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Der Ärztetag hat den Vorschlag für die GOÄneu in Leipzig verabschiedet – Dr. Uwe Axel Richter mit einer kritischen Würdigung
(c) Jo Panuwat D/Shutterstock.com
„Wir schreiben das Jahr 2025: Ein großes Aufatmen geht durch das politische Berlin. Ebenso zeigen sich PKV- und GKV-Kassen und deren Verbände höchst zufrieden: Denn der 129. Deutsche Ärztetag löste dank der überwältigenden Zustimmung zur sogenannten GOÄneu die Terminproblematik in der ambulanten ärztlichen Versorgung! Und das quasi im Vorbeigehen. Endlich keine Vorteile mehr für Ärzte, wenn sie Privatpatienten behandeln. Einheitsversicherung voraus.
Positive Rückmeldungen gab es auch bei den beihilfeberechtigten Beamten. Nun dürfen sie auch wie die GKV-versicherte Mehrheit der Bevölkerung drei bis sechs Monate auf Termine beim Facharzt warten. Das stärkt die Gemeinschaft und den Zusammenhalt und ist ein großer Erfolg für unsere Demokratie, so der Präsident der Bundesärztekammer. Und die Ärzte? Die freuen sich, dass sie endlich nicht mehr steigern müssen, sondern nur noch gemäß ihrer gelernten EBM-Logik verfahren können. Ein großer Erfolg auch für die PKV, denn nun darf sie endlich in der EBM-Liga spielen.
Als Spaßbremse könnte sich jedoch das Bundesministerium für Gesundheit erweisen, wenn die neue Bundesgesundheitsministerin die jahrzehntelange Tradition ihrer Vorgänger im Amt fortführt und die GOÄneu mit der Begründung ablehnt, „dass die potenzielle Steigerung des zusätzlichen vereinbarten Erstattungsvolumens von bis zu 1,9 Milliarden Euro jährlich für die kommenden drei Jahre zusätzlich viel zu teuer sei.“
„Überwältigende Zustimmung“ nach schwacher Debatte
Doch zuerst das Ergebnis der mit Spannung erwarteten Abstimmung zu der sogenannten GOÄneu: Mit 212 Ja- zu 19 Nein-Stimmen stimmte am Donnerstag vergangener Woche der 129. Deutsche Ärztetag in Leipzig der neuen, gemeinsam mit dem PKV-Verband und der Beihilfe erstellten Gebührenordnung Ärzte zu. Entsprechend gestaltete sich die rund einstündige Diskussion eher inhaltsleer, dafür umso phrasenreicher. 21 Redner sprachen sich für die Annahme aus, nur vier dagegen. Einen guten Überblick auf welchem argumentativen Niveau man sich dabei bewegte, findet sich beim Deutschen Ärzteblatt. Als Zuschauer fühlte man sich an geschickte Parteitagschoreografie nach intensiver Vorbearbeitung (wen und was vertreten eigentlich die Delegierten?) erinnert, aber nicht an eine ernsthafte Diskussion um eine der wichtigsten Zukunftsentscheidungen eines freien Berufsstands.
Die deutsche Ärzteschaft macht sich zum Scheinriesen
Aber so ist das halt, wenn es das Wichtigste scheint, auch in Zukunft in der vermeintlichen großen Politik wichtig zu sein und mitspielen zu dürfen. Ob als Stürmer, Balljunge oder doch nur Kontrolleur der Eintrittskarten, wurde ja nicht thematisiert. Das Hauptargument des Bundesärztekammer-Präsidenten Dr. Klaus Reinhardt, dass im Falle einer Ablehnung des vorliegenden GOÄ-Entwurfs die politische Glaubwürdigkeit des ärztlichen Berufsstands in Gefahr sei, hatte ja auch Charme. Politische Glaubwürdigkeit des Berufsstands? Zumindest aus der Perspektive des obersten Arztes in Deutschland, niedergelassen als Hausarzt in Westfalen-Lippe und in Personalunion Vorsitzender des rund 70.000 Mitglieder starken Hartmannbunds, mag das ein wichtiges Argument sein. Aber für die deutsche Ärzteschaft?
Verräterische Argumentation des Ärzte-Präsidenten
Um was es der deutschen Ärzteschaft wirklich gehen muss, sagte der Präsident auch. Ich zitiere gemäß vorgenanntem Artikel des „Deutschen Ärzteblatts“: „Grundsätzlich gelte es auch zu beachten, dass die Ärzteschaft einen ‚angemessenen Interessensausgleich‘ mit der PKV und der Beihilfe finden müsse. Zwischen den berechtigten Interessen der Ärztinnen und Ärzte und derjenigen, die zur Zahlung verpflichtet sind, brauche es eine Balance.“
Nur tauschte er leider die Adressaten aus. Weil es so wichtig ist, sei mir die Wiederholung erlaubt: Es geht um einen angemessenen Interessenausgleich! Doch dieser hat nicht mit PKV und Beihilfe stattzufinden, sondern mit dem Vertragspartner – und das ist nun mal der Patient. Eine Gebührenordnung soll einen staatlich gesicherten Rahmen für einen freien Beruf geben und für diejenigen, die seine Leistungen in Anspruch nehmen, so dass keine Seite übervorteilt wird. Zur Zahlung verpflichtet sind die Patientinnen und Patienten. Die Erstattung durch Dritte ist davon zunächst unberührt. Es liegt nur im Interesse der Patienten, dass sich Ärzteschaft und Kostenerstatter über grundsätzliche Fragen wie die Anerkennung von bestimmten Leistungen/neuen Behandlungsmethoden etc. abstimmen.
Wenn der Staat seine Aufgaben verlagert
Was Reinhardt hier mit erheblichem Druck durchgezogen hat, ist die Vollendung des vor rund 14 Jahren vom damaligen Ärztepräsidenten Dr. Frank Ulrich Montgomery und dem damaligen FDP-Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr begonnenen Prozesses zur Erstellung einer neuen GOÄ in der direkten Zusammenarbeit der Ärzteschaft mit den Versicherern, der PKV und der Beihilfe. Und alles nur, weil der Staat schon damals zu „faul“ (man verzeihe mir meine Wortwahl) war, seine ihm obliegenden (unangenehmen) Aufgaben zu erledigen? Oder weil man eine mangelnde Fach- und Sachkompetenz im BMG erkannt hatte? Das wäre dann Staatsversagen. Eine Formulierung, die im Übrigen auch Prof. Dr. Jürgen Wasem 2024 anlässlich einer Anhörung zur Novellierung der GOÄneu im vergangenen Jahr adressiert hatte.
Mehr als „Spökenkiekerei“
Stimmt Bundesgesundheitsministerin Nina Warken der vom Deutschen Ärztetag verabschiedeten GOÄneu zu, dann hat die Ärzteschaft die EBM-isierung der GOÄ geschafft, die PKV endlich ein versicherungsmathematisches Äquivalent zu den Kassen-Budgets und die Politik eine faktische Einheitsversicherung, ohne nach außen hin das duale Versicherungssystem abgeschafft zu haben. Für die Versicherungswirtschaft eröffnet sich damit ein weiter wachsender Markt namens Zusatzversicherungen. Gerade letztere spielen in der Zahnmedizin eine immer größere Rolle – ganz abgesehen davon, dass die Rolle der GOZ für die gesetzlich versicherten Patienten in der Zahnmedizin erheblich größer ist als die der GOÄ in der Medizin.
Der Elefant im Raum
Sollte also Nina Warken den Entwurf der GOÄ absegnen und in eine Rechtsverordnung gießen, steht für die Zahnärzteschaft der sprichwörtliche Elefant im Raum: Folgt eine Vereinheitlichung der Systematik von GOZ und GOÄ aus politischer Opportunität, oder behält man eine eigenständige Rolle der Zahnärzteschaft? Die Antwort findet sich im Unterton in der Gratulation von Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer: „Wir gratulieren den Ärzten, dass sie einen für sie passenden Weg gefunden haben. Dennoch wird es notwendig sein, dass die Zahnmedizin ihren eigenen Weg geht“, so die Verlautbarung in der Pressemeldung vom vergangenen Freitag.
Bleibt die Frage, wohin der eigenständige Weg führen soll. Die derzeitige Fokussierung auf den Punktwert und dessen Erhöhung gilt es jedenfalls angesichts der Logik der GOÄneu zu überdenken. Denn eine Anhebung des Punktwerts und ein „robuster Einfachsatz“ sind keine gute Kombination.
Fundamentale Unterschiede Zahnmedizin zur Medizin
Es wird daher entscheidend darauf ankommen, der Politik den Unterschied zwischen Medizin und Zahnmedizin erleb- und nachvollziehbar zu machen. In ihrem ersten Statement versucht es die BZÄK so: „Jedoch kann der GOÄ-Entwurf nicht die Grundlage für eine überarbeitete GOZ werden. Hier gibt es gravierende Unterschiede, die berücksichtigt werden müssen. So wird in der Zahnmedizin regelmäßig eine individuelle Bemessung nach Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand berechnet. Behandlungen müssen nach den spezifischen Bedürfnissen und der individuellen zahnmedizinischen Situation des Patienten berechnet werden können, nur so ist es für Patientenschaft und Behandelnde fair. Der sogenannte Steigerungsfaktor ist ein Multiplikator, der auf die Grundgebühr einer zahnärztlichen Leistung angewendet wird, um die tatsächlichen Kosten der Behandlung zu berechnen. Dieser Faktor ermöglicht es, die Gebühren an die individuellen Bedürfnisse und die Komplexität der Behandlung anzupassen.“ Was in der Konsequenz als Botschaft für die Politik bedeuten würde: „Finger weg vom Paragrafenteil und der Überarbeitung des Leistungskatalogs.“ („Das machen wir selbst.“)
An die Erfahrungen mit der GOZ 2012 erinnern
Der zahnärztliche Berufsstand sollte aus der Vergangenheit rund um die GOZ 2012 lernen und die Möglichkeiten der GOZ auch jenseits des Steigerungsfaktors nutzen. Der vorhandene Paragraphenteil der GOZ bietet Möglichkeiten für eine gerechte Honorierung der zahnärztlichen Leistung. Nur muss die Zahnärztin/muss der Zahnarzt diesen Spielraum auch nutzen. Auch dies macht einen freien Beruf aus und ist der elementare Unterschied zwischen einer Gebührenordnung und einer Bepreisungsliste wie dem BEMA.
Was wäre gewesen, wenn …?
Abschließend noch ein Gedanke: Was wäre eigentlich passiert, wenn die Delegierten des 129. Deutschen Ärztetags der GOÄneu nicht zugestimmt hätten? Wäre Dr. Klaus Reinhardt dann zurückgetreten?
Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf
Foto: Verena GaliasDr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.
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