Zahn- und Mundgesundheit soll laut WHO ein weltweit geltendes Gesundheitsziel werden – das ist eine gute Nachricht für die Zahnmedizin. Doch wie soll dieses Ziel in den einzelnen Ländern umgesetzt und verwirklicht werden? Und was haben wir in Deutschland vor: Welche Chancen bietet die geplante Neuauflage des Präventionsgesetzes dafür und welche Rolle können auch niedrigschwellige Präventionsmaßnahmen spielen? Diese und andere Fragen wurden bei einem digitalen Fachforum am 20. Mai 2021 diskutiert. Veranstalter war das Forum Zahn- und Mundgesundheit Deutschland, eine bundesweite Initiative der Bundeszahnärztekammer und Mars Wrigley sowie Vertretern aus der Politik.
Neuauflage erst in nächster Legislaturperiode
Die Weltgesundheitsversammlung der WHO verabschiedet bei ihrer Tagung Ende Mai eine Resolution, mit der sie der Weltgesundheitsorganisation das Mandat gibt, bis 2022 neue Strategien zur Förderung der Zahn- und Mundgesundheit weltweit zu entwickeln und diese in ein Arbeitsprogramm umzusetzen. Ziel ist die Entwicklung einer Mundgesundheitsagenda, die in die WHO-Programme zu nichtübertragbaren Krankheiten und zur umfassenden Gesundheitsversorgung integriert werden soll. Die WHO-Mitgliedstaaten sind aufgerufen, Richtlinien, Strategien und Projekte für die Mundgesundheit zu erarbeiten und dabei Präventionsmaßnahmen auch in Lebenswelten wie dem Arbeitsplatz zu berücksichtigen.
Moderator Prof. Dr. Dietmar Oesterreich zeigte sich erfreut über den Status, den Zahn- und Mundgesundheit nun weltweit erhalten. Er verwies auf die gute Mundgesundheit der Deutschen im globalen Vergleich und auf den Erfolg gerade zahnmedizinischer Präventionsstrategien, die als Blaupausen für Gesundheitsprophylaxe dienen. Wichtig sind ihm niedrigschwellige Präventionsangebote, die möglichst alle Menschen erreichen.
Zähne, Gesundheit und Psyche
Die politischen Vertreter Dr. Kirsten Kappert-Gonther MdB, Sprecherin für Gesundheitsförderung von Bündnis '90/Die Grünen, Dietrich Monstadt MdB, Berichterstatter für die Zahnärzte der CDU/CSU, sowie Andreas Brandhorst aus dem Bundesministerium für Gesundheit befürworteten sämtlich die WHO-Resolution. Laut Brandhorst konnte in der aktuellen Legislaturperiode neben der Bekämpfung der Corona-Pandemie nicht viel anderes vorangebracht werden, daher wird die Neuauflage des Präventionsgesetzes Aufgabe der Regierung der nächsten Legislaturperiode. Kappert-Gonther von den Grünen betonte die Bedeutung der Mundgesundheit auch für die Psyche, Menschen mit schlechten Zähnen trauen sich nicht, „den Mund aufzumachen“ und um Hilfe zu bitten – ein weiteres Gesundheitsfeld, das mit der Zahnmedizin in Wechselwirkung steht.
Monstadt, selbst Diabetiker, verwies auf die Korrelation von Parodontitis und systemischen Erkrankungen. Zwar ist die allgemeine Entwicklung der Mundgesundheit in Deutschland erfreulich, doch gebe es bei Bevölkerungsgruppen wie den älter als 75-Jährigen starke Einbrüche, auch habe nach wie vor jeder zweite Erwachsene Parodontitis. Er findet personalisierte medizinische Versorgung einen interessanten Ansatzpunkt für Präventionskonzepte. Für ihn ist es ein guter Zeitpunkt, die Präventionsstrategien anzufragen, da aktuell alle Parteien ihre Konzepte festzurren.
„Man muss nicht völlig neu anfangen“
Brandhorst verwies auf die vielen zahnmedizinischen Kampagnen und Konzepte, die schon laufen und eine Verbesserung „quer durch die Gesellschaft“ erbracht hätten – angefangen von den Frühuntersuchungen über die Besuche der Landesarbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendzahnpflege in Schulen und Kitas, die Individualprophylaxe bis zum 18. Lebensjahr, die Präventionsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen, in der Pflege –„man muss nicht völlig neu anfangen“. Doch welche Bausteine können die Effizienz erhöhen oder andere Bevölkerungsgruppen erfassen?
Eine Möglichkeit, die alle in der Runde befürworteten war, die Menschen in ihren Lebenswelten abzuholen. Dazu wurde auf eine Studie von Prof. Stefan Zimmer von der Uni Witten/Herdecke verwiesen, nach der Erwachsene am Arbeitsplatz mehr über Zahngesundheit lernen können und niedrigschwellige Angebote wie Informationsvideos, Bereitstellung von zuckerfreien Kaugummis oder Mundspülung eine gute Wirkung zeigen (mehr dazu auf Quintessence News). Dafür sprach sich auch Andreas Herforth, Referent für zahnärztliche Versorgung bei der Techniker Krankenkasse aus: „Als Arbeitgeber hat man großen Einfluss auf die Mitarbeiter“, es ist möglich, dass sich hier weniger um den Zahnarztbesuch herumgedrückt würde. Weitere Angebote könnten zum Beispiel Zuschüsse des Arbeitgebers zu PZR oder ähnliches sein. Konkrete Vorschläge, wie Kooperationen zwischen Betrieben und Zahnärzten aussehen könnten, gab es hier nicht.
Flankierend zu diesen direkten Maßnahmen wurden auch weitere Aspekte erwähnt, wie gesundes Essen in Kantinen, Kitas, Schulen, Zuckerreduktion in Lebensmitteln (kritische Betrachtung dieses Arguments bei Quintessence News). Ein gesetzlich verankertes Werbeverbot für Fast Food, Snacks und Süßes (siehe auch Quintessence News) vor allem in den neuen Medien wurde ebenfalls angesprochen. Hier betonte Monstadt (CDU/CSU), sich für dieses Werbeverbot einsetzen zu wollen – angesprochen hatte diesen Punkt wiederum Kappert-Gonther von Bündnis '90/Die Grünen als Erste.
Zum Abschluss der Gesprächsrunde äußerte sich Prof. Dietmar Oesterreich hoch erfreut über die engagierte Diskussion und zeigte sich sehr gespannt, was die zur Wahl antretenden Parteien aus diesem Forum in ihre Parteiprogramme mitnehmen – „das könnte durchaus ein Punkt sein, an dem sich auch entscheidet, wo man sein Kreuzchen macht“.