Der Bundestag hat sich ohne spürbaren Fortschritt für die Gesundheitspolitik in die Sommerpause verabschiedet. Der Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) kündigt im Sommerinterview mit der ARD am 13. Juli 2025 und in seiner Sommer-Pressekonferenz am 18. Juli 2025 für den Herbst Diskussionen und Weichenstellungen für Reformen in den Sozialsystemen an.
Merz erklärte bei beiden Terminen, dass es keine Lösung sei, auf eine Einheitsversicherung zu setzen oder nur die Beitragsbemessungsgrenzen anzuheben. Die Private Krankenversicherung und die Privatversicherten leisteten „einen weit überproportionalen Beitrag für das System“, so Merz, und bekannte sich klar zum dualen System aus Gesetzlicher und Privater Krankenversicherung. Zum Thema Bemessungsgrenzen erklärte er vor der Bundespressekonferenz: „Nur zu glauben, dass die einfache Lösung darin besteht, einmal eben die Zahl der Beitragszahler zu erhöhen, ist ein gewaltiger Irrtum. Nur hinsichtlich der Einnahmenseite zu glauben, man müsse einmal eben mit einem Federstrich Beitragsbemessungsgrenzen anheben oder Teile der Versicherung nicht mehr erlauben, löst kein einziges Problem.“
Keine konkreten Aussagen zu Leistungskürzungen
Wie beim Thema versicherungsfremde Leistungen wollte er sich auch bei möglichen Leistungskürzungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – generell oder nur für Bürgergeldempfänger – nicht festlegen. Der Umfang versicherungsfremder Leistungen in der Krankenversicherung sei „in der Tat kritisch“, eine Lösung aber nicht einfach und kurzfristige Entscheidungen allein würden das Problem der GKV-Finanzen nicht lösen.
Stabilisierung der Sozialversicherungsbeiträge als Ziel
Selbst bei der angestrebten Obergrenze von 42 Prozent bei den Sozialversicherungsbeiträgen wollte er sich mit Blick auf die Expertenkommissionen und die noch anstehenden Verhandlungen mit dem Koalitionspartner SPD nicht festlegen: „Ich will einmal wirklich allgemein beantworten, was ich normalerweise nicht so gerne tue, aber in diesem Fall muss ich es tun, weil ich noch nicht absehen kann, wo wir denn herauskommen werden“, so Merz. „Aber ich möchte eine Stabilisierung in dieser Wahlperiode erreichen. Das hängt aber sehr stark davon ab, welche Reformen wir uns zutrauen und welche wir auf den Weg bringen. Aber eine Stabilisierung ist das, was ich mindestens bei den Sozialversicherungsbeiträgen erreichen möchte, wissend, dass das schon für sich genommen sehr, sehr schwierig sein wird.“
FVDZ: Jetzt entschlossenes Handeln geboten
Dabei wäre entschlossenes Handeln geboten. Besonders deutlich zeigt sich der Reformstau bei den Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV): Allein im Jahr 2024 belief sich deren Defizit auf rund 6,2 Milliarden Euro. In der Folge stiegen die Versichertenbeiträge mit durchschnittlich 1,2 Prozentpunkten zum Jahreswechsel so stark wie nie; in einigen Fällen sogar zur Jahresmitte ein weiteres Mal. Schätzungen gehen in den kommenden Jahren von einer strukturellen Finanzierungslücke in doppelter Höhe aus.
Dr. Christian Öttl, Bundesvorsitzender des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ), betont: „Die zahnmedizinische Versorgung ist weder für das Defizit verantwortlich noch ein Kostentreiber: Mit 17,6 Milliarden Euro jährlich (2023) macht die gesamte zahnärztliche Versorgung nur einen Bruchteil der GKV-Ausgaben aus. Selbst eine Halbierung könnte die Finanzierungslücke nicht schließen.“
Analyse zeigt unterdurchschnittliche Ausgaben für Zahnmedizin
Das belegen auch die Analysen des BKK Dachverbands zur Jahresbilanz der GKV. Demnach entwickelten sich nur die Ausgaben für die zahnärztliche Behandlung und für Zahnersatz deutlich unterhalb der Grundlohnsummenentwicklung, die für 2024 mit 4,22 Prozent angenommen wurde und unter anderem Orientierungswert für die Honorarvereinbarungen und die Beitragssatzstabilität ist. Überschreiten die Ausgaben diesen Wert, ist die Beitragssatzstabilität gefährdet. Vor allem die Ausgaben für Krankenhaus, Arzneimittel, Heilmittel, Behandlungspflege und Fahrkosten sowie das Krankengeld lagen zum Teil deutlich über diesen 4,22 Prozent. Der BKK-Dachverband warnt in seiner Analyse, dass zwar im 1. Quartal 2025 von den Kassen wieder Überschüsse erzielt wurden, diese reichten jedoch nicht aus, um die leeren Rücklagen der Kassen aufzufüllen, weil die Ausgabendynamik weiter hoch sei. Damit seien weiter steigende Zusatzbeiträge wahrscheinlich.
Prävention in den Vordergrund stellen
Foto: FVDZ
Strukturelle Reformen nötig
„Statt jedes Jahr wieder über die Defizite der GKV zu diskutieren, brauchen wir endlich eine strukturelle Reform, etwa bei den Verwaltungskosten der knapp 100 gesetzlichen Krankenkassen oder versicherungsfremden Leistungen, die aus dem Gesundheitsfond finanziert werden, obwohl sie steuerlich getragen werden müssten. Gleiches gilt für den Abbau der Bürokratielast.“
Zahnmedizin Teil der Prävention und der Lösung
Von der neuen Bundesregierung fordert der FVDZ-Bundesvorsitzende Öttl: „Setzen Sie nicht kurzfristig auf Beitragserhöhungen, sondern lassen Sie uns nachhaltige Lösungen für die Finanzierung der GKV schaffen und verstehen Sie die Rolle der zahnmedizinischen Versorgung als Teil der Prävention und somit der Lösung. Krankheit lässt sich nicht berechnen und Krankenkassen sind für Kranke da ‒ keine Verschiebebahnhöfe für Finanzen.“
Auch beim Europatag der Bundeszahnärztekammer am 16. Juli 2025 in Brüssel wurde auf das hohe Potenzial der Prävention und die Vorbildrolle der Zahnmedizin abgehoben. Die deutsche Zahnärzteschaft könne hier mit ihrer evidenzbasierten Expertise punkten, so BZÄK-Präsident Prof. Dr. Christoph Benz.