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Unser Nachbarland sucht dringend Zahnärzte – Zahnarzt Christian Schouten über das Arbeiten im Ausland

(c) danceyourlife/Shutterstock.com

Belgien ist bekannt für seine Pralinen, das hochprozentige Bier und die dicken Pommes – und Belgien sucht seit Jahren händeringend nach Zahnärzten. Aufgrund der prekären Situation gibt es bereits Vermittler, die im Ausland nach Zahnärzten suchen, die bereit sind, in Belgien zu arbeiten.

Mittlerweile kommen Zahnärzte aus allen Ländern Europas. Allein in meiner jetzigen Praxis haben wir Fachpersonal aus Spanien, Portugal, Albanien, Ungarn, Deutschland, Türkei und den Niederlanden. Drei belgische Kollegen gibt es auch noch. Zwei von ihnen sind aber bereits im Rentenalter.

Vermittler suchen Zahnärzte im Ausland

Die Arbeitsvermittlung erfolgte über eine Firma namens Dentalrecruitment.eu, die unter anderem in Deutschland Zahnärztinnen und Zahnärzte für Belgien und die Niederlande sucht, und gestaltete sich recht unkompliziert. Schnell war eine passende Praxis gefunden und im nächsten Schritt hieß es dann erstmal jede Menge bürokratischer Schritte zu erledigen. So braucht man eine Anerkennung seiner zahnärztlichen Approbation von der EU und schickt diese nach Belgien, wo eine Anerkennung als Allgemeinzahnarzt erfolgen muss, bevor man dort tätig werden kann.

Wichtig dabei ist, sich in der richtigen Provinz anzumelden. Denn es gibt einen flämischen und einen wallonischen Teil. Letzterer ist französischsprachig und ersterer spricht flämisch, einen an das Niederländische angelehnten Dialekt. Es sind quasi zwei Länder, verbunden durch eine gemeinsame Grenze.

Unbürokratisches Abrechnungssystem

Waren diese ersten Hürden erstmal geschafft und der Start im neuen Umfeld erfolgt, fielen mir sehr schnell die Unterschiede zwischen dem belgischen und den deutschen Gegebenheiten auf. So staunte ich über das generell unbürokratische System bei der Abrechnung: Während in Deutschland jede Handlung mit einer separaten BEMA- oder GOZ-Nummer abgegolten wird, gilt in Belgien, dass man beispielsweise für eine Füllung einen Festbetrag erhält und zusätzliche Leistungen wie die Anästhesie oder die Nutzung von Keilchen bereits in diesem Festbetrag inkludiert sind. Ähnlich ist es bei einer zahnärztlichen Untersuchung, wo Bissflügelaufnahmen und das Entfernen von Zahnstein zum Leistungspaket dazugehören.

Keine komplizierten Anträge für Zahnersatz

Macht man dem Patienten ein Angebot für Zahnersatz, schreibt man einen Festbetrag auf ein Stück Papier und ist fertig. Keine komplizierten Anträge, kein Genehmigungsverfahren, keine Auflistung von Teilleistungen für den Patienten. Herausnehmbarer Zahnersatz wird alle sieben Jahre von der Krankenkasse bezuschusst, festsitzender nur zu einem geringen Prozentsatz.

Quereinsteiger statt ausgebildeter Assistenz

So erfreulich diese unbürokratischen Verfahren sind, so gibt es doch andere Bereiche, wo ich mir strengere Vorschriften wünschen würde. Die zahnärztlichen Assistenten/-innen sind in aller Regel Quereinsteiger, die firmenintern geschult werden und keine dreijährige Ausbildung durchlaufen. So lassen mitunter das Verständnis für zahnmedizinische Abläufe oder Hygienestandards zu wünschen übrig.

Mehr Zeit für hochwertige Zahnmedizin, aber oft lange Wartezeiten

Nach fast einem Jahr konnte ich mir ein gutes Bild von den Arbeitsumständen in Belgien machen. In Belgien geht es gemütlicher zu als in Deutschland. Hier kommt es nicht darauf an, im Akkord eine Vielzahl an Patienten abzufertigen. Die günstigen finanziellen Rahmenbedingungen lassen es zu, dass man sich Zeit für hochwertige Zahnmedizin nehmen kann.

Umgekehrt sind die Patienten überaus dankbar behandelt zu werden, da viele Praxen keinen Nachfolger finden und schließen müssen. In anderen Praxen besteht oft ein genereller Aufnahmestopp für Neupatienten, so dass es mehrere Monate dauern kann, bis man einen Termin erhält. Auch Schmerzpatienten sind mitunter vor langen Wartezeiten nicht gefeit.

Stolze und entspannte Flamen

Sehr gefallen hat mir, dass viele Kollegen mir mit der Zeit ihre Pralinenschublade gezeigt haben, Pommes wirklich eine große Sache sind und jeder seine Lieblingsfritturie hat. Die Flamen sind sehr stolz auf ihre Provinz. Dies zeigt sich darin, dass sie gerne das Schicksal ihrer BF’s, der „berühmten Flamen“ im Blick behalten. Sie halten ihren Stars die Treue und spielen jedes Lied ihrer Landsmänner monatelang im Radio ab, gern auch den Kindern zur Beruhigung während der Behandlung.

Es gibt einen sehr eigenen Humor und über ein paar Ecken kennt jeder jeden, da das Land so klein ist. Fällt ein Feiertag auf das Wochenende, wird er nachgeholt. Geselligkeit wird großgeschrieben und in Form vieler Firmenevents zelebriert. Ein wenig ist es wie im französischen Film „Willkommen bei den Sch‘tis".

Dr. Christian Schouten, B-Oudsbergen

Foto: privat
Dr. Christian Schouten arbeitet derzeit als Zahnarzt bei Esthedentalplus in Oudsbergen in Belgien. Er ist seit mehreren Jahren als Autor im Quintessenz Verlag aktiv und hat für die QDent zahlreiche Beiträge verfasst und auch ein Heft zum Thema Nachhaltigkeit (Ausgabe 1/2024) als Pate betreut. Kontakt zum Autor unter cschouten41@gmail.com.

Quelle: Quintessence News Studium & Praxisstart Praxis

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