Wissenschaftliche Publikationen folgen bestimmten Regeln, sie zu kennen, hilft beim Studium, in der Weiterbildung und dabei, selbst wissenschaftlich zu arbeiten. Das nötige Handwerkszeug liefert die Beitragsreihe „Struktur und Aufbau wissenschaftlicher Fachartikel“ von Dr. Fabian Langenbach in der Zeitschrift Qdent.
Teil 1 der Reihe hat deutlich gemacht, dass wissenschaftliche Artikel meist einem strikten methodischen Aufbau folgen, der als AIMRaD (Abstract, Introduction, Methods, Results and Discussion) bezeichnet wird. Mit dem Abstract wird der Leser eingefangen und erhält einen Überblick über die wesentlichen Punkte der Arbeit. Teil 2 widmete sich zunächst der Einleitung, Material und Methoden. In der Einleitung wird der Leser an das Thema herangeführt, wobei sich der Fokus nach der allgemeinen Einordnung in das wissenschaftliche Fachgebiet zunehmend auf den spezifischen Grund der Studie richtet. Mit der Hypothese bzw. dem Ziel der Studie wird die Einleitung abgeschlossen. Teil 3 zeigte, wie Ergebnisse dargestellt und beschrieben werden, um die am Ende der Einleitung getroffene Hypothese zu untermauern oder zu widerlegen.
Der 4. und damit letzte Teil widmet sich der Diskussion. In ihr wird die Hypothese bzw. der Zweck der Studie meist wiederaufgegriffen. Bezogen auf den Fokus der Studie bzw. der thematischen Breite ähnelt die AIMRaD Struktur somit einer Sanduhr, denn in der Diskussion erfolgt die Gegenbewegung zur Einleitung: vom Spezifischen zum Allgemeinen.
Die Diskussion
Anhand der Art der Interpretation und Einordnung der Ergebnisse, der kritischen und objektiven Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen der eigenen Arbeit und der Einordnung der Beobachtungen und Interpretationen in den größeren wissenschaftlichen Kontext, zeigt sich die Qualität des Wissenschaftlers. Am Beginn der Diskussion finden sich Formulierungen wie „Das Ziel der Studie war es ...“. Andere Wissenschaftler eröffnen die Diskussion so: „Diese doppelt verblindete randomisierte Placebo-kontrollierte Studie wurde durchgeführt, um ...“ oder „Entsprechend unserer Kenntnis, ist dies die aktuell ausführlichste Studie zur Untersuchung der Eigenschaft von ...“. Jeder dieser einleitenden Sätze hat das Ziel, eine Brücke zum Ende der Einleitung zu schlagen. Damit wird es dem Leser erleichtert, sich innerhalb der Studie zurechtzufinden, selbst dann, wenn er den Abschnitt Material und Methoden sowie den Ergebnisteil nur überflogen oder gar nicht gelesen hat.
Die Wissenschaftstheorie
Dem einleitenden Satz folgt meist eine Erklärung, wie versucht wurde, das Ziel der Studie zu erreichen und welche Untersuchungen dazu durchgeführt wurden. Hier wird noch einmal deutlich, wie die Studie designt wurde und ob alle Faktoren, die einen Einfluss auf den Gegenstand der Untersuchung gehabt haben könnten, untersucht bzw. ausgeschlossen wurden. Es werden die wichtigsten Ergebnisse erneut aufgegriffen, zusammengefasst und dazu verwendet, die Hypothese der Arbeit zu belegen oder zu widerlegen. Wie schon in der Beschreibung der Ergebnisse, gilt es bei der Formulierung der Diskussion, die Wissenschaftstheorie im Hinterkopf zu behalten.
Nach dieser von Karl Popper begründeten Theorie vollzieht sich der Erkenntnisfortschritt durch „trial and error“: Auf offene Fragen wird versuchsweise eine Antwort gegeben und diese einer strengen Prüfung unterzogen. Wenn sie die Prüfung nicht besteht, wird die Antwort verworfen und versucht, sie durch eine bessere zuersetzen. Dieses Prinzip des Falsifikationismus geht also davon aus, dass eine Hypothese niemals bewiesen, aber gegebenenfalls widerlegt werden kann. Aussagen wie: „Die Ergebnisse X beweisen den kausalen Zusammenhang zwischen Beobachtung Y und Effekt Z“ sind spekulativ und lassen keine Freiheit für eine mögliche Widerlegung (Unterschied zwischen Kausalität und Korrelation, s. Teil 3, Qdent 4/2019). Schlimmer noch, man macht sich als Wissenschaftler angreifbar. Besser sind Formulierungen wie, „Ergebnis XY stützt/ illustriert/ verdeutlicht/ untermauert/ bekräftigt die These, dass ...“.
Warum auch in der Wissenschaft das richtige Werkzeug wichtig ist
In kaum einer medizinischen Disziplin treffen so viele verschiedene wissenschaftliche Fachgebiete aufeinander wie in der Zahnmedizin. Die Bandbreite ist groß, das verfügbare Wissen steigt kontinuierlich an und macht es schwierig, sich zurechtzufinden. Da ist es wichtig, grundlegende wissenschaftliche Arbeitsweisen zu kennen, aber auch sich der Unterschiede bewusst zu sein, zum Beispiel zwischen klinischer Forschung und Grundlagenforschung. Das vermeidet Frust bei der Auswahl und Bearbeitung eines Promotionsthemas und hilft später bei der kontinuierlichen Fortbildung in der Praxis.
Die richtige Einordnung
Kaum eine Studie ist perfekt. Stichproben könnten größer oder die Anzahl der wiederholten Versuche höher sein, zusätzliche Untersuchungsmethoden hätten hinzugezogen werden können. Doch dies ist nicht immer möglich (z. B. Mangel an Untersuchungsmaterial) und in manchen Fällen auch nicht sinnvoll (z. B. Tierversuche). Wichtig ist es, die möglichen Ungenauigkeiten und Schwächen der eigenen Studie aufzuzeigen, zu benennen und einzuordnen. Beispielsweise so: „Auch wenn die Anzahl der untersuchten Patienten gering war, deuten die statistisch signifikanten Ergebnisse der Studie darauf hin, dass X mit Y zusammenhängt.“ Es sollte versucht werden, sich beim Schreiben der Arbeit immer wieder in die Rolle des Gutachters zu versetzen. Ein Gutachter wird die Schwächen der Arbeit sofort erkennen und an ihrer wissenschaftlichen Eignung zweifeln, wenn der Autor diese nicht benennt.
Der Bezug zur Literatur
Während und im Anschluss an die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Arbeit wird die aktuelle Literatur des Forschungsgebietes diskutiert und mit den Ergebnissen verglichen. Die bestehende Literatur kann die Thesen der eigenen Arbeit unterstützen, wie in folgendem Beispiel: „Die Ergebnisse dieser Studie werden untermauert durch die Ergebnisse von Mustermann et al. (2019), die einen ähnlichen Effekt bereits in Versuchen an Mäusen beobachtet haben.“ Je tiefer man sich hier in die Literatur hineingräbt desto besser. Bleiben wir bei dem Beispiel, wäre die nächste Frage, ob die gleichen Ergebnisse bei Mensch und Maus einen Grund haben: „Wie Lee und Miller bereits 2001 zeigten, besitzt der verantwortliche Rezeptor in Mensch und Maus die gleiche Aminosäuresequenz.“
Aber die eigenen Ergebnisse können auch im Widerspruch zur aktuellen Studienlage stehen: „Diese Studie zeigt erstmals diesen Zusammenhang, zumal mit einer deutlich größeren und somit aussagekräftigeren Stichprobengröße als in den Versuchen von Mustermann et al. (2018).“
Die Conclusion
Die Diskussion endet mit einer Schlussfolgerung (Conclusion), in der die Ergebnisse der Arbeit zusammenfasst werden. Sie zeigt auf, welchen Einfluss das Untersuchungsergebnis auf das Forschungsgebiet, die Gesellschaft oder die Gesundheit der Bevölkerung haben könnte.
Dr. rer. nat. MSc Fabian Langenbach, Berlin
Die Beitragsreihe im Überblick:
Teil 1: „Titel und Abstract“, zuerst erschienen in der Qdent, Ausgabe 3/2018, Seite 34–35.
Teil 2: „Einleitung & Material und Methoden“, zuerst erschienen in Qdent, Ausgabe 1/2019, Seite 28–29.
Teil 3: „Ergebnisse“, zuerst erschienen in Qdent, Ausgabe 4/2019, Seite 38–40.
Teil 4: „Diskussion“, zuerst erschienen in Qdent, Ausgabe 2/2020, Seite 38–40.