Seit 25 Jahren gibt es die HBSC-Studie zur Kinder- und Jugendgesundheit in Deutschland. Ihre Ergebnisse haben seither viele Schlagzeilen in den Medien generiert. Die neueste könnte nun lauten: Nur zehn Prozent der Mädchen und knapp 17 Prozent der Jungen zwischen elf und 15 Jahren bewegen sich täglich etwa 60 Minuten, wie es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt. Denn das ist eines der Ergebnisse, die der Befragungszeitraum 2017/18 hervorgebracht hat. Das „Journal of Health Monitoring“ des Robert Koch-Instituts widmet seine aktuelle Ausgabe nun schwerpunktmäßig den Ergebnissen des jüngsten Erhebungszyklus der HBSC-Deutschland-Studie (www.rki.de/johm-hbsc).
Die HBSC-Studie
HBSC steht für „Health Behavior in School-aged Children“ und ist eine internationale Studie unter der Schirmherrschaft der WHO. „Mittlerweile liegen sieben Wellen dieser weltweit einzigartigen Studie vor, an der sich 50 Länder beteiligen. Die HBSC-Studie stellt damit den zentralen Referenzpunkt in der international vergleichenden Kinder- und Jugendgesundheitsforschung dar und ist eine der weltweit größten Studie dieser Art“, sagt der Leiter der deutschen Studie,Prof. Dr. Matthias Richter vom Institut für Medizinische Soziologie der Medizinischen Fakultät der Universität Halle.
Deutschland beteiligt sich seit 1993/94 an der seit 1982 existierenden HBSC-Studie. Sie bildet mit der „KiGGS“-Studie des Robert Koch-Instituts die umfassendste nationale Datengrundlage zur Kinder- und Jugendgesundheit im Alter zwischen elf und 15 Jahren. HBSC bietet aufgrund des Designs zudem die Möglichkeit internationaler Vergleiche.
Die Daten für Deutschland sind an sechs Standorten generiert worden. An der jüngsten der alle vier Jahre stattfindenden Befragungsrunden, dem Survey 2017/18, konnten Daten von 4.347 Mädchen und Jungen im Alter von elf, 13 und 15 Jahren an 146 Schulen in Deutschland ausgewertet werden. Untersuchte Themen sind subjektive Gesundheit und Wohlbefinden, Bewegungs- und Ernährungsverhalten, Körperzufriedenheit und Geschlechterrollenorientierung, (Cyber-)Mobbing sowie Substanzkonsum. Die freiwillige Befragung ergab dabei folgende Ergebnisse:
Subjektive Gesundheit und Wohlbefinden
Die meisten Kinder und Jugendlichen schätzen ihre Gesundheit positiv ein und sind zufrieden mit ihrem Leben. Jedes dritte Mädchen und jeder fünfte Junge leidet jedoch unter multiplen psychosomatischen Beschwerden wie Einschlafproblemen, Kopfschmerzen, Rückenschmerzen und Bauchschmerzen. Beeinträchtigungen im subjektiven Wohlbefinden liegen vor allem bei Mädchen, älteren Jugendlichen, jenen mit niedrigerem familiären Wohlstand sowie bei hoher schulischer Belastung vor. Eine hohe familiäre Unterstützung ist hingegen mit einem besseren subjektiven Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen assoziiert.
Bewegungs- und Ernährungsverhalten
Die oben angegebenen niedrigen Zahlen im Bewegungsverhalten stellen im zeitlichen Vergleich den niedrigsten Wert der vergangenen zwölf Jahre dar. Zum Ernährungsverhalten berichten etwa die Hälfte der Mädchen und 59 Prozent der Jungen von einem täglichen Frühstück. Die Angaben zum täglichen Obst-, Gemüse- und Softdrinkkonsum deuten weitergehend auf einen Bedarf zur Förderung einer ausgewogeneren Ernährung bei Jugendlichen hin. Bei allen Indikatoren des Bewegungs- und Ernährungsverhaltens zeigen sich Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen. Zudem sind teilweise deutliche Ungleichheiten im Zusammenhang mit dem familiären Wohlstand zu beobachten.
Körperzufriedenheit und Geschlechterrollenorientierung
Die Ergebnisse zeigen durchschnittlich eine hohe Zufriedenheit mit dem eigenen Körper, die bei Mädchen jedoch geringer ausfällt als bei Jungen. Die Auseinandersetzung mit Geschlechterrollen ist eine wichtige Entwicklungsaufgabe für die Identitätsentwicklung. Insgesamt wurden traditionelle Rollenvorstellungen überwiegend abgelehnt, wobei Jungen diesen eher zustimmten als Mädchen. Bei beiden Geschlechtern ging eine traditionelle Rollenorientierung mit geringerer Körperzufriedenheit einher. Das Hinterfragen traditioneller Rollenvorstellungen im Jugendalter kann der Prävention von Körperbildproblemen dienen.
(Cyber-)Mobbing
Trotz leichten Rückgangs in den vergangenen zwei Jahrzehnten machen nach wie vor viele Schülerinnen und Schüler Erfahrungen mit Mobbing. Vier Prozent geben an, Mobbing auszuüben und über acht Prozent berichten, dass sie gemobbt werden. Ausgeübt wird es deutlich häufiger von Jungen, Opfer von Mobbing sind beide Geschlechter gleichermaßen. Am häufigsten sind Erfahrungen mit verbalem Mobbing, zum Beispiel Beschimpfung, Beleidigung, und relationalem Mobbing wie soziale Ausgrenzung oder Gerüchte verbreiten. Hingegen ist Online-Mobbing weniger stark verbreitet als es Berichte zum Cybermobbing vermuten lassen. Angesichts der negativen gesundheitlichen und entwicklungsbezogenen Auswirkungen von Mobbingerfahrungen sollte der Einsatz von Anti-Mobbing-Strategien und -Programmen an Schulen weiter ausgebaut werden.
Alkohol-, Tabak- und Cannabiskonsum
Tabak und Alkohol wird unter elf- und 13-Jährigen noch vergleichsweise selten konsumiert, im Alter von 15 Jahren haben fast ein Drittel der Mädchen und Jungen Zigaretten zumindest probiert. Nur noch drei Prozent der Jugendlichen rauchen täglich. Dagegen haben mit 15 Jahren mehr als 70 Prozent Erfahrungen mit Alkohol gesammelt und etwa 40 Prozent der 15-Jährigen waren bereits mindestens einmal in ihrem Leben bis zum Rausch betrunken. Bei Cannabis zeigt sich, dass jedes sechste Mädchen und jeder fünfte Junge mit 15 Jahren Erfahrungen mit Cannabis gemacht hat. Im Tabakkonsum finden sich Unterschiede nach besuchter Schulform, im Alkoholkonsum nach familiärem Wohlstand. Zudem unterscheidet sich der Alkohol- und Cannabiskonsum nach Migrationshintergrund der Heranwachsenden. Obwohl Alkohol und Cannabis nicht an Heranwachsende unter 16 Jahren verkauft werden darf und Cannabis illegal ist, konsumieren Heranwachsende nach wie vor diese Substanzen. In Hinblick auf die gravierenden Folgen des regelmäßigen Substanzkonsums bleibt die Prävention nach wie vor ein wichtiges Gesundheitsziel.