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Kassen und auch Bundesregierung rechnen mit noch größerem Finanzloch in der GKV – noch keine Reformgesetze in Sicht

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken arbeitet Gesetzesprojekte ihres Vorgängers ab – trotz drohendem Riesendefizit kommen Reformvorschläge wohl erst im Herbst.

(c) BMG/Jan Pauls

Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) hat in der Haushaltsdebatte des Deutschen Bundestags kurz vor der Sommerpause zwei Gesetze zur Förderung der Pflegeberufe – Pflegekompetenzgesetz und das Pflegefachassistenzgesetz – und eine Nachjustierung bei den Regelungen zur Zulassung von Medizinern mit ausländischen Abschlüssen angekündigt – im Kern Gesetzentwürfe, die bereits von der Ampel vorbereitet worden waren. Auch für die Krankenhäuser ist mit den Bundesländern eine Regelung für die Folgen der von ihrem Amtsvorgänger Prof. Karl Lauterbach (SPD) unvollständig hinterlassenen Krankenhausreform in Sicht.

Für die Pflege soll eine am 7. Juli konstituierte Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ bis zum Jahresende Vorschläge für eine Reform der Pflegeversicherung vorlegen. Für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) aber muss vorerst ein Darlehen zum Ausgleich der Defizite reichen – Reformgesetze sind noch nicht in Sicht.

Bereits am 24. Juni 2025 hatte sich das Bundeskabinett darauf geeinigt, sowohl die gesetzliche Kranken- wie auch die soziale Pflegeversicherung jeweils mit Milliardendarlehen aus dem Bundeshaushalt zu unterstützen. Außerdem werden die Kosten für die notwendige Umstrukturierung der Krankenhausversorgung aus dem Sondervermögen bezahlt. „Beide Entscheidungen folgen dem gemeinsamen Ziel der Bundesregierung, die Beitragssätze in den beiden Sozialversicherungen stabil zu halten und weder die Wirtschaft noch die Verbraucher zusätzlich zu belasten. Auch wenn die Darlehen in der bislang zugesagten Höhe voraussichtlich nicht ausreichen, um Beitragssatzerhöhungen zu vermeiden, ist dies ein wichtiger Schritt, die sozialen Sicherungssysteme zu stabilisieren“, heißt es dazu in der Pressemitteilung des Ministeriums.

Warken mit Darlehenslösung nicht zufrieden

Warken erklärte auch im Nachgang und auch in der Haushaltsdebatte mehrfach, dass sie mit dieser Lösung nicht zufrieden ist. Sie werde nur den zeitnahen Beitragsanstieg stoppen können. Sie hätte einen Bundeszuschuss bevorzugt, der auch die Leistungen für die Bürgergeldbezieher hätte berücksichtigen sollen. Dies sei aber mit dem Bundesfinanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD) nicht umzusetzen gewesen.

„Trotz einer angespannten Haushaltslage ist es der Bundesregierung gelungen, sich auf einen Haushaltsentwurf zu einigen. Das zeigt die Handlungsfähigkeit der Koalition in schwierigen Zeiten. Trotzdem ist uns bewusst, dass dieser Haushaltsentwurf nicht das letzte Wort sein kann. Ich setze dabei aufs parlamentarische Verfahren. Ich bin mir mit dem Bundesfinanzminister einig, dass wir Beitragserhöhungen verhindern müssen, um den Wirtschaftsaufschwung nicht zu gefährden. Mit den zugesagten Darlehen für die GKV und SPV wird das kaum gelingen. Außerdem werden mit Darlehen die Probleme von GKV und SPV nur aufgeschoben, aber nicht aufgehoben. Deshalb begleiten wir die aktuellen Nothilfen mit Strukturreformen. Zwei Kommissionen werden schnell Ergebnisse vorlegen müssen, um mittel- und langfristige Lösungen zu finden“, erklärte Warken damals.

Die Haushaltseckpunkte

GKV: Durch zwei neue Darlehen und die spätere Rückzahlung eines alten Darlehens wird die GKV übergangsweise um 5,6 Milliarden Euro entlastet. Die Darlehen sind ab 2029 schrittweise zurückzuzahlen.

Mit der Finanzierung des Krankenhaustransformationsfonds aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität wird die GKV über zehn Jahre von jährlich 2,5 Milliarden Euro sonst zusätzlichen Kosten entlastet.

Zudem werden die Sofort-Transformationskosten der Krankenhäuser aus den Jahren 2022 und 2023 durch einen aus Bundesmitteln zu finanzierenden Rechnungszuschlag für die Behandlung von gesetzlich Krankenversicherten aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert. Diese Mittel entlasten allerdings nicht die GKV, sondern die Krankenhäuser.

Durch die Darlehen kann die Finanzierungslücke in der GKV in 2026 erheblich reduziert, aber nicht geschlossen werden. Die zugesagten Darlehen werden somit nicht ausreichen, um im kommenden Jahr Beitragssatzsteigerungen zu verhindern. Ursächlich ist eine extrem hohe Ausgabendynamik. Nach derzeitiger Einschätzung dürfte die verbleibende Finanzierungslücke bei etwa 4 Mrd. Euro liegen.

Soziale Pflegeversicherung (SPV)

Um die Finanzsituation der sozialen Pflegeversicherung kurzfristig zu stabilisieren, leistet der Bund in den Jahren 2025 und 2026 zwei nicht zu verzinsende Darlehen. 2025 werden 0,5 Milliarden Euro an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung und 2026 weitere 1,5 Milliarden Euro überwiesen. Beide Darlehen sind ab 2029 über einen Zeitraum von fünf Jahren an den Bund zurückzuzahlen.

Für 2025 kann damit voraussichtlich die Finanzlage der Pflegeversicherung stabilisiert werden. Für 2026 sind zusätzliche Finanzierungselemente notwendig, um die Beitragssätze konstant zu halten. Auch hier fehlen mindestens weitere zwei Milliarden Euro, um das zu erwartende Defizit zu decken.

Quelle: Pressemeldung des BMG

Rekorddefizit für 2024 von 6,5 Milliarden Euro

Vonseiten der Krankenkassen, die einen höheren Bundeszuschuss und zugleich ein Ausgabenmoratorium fordern, wurden die angekündigten Maßnahmen als nicht ausreichend bewertet. Der BKK Dachverband bezog am 11. Juli erneut Position: Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) habe das Jahr 2024 mit einem Rekorddefizit in Höhe von 6,5 Milliarden Euro abgeschlossen und sei mit einem durchschnittlichen, real erhobenen Zusatzbeitragssatz (ZBS) von 2,93 Prozent ins Jahr 2025 gestartet. „Das ist der höchste Wert in der Geschichte der GKV. Und es zeichnet sich bereits ab, dass dies nicht der letzte Beitragssatzsprung in diesem Jahr gewesen sein wird.“

Aktuelle Ergebnisse machen immensen Druck deutlich

„Die aktuellen GKV-Finanzergebnisse übertreffen selbst die pessimistischsten Prognosen und machen den immensen Druck deutlich, der auf den gesetzlichen Krankenkassen und den Beitragszahlenden lastet“, sagt Anne-Kathrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbandes.  „Ohne schnelle Gegenmaßnahmen und strukturelle Reformen werden die Belastungen für die Versicherten und ihre Arbeitgebenden schon kurzfristig noch weiter steigen und das System destabilisieren. Nach unseren Berechnungen wird der Gesundheitsfonds zum 15. Januar 2026 unter die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve zu rutschen.“

Sie kritisierte die ausbleibenden nachhaltigen Maßnahmen. Es müsse mehr geben als Darlehen, die die Not nur kurzfristig linderten. Klemm:  „Vorschläge, wie die GKV auf der Einnahmenseite nachhaltig konsolidiert werden kann, liegen seit Jahren auf dem Tisch: die konsequente Steuerfinanzierung versicherungsfremder Leistungen sowie die Dynamisierung des Bundeszuschusses. Gleichzeitig muss die massive Ausgabendynamik gestoppt und an die Einnahmenentwicklung angepasst werden. Auch das wäre mit wenigen Maßnahmen möglich. Was fehlt, ist allein der politische Wille, Verantwortung zu übernehmen und die Vorschläge umzusetzen. Es muss jetzt mehr denn je darum gehen, solide Finanzen zu schaffen, um Spielraum für echte Reformen zu haben: mehr Prävention, mehr Digitalisierung und mehr sektorenübergreifende Versorgung. Nur wer heute stabilisiert, kann morgen gestalten“, so Klemm.

Zusatzbeiträge werden weiter erhöht

Im Januar 2025 hatten 82 von insgesamt 94 gesetzlichen Krankenkassen ihren Zusatzbeitragssatz kräftig angehoben. Bis zum 1. Juli 2025 haben zudem 15 Krankenkassen ihren ZBS unterjährig erhöht. Weitere Beitragssatzanpassungen in diesem Jahr könnten folgen, so der BKK Dachverband.

Kassendefizit wird noch schneller steigen als erwartet

Wie die „Bild“ am 13. Juli 2025 berichtete, geht man im Bundesgesundheitsministerium vielmehr davon aus, dass das Kassendefizit noch schneller steigen wird, als es die Kassen selbst bislang annehmen. „Im kommenden Jahr fehlen den Kassen mit ihren 74,3 Millionen Versicherten (90 Prozent der Bevölkerung) vier Milliarden Euro. Und das, obwohl Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für das Haushaltsjahr 2026 ein Darlehen über 2,3 Milliarden aus dem regulären Staatshaushalt gewähren will. Nur ein Jahr später, in 2027 reißt das Finanzloch nach BILD-Informationen richtig auf: Laut derzeitigen Prognosen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) fehlen den Kassen dann mehr als 12 Milliarden Euro!“, schreibt „Bild“. Diese Zahlen, die für 2027 einen Anstieg des Beitragssatzes auf 18,3 Prozent bedeuten würden, seien der Bundesgesundheitsministerin und auch im Bundeskabinett dem Kanzler Friedrich Merz und und Finanzminister Klingbeil bekannt. Eine Bestätigung für diese Zahlen gebe es aus dem BMG nicht, so die Zeitung.

Merz kündigt „schwierige Reformvorhaben“ an

Selbst Bundeskanzler Friedrich Merz teilte im ARD-Sommerinterview am 13. Juli die Sorge der kommenden Generationen zur Finanzierbarkeit des Staates. Er werde im Herbst schwierige Reformvorhaben in den sozialen Sicherungssystemen geben: „Wir werden nicht nur über das Leistungsniveau, wir werden auch über die Beitragszahler sprechen.“  Es sei keine Lösung, alle in die gesetzliche Krankenversicherung zu nehmen, weil die private Krankenversicherung überproportional zur Stabilisierung des Systems beitrage.  „Die Abgrenzung da vorzunehmen wird unsere Aufgabe sein, auch das Leistungsniveau zu diskutieren: Wo fängt Eigenverantwortung an, wo hört Eigenverantwortung auf und geht in Solidarität über? Diese Grenzen müssen auch neu gezogen werden“, so Merz im Interview. (MM)

Reference: Politik Wirtschaft Nachrichten

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