaktioneller Beiträge ist, zeigt der eigene Vortrag der Beklagten, wonach die Verteilung der Siegel erst eine Reaktion auf den vor etwa zehn Jahren eingetretenen sogenannten „Wildwuchs“ gewesen sei. Davor wurden die Magazine mit den Ärztelisten ganz offensichtlich anders finanziert“, heißt es in der Pressemeldung des Gerichts.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Laut Medienberichten hat der Burda-Verlag angekündigt, Berufung einzulegen.

 

Quelle: Landgericht München I/Quintessence News Nachrichten Patientenkommunikation

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
7. Mai 2024

Jeder dritte kardiovaskuläre Todesfall geht auf falsche Ernährung zurück

Studie des Kompetenzclusters „nutriCARD“ über den Zusammenhang von Fehlernährung und Herz-Kreislauf-Erkrankungen
6. Mai 2024

Spitze des Verbands medizinischer Fachberufe e.V. neu gewählt

Stephanie Schreiber wurde 1. Vorsitzenden im geschäftsführenden Vorstand – Patricia Ley ist neue Vizepräsidentin mit Schwerpunkt Bildung
6. Mai 2024

Chance für reale Verbesserung der Patientenversorgung jetzt nutzen

Stellungnahmen von Zahnärzten und Ärzten zur Verbändeanhörung zum Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz am 6. Mai 2024
6. Mai 2024

Kurz und knapp

Kurznachrichten und Informationen aus der (dentalen) Welt – Mai 2024
6. Mai 2024

FVDZ Bayern kritisiert Mangelwirtschaft im Gesundheitssystem

Landesversammlung 2024 wählt neuen Vorstand und diskutiert aktuelle politische Situation
6. Mai 2024

Grüne Energie von oben

Aera-Online setzt auf eigenen Strom durch Photovoltaik
2. Mai 2024

2. Mai 2024: Ab heute verbraucht Deutschland mehr Ressourcen als nachwachsen

Erdüberlastungstag in Deutschland: Wenn alle so lebten wie wir, bräuchten wir drei Erden
29. Apr. 2024

Politik gibt – oder nimmt

Brennglas „Frühjahrsfest“ – Dr. Uwe Axel Richter über zehn Hygienegebote, Kopfkino, entlarvende Worte der Politik und die Notwendigkeit eines Plans B

Verwandte Bücher

  
Aylin Selcuk

Kroko & seine Zähne - Das Zahnputzbuch für Kinder

Eine Geschichte über Zähneputzen, Milchzähne und den Zahnarztbesuch

Implants Done Right

Your Guide to a Healthy Smile

Care Esthetics

A Healthy Way to Natural Facial Rejuvenation
Andreas Alt / Bernard C. Kolster

Du bist dein eigener Therapeut

Schulterschmerzen – Wie ich meine Beschwerden selbst in drei einfachen Schritten in den Griff bekomme
Andreas Alt / Bernard C. Kolster

Du bist dein eigener Therapeut

Sprunggelenksschmerzen – Wie ich meine Beschwerden selbst in drei einfachen Schritten in den Griff bekomme
Andreas Alt / Bernard C. Kolster

Du bist dein eigener Therapeut

Knieschmerzen – Wie ich meine Beschwerden selbst in drei einfachen Schritten in den Griff bekomme
Jan Stöhlmacher

Damit Vertrauen im Sprechzimmer gelingt

Ein persönlicher Wegweiser für Patienten und ihre Angehörigen
Andreas Alt / Bernard C. Kolster

Du bist dein eigener Therapeut

Nackenschmerzen – Wie ich meine Beschwerden selbst in drei einfachen Schritten in den Griff bekomme