In Präsenz und mit Gästen – die diesjährige Bundesversammlung der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) wird am 4. und 5. November 2022 zum ersten Mal seit Beginn der Corona-Pandemie wieder in gewohnter Form tagen, diesmal in München. Es wird die bislang zahlenmäßig größte Bundesversammlung sein – waren es bei der letzten BV in der bayerischen Landeshauptstadt im Jahr 2009 noch 109 Delegierte, entsenden die Landeszahnärztekammern jetzt 169 Vertreterinnen und Vertreter in die einmal jährlich tagende Versammlung.
Für den im Juni 2021 in einer außerordentlichen Bundesversammlung in Berlin neu gewählten Geschäftsführenden Vorstand (GV) der BZÄK wird München auch der Ort sein, die Bestandsaufnahme und Bewertung der Ziele, Themen und der Arbeit als GV und der BZÄK vorzulegen. Prof. Dr. Christoph Benz war als Präsident gemeinsam mit der Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler und dem Vizepräsidenten Konstantin von Laffert unter anderem mit dem Versprechen und dem Vorhaben angetreten, die gesamte Arbeit und Organisation der BZÄK auf den Prüfstand zu stellen, neu zu betrachten und transparenter zu machen. Dafür wollten sie sich ein Jahr Zeit nehmen.
Inzwischen ist diese Bestandsaufnahme weitgehend abgeschlossen, wie es heißt. Auch die Aufgaben im GV sind seit einem Jahr verteilt, alle drei werden entsprechend berichten. Neben den aktuellen Themen wie dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, dem Aufarbeiten der Erfahrungen in der Corona-Pandemie und der Digitalisierung stehen die Gebührenordnung für Zahnärzte, der Bürokratieabbau, der Fachkräftemangel, die Anerkennung ausländischer Abschlüsse und die zunehmenden Aktivitäten von Fremdkapitalgebern und Investoren im zahnärztlichen Bereich auf der Agenda. Diskutiert werden wird auch über den Haushalt und den jährlichen finanziellen Beitrag der Kammern für die Arbeit der BZÄK. Bislang liegen den Delegierten mehr als 20 Anträge zur Beratung und Beschlussfassung vor, und es dürften erfahrungsgemäß zahlreiche weitere dazukommen.
Kampagne zur Parodontitis läuft weiter
„Die von uns erfolgreich gestartete Kampagne zur Aufklärung der Bevölkerung über Parodontitis wird auf jeden Fall fortgesetzt. Wir haben die Zusammenarbeit mit den niedergelassenen Diabetologen schon gestartet. In Kürze wird mit den Kardiologen eine weitere Ärztegruppe hinzukommen, mit der wir gemeinsam die Bevölkerung über die Parodontitis und ihre Einflüsse auf ihre Gesundheit aufklären. Beim Thema Paro stehen wir natürlich wegen der zu befürchtenden Folgen dieses unsäglichen GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes für die PAR-Behandlung auch im engen Austausch mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung“, so BZÄK-Präsident Prof. Christoph Benz im Gespräch mit Quintessence News. „Diese Bundesregierung hat sich mehr Prävention in den Koalitionsvertrag geschrieben. PAR-Behandlung ist Prävention.“
Internationales Engagement wird fortgesetzt
Klar ist ebenfalls, dass die internationalen Aktivitäten der BZÄK auf europäischer und internationaler Ebene, im Council of European Dentists, in der Weltzahnärzteorganisation FDI, in der europäischen FDI-Gruppe ERO und in Brüssel, fortgeführt werden. „Es war für mich schon erstaunlich, bei unserem jüngsten Termin in Brüssel beim Europaforum der BZÄK zu erleben, wie abgehoben die EU-Kommission über Themen wie die Medical Device Regulation und den geplanten Europäischen Gesundheitsdatenraum spricht und im Falle MDR auch entschieden hat. Das sind Themen, die uns in den Praxen in Deutschland konkret und teilweise sehr negativ betreffen können. Da am Ball zu bleiben und auf nationaler wie auf europäischer Ebene Einfluss zu nehmen, ist uns sehr wichtig“, so Vizepräsident Konstantin von Laffert gegenüber Quintessence News.
Man freue sich, die Präsidentin der FDI, Prof. Ihsane Ben Yahya aus Marokko, in München zur BV begrüßen zu dürfen, so Benz. Dies auch vor dem Hintergrund, dass die WHO in diesem Jahr eine globale Strategie zur Mundgesundheit mit Zielen verabschiedet hat, die von den Staaten nun verfolgt werden sollen. Die FDI sei aber nicht nur hier ein wichtiger Partner.
Zahnärzte werden bei Landesgesundheitsministern gehört
Sehr gut laufe der Austausch mit den Gesundheitsministern in den Bundesländern, wenn es zum Beispiel um Fremdkapital in der Medizin und Zahnmedizin gehe. „Wir finden in den Ländern so viel Aufmerksamkeit und auch Zustimmung für unsere Themen und Anliegen wie noch nie“, berichten Benz und von Laffert. Vor allem die Aktivitäten der gewerblichen Aligner-Anbieter hätten die Politik sensibilisiert, aber auch von Fremdinvestoren betriebene MVZ.
Beim Thema GOZ wird Vizepräsidentin Dr. Romy Ermler über die aktuellen Entwicklungen berichten. Wie angekündigt, ist der neue GOZ-Strategieausschuss tätig geworden. „Wir haben hier bereits gute Gespräche zur Analogie mit dem PKV-Verband, vor allem für die moderne PAR-Behandlung, geführt und sind zuversichtlich, dass das gemeinsame Beratungsforum nach der Bundesversammlung zu einer für die Patienten und Praxen guten Einigung kommen wird“, so Ermler: „Die Zahnmedizin hat sich weiterentwickelt, wir haben neue, wissenschaftlich basierte Leistungen, die in der alten GOZ von 1988 und auch in der Novellierung von 2012 schlicht nicht abgebildet sind. Dafür brauchen wir endlich eine moderne GOZ.“
Konstruktive Gespräche zur GOZ mit Beihilfe und PKV
Die Bereitschaft der PKV und auch der Beihilfe, an der Weiterentwicklung der GOZ mitzuarbeiten, sei gut, die Gespräche seien konstruktiv. Leider zeigt der Bundesgesundheitsminister keine Gesprächsbereitschaft. Eine Angleichung von GOZ und Bema lehne man aber weiter dezidiert ab – aus gutem Grund: „Wir bekennen uns klar zum dualen System aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Die PKV war immer wieder Innovationstreiber für die medizinische Versorgung unserer Patienten. Und wir brauchen gerade in der Zahnmedizin auch für die gesetzlich versicherten Patienten die Optionen, für sich die bessere Therapie wählen zu können, die nicht im Bema abgebildet ist“, erinnert Ermler.
Es fehlt an digitaler Infrastruktur
Innovation ist auch das Stichwort beim Thema Digitalisierung, das ebenfalls prominent auf der Agenda der Bundesversammlung steht. „Aktuell schwappt über die Praxen eine Welle von – oft unzureichend entwickelten – neuen Anwendungen, die außer Mehrbelastung für uns und unsere Patienten nichts bringen und keine Probleme lösen. Wir wollen eine sinnvolle Digitalisierung, wie sie zum Beispiel jetzt das Elektronische Beantragungswesen bringt, zumindest in den Praxen, wo es bereits funktioniert“, so Ermler. Sie kritisiert, dass viele Entscheidungen in Sachen TI vom grünen Tisch aus getroffen werden – an der realen Situation und den Bedürfnissen der Praxen und Patienten vorbei. Es fehle in vielen Regionen immer noch schlicht an der nötigen digitalen Infrastruktur. Viele Menschen seien mit den digitalen Anwendungen wie E-Rezept oder elektronischer Patientenakte überfordert. Hier müssten die Zahnärzte auch Anwälte ihrer Patienten sein.
Ansehen in der Öffentlichkeit verbesern
Ihr sei es ein großes Anliegen, das Ansehen und die Wahrnehmung der Zahnärztinnen und Zahnärzte in der Öffentlichkeit weiter zu verbessern. „Zahnmedizin ist mehr als Bohren und Füllungen. Wir sind Ärzte und leisten wichtige Arbeit für die Gesamtgesundheit unserer Patientinnen und Patienten. Darauf sollten wir stolz sein und das auch immer wieder in die Politik und die Öffentlichkeit tragen“, so Ermler.
Grußwort von Holetschek, Lauterbach kommt nicht
Zur Eröffnung der Bundesversammlung wird der bayerische Staatsminister für Gesundheit, Klaus Holetschek, ein Grußwort sprechen – aus Termingründen als Videobotschaft. Der Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl Lauterbach hat den Zahnärzten – wie schon kürzlich der Bundesärztekammer zum 75-jährigen Bestehen und der Tagung des Weltärztebundes in Berlin – abgesagt. Anders als in der Vergangenheit üblich, wird auch nicht einer seiner parlamentarischen Staatssekretäre ein Grußwort oder eine Videobotschaft übermitteln. Dies entspreche wohl auch seiner Wahrnehmung und seiner Haltung zur niedergelassen tätigen Ärzte- und Zahnärzteschaft und zur ambulanten Versorgung, heißt es dazu aus der ärztlichen und zahnärztlichen Standespolitik.
Dr. Marion Marschall, Berlin