Die Delegierten des Deutschen Ärztetags haben am Donnerstag, 29. Mai 2025, in Leipzig mit großer Mehrheit den von Ärzteschaft und PKV-Verband erarbeiteten Entwurf einer GOÄneu verabschiedet. 212 Delegierte stimmten dafür, nur 19 dagegen.
Der Abstimmung war eine intensive Diskussion mit relativ schnellem Schluss der Rednerliste vorausgegangen, in der sich die überwiegende Mehrheit der Rednerinnen und Redner für den Entwurf aussprach. Bereits im Vorfeld hatte die Bundesärztekammer in einer großen Kampagne für die Annahme des Entwurfs geworben, der seit der ersten Veröffentlichung im Herbst 2024 von Teilen der Ärzteschaft, Verbänden und Organisationen auch nach einen Clearing-Prozess und weiteren Änderungen bis zum Schluss heftig kritisiert wurde. Auch aus der Zahnärzteschaft wurde Kritik an diesem Novellierungsvorschlag laut, vor allem am Paragrafenteil, der wesentliche Aspekte einer freien Vertragsgestaltung mit den Patientinnen und Patienten nicht mehr enthält. Er eigne sich nicht als Blaupause für eine Novellierung der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), hatte die Bundeszahnärztekammer schon im Herbst 2024 erklärt.
Viele der kritischen Anträge oder Anträge zu Detailfragen wurden zur Weiterbearbeitung an den Vorstand überwiesen. Auch wurde angekündigt, dass nach dem positiven Votum der Delegierten ja weitere Verbesserungen und Veränderungen an der vorliegenden Fassung möglich seien.
Warken erkennt Notwendigkeit der Novellierung an
Christian Glawe-Griebel/helliwood.com
„Interessenausgleich“ mit PKV und Beihilfe
Der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Klaus Reinhardt, hatte in der Diskussion erneut gefordert, diesem Entwurf jetzt zuzustimmen. Die Ärzteschaft müsse einen „angemessenen Interessensausgleich“ mit der PKV und der Beihilfe finden. Es brauche eine Balance zwischen den berechtigten Interessen der Ärztinnen und Ärzte und „denjenigen, die zur Zahlung verpflichtet sind“. In der gemeinsamen Pressemitteilung von BÄK und PKV-Verband lobten beide die jetzt so deutliche Zustimmung der Delegierten.
„Der heutige Beschluss des Deutschen Ärztetages ist ein wichtiges gemeinsames Signal für die Handlungs- und Kompromissfähigkeit der ärztlichen Selbstverwaltung, der Privaten Krankenversicherung und der Beihilfeträger für eine zukunftsfähige Privatmedizin. Das Ziel leistungsgerechter Honorare für Ärztinnen und Ärzte bei bezahlbaren Beiträgen für privat Versicherte ist zu einem wirksamen Ausgleich gebracht worden. Jetzt ist die Politik in der Verantwortung: Wenn ein so breit abgestimmter und tragfähiger Entwurf vorliegt, der von allen relevanten Akteuren mitgetragen wird, dann ist auch der Zeitpunkt gekommen, ihn in die politischen Verfahren einzubringen. Bundesgesundheitsministerin Nina Warken hat auf dem Ärztetag die Notwendigkeit für eine neue Gebührenordnung betont“, heißt es.
PKV und BÄK betonen Vorteile – sprechende Medizin aufgewertet
Der gemeinsame Entwurf bringe klare Vorteile für alle Beteiligten. „Wir haben das Leistungsverzeichnis umfassend aktualisiert und an die moderne Medizin angepasst. Digitale Leistungen, wie die Nutzung der elektronischen Patientenakte oder telemedizinische Behandlungen, werden erstmals systematisch abgebildet.“ Für alle Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten schaffe man deutlich mehr Transparenz und Rechtssicherheit. „Besonderes Augenmerk haben wir auf die ärztliche Zuwendung gelegt: Sie ist das zentrale Element ärztlichen Handelns und wird in der neuen GOÄ endlich auch entsprechend bewertet. Dies kommt Patientinnen und Patienten wie Ärztinnen und Ärzten in allen medizinischen Fachgebieten mit Patientenkontakt zugute“.
Gleichzeitig seien bewährte Prinzipien beibehalten und weiterentwickelt worden, so die Einzelleistungsvergütung, die Therapiefreiheit, die Offenheit für Innovationen und der Verzicht auf eine Budgetierung. „Diese Elemente sind aus Sicht der Ärzteschaft zu Recht unverzichtbare Grundlagen einer freiberuflichen ärztlichen Tätigkeit“.
Anstieg des PKV-Ausgabenvolumens von 13,2 Prozent über drei Jahre
Zur finanziellen Seite heißt es, die Bewertungen folgten einem rationalen Bewertungskonzept. „Der Entwurf ist mit Blick auf seine finanziellen Auswirkungen von Bundesärztekammer und PKV-Verband unabhängig voneinander und miteinander auf Basis fundierter Mengen- und Transkodierungsmodelle durchkalkuliert. Diese Prognosen sehen übereinstimmend einen Rahmen für den Anstieg des PKV-Ausgabevolumens von 13,2 Prozent in den ersten drei Jahren nach dem Inkrafttreten vor“, heißt es weiter.
Gelobt werde ebenfalls die im Entwurf festgehaltene Möglichkeit zur kontinuierlichen Weiterentwicklung, dies sei ein wesentliches Element. „Bundesärztekammer und PKV-Verband haben verabredet, auch nach einer Übergabe an die Bundesgesundheitsministerin im engen Austausch mit den ärztlichen Berufsverbänden und Fachgesellschaften erforderliche Anpassungen mit Blick auf den medizinischen Fortschritt und die Kostenentwicklung zu prüfen, in den Entwurf einzuarbeiten und dem Verordnungsgeber zu kommunizieren. Nach Inkrafttreten einer neuen GOÄ wird diese Arbeit in einer gemeinsamen Kommission fortgesetzt“, heißt es.
Eigener Weg für eine GOZ-Novellierung nötig
Die Bundeszahnärztekammer reagierte am Freitag auf den Beschluss des Deutschen Ärztetags und forderte eine Novellierung auch der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), allerdings mit einem anderen Weg, als ihn jetzt die Ärzte für die GOÄ gewählt haben. „Wir gratulieren den Ärzten, dass sie einen für sie passenden Weg gefunden haben. Dennoch wird es notwendig sein, dass die Zahnmedizin ihren eigenen Weg geht.“, so Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer (BZÄK). Auch eine Modernisierung des Gebührenverzeichnisses für Zahnärzte (GOZ) sei akut notwendig, „denn dieses ist teilweise fachlich, aber vor allem auch betriebswirtschaftlich veraltet und als Abrechnungsgrundlage für die Behandlung von Patientinnen und Patienten kaum noch geeignet. Seit ihrem Erlass 1988 hat sich die Zahnmedizin rasant weiterentwickelt.“
Steigerungsfaktor erlaubt Zahnärzten individuelle Bemessung nach Schwierigkeitsgrad
„Die zahnärztlichen Leistungen haben sich in ihrem Inhalt und in ihrer Ausführung stark verändert. Und die Kosten für Personal, Mieten, Strom, Geräte etc. sind seit den alten DM-Zeiten immens gestiegen. Hier kann kein Punktwert von 1988 herangezogen werden, das entspricht nicht der Realität mit ihrer jährlichen Inflation“, so Dr. Romy Ermler, Vizepräsidentin der BZÄK. „Eine moderne Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde kann mit einem Regelwerk aus Vorwendezeiten nicht abgebildet werden.“
Allerdings brauche es dafür einen anderen Weg, als ihn die Ärzte für die GOÄ erarbeitet haben, so Ermler weiter. Es gebe gravierende Unterschiede, die berücksichtigt werden müssten. So werde in der Zahnmedizin regelmäßig eine individuelle Bemessung nach Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand berechnet. Dafür müsse der Steigerungsfaktor als Multiplikator erhalten bleiben, der es ermögliche, die Gebühren an die individuellen Bedürfnisse und die Komplexität der Behandlung anzupassen. Behandlungen müssten nach den spezifischen Bedürfnissen und der individuellen zahnmedizinischen Situation des Patienten berechnet werden können, nur so ist es für Patientenschaft und Behandelnde fair.
Gerade das sehr patientenindividuelle zahnärztliche Leistungsspektrum mit seiner Vielzahl von Behandlungsalternativen für den Patienten lasse sich mit einer Festgebühr (wie sie in der GOÄneu vorgesehen ist, Anm. d. Red.) nicht transparent abbilden. Der zahnärztliche Gebührenrahmen erlaube eine individuelle Bemessung nach Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand. Bei der dringend notwendigen Modernisierung des Gebührenverzeichnisses in der Zahnmedizin muss das zukünftig berücksichtigt bleiben.
Prof. Wiltfang: Novellierung zeitnah nötig
Prof. Dr. Dr. Jörg Wiltfang, als Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurg, Präsident der Deutschen Gesellschaft für MKG-Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde in beiden Welten der GOÄ und der GOZ zuhause, teilt die Bedenken und die Kritik der Bundeszahnärztekammer. Es sei unbedingt erforderlich, beide Gebührenordnungen zeitnah zu reformieren. Sie entsprächen in den Leistungsbeschreibungen nicht mehr dem Stand einer modernen, wissenschaftlich basierten Medizin und ZahnMedizin, wie sie für die Patientinnen und Patienten heute geleistet werden könne und längst Alltag sei.
Flexibilität der GOZ erhalten
„Aber gerade im zahnmedizinischen Bereich, wo wir abhängig von den individuellen Voraussetzungen unserer Patientinnen und Patienten eine ganze Bandbreite von unterschiedlich anspruchsvollen und komplexen Therapielösungen für eine Diagnose haben, brauchen wir die Flexibilität, die uns die GOZ jetzt noch bietet. Diese sollten wir unbedingt erhalten“, so Wiltfang. Sowohl die DGZMK als auch die DGMKG in ihrer besonderen Position werden die mögliche Novellierung sowohl der GOÄ als auch der GOZ in der Zusammenarbeit mit Ärzte- und Zahnärzteschaft eng begleiten. „Wir bleiben hier im engen Austausch“, so Wiltfang.
Dr. Marion Marschall, Berlin
Lesen Sie zu diesem Thema auch die Kolumne von Dr. Uwe Axel Richter: „Gibt es sie noch, die guten Nachrichten?“