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Ausblick auf ein unruhiges Jahr 2023 – ein Kommentar von Dr. Marion Marschall

(c) Quintessenz

Die Idee, ein neues Jahr liege mit dem Jahreswechsel wie ein weißes, noch unbeschriebenes Blatt vor uns, und es hänge wesentlich von uns selbst ab, was wir daraus machen, rückt mit zunehmendem Lebensalter und Berufserfahrung immer weiter in die Welt der schönen Mythen. Zu viel ist schon vorgeschrieben, das Blatt des neuen Jahres eher grau als weiß, und vieles von dem, was vorgegeben ist, verspricht wenig Positives. Die Neugier auf das Neue weicht der Skepsis und der Frage, wie man das, was kommen wird, denn meistern wird – und ob man es überhaupt meistern kann.

Nach den nun drei Jahren mit Corona und fast einem Jahr mit einem schrecklichen Krieg in Europa dürften sehr viele Menschen nicht nur in Deutschland das neue Jahr mit gemischten Gefühlen begrüßt haben, ohne große Erwartungen und Hoffnungen auf wirkliche Wendungen zum Besseren. Das gilt für die große Politik ebenso wie für die eigene Lebenswelt. Inflation in fast allen Bereichen, hohe Energiepreise, sinkende Wachstumserwartungen der Wirtschaft, die Folgen von Klimawandel und Artensterben, die Umbrüche in bekannten Strukturen von Energiegewinnung und Mobilität, die Digitalisierung etc. – all das verunsichert.

Für Zahnärztinnen und Zahnärzte und die Inhaberinnen und Inhaber von Dentallaboren kommen zu den Sorgen um Inflation und Energiekosten der immer gravierender werdende Fachkräftemangel und die Frage nach der Finanzierbarkeit notwendiger und/oder gesetzlich vorgegebener Investitionen hinzu. Werden die Patientinnen und Patienten weiter bereit sein, die bessere Versorgung zu wählen und zu bezahlen? Wie werden sich die gedeckelten Budgets tatsächlich auf das Honorarvolumen der Praxis auswirken, wie umgehen mit den PAR-Behandlungen und der Nachfrage der Patienten? Und was kommt da noch aus der Gesundheitspolitik auf Praxen und Labore zu?

Wenig Hoffnung auf Positives aus der Gesundheitspolitik

Gerade in letzterem Punkt gibt es nach den Erfahrungen von knapp zwei Jahren mit einem Bundesgesundheitsminister Prof. Dr. Karl W. Lauterbach wenig Anhaltspunkte für Optimismus und Hoffnung auf Besserung. Je mehr sein Lieblingsthema Corona – zum Glück – nun mit dem Wandel von der Pandemie zur (nach wie vor nicht ungefährlichen) Endemie an Gewicht verliert, umso mehr wird sichtbar, wo es überall fehlt, auch bei ihm. Es verstärkt sich der Eindruck, der Minister verliere sich in blankem Aktionismus angesichts der vielen Probleme unseres Gesundheitssystems, deren Ursachen er in seiner gesundheitspolitischen „Arbeit“ in den vergangenen rund 20 Jahren mehr als einmal selbst mitgestaltet hat. Ökonomie vor Medizin, Fremdinvestoren in Krankenhäusern und im ambulanten Bereich – die Folgen dieser Prämissen mit dem Abbau nicht „rentabler“ Bereiche wie Kinderheilkunde und Geburtshilfe und dem nun schon jahrzehntelangen Abbau des „teuren“ Personals in den Kliniken als Sparmaßnahmen und zugunsten besserer Renditen waren schon bei ihrer Etablierung absehbar. Niemanden, der im Gesundheitswesen tätig ist, hat das überrascht.

Lauterbach irrlichtert durch die Themen

Nur der Minister wirkt, als irrlichtere nun durch das, was er selbst mit angerichtet hat. Er beruft Kommissionen ohne Mitwirkung der Betroffenen, verspricht neue Strategien für die immer noch in weiten Teilen verunglückte Digitalisierung, will irgendwie nun doch die Aktivitäten von Fremdinvestoren beschränken und kündigt das Primat der Medizin an. Er schüttet Geldsegen über die Bereiche aus, die dank der auch von ihm mitgetragenen Gesundheits-, besser Sparpolitik kurz vor dem Kollaps stehen – und ist noch immer auf dem ambulanten Auge blind, wenn er der ambulanten Versorgung angesichts der von ihm beschworenen Kassendefizite die Gelder zusammenstreicht. Dabei werden die allermeisten Menschen in Deutschland zahnärztlich und ärztlich immer noch in den Praxen niedergelassener Ärztinnen, Ärzte, Zahnärztinnen und Zahnärzte betreut. Und immer noch ist der ambulante Sektor wie seit Jahrzehnten nicht der entscheidende „Kostentreiber“ im Gesundheitswesen.

Nicht viel Positives für die ambulante Versorgung

Es ist also nicht schwer vorherzusagen, dass von diesem Minister trotz aller Ankündigungen auch im neuen Jahr nicht viel Positives für die ambulante Versorgung im Allgemeinen und die zahnärztliche Versorgung im Besonderen zu erwarten ist. Die Arbeit wird für die ärztliche und zahnärztliche Standespolitik schwierig bleiben, selbst bei lange geforderten Themen wie den Einschränkungen für Fremdinvestoren. Zumal auch die Standespolitik selbst Umbrüche erlebt – mit Generationenwechseln an der Spitze von Kammern und KZVen und nicht zuletzt mit der „Quote“ für die KZV-Vorstände und den KZBV-Vorstand.

Exkurs zur Quote

Ein kleiner Exkurs: Dass die Quote kommen würde, war absehbar. Zu schnell war in einigen KZVen das Thema nach dem beschlossenen Aktionsplan im Alltag untergegangen, die KZBV löste ihre Arbeitsgruppe Frauenförderung auf – im Nachhinein ein falsches Signal. Dass die Quote jetzt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt noch als Omnibus und handwerklich nicht sauber an ein Gesetz gehängt wurde, macht die Sache nicht besser.

Hier gab es schon Überraschungen und es wird weitere geben – für alle Seiten, Lernprozesse inklusive. Es ist unbedingt zu fördern und zu begrüßen, dass sich mehr Frauen zur Wahl stellen – es wird aber immer wieder passieren, dass sie trotz Quote nicht gewählt werden. Denn in dieser speziellen Situation mit Hauptamtlern, die gewählt werden müssen, ist am Ende die Delegiertenversammlung der Souverän, in der man Mehrheiten gewinnen und überzeugen muss.

Auf die eigene Expertise und das Vertrauen der Patienten/Kunden bauen

Aber was könnte nun der Weg für die eigene Praxis, das eigene Labor sein, mit den Herausforderungen dieses neuen Jahres gut klarzukommen? Sie sind als Zahnärztinnen und Zahnärzte oder als Zahntechniker und Laborinhaber Experten in Ihrem Bereich. Ihre Patientinnen und Patienten, Ihre Kunden schätzen Sie und vertrauen Ihnen. Das ist eine gute Grundlage. Die Patienten werden trotz Inflation und Energiekosten in die Praxen kommen und sich behandeln lassen, das GKV-System wird in diesen Krisenzeiten erneut tragen. Auch wenn Lauterbach das Honorarvolumen deckelt – es gibt zahnmedizinische Bereiche, die nicht gedeckelt sind und wo der Behandlungsbedarf hoch ist. Nutzen Sie die Informationen, Beratungsangebote und Hilfestellungen Ihrer KZVen, gerade beim Umgang mit den PAR-Behandlungen. Prüfen Sie, ob Sie Ihr Behandlungsspektrum, ihre Leistungen auf die veränderten Bedürfnisse neu ausrichten, neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Themen einbinden können.

Die Inanspruchnahme von Zahnersatzleistungen ist angesichts hoher Energiekosten und finanzieller Unsicherheit leider schon 2021 zurückgegangen. Aber viele Menschen haben inzwischen Zusatzversicherungen abgeschlossen, die den Weg zur besseren Versorgung erleichtern können, aber oft vergessen werden.

Fachpersonal entlasten

Das Thema Fachkräftemangel wird nicht wieder verschwinden, da kann man dem Präsidenten der Bundeszahnärztekammer zustimmen. Ob die Lösung darin besteht, wieder häufiger ohne Stuhlassistenz zu arbeiten, wie er vorschlägt, muss jede/jeder für sich selbst entscheiden. Aber die Stuhlassistenz ist nur einer der personalintensiven Bereiche, und bei vielen anderen Aufgaben für das Fachpersonal setzen gesetzliche Vorgaben den Rahmen, von Qualitätsmanagement bis Hygiene. Wer hier ansetzen will, kann mit Sicherheit – auch mithilfe der Digitalisierung – Prozesse verschlanken. Qualifizierte Expertinnen und Experten können hierbei helfen.

Selbst ausbilden und Mitarbeiterinnen halten

Ein weiteres Mittel: selbst ausbilden. Dass es schwer ist, passende Kandidatinnen – und Kandidaten – zu finden, die Schulbildung immer schlechter geworden ist, die Berufsschulen vielfach ebenso, das betrifft leider fast alle Ausbildungsberufe. Inzwischen gibt es aber vonseiten der Kammern, der Arbeitsämter etc. diverse Hilfsangebote bis hin zur finanziellen Unterstützung, um Azubis erfolgreich auszubilden und schulische Defizite zu beheben. Noch immer ist ZFA einer der beliebtesten Ausbildungsberufe. Und es gibt neue Wege, die besten Kandidatinnen für sich zu gewinnen, von Praktika bis Social Media.

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter halten: Natürlich ist das Gehalt ein Thema für viele ZFA, die der Praxis den Rücken kehren und in andere, besser bezahlte Berufsfelder abwandern. Das gilt für Zahntechniker ebenso. Aber ein mindestens ebenso großes Thema ist die fehlende Wertschätzung und Anerkennung im beruflichen Alltag, der Umgangston in der Praxis. Wenn Sie hier besser werden wollen – oder nach kritischer Betrachtung müssen –, sollten Sie nicht warten. Mit einem guten, stabilen und motivierten Team kommt man besser durch bewegte Zeiten. Auch hier gibt es viele Angebote, die Ihnen helfen, den richtigen Weg für Ihre Praxis/Ihr Labor zu finden. Und nicht zuletzt für sich selbst – holen Sie sich Unterstützung und Hilfe, um besser mit diesen vielen Anforderungen an Sie als Chefin/Chef umgehen zu können.

Holen Sie sich Unterstützung, stärken Sie Ihren Berufsstand

Es gibt sicher noch viele weitere Bereiche, in denen Sie ansetzen können. Allen ist gemein: Besinnen Sie sich auf Ihre eigenen Stärken! Identifizieren Sie die Themen, die Sie angehen wollen. Fangen Sie mit einem Thema an, teilen Sie den Weg in Etappen auf, die für Sie und das Team neben den ohnehin anstehenden Änderungen wie EBZ zu schaffen sind, und holen Sie sich qualifizierte Hilfe von außen. Nutzen Sie die Informationen und Fortbildungsangebote Ihrer Kammern, KZVen oder Innungen. Tauschen Sie sich mit Kolleginnen und Kollegen aus.

Und stärken Sie, wann immer es nötig ist, auch Ihren Standesvertretern den Rücken. Der Past-Präsident der DGZMK, Prof. Roland Frankenberger, hat im Rückblick auf seine Erfahrungen als Präsident gesagt: „Es gibt nur eine Zahnmedizin. Wenn wir mit einer Stimme sprechen, werden wir erfolgreich in die Zukunft gehen“. Das gilt umso mehr in schwierigen Zeiten, wie wir sie in diesem Jahr erwarten müssen.

Dr. Marion Marschall, Berlin

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