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Herausforderungen und Fallstricke der Schienentherapie und die UPS als Alternativtherapie bei leicht- bis mittelgradiger OSA

Darstellung der dentobasalen Situation vor Behandlungsbeginn (oben) und nach Behandlung (unten) mit einer „Mandibular advancement device“ (MAD).

Aus aktuellem Anlass – ab dem 1. Januar 2022 kann die UPS als Kassenleistung abgerechnet werden – veröffentlichen wir einen Beitrag zur leitliniengerechten Verwendung der Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) aus der Quintessenz Zahnmedizin 6/21 von Dr. Lorena Kielmann et al.
Die klinischen Befunde der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) reichen – beginnend mit dem akustischen Phänomen des Schnarchens – von der Tagesschläfrigkeit über die Beeinträchtigung der kognitiven Leistungsfähigkeit bis hin zu Einschränkungen der Lebensqualität. Kardiovaskuläre Langzeitfolgen, Diabetes mellitus und die Niereninsuffizienz werden beispielsweise als Folgeerkrankungen genannt. Obwohl bei der Behandlung standardgemäß das Positivdrucktherapieverfahren („Continuous positive airway pressure“, CPAP) eingesetzt wird, soll hier die leitliniengerechte Verwendung der Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) als Alternativtherapie bei der leicht- bis mittelgradigen OSA bei einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) von ≤ 30 und einem Body-Mass-Index (BMI) von ≤ 30 kg/m2 in den Vordergrund rücken.

Die UPS ist nebenwirkungsarmer als die CPAP-Therapie und wird von den Patienten in der Regel besser toleriert. Besonders bei CPAP-Intoleranz ist die UPS als eine gleichberechtigte Therapieoption bei entsprechender Indikation zu bewerten. Es müssen für eine Therapieentscheidung hierbei die skelettalen, dentobasalen und parodontalen Rahmenbedingungen berücksichtigt und die möglichen dentoalveolären Nebenwirkungen der UPS differenziert betrachtet werden. Die Diagnose und Indikationsstellung erfolgt stets durch einen qualifizierten Schlafmediziner, die Anfertigung der UPS durch den qualifizierten Kieferorthopäden und Zahnarzt. Durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit kann der Patient somit auch mittels UPS mit einer weiteren wichtigen Therapieoption langfristig suffizient betreut werden.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wurde 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist die häufigste schlafbezogene Atmungsstörung und zeichnet sich durch Tagesmüdigkeit, Konzentrationsstörungen und unerholsamen Schlaf aus45. Patienten beschreiben im gleichen Zuge oft das akustische Phänomen des „Schnarchens“, welches das eigentliche Ausmaß der Erkrankung nur unzureichend beschreibt und nicht als Indikator für den Schweregrad betrachtet werden darf. Hauptursächlich ist die OSA auf den repetitiven Kollaps der oberen Atemwege – mit gehäuften Apnoen/Hypopnoen und zyklischem Absinken der Sauerstoffsättigung im arteriellen Blut24 – zurückzuführen. Die OSA als Krankheit und damit ihre kardiovaskulären Langzeitfolgen27 sollten immer von dem Phänomen „Schnarchen“ durch fachärztliche schlafmedizinische Expertise abgegrenzt werden. Bei beiden Diagnosen kann die Zahnmedizin mittels Unterkieferprotrusionsschiene (UPS) die schlafmedizinischen Therapieoptionen leitliniengerecht erweitern.

Definitionen

Die Schlafmedizin unterteilt die schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS) in 4 Hauptgruppen53. Die Atmungsstörungen mit Obstruktion sind von denen ohne Obstruktion der oberen Atemwege abzugrenzen. Bei den schlafbezogenen Atmungsstörungen ohne Obstruktion unterscheidet man zwischen dem zentralen Schlafapnoe-Syndrom und den schlaf­bezogenen Hypoventilations- und Hypoxämie-Störungen54. Diese Erkrankungen sind nicht mittels UPS therapierbar. Die OSA ist hauptursächlich auf eine Enge im oberen Atemweg zurückzuführen und wird laut internationalem Klassifikationssystem für Schlafstörungen und Normvarianten („International classification of sleep disorders – Third edition“, ICSD-31) der American Academy of Sleep Medicine (AASM) durch folgende Diagnosen definiert:

  1. 15 oder mehr vorwiegend obstruktive respiratorische Ereignisse pro Stunde Schlaf oder
  2. mindestens 5 respiratorische Ereignisse pro Stunde Schlaf in Kombination mit einem weiteren Symptom.

In diesem Zusammenhang werden folgende klinisch relevante Symptome genannt:

  1. Schläfrigkeit,
  2. Erwachen mit Atemnot,
  3. lautes Schnarchen/Atempausen (fremdbeobachtet),
  4. vorhandenes Krankheitsbild der Hypertonie, Diabetes mellitus Typ 2, Herzerkrankung.

Die genaue Diagnosestellung mittels Polysomnographie (PSG) oder ambulanter Methoden sollte immer durch eine fachärztliche Abklärung erfolgen. Ebenso liegt die Evaluation des Schweregrades der OSA in der Hand der Schlafmediziner und ist nicht Gegenstand dieser Veröffentlichung. Die AASM gibt hinsichtlich des Schweregrades der OSA für Erwachsene folgende Abstufungen – für Kinder gelten geringere Grenzwerte – bezogen auf die Anzahl von Apnoe- und Hypopnoe-Ereignissen pro Stunde Schlaf (Apnoe-Hypopnoe-Index, AHI) an54:

  • leichte OSA: AHI 5–15/Std.
  • moderate OSA: AHI 15–30/Std.
  • schwere OSA: AHI ≥ 30/Std.

Prävalenz und klinisches Bild der OSA

Die Gesamtprävalenz der OSA in der Bevölkerung der westlichen Industrieländer liegt laut aktueller Literatur zwischen 6 und 14 %17,24. Die Studien zeigen ein heterogenes Bild auf, da die Schlafapnoe bei Erwachsenen oft nicht frühzeitig diagnostiziert wird60.

In der erwachsenen Bevölkerung sind Frauen insgesamt seltener betroffen als Männer. Ebenso steigt die OSA-Prävalenz mit zunehmendem Alter und
Body-Mass-Index (BMI) an41,50.

Die betroffenen Patienten klagen über lautes Schnarchen, exzessive Tagesmüdigkeit, Hypersomnie und Leistungsverluste. Die beschriebenen Symptome sind primär auf die Schlaffragmentierung zurückzuführen. Der nächtliche Kollaps der oberen Atemwege führt zur Verringerung oder Unterbrechung des Luftstroms zur Lunge und damit zu Weckreaktionen des Körpers33. Das anatomische Problem der Einengung der Atemwege wird von weiteren „nichtanatomischen“ pathogenetischen Faktoren ver­stärkt. Hierzu zählen beispielweise Veränderungen der kortikalen Erregungsschwelle, den sogenannten Arousals13 oder eine instabile Atemkontrolle, dem „Loop gain“58.

Die im klinischen Bild oft fremdbeobachteten Symptome sind wiederum differenzialdiagnostisch von depressiven Störungen oder der Insomnie abzugrenzen. Die unbehandelte schwere OSA kann eine Vielzahl von Begleiterkrankungen und ein relevant erhöhtes kardiovaskuläres Mortalitätsrisiko zur Folge haben59. Aus diesem Grund ist bei einer Verdachtsdiagnose die entsprechende Abklärung durch einen Schlafmediziner erforderlich. Auch bei leichten oder moderaten Schweregraden kann es im Zuge der OSA zu kardiovaskulären, neurologischen oder metabolischen Folgeerkrankungen kommen29.

Auch im Kindesalter ist die OSA die häufigste SBAS und liegt unabhängig vom Geschlecht bei Häufigkeiten von bis zu 5 Prozent7,26,39,51. Die Literatur beschreibt das kindliche Schnarchen als Vorstufe der OSA. Das klinische Bild der Kinder mit OSA zeigt Hinweise wie eine Unterkieferrücklage, einen dolichofazialen Gesichtstyp, eine transversale Enge der Maxilla, eine dorsokaudale Zungenlage und eine erhöhte Schläfrigkeit36. Die erhöhte Tagesschläfrigkeit kann zu kognitiven Verhaltensstörungen und daraus resultierenden schlechten Schulleistungen führen28,56. Als Folge kann die OSA soziale Auswirkungen auf das betroffene Kind haben. Der Zusammenhang zwischen Adipositas und atembedingten Schlaf­störungen im pädiatrischen Alter ist seit langem bekannt und in der Literatur beschrieben30.

Ebenso korrelieren kraniofaziale Wachstums­ver­änderungen mit der Atemwegseinengung16. Diver­se syndromale Erkrankungen wie Trisomie 21 und Pierre-Robin-Sequenz haben ein erhöhtes Risiko für das Schlafapnoesyndrom, wobei die Pathomechanismen meist unterschiedlich und multifaktoriell bedingt sind55.

Im kindlichen Schädelaufbau kann das Vorhandensein eines schmalen harten Gaumens, eines kleinen und/oder retropositionierten Unterkiefers, einer adenotonsillären Hyperplasie oder einer Kombi­nation der oben genannten Befunde ursächlich für die Einengung der Atemwege sein. Diese stark prädisponierenden anatomischen Merkmale führen zusammen mit einer Fehlregulation neuromuskulärer Faktoren zur OSA. Auch kindlicher Bruxismus, welcher laut ICDS-3 zu den schlafbezogenen Bewegungs­störungen1 gehört, wird damit in Zusammenhang gebracht und beeinflusst das nächtliche Schlaf­muster15.

Das kindliche OSA kennt variable Manifestationen und Verdachtsfällen sollte frühzeitig nachgegangen werden. Die Behandlung der erkrankten Kinder erfolgt synergistisch durch die Kieferorthopädie, die Hals-Nasen-Ohren (HNO)-Heilkunde, die Logopädie und die Pädiatrie. Insbesondere durch die Funktionskieferorthopädie und die frühzeitige Korrektur von transversalen skelettalen Einengungen sowie sagittalen Limitationen in den oberen Luftwegen („Posterior airway space“, PAS), etwa aufgrund einer mandibulären Retrognathie, können positive Einflüsse auf kausaler Ebene erzielt werden.

Diagnostisches Vorgehen

Der Goldstandard der Diagnostik ist die Messung des pharyngealen Drucks, ab dem die oberen Atemwege kollabieren. Dies erfolgt mithilfe einer Nasenmaske und eines „Positive airway pressure“ (PAP)-Gerätes unter PSG-Bedingungen im Schlaflabor33.

Die Teil-Aktualisierung der S3-Leitlinie „Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen“ der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) weist ausdrücklich darauf hin, dass die klinische Untersuchung der anatomischen Veränderungen der oberen Atemwege und des Gesichtsschädels für eine ausreichende Diagnostik durchzuführen ist52 und durch einen qualifizierten Fachkollegen (HNO-Heilkunde, Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie, Kieferorthopädie, spezialisierter Zahnarzt) erfolgen sollte.

Bei zutreffender Anamnese und klinischen Auffälligkeiten kann in der zahnärztlichen Praxis mittels geeigneter Fragebögen6 ein OSA-Screening erfolgen. Bei der extraoralen Untersuchung können Übergewicht, ein großer Halsumfang und nach hinten schiefe Gesichtsprofile auf die OSA hinweisen. Bei der intraoralen Untersuchung stehen enge Rachenverhältnisse, transversale Engstände und Distalbisslagen im Vordergrund. Hervorzuheben ist, dass die leitliniengerechte Diagnostik auch einen Zahnstatus und eine Einschätzung der muskulär und artikulär möglichen Unterkieferprotrusion beinhaltet52. Die Fernröntgenseitenaufnahme (FRS) zählt zu den standardisierten diagnostischen Mitteln der Kieferorthopädie und ermöglicht die zweidimensionale Beurteilung in der sagittalen Dimension des PAS der Patienten. Die dorsoventrale Querschnittsfläche des Pharynx, welche bei OSA-Patienten im Durchschnitt meist kleiner ist als bei Gesunden, wird im FRS nur zweidimensional abgebildet, welches eine Limitation des Verfahrens darstellt38. Die Vermessung des PAS erfolgt zum Beispiel auf Höhe des nach dorsal verlängerten Nasenbodens, der Zahnreihe, der Uvula und des Mandibularplanums. Da es sich um eine zweidimensionale Bildgebung handelt, kann keine Aussage über den gesamten dreidimensionalen Durchmesser des PAS gegeben werden4. Die dreidimensionale Darstellung des PAS mittels der digitalen Volumentomografie (DVT) unterliegt aufgrund der erhöhten Strahlendosis strengeren Indikationsstellungen und steht somit nicht als routinemäßige Bildgebung zur Verfügung (Abb. 1 und 2).

Therapie der OSA

Die Therapieindikation ist abhängig vom Schweregrad des Schlafapnoe-Syndroms (Sauerstoffsättigung, Apnoe-Dauer und -Anzahl) sowie den Begleit- und Folgeerkrankungen45. Gewichtsreduktion bei Adipositas, Schlafhygiene, oropharyngeale Übungen, Vermeidung der Rückenlage und Verzicht auf Alkohol gelten als allgemeine Verhaltensmaßnahmen34.

Die nächtliche Positivdruckbeatmung („Conti­nu­ous positive airway pressure“,CPAP) gilt als Standardverfahren in der Behandlung der OSA. Ab einem AHI ≥ 15/Std. (entsprechend einer moderaten OSA) oder einem AHI 5–15/Std. (leichte OSA) und vorhandener Begleiterkrankung ist die Indikation für die Einleitung einer CPAP gegeben. Die Therapie der OSA ist als erfolgreich zu werten, wenn die Maske mehr als vier Stunden pro Nacht in mehr als 70 Prozent der Nächte verwendet wird49. Die Literatur beschreibt allerdings, dass 40 bis 60 Prozent der Patienten die Behandlung mit CPAP abbrechen oder die Maske nicht ausreichend verwenden, um einen positiven Effekt für ihre Gesundheit zu erzielen5.

Diese Studienergebnisse zeigen die Schwierigkeiten in der CPAP-Compliance auf. Die Behandlung mittels CPAP ist mit einem umfangreichen Spektrum an Nebenwirkungen verbunden. Mundtrockenheit, Druckgeschwüre, Maskenverlagerungen, Luft-Leckage, chronische Sinusitis oder Aerophagie durch zu hohe Beatmungsdrucke limitieren die Therapieadhärenz2,40. Ebenso kann die soziale Interaktion und schlussendlich der „häusliche Frieden“ unter dem Einsatz der nächtlichen Maske leiden20. Langzeitstudien zeigen ebenfalls, dass die CPAP-Behandlung Auswirkungen auf die Okklusion hat und zu einer Verringerung des Overbite und Overjet führt57. Diese Vielzahl an Nebenerscheinungen kann bei den Patienten zur einer CPAP-Intoleranz führen.

Alternativtherapien sind Lagerungshilfen zur Verhinderung der Rückenlage, Hypoglossusnervstimulationen, invasive chirurgische Verfahren48 oder die Therapie mittels UPS, die in der internationalen Literatur meist unter dem Begriff „Mandibular advancement device“ (MAD) beschrieben wird.

Nachdem der Patient durch einen qualifizierten Schlafmediziner die Diagnose der leichten bis mittelgradigen OSA mit einem AHI < 30/Std. und einem BMI < 30 erhalten hat, kann die UPS als alternatives, leitliniengerechtes Behandlungsgerät eingesetzt werden34,45. Vor Therapiebeginn sollten eine zahnärztliche Untersuchung sowie ein Funktionsbefund des Kiefergelenks, der Kaumuskulatur und ein parodontaler Befund vorliegen. Die aktuelle Studien­lage zeigt, dass die UPS nicht genauso effektiv wie die CPAP ist, aber gleichbedeutende therapeutische Vorteile bringen kann12,44. Die Tagesschläfrigkeit, Bluthochdruck und die neuropsychologischen Funktionen werden unter der UPS-Therapie verbessert21. Die Schienentherapie dient – wie auch die CPAP – der symptomatischen Behandlung der Erkrankung und trägt damit zur langfristigen Lebensqualitätssteigerung des Patienten bei42. Die Schienen zeigen vielfältige Vorteile und sind verglichen mit CPAP nichtinvasiv, geräuschlos, transportabel und gut tolerier­bar. Bei schwerer OSA ist die UPS eine Alterna­tive für Patienten, die andere Therapien ablehnen oder nicht vertragen32,35. Die kardiovaskulären Risiken und die Tagesschläfrigkeit sollten nicht unbehandelt bleiben.

Der Unterkiefer wird mittels der UPS gegen den Oberkiefer funktionell nach ventral geführt und fixiert (meist etwa 75 Prozent der maximalen Protrusion). Dadurch kommt es zu einer Verlagerung der Zunge nach anterior und der Pharynx öffnet sich. Durch die Erweiterung des pharyngealen Volumens auf Höhe des Velums bis zur Epiglottis verringert sich der Atemwegswiderstand. Ebenso erhöht sich die passive Muskelspannung in der Pharyngealwand und die Vibration der Weichteile und der turbulente Luftstrom werden verringert. Als Folge verbessern sich die Atemaussetzer und das Schnarchen deutlich35.

Bei noch vorhandenem Restwachstum liegt das kurative kausale Therapieziel in der Wachstumsförde­rung des retrognathen Unterkiefers – möglichst mit anteriorer („clockwise“) Rotation der Mandibula – oder in der transversalen Erweiterung des harten Gaumens und der skelettalen Oberkieferbasis. Die Behandlung mittels funktionskieferorthopädischen Geräten der skelettalen Klasse II wirkt anfangs wie eine UPS bei Erwachsenen. Der PAS vergrößert sich durch die Vorverlagerung des Unterkiefers. Als Thera­pieoptionen bei funktionskieferorthopädischen Maßnahmen zu nennen sind etwa Geräte wie die Vorschubdoppelplatte (VDP), der Aktivator oder die Herbst-Apparatur25,37 sowie deren Derivate. Bei wach­senden Patienten sind Zahn- und Knochenveränderungen bei Verwendung von funktionellen Apparaturen gut dokumentiert. Die Art des verwendeten Gerätes ist weniger bedeutend als die Tragedauer und Compliance der Patienten. Durch eine umfassende kieferorthopädische Diagnostik lassen sich bei den jungen Patienten Zahn- und Skelettveränderungen planen, die zur Verbesserung der OSA beitragen und gleichzeitig auch weitere kieferorthopädische Behandlungsaufgaben lösen.

Zur Erweiterung des PAS sollte darüber hinaus – unter strenger Indikationsstellung – die Adenektomie/Tonsillektomie bzw. Adenotomie/Tonsillotomie in Betracht kommen8. Der Vollständigkeit halber wird weiterführend auf die komplexe Thematik der kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Behandlung, die nach Wachstumsabschluss bei entsprechender kraniofazialer Konfiguration eine kausale Therapieoption zur dauerhaften Erweiterung des PAS darstellen kann, sowie auf weitere chirurgische Maßnahmen im Bereich der Zunge, des weichen Gaumens und der Pharynxwand verwiesen.

Herausforderungen in der Behandlung mit der UPS

Insbesondere bei CPAP-Unverträglichkeit ist die UPS eine adäquate Therapiealternative, die jedoch unerwünschte Nebenwirkungen und langfristige unerwünschte Folgen auslösen kann. Die meisten Komplikationen in der Behandlung mit UPS sind temporär und können bei regelmäßigen zahnärztlichen Kontrollen frühzeitig entdeckt und abgewendet werden.

Nach präziser Abformung der Zahnbögen sollte dem Patienten zur Verbesserung der OSA-Symptomatik eine individuell für den Patienten im zahntechnischen Labor hergestellte UPS eingesetzt werden. Laut der aktuellen S3-Leitlinie der DGSM sind bi­maxillär verankerte und adjustier- beziehungsweise titrierbare Geräte als medizinischer Standard anzusehen45.
Diese minimieren unerwünschte Nebenwirkungen, erzielen bessere Ergebnisse als konfektionierte Geräte und sichern dadurch eine höhere Gerätetoleranz und -wirksamkeit18. Konfektionierte Schienen, bekannt als „Boil and bite“, sind nicht leitliniengerecht und als obsolet zu bewerten. Die Designs der UPS sind vielfältig und sollten Anpassungen in den vertikalen und sagittalen Parametern der Schienen ermöglichen. Die sagittale Aktivierung reicht im Spektrum von 3 bis 16 mm und sollte bei jedem Kontrolltermin evaluiert und gegebenenfalls angepasst werden. So kann bei persistierenden Apnoen der Unterkiefer noch im Nachhinein weiter nach vorne adjustiert werden.

Bei auftretenden Muskelverspannungen oder Kiefer­gelenkproblemen kann eine Reduzierung des eingestellten Unterkiefervorschubs oder der verti­kalen Höhe Beschwerden reduzieren14. Die Studienlage beschreibt jedoch, dass für ein erfolgreiches Behandlungsergebnis die Abhängigkeit zwischen AHI-Ausgangswert und Unterkieferprotrusion beach­tet werden muss46. Diese Einschränkung im Tragekomfort für den Patienten ist gegebenenfalls nötig, um eine erfolgreiche Behandlung der OSA sicherzustellen22,47.

Kurzzeitige Nebenwirkungen treten normaler­wei­se während der Akklimatisation in den ersten Wo­chen der Therapie auf. Aufgrund der modifizierten protrudierten Bisstellung des Unterkiefers kommt es zu Veränderungen im dentoalveolären und funktionellen Bereich, die die Patienten auf unter­schiedliche Art wahrnehmen können. Über Neben­wirkungen wie Hypersalivation, Mundtrockenheit, Zahnschmerzen, Zahnfleischreizungen, myofaziale Schmerzen und Beschwerden des Kiefergelenks22 sollten Patienten zwingend aufgeklärt werden. Die individuell hergestellten UPS sind durch eine gute körperliche Retention im gesamten Zahnbogen gekennzeichnet und können vom Kieferorthopäden und Zahnarzt ange­passt werden, um beispielsweise den Druck auf die Zähne oder das Zahnfleisch zu verringern. Länger­fristige funktionelle Beschwerden der Kiefergelenke oder Kaumuskulatur können durch eine begleitende Physiotherapie und spezielle Gymnastik­übungen reduziert oder vermieden werden9.

Der Behandler sollte darauf vorbereitet sein, dass die Wahrnehmung der Patienten normalerweise nicht mit objektiven Messungen korreliert. Berichten Patienten darüber, dass die Zähne am Morgen nach Entfernung der UPS nicht mehr aufeinanderpassen, normalisiert sich diese muskuläre Haltung des Unterkiefers meistens nach dem Kauen auf den Mo­laren wieder. Die Reduktion des Schnarchens, das Ausbleiben von Atemaussetzern, die Verringerung der Tagesschläfrigkeit und eine Verbesserung in den Ergebnissen des Screening-Fragebogens stellen – insbesondere bei Fremdbeobachtung – erste Therapieerfolge dar30. Nach der Eingewöhnungsphase und der subjektiv optimalen Adjustierung der UPS sollte eine PSG mit eingesetzter UPS den Therapie­erfolg überprüfen.

Langzeitnebenwirkungen beinhalten hauptsächlich dentofaziale Veränderungen10. Signifikante Verände­rungen der Gesichtshöhe und der Kieferbeziehung konnten durch Veränderungen in den FRS-Werten (S-N-Go-Gn, SNB) in einer Langzeitstudie über einen Zeitraum von 21 Jahren durch Hamoda et al. festgestellt werden. Verglichen mit den zeitgleich auftretenden Zahnveränderungen sind diese aber vernachlässigbar23. Andere Autoren fanden ebenfalls signifikante Veränderungen in den Zahnbeziehungen und in der Position oder Größe des Unterkiefers3,43.

Dentale Nebenwirkungen betreffen die Abnahme von Overjet und Overbite sowie die Anteinklination der unteren und die Retroinklination der oberen Schneidezähne11,22. Diese dentalen Auswirkungen können zu einer Verschlechterung der Ästhetik im Sinne von Zahnfleischrezessionen führen. Einige Patien­ten, die sich einer UPS-Therapie unterzogen, bemerkten ebenfalls okklusale Veränderungen der Seitenzähne im Sinne von Vorkontakten3,43. Die Kontrolle und Anpassung der UPS sollte regelmäßig bei einem schlafmedizinisch weitergebildeten Zahnarzt oder Kieferorthopäden erfolgen, um Spätfolgen zu vermeiden. Der Patient sollte die Bissveränderungen, die allgemein als Vorwärtsbewegung der unteren Zähne und kleine Rückwärtsbewegung der oberen Zähne beschrieben werden, verstehen und akzeptieren. Eine neue Studie von Venema et al. hat die dentalen Effekte der UPS innerhalb eines 10-Jahres-Zeitraums erfasst. Nach 10 Jahren ist mit einer Verringerung des Overjets um 3,5 mm und einer Verringerung des Overbites um 2,9 mm zu rechnen57 (Abb. 3 und 4).

Aus diesem Grund stellt die Therapie bei einem Patienten mit einer kompensierten Klasse III, bei der es nicht mehr zu einer Bisslageveränderung mit nega­tivem Overjet kommen darf, eine besondere Herausforderung dar. Die Therapieoptionen sollten abgewogen werden, da eine angemessene Planung dieser Fälle eine Aufklärung des Patienten über eine mögliche kombiniert kieferorthopädisch-kiefer­chirurgische Behandlung beinhaltet.

Durch eine regelmäßige Überwachung der UPS im Sinne einer halbjährlichen Verlaufskontrolle können die Passgenauigkeit überprüft und so dentale und myofunktionale Auswirkungen vermieden werden. Nebenwirkungen sind tolerierbar, wenn durch die UPS die OSA langfristig verbessert werden kann. Ebenso kann die Schienentherapie bei Patienten mit Kiefergelenksproblemen oder Rezessionen eingesetzt werden, wenn der Patient die auftretenden Begleiterscheinungen zur erfolgreichen Behandlung der OSA hinnimmt. Der behandelnde Kieferorthopäde/Zahnarzt sollte nicht zögern, schon beim Einsetz­termin Physiotherapie zu verschreiben, um Kiefergelenksbeschwerden vorzubeugen. Regelmäßige Kontrollen durch einen fachärztlichen Schlafmediziner sind ebenfalls Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie. Die Schlafmedizin sollte evaluieren, inwieweit die kurative zahnärztliche und kieferorthopädische Behandlung die Atemprobleme und die damit verbundenen klinischen Konsequenzen lösen kann.

Weitere Fallstricke, die den aktuell noch zurückhaltenden Einsatz der UPS verglichen mit der CPAP erklären könnten, sind zum einen die Ausbildung der Schlafmediziner in Bezug auf die Wirksamkeit und die Möglichkeiten einer UPS/MAD. Zum anderen könnte eine Rolle spielen, dass die Erstattung der Kos­ten für die UPS durch die Krankenversicherungen bislang noch nicht problemlos erfolgt. Im Rahmen von Einzelfallentscheidungen haben die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten der Protrusionsschienen und ihrer Kontrollen bisher zum Teil übernommen, das Antragsverfahren war stets schwierig und mit Hürden verbunden. Aktuell wurde durch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) bekannt gegeben, dass der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) in Berlin den Beschluss gefasst hat, die UPS in die vertragszahnärztliche Versorgung aufzu­nehmen. Die individuell hergestellte, adjustierbare UPS ist als Zweitlinientherapie bei leichter, mittel­gradiger und schwerer Schlafapnoe einzusetzen19. Die privaten Krankenversicherungen und Beihilfen befürworten in der Regel die Therapie der OSA mittels UPS.

Schlussfolgerungen

Das dargestellte Krankheitsbild der OSA und die Heraus­forderungen in der Therapie verdeutlichen, dass der umgangssprachliche Begriff des „Schnarchens“ nicht ausreicht, um die Problematik der Schlafapnoe zu beschreiben. Eine strikte Trennung des Symptoms des primären Schnarchens und des Schnarchens im Rahmen einer OSA ist klinisch nicht eindeutig möglich, da die Übergänge bei Veränderungen der oberen Atemwege fließend sind1. Somit darf das Schnarchen nicht als hinreichendes klinisches Symptom zur Beurteilung einer möglichen OSA angesehen werden. Die Therapie mittels UPS ist leitliniengerecht und bei leicht- und mittelgradiger OSA medizinisch indiziert.

Eine apparative und damit rein symptomatische Behandlung der multifaktoriellen Erkrankung der OSA im Erwachsenenalter kann nur erfolgen, wenn eine sorgfältige Indikationsstellung und der Ausschluss von Kontraindikationen erfolgt sowie die intensive Weiterbetreuung des Patienten möglich ist. Nebenwirkungen der UPS auf die Zähne, den Zahnhalteapparat und die Kiefergelenke müssen schnell erkannt und soweit möglich behandelt werden. Die langfristigen Auswirkungen der Schiene sollten patientenspezifisch bewertet werden, da die Behandlung mit UPS oft eine komfortable Alternative zur Positivdrucktherapie darstellt und die Patienten meist eine gute Compliance und hohe Akzeptanz zeigen. Auch bei Patienten mit schweren Symptomen und CPAP-Unverträglichkeit hat die UPS einen hohen therapeutischen Nutzen, wenn Alternativen wie die kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgische Therapie abgelehnt werden. Die kausale Therapie ist im Wachstum noch durch funktionskieferorthopädische Apparaturen möglich und verspricht langfristige präventive und möglicherweise auch pro­tektive Effekte.

Ein Beitrag von Dr. Lorena Kielmann, Dr. Hannah Finke und Prof. Dr. Bernd Koos, alle Tübingen

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 6/21 Kieferorthopädie Zahnmedizin

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