0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
9583 Aufrufe

Eine gut geplante Insolvenz kann die Praxis zügig und erfolgreich wirtschaftlich sanieren

Die Corona-Pandemie setzt auch die niedergelassenen Zahnärzte unter finanziellen Druck. Ausbleibende Patienten und die Folgen der pandemiebedingten Regularien können dem eigentlich stabilen Berufsfeld stark zusetzen und die Praxis im schlimmsten Fall wirtschaftlich in die Klemme bringen.

Das Schreckenswort für viele heißt dann „Insolvenz“. Dass darin auch eine Chance liegt, ist Zahnärzten oft nicht bekannt. Im Gespräch mit Quintessence News erklärt der Insolvenzrechtsexperte Tilo Kolb von Schultze & Braun, wie sich Zahnärzte mit einer gut geplanten Insolvenz in Krisenzeiten neu aufstellen können.

Herr Kolb, wie häufig geraten Zahnärzte in eine finanzielle Schieflage?

Tilo Kolb: Zunächst einmal muss ich sagen, dass Zahnärzte nicht zu einer Berufsgruppe gehören, die man mit finanziellen Schwierigkeiten oder einer Insolvenz in Verbindung bringen würde. Zahnärzte haben aber aufgrund der Corona-Pandemie in den vergangenen Wochen und Monaten viel weniger Patienten in ihren Praxen behandelt als sonst. Je nach Bundesland war der Praxisbetrieb unterschiedlich geregelt. Teilweise waren Praxen geschlossen, zumeist wurden nur Notfallbehandlungen durchgeführt. So kann eine eigentlich gesunde Praxis schnell in finanzielle Schwierigkeiten geraten.

Aus welchen anderen Gründen stellen Zahnärzte in der Praxis einen Insolvenzantrag?

Kolb: Grundsätzlich spielen häufig äußere Umstände die maßgebliche Rolle. Das sind zu hohe Investitionen in die Praxisausstattung oder nicht rentable Investments. Der Geschäftsbetrieb des Zahnarztes selbst ist nur selten Auslöser für die Insolvenz – auch wenn sich das durch die Corona-Pandemie etwas geändert hat. Hier kommt zum Tragen, dass bei Freiberuflern – anders als bei Unternehmen im klassischen Sinn – der private und der betriebliche Bereich eng miteinander verflochten sind.

„Insolvenz nicht verteufeln“

Wie stehen die Chancen für Zahnärzte, ihr Insolvenzverfahren erfolgreich abzuschließen?

Kolb: Die stehen sehr gut. Weil die Insolvenz häufig durch äußere Umstände ausgelöst wird, trägt sich der Geschäftsbetrieb ohne die finanziellen Belastungen von außen. Wenn der Zahnarzt außerdem ein Insolvenzverfahren nicht verteufelt, sondern als eine reale Chance zur Sanierung begreift, kann er sich mithilfe eines sogenannten Insolvenzplanverfahrens sanieren.

Was verbirgt sich hinter dem Insolvenzplanverfahren?

Kolb: Mit diesem Verfahren kann der Zahnarzt seine Zulassung erhalten. Das ist relevant, weil an dieser Zulassung der Betrieb seiner Praxis hängt. Für Freiberufler – wie Zahnärzte – kommt ein reines Regelinsolvenzverfahren nicht infrage, weil sie dabei ihre Zulassung verlieren würden. Juristisch gesehen hängt das damit zusammen, dass ausschließlich im Insolvenzplanverfahren der Rechtsträger – und an diesem hängt die Zulassung – bestehen bleibt.

Wie läuft dieses Verfahren konkret für Zahnärzte ab?

Kolb: Als erstes muss der Zahnarzt einen Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellen. Der Richter bestellt dann einen vorläufigen Insolvenzverwalter, der gemeinsam mit dem Zahnarzt die wirtschaftlichen Gründe für die finanziellen Probleme analysiert. Aus der Analyse leiten beide dann leistungs- und finanzwirtschaftliche Sanierungsmaßnahmen ab. Diese werden im Insolvenzplan festgelegt und dann dem Gericht und den Gläubigern zur Abstimmung vorgelegt.

Das ist allerdings kein Selbstläufer: Der Zahnarzt muss seine Gläubiger überzeugen, dass die Sanierung notwendig und auch erfolgsversprechend ist. Außerdem muss er seine Gläubiger um eine weitere Finanzierung bitten.

„Schnell wieder auf wirtschaftlich sicheren Beinen“

Also ist eine Zustimmung der Gläubiger unmöglich.

Kolb: Nicht unmöglich, aber es braucht Überzeugungsarbeit seitens des Zahnarztes. Wenn er den Dialog mit den Gläubigern aber gut vorbereitet, stimmen sie dem Insolvenzplan im Allgemeinen zu. Der Vorteil für sie ist nämlich, dass sie bei einem Insolvenzplan in der Regel eine höhere Quote bekommen als im Regelinsolvenzverfahren. Das ist ein starkes Argument.

Was passiert dann?

Kolb: Sobald die Gläubiger zugestimmt haben, kann das Insolvenzgericht das Verfahren des Zahnarztes etwa einen Monat später aufheben. Leistet er dann alle vereinbarten Zahlungen fristgerecht an die Gläubiger, gilt der Plan als erfüllt. Das dauert üblicherweise nur sechs bis acht Monate – dann steht der Zahnarzt mit erhaltener Zulassung und saniertem Geschäft wirtschaftlich wieder auf sicheren Beinen.

Ein Regelinsolvenzverfahren dauert viel länger und der Faktor Zeit ist nicht zu unterschätzen: Je schneller der Zahnarzt seine Insolvenz hinter sich lassen kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass seine Patienten davon gar nichts mitbekommen und der Imageschaden ausbleibt. Die Vorbereitung spielt dabei eine entscheidende Rolle.

Es gilt das Prinzip „besser früher als später“

Stichwort Vorbereitung: Was raten Sie einem Zahnarzt, der während der Corona-Pandemie finanziell in Schieflage geraten ist?

Kolb: Es gilt das Prinzip „besser früher als später“: Je früher der Zahnarzt den Insolvenzantrag stellt, desto eher ist eine Sanierung möglich. Wenn es eine Corona-bedingte Finanzierungslücke gibt oder der Zahnarzt in absehbarer Zeit zahlungsunfähig ist, sollte er nicht mehr zögern, sondern das Gespräch mit einem Spezialisten suchen.

Tilo Kolb ist seit 2002 bei Schultze & Braun im Bereich Insolvenzverwaltung tätig und leitet die Niederlassungen der Kanzlei in Dessau und Rostock. Der Rechtsanwalt und Fachanwalt für Insolvenzrecht war vor seinem Wechsel zu Schultze & Braun für die PwC Deutsche Revision AG im Bereich Wirtschaftsprüfung tätig.


Schultze & Braun ist einer der führenden Dienstleister für Insolvenzverwaltung und Beratung von Unternehmen in der Krise. Mit rund 650 Mitarbeitern an mehr als 40 Standorten in Deutschland und im europäischen Ausland vereint das Unternehmen als einer der wenigen Anbieter juristischen und betriebswirtschaftlichen Sachverstand unter einem Dach. Schultze & Braun unterstützt Unternehmen regional, national und international in allen Sanierungs- und Restrukturierungsfragen, führt sie durch Krise und Insolvenz oder zeigt, wie sich Insolvenzen vermeiden lassen. Darüber hinaus berät und vertritt Schultze & Braun Mandanten in Fragen der klassischen Unternehmens-, Rechts- und Steuerberatung. (Foto: Schultze & Braun)


Titelbild: gopixa/Shutterstock.com
Quelle: Quintessence News Praxisführung Wirtschaft

Adblocker aktiv! Bitte nehmen Sie sich einen Moment ...

Unser System meldet, dass Sie eine aktive AdBlocker-Software verwenden, die verhindert dass alle Seiteninhalte geladen werden können.

Fair geht vor: Unsere Partner aus der Industrie tragen durch ihre Anzeigen einen maßgeblichen Teil zum Betreiben dieser Newsseite bei. Diese finden Sie in überschaubarer Anzahl auf der Startseite sowie den einzelnen Artikelseiten.

Bitte setzen Sie www.quintessence-publishing.com auf Ihre „AdBlocker Whitelist“ oder deaktivieren Ihre AdBlocker Software. Danke.

Weitere Nachrichten

  
11. Juli 2024

„Ich könnte mir vorstellen, auch Mentor zu sein“

Erfolgreich selbstständig als Zahnarzt mit sozialem Engagement – Dr. André Wöhner ist Gast in Folge #16 von Dental Minds
8. Juli 2024

Die Zukunft der Praxissoftware liegt in der Cloud

Open Telekom Cloud für DS4 von Dampsoft – viele Vorteile für die Praxis
4. Juli 2024

Kennen Sie Ihre Signaturstärken?

Dr. Susanne Woitzik über einzigartige Stärken und ihren gezielten Einsatz auch im Team – kostenfrei an neuer Studie teilnehmen und profitieren
2. Juli 2024

Totalprothetik mit Gewinn?

Neue Workshop-Serie mit Dr. Jürgen Wahlmann – Vom ungeliebten Verlustbringer zum profitablen Standbein
26. Juni 2024

Bessere Möglichkeiten für lebenslanges Lernen schaffen

DIE zur „Bildung in Deutschland 2024“: Es besteht weiterhin bildungspolitischer Handlungsbedarf
25. Juni 2024

Wie individuell ist die Individualprophylaxe heute noch?

DH Birgit Schlee warnt vor der Gefahr, dass sich die Prophylaxe wieder zur „Gießkannenprophylaxe“ entwickelt
25. Juni 2024

Kündigung ohne Abmahnung

RA Alexander Bredereck erklärt, warum es auch auf die Dauer der Beschäftigung und das Verhalten ankommt
25. Juni 2024

DDS.Berlin: Erste Digital Dentistry Show startet nächstes Wochenende

Neue Messe mit ausschließlich digitalen Technologien bietet mehr als 70 Ausstellende aus 12 Ländern