Das Wort „Zahnärzte“ kommt im Koalitionsvertrag der wohl neuen Regierungskoalition von Union und SPD genau einmal vor – in Zeile 3.411, verbunden mit dem Stichwort „Bedarfsplanung“, die künftig führend bei den Ländern verortet werden soll. Welche praktischen Auswirkungen das haben wird, bleibt abhängig von dem, was in eine entsprechende gesetzliche Regelung geschrieben wird.
Und das gilt für so ziemlich alles, was sich die Koalitionäre vorgenommen haben im Bereich Gesundheit und Pflege. Von dem, was die Arbeitsgruppe „Gesundheit und Pflege“ vorher auf vielen Seiten zusammengestellt hatte, sind ganz wesentliche Elemente nicht im Vertrag gelandet – vor allem, weil sie Geld kosten würden, wie schon unser geschätzter Kolumnist Dr. Uwe Axel Richter trefflich dargelegt hat. So ist die Finanzierung der Kassenbeiträge für die Bürgergeldempfänger aus Steuergeldern verschwunden, und auch andere Zuschüsse aus der Staatskasse für versicherungsfremde Leistungen wird es nicht geben.
Zwei Zauberwörter schweben über allem
„Finanzierungsvorbehalt“ lautet das Zauberwort über allen Vorhaben dieser Koalition, mit dem der designierte Kanzler Friedrich Merz auch die beschlossene Senkung der Steuersätze für kleine und mittlere Einkommen schon wieder in Frage stellt (was ja nicht zuletzt den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Praxen und Laboren zugute käme).
Das zweite Zauberwort ist „Kommission“ – gern gezogen, wenn man sich in Regierungen nicht durchringen kann, die als richtig erkannten Schritte tatsächlich zu benennen und in Gesetze zu gießen. Es ist unwahrscheinlich, dass eine weitere hochkarätig besetzte Kommission zu gravierend anderen oder bahnbrechenden neuen Erkenntnissen kommen wird als die vielen Kommissionen zuvor, was die an ihre nicht nur finanziellen Grenzen kommenden Systeme der Gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung betrifft. Es sei doch alles schon bekannt, so die Krankenkassen. Aber so ein Gutachten kann man in den unangenehmen Teilen als Koalition besser „schubladisieren“. Und dann einfach wieder ein Kostendämpfungsgesetz vorbereiten, das zulasten der „Leistungserbringer“ geht, ohne die Probleme zu lösen.
Präventionsfokus bleibt vage
Auch bei der explizit betonten stärkeren Orientierung auf die Prävention ist im Papier nichts Konkretes formuliert. Bereits die letzte „GroKo“ und die Ampel wollten mehr für die Prävention tun, das Präventionsgesetz (in dem die Zahnmedizin praktisch nicht vorkommt), sollte novelliert werden. Passiert ist: nichts. Und allein mit „mehr Prävention“ ist noch nichts gelöst.
Dennoch ist es nicht unklug, diesen Ansatz als Hebel zu nutzen, um präventive Leistungen in der Zahnmedizin zu verankern, zum Beispiel die PAR-Therapie gegen mögliche Kostendämpfungsmaßnahmen zu schützen. Zumal die Zahnärzteschaft ja wirklich belegen kann, dass Prävention wirkt und damit Behandlungskosten sparen und Gesundheit verbessern kann.
Zahnärzteschaft muss sich Aufmerksamkeit verschaffen
Natürlich ist ein wirksames Reduzieren der Bürokratie absolut richtig und begrüßenswert, ebenso die Bagatellgrenze von 300 Euro für Wirtschaftlichkeitsprüfungen. Aber auch das braucht Gesetze, die erstmal auf die Spur gebracht werden müssen. So ist die Freude über das Angekündigte berechtigt. Wenn es aber auch für die Zahnärzteschaft Entlastung bringen soll, braucht es noch viel und intensive Arbeit der Standespolitik, um sich im Wettbewerb mit der Ärzteschaft und den Kliniken die nötige Aufmerksamkeit zu verschaffen.
iMVZ-Regulierung kleinster Kompromiss
Nicht täuschen lassen darf man sich ebenfalls bei den angekündigten Regulierungen der investorenbetriebenen Medizinischen Versorgungszentren. So, wie das jetzt im Koalitionsvertrag angekündigt ist, klingt es eher nach Minimalkompromiss, der de facto wenig ändern wird. Da könnte in der Bedarfsplanung durch die Länder mehr Potenzial stecken.
Digitalisierung mitgestalten statt weiter aufschieben
Und ja, die jetzt real existierende elektronische Patientenakte ist nicht der Stein der Weisen. Aber soweit jetzt auch in der Bewertung der Bundesdatenschutzbeauftragten erkennbar, sind die meisten Sicherheitsprobleme behoben, und wir können es uns als hoch entwickeltes Industrieland nicht mehr leisten, dieses Projekt bei allem noch vorhandenen praktischen Entwicklungsbedarf noch länger aufzuschieben. Die Digitalisierung wird fortschreiten, weil sie Vorteile bietet. Dass sie in der Praxis wirklich nutzbringend ist, hängt auch an der Bereitschaft, als Berufsstand mitzugestalten.
Geplünderte Rücklagen, haufenweise Baustellen
Ob nun der hoch gehandelte Tino Sorge neuer Bundesgesundheitsminister wird oder die Union noch eine andere Kandidatin, einen anderen Kandidaten zieht: Der neue Chef/die neue Chefin im Bundesgesundheitsministerium hat eine Mammutaufgabe vor sich. Der Reformbedarf ist unbestritten hoch, die von den Vorgängern seit der bürgerlich-liberalen Koalition geplünderten Rücklagen der Kassen sind weg. Karl Lauterbach hat nicht nur mit der unfertigen Krankenhausreform viele Baustellen hinterlassen, die dringend abgearbeitet werden müssen. Und das mit einem Haus, das mit der Corona-Pandemie und seinen letzten Chefs Spahn und Lauterbach harte Zeiten hinter sich hat.
In unsicheren Zeiten auf die eigenen Stärken fokussieren
Dazu kommt ein Bundestag mit einer neuen Zusammensetzung und vielen neuen Gesichtern in der Gesundheitspolitik, bei denen sich die Zahnärzteschaft neu positionieren muss. Von der angespannten internationalen und nationalen politischen Lage ganz zu schweigen. Aber wie heißt es im Rheinland? „Ett hätt noch immer joot jejange“. Zumal, wenn man sich auf seine eigenen Stärken besinnt. Und hier können Zahnärztinnen und Zahnärzte ebenso wie die Zahntechnik mit einem großen Pfund wuchern: Die ganz überwiegend zufriedenen Patientinnen und Patienten, die auch künftig ihre Zahnärztin, ihren Zahnarzt vor Ort haben möchten.
Dr. Marion Marschall, Berlin
Zu den Reaktionen auf den Koalitionsvertrag lesen Sie auch „Reaktionen auf Koalitionspläne für Gesundheit und Pflege geteilt“ und „Prävention ist Schlüssel für widerstandsfähiges Gesundheitssystem“.