Also groß ist er nicht gerade, sogar eher klein. Um genau zu sein: 42,672 Millimeter. So viel Genauigkeit muss schon sein, denn wiegen darf er auch nur maximal 45,926 Gramm. Also alles andere als ein Schwergewicht. Schwer, also schwierig, ist nur, dass das Spielgerät mit einem Schläger im Gelände bewegt werden muss. Also eine querschlägerverdächtige Sportart und demzufolge für Politiker eher weniger geeignet.
Dies gilt besonders für politische Schwergewichte – oder war das jetzt doch andersherum, schwergewichtige Politiker – wie den der CDU angehörenden NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann. Der ballerte bildlich gesprochen in der vorigen Woche das eben beschriebene Spielgerät mit voller Wucht den Hausärzten an den Kopf mit seiner Ansage: „Statt Golfplatz am Samstag Impfen am Samstag“. Also genau denjenigen, die die bisherige Corona-Impfkampagne überhaupt erst richtig in Schwung gebracht hatten. Übrigens on top zur üblichen und die Praxen bereits mehr als auslastenden Basisversorgung. Keine Ahnung, was den Minister geritten hat, dies genau im Steilanstieg der vierten Welle zu verlautbaren. Sollte wohl so eine Art moderner Motivationsspruch à la „wir schaffen das“ werden.
Auch wenn Laumann sich mittlerweile für seinen Fauxpas bei den Getroffenen – aus hiesiger Sicht eher lauwarm – entschuldigte, bleibt die Frage, wie viel oder wie wenig auch sogenannte erfahrene Sozialpolitiker tatsächlich von der realen Versorgungssituation wissen. Da muss man ja fast froh sein, dass der Minister nicht wusste, dass Golfbälle in früheren Jahren eine Hülle aus Guttapercha hatten. Ansonsten hätte der gerade in Schwung befindliche Minister mit Sicherheit auch noch die Zahnmediziner ins Visier genommen, frei nach dem Motto: „Hey Sie da, Sie immer noch Guttapercha-Verwender, Sie könnten sich gefälligst in der Pandemie auch etwas mehr engagieren, statt ständig Ihre ‚Gutties‘ durch die Gegend zu schlagen“.
Strategie für das schnelle Boostern
Lassen wir deshalb an dieser Stelle die Frage nach der Sinnhaftigkeit so mancher politischen Vorstellung, wie dem Virus gemäß den gemachten Erfahrungen beizukommen ist, um die vierte Welle brechen zu können, außen vor. Fakt ist jedoch, dass gemäß der gewählten Strategie so schnell wie möglich geboostert werden muss. Unterstellt, dass dieser Weg der richtige ist, dann liegt es doch auf der Hand, die Anzahl derer, die über eine solide Erfahrung in der Verabreichung von „Piksen“ (welch sinnentstellendes Wort) verfügen, weil sie es tagtäglich x-fach machen, zu erhöhen. Und so ließ der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz, am Freitag vergangener Woche verlauten: „Der Chef des Robert Koch-Instituts, Prof. Dr. Lothar Wieler, sagte kürzlich: ‚Wir brauchen jede und jeden zum Impfen.‘ Wir Zahnärztinnen und Zahnärzte bieten dabei selbstverständlich unsere Hilfe an. Die Kolleginnen und Kollegen haben große medizinische Expertise, setzen jeden Tag in ihren Praxen Spritzen und genießen das Vertrauen ihrer Patientinnen und Patienten. Wenn es gewünscht ist, unterstützen wir gerne die ärztliche Kollegenschaft, um Tempo in die Booster-Impfungen zu bringen und diese flächendeckend anzubieten. Wir müssen alle verfügbaren Kräfte bündeln, um die vierte Corona-Welle zu brechen. Das schützt Menschenleben.“
Politik kippt Sand statt Öl ins Getriebe
Dieses Angebot ging nun weiß Gott nicht zum ersten Mal an die politischen Entscheider. Stattdessen ging und geht man dort jedoch lieber den Weg, Apotheker und Apothekerinnen an die Nadel zu bringen. Und kippt auf diese Weise Sand statt Öl ins Getriebe, indem man die Ärzteschaft dagegen aufbringt. Was a) keine Überraschung ist und b) gute Gründe hat. Denn wie sich gezeigt hat, sind die Corona-Impfstoffe, zwar gut (im epidemiologischen Sinne) verträglich – aber eben nicht immer. Trotzdem sollen es die Apotheken richten, das Impftempo deutlich zu erhöhen. Hat ja schon bei der Grippeimpfung hervorragend geklappt …
Spätestens an dieser Stelle müsste man doch merken, dass das nicht der schnelle Weg zum Erreichen des proklamierten Zieles ist. Deshalb sei an die alte Managementerkenntnis erinnert: Wenn man in die falsche Richtung läuft, hat es keinen Zweck, das Tempo zu erhöhen. Hinzufügen möchte ich: mit oder ohne Digitalisierung.
ZahnMediziner nicht mal in der engeren Wahl
Denn das verstehe wer will. Die Zahnärzte, Betonung auf Zahnmediziner, die spritzenmäßig täglich geübt und im Übrigen hinsichtlich möglicher Zwischenfälle trainiert und notfallmäßig ausgerüstet sind, nimmt man noch nicht einmal in die engere Wahl, um das Impftempo zu erhöhen und die Hausärzte zu entlasten.
Also ausgerechnet diejenigen, die in der Pandemie bis dato bewiesen haben, dass sie die Hygiene trotz schwieriger Behandlungsbedingungen im Griff haben. Wie heißt es in der Pressemeldung so treffend: „Natürlich sind Schutzimpfungen Heilbehandlungen, die grundsätzlich unter dem Arztvorbehalt stehen. Ausnahmeregelungen sind laut BZÄK rechtlich möglich, aber bislang noch nicht vorgesehen“. Hinzufügen könnte man: Zeitlich begrenzte Ausnahmeregelungen.
Um nicht falsch verstanden zu werden. Nichts gegen die Kompetenz und das große Engagement der Apothekerschaft. Es ist zwar richtig, dass bei der Impfung in Apotheken nicht nur der Patient, sondern auch der Impfstoff bereits vor Ort ist. Aber vor jeder Impfung steht, dass man den Patienten und die relevante Anamnese kennt und dementsprechend das Risiko einschätzen kann. Die digitalen Segnungen à la ePA, auf die der zuständige Fachminister so stolz ist, helfen dabei hier und heute nicht.
Über das politische Notfallmanagement wundern
Insofern kann man sich über das politische Notfallmanagement der Pandemie – zu dem, da in direkter Abhängigkeit stehend, auch das RKI und das PEI gehören – nur noch wundern. Wenn man also die Welle nicht nur reiten, sondern auch brechen will, dann muss das Maßnahmenbündel stetig überprüft werden. Doch stattdessen beißt die Politik in der Krise in die Hände derer, die versuchen, den an der Klippe schlingernden Karren am Absturz zu hindern.
So, und jetzt gehe ich Golf spielen. Aber ich warne vor Querschlägern. Denn über Golf zu reden ist das eine, es spielen zu können, leider etwas ganz anderes. Wie immer im Leben …
Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.