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Anhand des vorliegenden komplexen Behandlungsfalls veranschaulicht die Autorengruppe um Dr. Isabel Scharfenberg in ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 4/2023 einen synoptischen Therapieansatz aus Parodontitistherapie inklusive Parodontalchirurgie und digitalem prothetischen Workflow bei einem Angstpatienten mit komplexer Anamnese nach Drogenabusus vorgestellt. Der Fallbericht demonstriert, welche Bedeutung eine positive Beziehung zwischen Behandelnden und Patientinnen beziehungsweise Patienten sowie die interdisziplinäre Zusammenarbeit haben, wenn eine generalisierte Parodontitis Stadium IV, Grad C vorliegt. Überdies zeigt der Fallbericht, wie digitale prothetische Langzeitversorgungen die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten erheblich verbessern können.
Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.
Einleitung
Die Therapie von Parodontitispatientinnen und -patienten mit einem diagnostizierten Stadium IV stellt viele Praktizierende immer wieder vor eine Herausforderung. Laut aktueller Leitlinie ist die interdisziplinäre Planung solcher Fälle sowie das Timing der interdisziplinären Therapieanteile essenziell für eine positive Behandlungsbilanz14. Interdisziplinär werden die Versorgung von sekundären okklusalen Traumata, provisorische und definitive prothetische Versorgung, Implantologie und kieferorthopädische Maßnahmen in einen zeitlichen Kontext zur vierstufigen Parodontitistherapie gesetzt27. Der vorliegende Fall stellte sich neben der parodontalen Diagnose auch aufgrund von persönlich-psychologischen Aspekten als besonders komplex dar.
Ausgangssituation
Der 33-jährige Patient stellte sich erstmalig aufgrund gelockerter Seitenzähne und mit erhöhten PSI-Werten (4/3/4/4/3/4) in der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie der Uniklinik Köln (Januar 2020) vor. Er gab an, akute und starke Angst vor zahnärztlichen Behandlungen zu haben. Mit Blick auf eine neue Beziehung sorgte er sich zudem um weiteren Zahnverlust, da ihn die bereits erworbenen Schaltlücken im sichtbaren Bereich stark beeinträchtigten. Die Zähne 32-42 waren wegen der bestehenden Parodontitis und daraus resultierendem Knochenabbau durch den Vorbehandler bereits extrahiert worden.
Allgemeinanamnestisch gab der Patient einen Betäubungsmittel-Abusus bis 2019 an. Er konsumierte bis zu dieser Zeit die sogenannte Partydroge MDMA (3,4-Methylendioxymethamphetamin). Subjektiv gab der Patient an, seit dem Drogenabusus häufig einen trockenen Mund zu haben. Weiterhin erklärte er, vor Kurzem das Rauchen eingestellt zu haben. Ansonsten war die Anamnese unauffällig.
Abb. 1 Parodontalstatus des Patienten mit Diagnose einer generalisierten Parodontitis, Stadium IV, Grad C, Zähne mit Lockerungsgraden I bis II.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Abb. 2a bis q Ausgangsbefund mit Foto- und Röntgenstatus bei Erstvorstellung des Patienten.
Befunde und Diagnosen
Der klinische Befund zeigte je eine Schaltlücke im Ober- und Unterkiefer und damit einhergehende reduzierte Stützzonen. Der in der Sektion Parodontologie erhobene Parodontalstatus ergab die Diagnose einer generalisierten Parodontitis, Stadium IV, Grad C5. Im 2., 3. und 4. Quadranten zeigten sich mehrere Zähne mit Lockerungsgraden I bis II (Abb. 1 und 2). 64 Prozent der Stellen waren in der durchgeführten 6-Punkt-Messung mit Biofilm belegt, 73 Prozent der Stellen zeigten eine Blutung bei Sondierung. Es lag ein Furkationsgrad I an den Zähnen 16, 26, 27, 37 und 47 vor. Röntgenologisch zeigten sich im Röntgenstatus diverse vertikale sowie horizontale Knochendefekte. Es lag ein hohes parodontales Risiko vor18 (Abb. 3).
Abb. 3 Individuelle parodontale Risikobestimmung nach Lang und Tonetti19.
Abb. 4 Darstellung der verschiedenen Therapieoptionen im vorliegenden Fall als Grundlage für die PEF (AIT = antiinfektiöse Parodontitistherapie, IE = Interimsersatz, LZPV = Langzeitprovisorium, PEF = partizipative Entscheidungsfindung).
Diskussion der synoptischen Behandlungsplanung
Laut aktueller Leitlinie liegt ein Stadium IV der Parodontitis vor, wenn zusätzlich zu den Merkmalen eines Stadium III (CAL ≥ 5 mm, Knochenabbau bis mittleres beziehungsweise apikales Wurzeldrittel etc.) eine mastikatorische Dysfunktion, sekundäre okklusale Traumata (≥ ARPA II), Zahnwanderung, Verlust von vertikaler Relation, Auffächerung der Zähne oder weniger als 20 Restzähne vorliegen22. Dies trifft insofern auf den aktuellen Fall zu, als sowohl die Stützzone der Unterkieferfront reduziert ist, als auch vermehrt Lockerungen des Grads II aufgrund von okklusalen Traumata vorlagen. Für eine adäquate Therapie ist in solchen Fällen eine individuelle Einschätzung der Gesamtsituation und der Prognose potenzieller prothetischer Pfeilerzähne, des umliegenden Hart- und Weichgewebes sowie der parodontalen Erhaltungsfähigkeit unentbehrlich14. Der Patient wies eine ausgeprägte Zahnbehandlungsangst auf. Dies äußerte sich auf verschiedene Weisen: Er brachte zu jedem Termin einen Talisman mit, schwitzte sehr stark bei den Behandlungen und benötigte viele Pausen. Trotzdem zeigte er eine hohe Adhärenz, erschien pünktlich zu seinen Terminen und setzte Anpassungen in seiner Mundhygiene schnell und konsequent um.
Nach eingehender Befundung und Diagnostik wurden die vorhandenen Therapieoptionen im Rahmen einer ausführlichen Beratung über die verfügbaren Verankerungsmöglichkeiten des Zahnersatzes (herausnehmbarer beziehungsweise festsitzender Zahnersatz) mit dem Patienten besprochen und mithilfe partizipativer Entscheidungsfindung (PEF) das therapeutische Procedere festgelegt (Abb. 4). Im Rahmen der PEF wurde der Patient auch über eine Nichttherapie aufgeklärt, die mit dem Risiko einer Progression der Parodontitis mit vermehrten Lockerungen, progredienter Entzündung, Verlust von Funktion und Ästhetik sowie Zahnverlust verbunden wäre25.
Behandlungsablauf
Nach Abwägung aller Vor- und Nachteile entschied sich der Patient für den Erhaltungsversuch der parodontal geschädigten Seitenzähne und für den Ersatz der fehlenden Unterkieferfrontzähne mithilfe eines Langzeitprovisoriums.
Antiinfektiöse Therapie (AIT)
Im Rahmen der Stufe 1 des European Federation of Periodontology (EFP)-Schemas zur Behandlung von Parodontitis fand im Vorfeld der Therapie eine professionelle Zahnreinigung mit intensiver Mundhygieneschulung des Patienten statt27. Die anschließende AIT erfolgte vor der weiteren prothetischen Behandlung. Hierzu wurden in zwei Sitzungen alle betroffenen Zähne unter intrasulkulärer Anästhesie (Oraqix, Dentsply Sirona, Bensheim) subgingival maschinell (PiezoLE, KaVo, Biberach) und manuell mit Küretten instrumentiert. Es folgte eine Spülung aller betroffenen Zahnfleischtaschen mit H2O2 (3 Prozent) und Chlorhexidin (0,1 Prozent). Aufgrund des jungen Alters des Patienten mit gleichzeitig hoher Progression des Attachmentverlustes wurde leitliniengerecht der „van-Winkelhoff- Cocktail“ (400 mg Metronidazol, 500 mg Amoxicillin, je 1-1-1 für sieben Tage) verschrieben24. In der 1. Sitzung fand die subgingivale Instrumentierung des 1. und 4. Quadranten statt. Die zweite Sitzung der AIT wurde sieben Tage später im 2. und 3. Quadranten durchgeführt.
Reevaluation
Bei der Befundreevaluation drei Monate später zeigte sich eine deutlich verbesserte Gesamtsituation mit verringerten Entzündungsparametern (20 Prozent der Stellen plaquebelegt, 32 Prozent der Stellen Blutung auf Sondierung) bei teilweise persistierend hohen Sondierungstiefen (Abb. 5). Es folgte eine erneute subgingivale Instrumentierung der Zähne mit Sondierungstiefen von bis zu 5 mm. Das sekundäre okklusale Trauma wurden mit Einschleifen okklusaler Hyperbalancen im Seitenzahnbereich und einer semipermanenten Säureätztechnik (SÄT)-Schienung der Zähne 44 bis 46 (SuperSplint, Hager und Werken, Duisburg) adressiert8,10.
Abb. 5 Parodontalstatus des Patienten 3 Monate nach erfolgter AIT.
Abb. 6 Parodontalstatus des Patienten 3 Monate nach abgeschlossener parodontalchirurgischer Therapie 6 Monate nach AIT.
Abb. 7 Verlauf der erhobenen Mundhygieneparameter zu verschiedenen Zeitpunkten der Therapiephase (BOP = „Bleeding on probing“, CPT = chirurgische Therapie).
Parodontalchirurgische Therapie
Parallel erfolgten parodontalchirurgische Maßnahmen im 1., 3. und 4. Quadranten, da hier weiterhin Sondierungstiefen von > 6 mm vorlagen. Die chirurgische Intervention zur Instrumentierung unter Sicht begann mit Lappenbildung mit intrasulkulärer Inzision („Open flap debridement“) und wurde – angepasst an die eher weite, teils nur einwandige Defektmorphologie – mithilfe der resektiven Parodontalchirurgie durch Reduktion von supraössären Taschen sowie Glättung interdentaler wannenförmiger Defekte insbesondere im Oberkiefermolarenbereich ergänzt27. Bei der Reevaluation nach wiederum drei Monaten zeigte sich eine stabilisierte Situation mit deutlich rückläufigen Sondierungstiefen. Lediglich die Zähne 25, 37 und 45 zeigten noch erhöhte Sondierungstiefen von 5 bis 6 mm, zum Teil mit „Bleeding on probing“ (BOP). Erneut erfolgte eine subgingivale Instrumentierung (Abb. 6). Die Mundhygiene des Patienten zeigte trotz persistierender Zahnlockerung im Vergleich zum Ausgangsbefund weiterhin eine erneute Verbesserung (12 Prozent Plaque, 12 Prozent BOP). Insgesamt verbesserten sich die Mundhygieneparameter seit Beginn der Parodontitistherapie kontinuierlich (Abb. 7).
Der Patient wurde im Anschluss an die Reevaluation nach parodontalchirurgischen Maßnahmen in die unterstützende Parodontitistherapie (UPT) aufgenommen (alle vier Monate) und an die Abteilung für Zahnersatzkunde der Uniklinik Köln zur prothetischen Weiterbehandlung überwiesen.
Abb. 8a bis c Digital gescannter STL-Datensatz der präparierten Pfeiler.
Abb. 8a bis c Digital gescannter STL-Datensatz der präparierten Pfeiler.
Abb. 8a bis c Digital gescannter STL-Datensatz der präparierten Pfeiler.
Prothetische Behandlung
Parallel zum Zeitpunkt der subgingivalen Instrumentierung begann die prothetische Therapie des Patienten. Da der Therapiewunsch der Zahnerhalt mit Lückenschluss der Unterkieferfront war, wurde der Patient über provisorischen herausnehmbaren sowie festsitzenden Zahnersatz aufgeklärt. Eine provisorische herausnehmbare Prothese für den kurzfristigen funktionellen und ästhetischen Lückenschluss der Unterkieferfront lehnte der Patient ab, weshalb weitere Therapieoptionen mit ihm besprochen wurden. Vor- und Nachteile in Bezug auf die unsichere langfristige Prognose einiger parodontal geschädigter Zähne sowie den erhöhten Substanzabtrag der Pfeilerzähne bei Herstellung eines festsitzenden Zahnersatzes wurden diskutiert. Der Patient entschied sich für den Erhalt der parodontal geschädigten Seitenzähne zur Vermeidung eines herausnehmbaren Zahnersatzes. Die parodontale Resistenz der Oberkieferseitenzähne der Schaltlücke ließ eine festsitzende prothetische Behandlung aufgrund der erhöhten Taschentiefen und des Lockerungsgrades des Zahns 25 nicht zu. Da der Patient die Extraktion des Zahns 25 ebenfalls ablehnte, wurde die prothetische Versorgung der Schaltlücke im Oberkiefer nach Abwägung aller Vor- und Nachteile zunächst auf Wunsch des Patienten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Zur Versorgung der Unterkieferfrontzahnlücke wurde ein Langzeitprovisorium 33-43 aus Zirkonoxid geplant. In einer weiteren Sitzung wurden die Pfeilerzähne 33 und 43 beschliffen und ein Provisorium (Luxatemp, DMG, Hamburg) hergestellt. Im Anschluss erfolgte die digitale Abformung mit einem Intraoralscanner (3Shape Trios, Straumann, Freiburg; Abb. 8) und die Übertragung der Oberkieferposition mit einem digitalen Gesichtsbogen (Zebris for Ceramill, Amann Girrbach, Pforzheim).
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Abb. 9a bis h Gedrucktes Meistermodell mit prothetischer Versorgung.
Nach Weiterleitung des STL-Datensatzes an das zahntechnische Labor wurden ein gedrucktes Meisterstumpfmodell mit herausnehmbaren Pfeilern und die Vollkeramikbücke 33-43 hergestellt (Abb. 9). In der folgenden zahnärztlichen Sitzung konnte die Brücke adhäsiv befestigt werden (Rely X Unicem 2, 3M, Seefeld) (Abb. 10).
Abb. 10a bis e Fotostatus nach Einsetzen der langzeitprovisorischen Brücke 33–43.
Abb. 10a bis e Fotostatus nach Einsetzen der langzeitprovisorischen Brücke 33–43.
Abb. 10a bis e Fotostatus nach Einsetzen der langzeitprovisorischen Brücke 33–43.
Abb. 10a bis e Fotostatus nach Einsetzen der langzeitprovisorischen Brücke 33–43.
Abb. 10a bis e Fotostatus nach Einsetzen der langzeitprovisorischen Brücke 33–43.
Epikrise und Prognose
Drogenabusus/MDMA
MDMA, auch bekannt als „Ecstasy“, gehört zu den ringsubstituierten Amphetaminen und ist seit den 1990er-Jahren ein verbreitetes Suchtmittel23. Das Sympathomimetikum wird hauptsächlich oral in divers geformten und gefärbten Tabletten eingenommen. Zu den von den Konsumenten gewünschten Wirkungen zählen in erster Linie sympathomimetische Effekte wie Euphorie, Entspannung und erhöhte Sozialkompetenz15. Die Einnahme von MDMA ist jedoch mit vielen systemischen Nebenwirkungen verknüpft, zum Beispiel kardialen Arrhythmien, Hypertonie, Hyperthermie, Psychosen, Angstzuständen oder Krampfanfällen28. Neben dieser Reihe an systemischen Effekten treten vermehrt auch orale Folgen auf: Die Hauptnebenwirkungen in diesem Bereich sind Bruxismus, Kieferpressen, muköse Ulzerationen sowie das Dry-mouth-Syndrom nach hochdosierter MDMA-Einnahme, wie es auch im vorliegenden Fall vom Patienten berichtet wurde1,13,20,30. Als sekundäre Effekte treten aufgrund des erhöhten Dursts und Konsums von zucker- und säurehaltigen Getränken über einen langen Zeitraum häufig zervikale kariöse und erosive Läsionen auf, die zusammen mit der angespannten Kaumuskulatur und dem Bruxismus zu kariösen und nichtkariösen Zahnhartsubstanzverlusten führen11. Einige wenige wissenschaftliche Beiträge haben darüber hinaus den Zusammenhang zwischen MDMA und Parodontitis dargelegt, wobei dieser nur ansatzweise erforscht ist2. Eine niederländische Arbeit konnte zeigen, dass das Vorkommen von Parodontitis, aktiven kariösen Läsionen und Xerostomie bei MDMA-abhängigen Personen signifikant erhöht ist. Dies ist unter anderem auf die verringerte Durchführung von häuslichen Mundhygienemaßnahmen zurückzuführen31. Eine Laborstudie an Ratten konnte zeigen, dass die Parodontitisinzidenz nach vierwöchiger MDMA-Gabe signifikant erhöht war im Vergleich zur Kontrollgruppe3. Weitere Studien sind erforderlich, um Zusammenhänge zwischen MDMA und Parodontitis eindeutig zu bestätigen, welche über verminderte Mundhygiene und Bruxismus in Zusammenhang mit okklusalen Traumata als Risikofaktoren für Parodontitis hinausgehen6.
Aspekte der parodontologischen Therapieplanung
Möglichst langer Zahnerhalt auch von vermeintlich hoffnungslosen Zähnen steht gerade bei jungen Parodontitispatient/-innen im Fokus eines evidenzbasierten Sanierungskonzepts. Da im vorliegenden Fall bereits die Unterkieferfrontzähne durch vorherige Behandler/-innen extrahiert wurden, stand zunächst der Zahnerhalt der Unterkieferseitenzähne im Fokus26. Ein zentraler Aspekt bei der Therapie einer Parodontitis Stadium IV ist die Wiederherstellung von Funktion und bestenfalls Ästhetik14. Frühzeitige Extraktionen durch eine stark progrediente Parodontitis gehen mit hohem Behandlungsaufwand, eingeschränkter Lebensqualität und Kosten für Folgebehandlungen einher7. Obwohl es keine direkte Evidenz bezüglich einer Reduktion des klinischen Attachmentlevels und einer Schienung von Zähnen gibt, konnte trotzdem auf diesem Weg die Lebensqualität des Patienten gesteigert werden, da eines seiner primären Anliegen die lockeren Seitenzähne waren10,12,17. Die Schienung im 4. Quadranten ermöglichte während der chirurgischen Maßnahmen zudem einen einfacheren Zugang zum Defekt, was eine effektivere Instrumentierung ermöglichte und sich positiv auf den Therapieerfolg auswirken kann8. Die Parodontalchirurgie wurde aufgrund der Defektmorphologie resektiv gestaltet. Die vorliegenden Defekte insbesondere im 2. und 4. Quadranten gestalteten sich intraoperativ als eher weite, teilweise lediglich einwandige Defekte. Eine regenerative Therapie mit resorbierbaren Membranen oder Schmelzmatrixproteinen eignet sich eher für schmale mehrwandige Defekte und war hier nicht indiziert21. Durch eine intensive Instruktion in der Anwendung von Interdentalraumbürsten bei gleichbleibend guter Adhärenz des Patienten und einem risikoadaptierten, engmaschigen UPT-Intervall kann auch bei postoperativ großen Approximalräumen eine gute Approximalraumhygiene sichergestellt werden.
Trotz der schwierigen Ausgangssituation konnte im aktuellen Fall eine gute Prognose erreicht werden. Möglich war dies durch die leitlinienkonforme Therapie unter Einbeziehung und Kontrolle der vorliegenden Risikofaktoren und die zügige Wiederherstellung der fehlenden Stützzone. Zu bedenken bleiben die persistierenden Resttaschen und die Lockerungsgrade einiger Zähne mit folglich fraglicher Prognose. Zukünftig kann an diesen Zähnen nur durch engmaschige Kontrolle eine Verzögerung der Progression der Parodontitis erreicht werden. Bei gleichbleibend guter Patientenadhärenz und kontinuierlicher risikobasierter UPT ist die Aussicht für einen möglichst langen Zahnerhalt aber insgesamt als positiv zu bewerten.
ZE-Prognose
Der interdisziplinäre Zusammenschluss der parodontologischen und prothetischen Therapie in einem Behandlungskonzept stellt die Voraussetzung für eine erfolgreiche funktionelle Therapie dar. In der prothetischen Phase entschied sich der Patient in diesem Fall für eine konventionelle, rein festsitzende langzeitprovisorische Versorgung im Unterkiefer. Um die Progredienz der Parodontitis und somit auch eine stabile prothetische Phase zu ermöglichen, ist eine simultane konservative und parodontalchirurgische Therapie mit engmaschigen Nachkontrollen essenziell. Zur Klassifikation der Überlebensraten von festsitzendem Zahnersatz wie in diesem parodontal geschädigtem, jedoch sanierten Patientenfall lässt sich zusammenfassen, dass die Brückenüberlebensraten nach fünf Jahren 96 Prozent und nach 10 Jahren 93 Prozent betragen16. Bei entsprechender Patientenadhärenz, effektiver Nachkontrolle und ausbleibendem parodontalen Rezidiv kann also von einer positiven Prognose und Steigerung der Lebensqualität ausgegangen werden. Die weitere prothetische Versorgung des Oberkiefers (Lückenversorgung in Regio 024) wurde während der Planung zunächst auf Wunsch des Patienten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.
Hervorzuheben ist, dass sich der Patient perspektivisch sogar eine Implantatversorgung vorstellen kann, die aber wegen des Umfangs des chirurgischen Eingriffs und der limitierten finanziellen Mittel zunächst eine zu große Hürde ist. Im Wortlaut äußerte er sich wie folgt: „Wenn ich das mit der Zahnfleischoperation geschafft habe, dann schaffe ich es auch irgendwann mit den Implantaten.“ Darin zeigt sich, dass eine stabile Arzt-Patienten-Bindung auch Fälle mit Zahnbehandlungsangst wieder in das komplette Therapiespektrum zurückführen kann. Der aktuellen Leitlinie zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit einer Parodontitis Stadium IV zufolge kann insbesondere bei Freiendsituationen implantatgetragener Zahnersatz als Lückenschluss in Betracht gezogen werden4,14. Bei implantatgetragenem Zahnersatz spielen verschiedene Faktoren für eine erfolgreiche Behandlung eine Rolle. Hierbei müssen sowohl technische als auch biologische Komplikationen wie Implantatlockerungen, Abutment- oder Schraubenlockerungen, Schraubenbrüche, krestale Knochenverluste oder periimplantäre Mukositiden beachtet werden9. Vergleicht man Betroffene mit und ohne bestehender Parodontitis, können bei Patienten mit Parodontitis-Erfahrung höhere Risiken für die Entstehung einer Periimplantitis und geringere Implantatüberlebensraten auftreten, was bei der Planung und Aufklärung bezüglich einer Implantatversorgung entsprechend berücksichtigt werden sollte29.
Fazit
Abb. 11 Synoptischer parodontalprothetischer Behandlungsablauf des beschriebenen Falls nach der aktuellen EFP-Leitlinie, abgestimmt auf die genannten Therapieoptionen(14).Die komplexe Rehabilitation einer Parodontitis mit dem Stadium IV ist in der Regel eine interdisziplinäre Aufgabe. Die zentrale Grafik EFP-Leitlinie zur Behandlung der Parodontitis Stadium IV dient als Hilfsmittel zur zeitlichen Planung der verschiedenen Therapieschritte begleitend zum Stufenmodell zur Parodontitistherapie (Abb. 11). Im vorliegenden Fall von Angst vor zahnärztlicher Behandlung war die Etablierung eines vertrauensvollen Arzt-Patienten-Verhältnisses essenziell für die Durchführung der komplexen interdisziplinären Therapie. Durch die im Laufe der Behandlung etablierte Adhärenz des Patienten konnte trotz der schwierigen Ausgangslage mit dem früheren Drogenabusus, den damit einhergehenden oralen Manifestationen und der vorliegenden Zahnbehandlungsangst eine suffiziente langzeitprovisorische Versorgung und eine erfolgreiche Parodontitistherapie erreicht werden, die in eine risikobasierte UPT mündete.
Ein Beitrag von Dr. Isabel Scharfenberg, Dr. Malin Janson, Priv.-Doz. Dr. Sonja Derman, Priv.-Doz. Dr. Greta Barbe, alle Köln
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