Eine kalorienarme Ernährung verlängert das Leben von Mäusen: Sie werden gesünder und schlanker. Ein vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstütztes Forschungsteam hat nun eine Erklärung für diese Tatsache gefunden: Ausschlaggebend ist die Darmflora und ihre Auswirkung auf das Immunsystem. Die Forschenden fanden auch Wirkstoffe, die den Effekt einer kalorienarmen Ernährung simulieren und neue Möglichkeiten zur Behandlung von Übergewicht eröffnen, so eine Pressemitteilung des SNF auf idw online.
Schlanke Mäuse werden älter
Dass eine Reduktion der Kalorienaufnahme um bis zu 40 Prozent positive Auswirkungen auf die Tiergesundheit hat, ist bekannt: Die Tiere leben länger, ihr Blutzuckerspiegel fällt schneller und sie verbrennen mehr Körperfett. Laut einem kürzlich im Forschungsmagazin „Cell Metabolism“ veröffentlichen Artikel sind es die Darmbakterien, die für viele dieser körperlichen Veränderungen verantwortlich sind [S. Fabbiano et. al: Functional Gut Microbiota Remodeling Contributes to the Caloric Restriction-Induced Metabolic Improvements. Cell Metabolism (2018)].
Mikroorganismen aus dem Blinddarm
Das internationale Team unter der Leitung von Mirko Trajkovski, SNF-Professor an der Universität Genf, setzte Mäuse 30 Tage lang auf eine kalorienarme Diät und stellte fest, dass diese an beigem Fett zulegten, einer Art von Fettgewebe, das Körperfett verbrennt und zur Gewichtsabnahme beiträgt.
Stoffwechselwege ändern sich je nach Kalorienzufuhr
Mäuse, die ohne Darmflora lebten, weil sie unter sterilen Bedingungen aufwuchsen und normal fraßen, entwickelten ebenfalls mehr beiges Fett und wurden schlanker, nachdem sie Mikroorganismen aus dem Blinddarm von Mäusen mit kalorienarmer Diät erhielten. Das modifizierte Mikrobiom brachte diesen Mäusen somit einen gesundheitlichen Nutzen.
Bei einer Analyse der mikrobiellen Lebensgemeinschaften stellten Trajkovski und sein Team fest, dass die Darmbakterien von Mäusen mit kalorienreduzierter Diät weniger toxische Lipopolysaccharide (LPS) produzierten. Wenn die LPS-Konzentration im Blut wieder auf normale Werte anstieg, ging ein Großteil der gesundheitlich positiven Effekte verloren.
Neue Wirkstoffe könnten bei Übergewicht helfen
Die bakteriellen LPS-Moleküle lösen eine Immunreaktion aus, indem sie den spezifischen Signalrezeptor TLR4 (Toll-like Receptor 4) aktivieren. Bei Experimenten mit Mäusen, die gentechnisch veränderte Immunzellen ohne diesen Rezeptor erhielten, konnten die Forschenden die Auswirkungen der Kalorienbeschränkung simulieren. „Das Immunsystem bekämpft eindeutig nicht nur Infektionen, sondern spielt auch eine Schlüsselrolle bei der Stoffwechselregulierung“, erklärt Trajkovski. Die Mäuse haben nicht nur mehr beiges Fett und weniger Gewicht, sondern sie reagieren auch besser auf Insulin, ihre Leber verarbeitet Zucker und Fett auf eine gesündere Weise und die Mäuse ertragen kältere Temperaturen besser. „Diese Ergebnisse eröffnen ein ganz neues Forschungsgebiet“ meint Trajkovski.
Immunsystem spielt mit
In einem weiteren Schritt testeten die Forschenden zwei Moleküle: Eines reduziert die Produktion von toxischen LPS durch die Bakterien, die andere blockiert den TLR4-Rezeptor, der das LPS-Signal aufspürt. Beide Wirkstoffe bewirkten gesundheitliche Effekte wie sie auch bei einer kalorienarmen Ernährung zu beobachten sind. „Eines Tages könnte es möglich sein, fettleibige Personen mit einem Medikament zu behandeln, das eine Kalorienbeschränkung simuliert“, meint Trajkovski. „Wir untersuchen derzeit die spezifischen Veränderungen in bakteriellen Lebensgemeinschaften und testen auch Verbindungen, die die LPS-Produktion und die Signalübertragung hemmen.“