Die ambulante Gesundheitsversorgung steht in Deutschland vor einem Generationswechsel. Unter den selbstständigen Ärzten ist aktuell jeder Dritte 60 Jahre und älter. Und die niedergelassenen Zahnärzte finden immer schwieriger Nachfolger, da mittlerweile mehr Praxen zum Verkauf angeboten werden, als Nachfrage vorhanden ist.
Aber auch die stationäre Versorgung buhlt um den Nachwuchs. Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank (apoBank) hat untersucht, wie sich die Vertreterinnen und Vertreter der älteren und der jungen Generation in ihrer Rolle als Heilberufler sehen, was ihnen bei der Patientenbehandlung wichtig ist und welche Veränderungen sie in ihrer Branche wahrnehmen.
Junge Generation weniger karriereorientiert
Der Generationsvergleich zeigt, dass die jeweilige Einstellung und die Selbsteinschätzung an einigen Stellen deutlich auseinandergehen. Während die ältere Generation sich eher als karriereorientiert einschätzt, haben bei den jüngeren Heilberuflern Familie und Freizeit mehr Relevanz. Den stärkeren Fokus auf die berufliche Karriere bei der älteren Generation bestätigt zudem die Antwort auf die Frage nach dem Stellenwert der Arbeit. Dieser wird von knapp der Hälfte der älteren Heilberufler als hoch eingestuft, bei den Jüngeren gilt dies nur für ein Drittel.
Knapp drei von fünf Heilberuflern der älteren Generation ordnen sich selbst eher als analog denn als digital ein und mehr als zwei Drittel würden sich eher als Einzelkämpfer bezeichnen. Das sieht die junge Generation ganz anders: 80 Prozent beschreiben sich als digital und zukunftsorientiert, knapp zwei Drittel schätzen sich eher als Teamplayer ein.
Junge Zahnärzte: Freizeit und Familie gewinnen an Bedeutung
Bei den Zahnmedizinern wird das Ergebnis bestätigt. Die jüngere Zahnärztegeneration misst der Arbeit einen geringeren Stellenwert im Leben bei als die ältere, dafür werden Familie und Freizeit wichtiger. Auch das Thema Selbstverwirklichung gewinnt an Bedeutung, vor allem als ein zentraler Vorteil der Selbstständigkeit. Die fehlende Familienfreundlichkeit wird dagegen als deutlicher Nachteil der Selbstständigkeit gewertet.
Die neue Generation der Zahnärzte nimmt Verbesserungen im Bereich der Digitalisierung im Gesundheitsmarkt deutlich stärker wahr als ihre älteren Kollegen und sieht die Entwicklung bei beruflichen Gestaltungsspielräumen positiver. Im Gegensatz zu anderen Heilberuflern empfinden jedoch beide Generationen eine deutlichere Verschlechterung der Stellensituation. In punkto Bezahlung sehen knapp 90 Prozent der jüngeren Zahnärzte einen Rückschritt und sind somit in dieser Hinsicht noch kritischer als die ältere Generation mit 82 Prozent.
Selbstständigkeit bleibt attraktiv, finanzielles Risiko aber größte Hürde
Auch die Frage nach Vorteilen und Nachteilen der Selbstständigkeit zeigt jeweils unterschiedliche Wahrnehmungen: Selbstverwirklichung, Einkommen und Work-Life-Balance werden von den Young Professionals eher als Pluspunkte der Niederlassung gesehen. Das finanzielle Risiko ist für sie die größte Hürde zur Selbständigkeit und hat im Vergleich zu früher deutlich an Relevanz zugenommen. Bürokratie und Unternehmertum stufen die Jungen ebenso als Hemmnis ein, wenn auch etwas niedriger als die ältere Generation. Auch das hohe Arbeitspensum wird von den jüngeren Heilberuflern weniger als Nachteil wahrgenommen.
Die Gründe für die Berufswahl werden bei der jungen Ärztegeneration vielfältiger: Kriterien wie das Heilen und Helfen sowie die Faszination am Beruf bleiben zwar ausschlaggebend, jedoch zählen auch andere Attribute, wie die Möglichkeit zur Selbstverwirklichung, Verdienstaussichten und gesellschaftliches Ansehen.
Digitalisierung bleibt eine Generationenfrage
Die Patientenbehandlung rückt in den Augen der neuen Generation in einen anderen Fokus. Eine vertrauensvolle und enge Beziehung zum Patienten beziehungsweise zum Kunden sowie der Therapieerfolg gehören für beide Generationen zu den wichtigsten Aspekten in der Behandlung. Doch ein hoher Wohlfühlfaktor in der Praxis, die Vermittlung von Wissen, eine gute Erreichbarkeit sowie eine positive Bewertung und Weiterempfehlung spielen für die jüngeren Heilberufler eine größere Rolle. Deutlich werden die Generationsunterschiede vor allem, wenn es um die Kategorie digitale Services geht: 72 Prozent der jüngeren Heilberufler sehen diese als relevant an, unter den Älteren sind es lediglich 45 Prozent.
Young Professionals sehen mehr Fortschritte im Gesundheitswesen
Nach den Veränderungen im Gesundheitswesen und dem Arbeitsumfeld gefragt, sehen die meisten (82 Prozent) der Befragten eine Verbesserung in der Digitalisierung des Gesundheitsmarktes. Die Entwicklungen bei Reglementierung (86 Prozent) und Kommerzialisierung (80 Prozent) des Gesundheitswesens hingegen werden fast gleichmäßig als Verschlechterung empfunden.
Schaut man genauer in die Generationen hinein, zeigt sich, dass die jüngeren Heilberufler den Veränderungen im Gesundheitsmarkt insgesamt deutlich positiver gegenüberstehen als ihre älteren Kollegen: Vor allem beim Arbeitspensum, Gestaltungsspielräumen und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie nimmt die junge Gruppe mehr Verbesserung in den vergangenen 20 bis 30 Jahren wahr.
Methodik
Die Online-Befragung „Generationswechsel Heilberufler“ wurde im Juli und August 2020 in Kooperation mit DocCheck Research durchgeführt. Insgesamt befragte die apoBank 800 Heilberufler zwischen 25 und 70 Jahren, davon jeweils 200 Hausärzte, Fachärzte, Zahnärzte und Apotheker.