Die Nachhaltigkeit der Zahnmedizin stand als Oberthema auf der Agenda, das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz(GKV-FinStG) und die Gesundheitspolitik der Ampel-Koalition bestimmten aber immer wieder die Diskussion auf der Hauptversammlung des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ) vom 13. bis 15. Oktober 2022 in Bonn.
Unter dem Thema „Zwischen Vorsorgen und Versorgen – Wie sieht eine nachhaltige und gute Zahnheilkunde in der Zukunft aus?“ diskutierten Delegierte des Freien Verbandes mit Spitzenvertretern der Wissenschaft und der zahnärztlichen Körperschaften zum Auftakt der Versammlung und übten scharfe Kritik an der aktuellen Gesundheitspolitik der Bundesregierung.
Sowohl der Fachkräftemangel und die Digitalisierungswelle als auch die fehlende Unterstützung in der Coronapandemie und nicht zuletzt das geplante GKV-Finanzstabilisierungsgesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) stellten die Praxen vor Herausforderungen, die sie nicht allein stemmen könnten, monierte der FVDZ-Bundesvorsitzende Harald Schrader. „Die Politik legt damit die Axt an die Pfeiler, die dieses System der ambulanten Versorgung bisher tragen.“
Mit der Politik im Dialog bleiben
Foto: Jörn Wolter/FVDZ
Zugleich erteilte er einer populistischen Phrasendrescherei vonseiten der Zahnärzte und einer Sprache, die sich in Drohungen ergehe, eine Absage. Wenn man wisse, wie es weitergehe mit den Sparplänen, „können wir über wirksame Maßnahmen sprechen“, so Eßer. Bei aller Gemeinwohlorientierung des Freien Berufs Zahnarzt und der Heilberufe insgesamt gelte doch der Satz, dass es für begrenztes Geld nur begrenzte Leistungen geben könne.
Personalmangel bleibt „Großproblem“
Foto: Jörn Wolter/FVDZ
Gemeinsame Lösungen für die GOZ finden
Das zweite Großproblem sei die Gebührenordnung für Zahnärzte. „Wir brauchen eine neue GOZ mit ständiger Anpassung“, forderte der BZÄK-Präsident und ergänzte: „Bei diesem Thema ist der Minister leider ein Totalausfall.“ Die BZÄK hat ein Expertenteam zusammengestellt, dass daran arbeitet, die moderne Zahnmedizin über Analogpositionen abzubilden, wenn eine Fortentwicklung der GOZ mit der Politik nicht möglich sei. Allerdings gebe es gute Kontakte zu Mitarbeitern des Bundesministeriums und der Gesundheitsministerien auf Länderebene. Diese seien bereits erfolgreich genutzt worden.
Zahnmedizin ist nachhaltig
Foto: Jörn Wolter/FVDZ
Eine gute Ausbildung kostet Geld
Über Nachhaltigkeit in der zahnmedizinischen Ausbildung sprach Prof. Dr. Roland Frankenberger, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK). Die deutsche Universitätsmedizin sei chronisch unterfinanziert. Er berichtete, dass an den Universitäten der wissenschaftliche Nachwuchs fehle und die Budgets immer geringer werden. Zudem würden die besonderen Anforderungen der Zahnmedizin an den Unikliniken oft nicht wahrgenommen – „unsere Studierenden behandeln echte Patienten“. „Da muss definitiv etwas passieren“, betonte Frankenberger. „Eine gute Ausbildung kostet Geld, das muss von der Politik auch bezahlt werden.“ Ohne vollfinanzierte Approbationsordnung gebe das nichts.
Die Situation werde immer schwieriger. Hinzu komme, dass sich die Universitätsgremien immer mehr in Grundsatzdiskussionen und ideologischen Streitigkeiten verlören, statt gemeinsam die Probleme anzugehen.
Alltäglicher Bürokratiewahnsinn
In der anschließenden Diskussionsrunde gaben neben den Impulsrednern auch zwei junge Zahnärztinnen Einblick in den Alltag und die Hindernisse, die einer nachhaltigen Zahnmedizin entgegenstehen. Dr. Danielle van Rijt-Nelskamp aus Bielefeld und Dr. Jana Lo Scalzo aus Berlin verwiesen auf den alltäglichen Wahnsinn aus Bürokratie und Telematikinfrastruktur und die aus ihrer Sicht sehr hohe Belastung durch nichtzahnärztliche Tätigkeiten. Zudem sei es schwierig, Patientinnen und Patienten zu vermitteln, was Gesetze wie das GKV-FinStG bedeuteten. „Die verstehen das nicht. Die zahlen ihre Beiträge und erwarten, dass sie dafür auch eine Behandlung bekommen“, so der Tenor ihrer Statements dazu.
Foto: Jörn Wolter/FVDZ
Zu wenig Engagement bei den Zahnärztinnen und Zahnärzten selbst
Benz und Eßer gaben allerdings auch Kritik an die niedergelassene Vertragszahnärzteschaft zurück. Werde konkret gefragt, was die Praxen bei der Bürokratie am meisten belaste, beteiligten sich viele nicht, so Benz, oder führten ureigene zahnärztliche Aufgaben wie das Erstellen von Heil- und Kostenplänen an. Auch bei der Ausnutzung der Möglichkeiten der GOZ fehle es an Beteiligung: „Ihr müsse mitkämpfen“, so Benz.
Eßer kritisierte die schlechte Wahlbeteiligung bei den Wahlen in den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen, es fehle am Interesse an der Selbstverwaltung. Aber „Verbesserungen fallen nicht vom Himmel“. Das verstärkte einen fatalen Trend, denn die Freiberuflichkeit in diesem Land werde systematisch abgeschafft.
In Digitalisierung investieren
Am zweiten und dritten Tag der HV standen neben der Nachhaltigkeit eine Reihe von Anträgen des Bundesvorstands und aus den Landesverbänden auf der Agenda – am Ende waren es mehr als 40, die zum Teil kurzfristig gestellt wurden. In weiteren Impulsvorträgen stellten Schrader, Vorstandsmitglied Dr. Jeannine Bonaventura, Sylvia Gabel, Referatleiterin ZFA beim Verband medizinischer Fachberufe, und Dr. Andreas Janke, Geschäftsführer der ZA eG, weitere Aspekte der Nachhaltigkeit der Zahnmedizin und der Zahnarztpraxis vor. Gabel betonte, wie wichtig es sei, Fachpersonal gut auszubilden. Bonaventura stellte vor, was das Team des FVDZ zur „Green Dentistry“ an Ideen und Hilfen entwickelt hat. Janke betonte, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte die Digitalisierung annehmen und nutzen müssen, um die Zahnmedizin in Zukunft nachhaltiger und die Praxisführung effektiver zu machen. Dazu gehöre auch die Bereitschaft, in digitale Anwendungen selbst zu investieren.
Resolution gegen das GKV-FinStG
Einstimmig verabschiedete die Hauptversammlung eine Resolution gegen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Die Delegierten der HV lehnen darin den Entwurf des Gesetzes strikt ab und fordern den Bundesgesundheitsminister auf, die im zahnärztlichen Bereich geplanten Regelungen zu streichen, da sie faktisch einer drastischen Vergütungskürzung für die Zahnärzteschaft gleichkommen. Das sei weder verhältnismäßig noch angemessen und bedeute einen Rückfall in die strikte Budgetierung. Für die Patienten würden die neuen Regelungen „zwangsläufig erhebliche Leistungskürzungen“ nach sich ziehen.
Mit dem Gesetzentwurf werde der finanziellen Planungssicherheit vollständig der Boden entzogen – mit fatalen Folgen für die Versorgung und Niederlassungsbereitschaft jüngerer Zahnärztinnen und Zahnärzte und negativen Auswirkungen auf die flächendeckende, wohnortnahe Versorgung.
Dr. Marion Marschall, Berlin
Mit Material des FVDZ.