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Eine prospektive klinische Studie verglich Dauerhaftigkeit und Wirksamkeit von zwei Materialien

Darstellung eines charakteristischen kreidig-weißen Ätzmusters in der Bracketperipherie nach erneutem Ätzvorgang und relativer Trockenlegung

(c) Roth et al.

Entmineralisierungen der Zähne sind im Rahmen von Multibracketbehandlungen als Folge der beeinträchtigten Mundhygiene als schwerwiegende Komplikation zu betrachten, vor allem, weil sie nicht vollständig reversibel sind. Das Risiko, während des ersten Jahres einer Multibandbehandlung an wenigstens einem Zahn eine White-Spot-Läsion (WSL) zu entwickeln, ist etwa doppelt so hoch wie bei unbehandelten Individuen – 50 Prozent gegenüber 24 Prozent1. Bracketumfeld- beziehungsweise Glattflächenversiegelung und professionelle Zahnreinigung sind heute in den Praxen weit verbreitete Methoden zur Entkalkungsprophylaxe, um die Patienten bei ihrer stark kooperationsabhängigen häuslichen Mundhygiene zu unterstützen. Die Autoren Dr. Alexander Roth, Jena, Dr. Zohal Fakher, Trier und Dr. Michael Wagner stellen in ihrem Beitrag für die Kieferorthopädie 2/20 eine klinische Studie vor, die die WIrksamkeit und Effizienz von Versiegelungsmaterialien untersucht.

Die Zahl der Studien zur Schmelzdemineralisierung und deren Prophylaxe im Rahmen von Multibracketbehandlungen hat in den vergangenen Jahren stark zugenommen, insbesondere der protektive Effekt der Bracketumfeld- beziehungsweise Glattfächenversiegelung konnte aber noch nicht sicher nachgewiesen werden. In Abhängigkeit vom verwendeten Versiegelungsmaterial kommen bisherige – meist in vitro durchgeführte – Studien zur Glattflächenversiegelung von Zähnen vor dem Bekleben mit Brackets zu unterschiedlichen Ergebnissen: Einige Untersuchungen weisen eine deutlich feststellbare protektive Wirkung im Hinblick auf Entmineralisierungen nach, während andere keinerlei Effekt feststellen konnten, teilweise für ein und dieselben Präparate. Die Versiegler lassen sich in gefüllte, nicht gefüllte, lichthärtende, chemisch härtende, fluoridfreisetzende oder nicht fluoridfreisetzende Versiegler einteilen. Benham et al. konnten nachweisen, dass Versiegler, die keinen oder nur einen geringen Anteil an Füllkörpern aufweisen, hinsichtlich der Abrasionsfestigkeit den höher gefüllten Versieglern unterlegen sind2. Zachrisson et al. berichteten über mangelnde Effektivität chemisch härtender Versiegler – als Grund wurde eine unzureichende Polymerisation des Versieglers durch Sauerstoffinhibition angeführt3. In einer In-vitro-Untersuchung von Knösel et al. wurden verschiedene Lacke, Sealants und auch Elmex Gelée (CP Gaba) als Demineralisationsschutz verglichen, unter anderem die Reliance-Produkte Maximum Cure und Pro Seal. Laut Herstellerangaben bildet Pro Seal, ob chemisch oder lichthärtend, keine Sauerstoffinhibitionsschicht aus. Ein klinisch relevanter Effekt ergab sich jedoch für Maximum Cure und auch für Elmex Gelée4. Dies ist deshalb bemerkenswert, weil Maximum Cure lediglich ein einfaches, ungefülltes Bonding Agent darstellt, während Pro Seal eigens als Versiegler entwickelt wurde. In einer Studie von Banks et al. wurden 40 Patienten mit Maximum Cure und 40 Patienten mit einem anderen Versiegler behandelt. In der Vergleichsgruppe wurde kein Versiegler verwendet.

Insgesamt zeigten 75 Prozent der Patienten Demineralisationen, davon 73 Prozent mit Maximum Cure. Es gab keinen signifikanten Unterschied zwischen versiegelten und unversiegelten Zähnen5. Buren et al. attestierten in ihrer In-vitro-Studie Pro Seal als Versieglermaterial hingegen einen vielversprechenden protektiven Effekt6. Leizer et al. fanden ähnliche Entkalkungsraten an versiegelten Zähnen in vivo wie Banks et al.; 69 Prozent (Pro Seal) beziehungsweise 72 Prozent (Transbond MIP) der untersuchten Zähne zeigten von T1 zu T2 progressive Entkalkungen. Der Unterschied war nicht signifikant, die Verwendung eines speziellen, gefüllten und fluoridfreisetzenden Versieglers sei somit nicht gerechtfertigt7. Hess et al. ermittelten in einer In-vitro-Untersuchung eine Reduktion der Entkalkungsrate um 5 Prozent, wenn Opal Seal als Versiegler verwendet wurde8. In einem In-vitro-Vergleich von sechs Versieglern und Lacken von Coordes et al. erwies sich Pro Seal hingegen als besonders effizient. Lediglich zwei der sechs verglichenen Präparate wurden mit Säure­ätztechnik aufgebracht, darunter Pro Seal9. Soliman et al. wiesen darauf hin, dass die Fluorid­abgabe durch Pro Seal mit der Zeit nachlässt, weshalb nach 17 Wochen ergänzend eine regelmäßige lokale Fluoridierung durchgeführt werden sollte10.

Die ergänzende, regelmäßige Verwendung von Pulver-Wasser-Strahlgeräten (PWS) zur Verbesserung der Plaquekontrolle ist nicht ganz unproblematisch. Nach Untersuchungen von Schiffner kann Natriumbicarbonat (in vitro) ein Einbrechen durch Demineralisation vorgeschädigter Schmelzprismen zur Folge haben11. Gerade in Fällen, in denen Glatt­flächenversiegelungen vorgenommen wurden, erwies sich Natriumbicarbonat in einer In-vitro- Studie als eindeutig zu abrasiv; nach einer Strahlzeit von nur zehn Sekunden war der Versiegler nahezu abgetragen. Die Glycinwirkung war deutlich schonender12. Speziell zu der Frage nach dem Verbleib des Versieglers auf den Zähnen bis zum Ende der Multi­bandphase gibt es nur wenige Studien. Meistens wird die Frage nach der Effektivität der Versiegelung dadurch beantwortet, dass die Zunahme an Entkalkungen untersucht wird. Dies kann aber die Frage nicht klären, ob die Ver­sieglung grundsätzlich ineffektiv ist, oder der Versiegler möglicherweise zu früh verloren geht.

Erkenntnisse zu der Frage, wie dauerhaft die initial aufgebrachte Versieglerschicht ist, sollten auch Rückschlüsse darauf zulassen, ob eine einmalige Anwendung ausreichend ist oder nicht. Sen et al. verwendeten zur Klärung dieser Frage die optische Kohärenztomographie. In einem klini­schen Vergleich von Pro Seal und Opal Seal konnte gezeigt werden, dass bereits nach drei Monaten eine Schichtdickenreduktion von 43 Prozent für Pro Seal und von 36 Prozent bei Opal Seal eingetreten war. Ergänzende Schutzmaßnahmen beziehungsweise eine Re­applikation des Glattflächenversieglers sollten nach Ansicht der Autoren daher diskutiert werden13. Schott und Meller untersuchten die Bestän­digkeit eines Glattflächenversieglers mittels einer fluoreszenzgestützten Identifikationstechnik; hierbei wurde Pro Seal in einer In-vitro-Untersuchung getestet. Die Fläche des Versieglers nahm zeitabhängig von 21 Prozent bis 100 Prozent ab (Mittelwert 54 Prozent). Bereits nach dem ersten Zyklus wies der Versiegler an allen Proben Defekte auf14.

Tab. 1 Gruppenübersicht des Split-Mouth-Designs.
Tab. 1 Gruppenübersicht des Split-Mouth-Designs.

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Ziel der Untersuchung, Patienten und Methode

In der vorliegenden prospektiven, klinischen Studie sollte die entkalkungsprophylaktische Wirkung zweier für die Glattflächenversiegelung verwendeter Sealants verglichen werden. Von Interesse war insbesondere die Frage, in welchem Umfang Versiegler am Ende der Multibandphase überhaupt noch nachweisbar war, und ob eine gleichzeitig durchgeführte professionelle Zahnreinigung hierauf einen Einfluss hatte.

An der Studie nahmen insgesamt 67 Patienten teil, davon 28 männlich und 39 weiblich, das Durchschnittsalter lag bei 14 Jahren (SD = 1,6 Jahre). Alle Patienten hatten von Beginn der Untersuchung an Multibracketapparaturen im OK und UK. White Spots bzw. Schmelzveränderungen wurden initial und nach Beendigung der Multi­bandphase erfasst. Hierzu wurde ein dreistufiger Index (modifiziert nach Gorelick et al.) verwendet15:

  • Grad 1: leichte Läsion, klinisch eben darstellbar,
  • Grad 2: mittelmäßige bis starke Demineralisation ohne Kavitätenbildung,
  • Grad 3: starke Entkalkung mit Oberflächeneinbruch/manifester Karies.

Grundsätzlich wurden Patienten mit initialen White Spots nicht ausgeschlossen, andernfalls wären Verfälschungen der Ergebnisse nicht auszuschließen (durch Präselektion weniger kariesaktiver Patienten). Patienten mit Schmelzanomalien oder solche, die bereits einmal eine Multiband­apparatur getragen hatten, wurden hingegen von der Untersuchung ausgenommen.Als Versiegler kamen Fissurit FX (Voco) und Maximum Cure (Reliance) zum Einsatz. Fissurit FX ist ein lichthärtendes, fluoridhaltiges Einkomponentenmaterial, Maximum Cure ein chemisch härtendes, ebenfalls fluoridhaltiges Zweikomponentenmaterial.

Im Sinne eines Split-Mouth-Designs wurde bei dem einem Teil der Patienten der eine Versiegelungslack im Oberkiefer rechtsseitig, der andere linksseitig aufgetragen, bei dem anderen Teil der Patienten umgekehrt. Ferner wurde noch unterschieden zwischen Patienten mit regelmäßiger Anwendung eines Pulver-Wasserstrahlgerätes (das heißt, ca. zweimal/Quartal) und solchen ohne. Im Einzelnen wurden vier Gruppen gebildet (Tab. 1). Vergleiche zwischen den Versieglern wurden aufgrund der besseren Beurteilbarkeit nur im Oberkiefer angestellt (Zähne 14–24). Nach Abnahme der Brackets und vorsichtiger Reinigung und Trocknung der Zahnoberflächen wurden zunächst eventuell aufgetretene White Spots erfasst. Hierzu kam wieder der bereits bei der Bebänderung angewendete dreistufige Index zum Einsatz (Abb. 1).  Der während der Multibandphase zu Verlust gegangene Versiegleranteil wurde ermittelt, indem unmittelbar nach Bracket-Abnahme die untersuchten Zahnoberflächen nochmals mit 37-prozentiger Phosphorsäure konditioniert wurden und die entmineralisierten Anteile der Zahnoberflächen, die den versieglerfreien Arealen entsprachen, visuell geschätzt wurden (Abb. 2). Fehlende Zähne, Zähne mit Bracketverlusten, Zähne mit nicht natürlichen beklebten Oberflächen und Zähne, die auf den Fotos nicht ausreichend genau zu beurteilen waren, wurden ausgenommen.

Anschließend wurden die Ätzmuster mittels frontaler und seitlicher intraoraler Aufnahmen foto­dokumentiert (Canon EOS 700D, Meike FC110 Ringblitz). Schließlich wurden sämtliche Kleber- und Versieglerreste entfernt und die Zähne mit Elmex Fluid (Gaba) flu­oridiert. Die Fotos wurden im Abstand von mehreren Wochen jeweils unter Abgleich mit den klinisch erfassten Daten von derselben Person zweimal ausgewertet. Die Werte beider Messreihen wurden nach Fehleranalyse schließlich durch Mittelwertbildung zusammengeführt und weiter statistisch ausgewertet. Das angewendete Verfahren wurde durch eine vorgeschaltete Pilotstudie an fünf Patienten erprobt. Hierbei konnte sichergestellt werden, dass eine mit Versiegler behandelte Schmelzoberfläche nach erneutem Aufbringen von Konditionierungsmittel kein Ätzmuster aufweist. Das Verfahren erwies sich als valide. Die Maßnahme wurde in einer Situation durchgeführt, in der typischerweise ohnehin Behandlungsgeräte mittels Säureätztechnik eingebracht werden sollten (Kleberetainer); insoweit ergab sich kein nennenswerter zusätzlicher Aufwand und eine strukturelle Schädigung der Zähne war nicht zu befürchten. Zu Behandlungsbeginn wurden die Patienten und ihre Eltern über das Vorgehen, die Ziele und eventuelle Risiken der Studie aufgeklärt. Bei Be­reiterklärung zur Teilnahme an der Studie erhielten die Probanden einen Aufklärungsbogen, der zu ihrer Information diente und eine Einwilligungserklärung, die vom Erziehungsberechtigten unterzeichnet wurde. Die Studie wurde durch die zuständige Ethikkommission genehmigt.

Statistische Auswertung

Die statistische Auswertung wurde mit dem Programmpaket SPSS (Statistical Pack-age for the Social Sciences),Version 25.0 (IBM) durchgeführt. Vor der statistischen Auswertung wurden offensichtliche Ausreißer eliminiert. Die Ergebnisse mit einem Signifikanzniveau von p < 0,001 wurden als höchst signifikant, Ergebnisse mit einem Signifikanzniveau von p < 0,01 wurden als hochsignifikant und Ergebnisse mit einem Signifikanzniveau von p < 0,005 wurden als signifikant bewertet. Ergebnisse mit einem Signifikanzniveau von p > 0,05 wurden als nicht signifikant betrachtet16.

Genauigkeit der Messergebnisse

Eine lineare Regression wurde gerechnet, um zu überprüfen, ob sich die Messwerte der zweiten Fotoauswertung aus denen der ersten vorher­sagen lassen. Die Regression war für die Zähne im 1. Quadranten höchst signifikant mit R = 0,98, p < 0,001 (Tab. 2). Gleiches wurde für die Zähne im 2. Quadranten gerechnet, die Regression war ebenfalls höchst signifikant mit R = 0,98, p < 0,001 (Tab. 3). Die Messungen von den beiden Auswertungszeitpunkten stimmen somit sehr gut überein. Verglichen wurden nach Eliminierung von Ausrei­ßern und Zusammenführen der Messdaten aus beiden Messreihen durch Mittelwertbildung schließlich mit Fissurit FX bzw. Maximum Cure versiegelte Zähne, jeweils entweder mit zusätzlich durchgeführter PZR oder ohne. Für die Korrelationsanalyse zur Eruierung eventueller Zusammenhänge zwischen angeätzter Schmelzoberfläche und Behandlungsdauer wurden patientenbezogen für die Zähne 14–11 und 21–24 jeweils Mittelwerte gebildet und diese mit der jeweiligen Verweildauer der Multibracket­apparatur korreliert.

Deskriptive Statistik

Insgesamt wurden von den 67 Probanden 536 Zähne untersucht. Davon wurden 128 Zähne nicht erfasst, weil Brackets verloren gingen, fehlpositionierte Brackets im Laufe der Behandlung umgeklebt wurden oder die Zähne auf den Fotos schlecht zu beurteilen waren. Schließlich gingen somit 408 Zähne in die Auswertung ein. Die Durchschnittsdauer der Multibracketbehandlung lag bei 17,9 Monaten (SD = 6,7; Tab. 4). 

Dauerhaftigkeit der Versiegler in Abhängigkeit vom Einfluss der PZR

Im Vergleich beider Versiegler ergab sich, dass die angeätzte Zahnoberfläche für den Versiegler FX jeweils größer war als für MC. Der Unterschied zwischen den Versieglern war aber nur signifikant, wenn keine professionelle Zahnreinigung ausgeführt worden war. Höchst signifkant war der Unterschied bei beiden Versieglern zwischen den Werten für die angeätzten Schmelzareale mit beziehungsweise ohne PZR. Die Ergebnisse sind in Abbildung 3 bis 5 im Einzelnen dargestellt.

Korrelationsanalyse

Um einen möglichen Zusammenhang zwischen der Dauer der Behandlung und der Größe der ange­ätzten Zahnschmelzoberfläche zu finden, wurde für beide Variablen der Korrelationsko­ef­fient nach Pearson berechnet, differenziert nach Versiegler und in Abhängigkeit von einer regel­mäßigen Pulver-Wasserstrahl-Anwendung. Wie die Ergebnisse zeigen, waren die Korrela­tionen in keinem Fall signifikant (Abb. 6 bis 9).

Das Auftreten von White Spots

Bei neun der 67 untersuchten Patienten (13,4 Prozent) traten im Laufe der Multibandphase White Spots auf. Bei einigen wenigen davon wurde Schweregrad 2 bis 3 (Index modifiziert nach Gorelick et al.15) erreicht. Acht der neun betroffenen Patienten waren den Gruppen 1 und 2 zugeordnet und erhielten somit eine regelmäßige Airflow-Zahn­reinigung. Zwei Patienten wiesen WSL mit Schweregrad 2 und 3 in Kombination an mehreren Zähnen sowohl im Ober- als auch im Unterkiefer auf. Bei drei Patienten wurde Schweregrad 2 in Kombination mit Schweregrad 1 an mehreren Zähnen im Ober- und Unterkiefer festgestellt. Bei drei Patienten wurde Schweregrad 1 an einzelnen Zähnen nur im Oberkiefer festgestellt, bei einem Patienten Schweregrad 1 an Zähnen des Ober- und des Unterkiefers. Die Zahl der registrierten WSL war zu gering, als dass aussagekräftige Signifikanztests hätten ausgeführt werden können.

Methodische Aspekte

Das bei der Studie gewählte Verfahren mit einem erneuten Ätzvorgang unmittelbar nach der Entbänderung in Kombination mit relativer Trockenlegung und einer Fotodokumentation hat sich klinisch als praktikabel erwiesen und konnte gut in den Praxisablauf integriert werden. Es sind keine klinischen Untersuchungen bekannt, in denen diese Methodik ebenfalls angewendet wurde. Ledig­lich in einer In-vitro-Untersuchung wurde zur Ermittlung des Versieglerverlusts nach professioneller Zahnreinigung ein zweiter Ätzvorgang durchgeführt12. Die in unserer Untersuchung verwendeten Versiegler wiesen keine fluoreszierenden Eigenschaften auf, sodass die von Schott und Meller beschriebene, fluoreszenzbasierte Identi­fikta­tions­­methode (FIT)14 nicht in Betracht kam. Es wurden digitale Bilder mit FIT unter Verwendung eines Stereomikroskops in Kombination mit einer Digitalkamera aufgenommen und die Intaktheit des Versieglers mit einer speziellen Software ­ausgewertet. Bei der erwähnten Untersuchung handelte es sich auch nicht um eine klinische ­Studie. Ein weiteres, alternatives Verfahren ist die opti­sche Kohärenztomografie (OCT). Es zeigte sich in einer In-vivo-Untersuchung, dass die OCT bei der Bestimmung der Schichtdicke von Glatt­flächen­versieglern reproduzierbare und hoch­präzise Mess­werte liefern kann und somit ein gut geeig­netes non-invasives Bildgebungsverfahren darstellt13.  Ein apparatives Verfahren, mit dem kariöse Ini­tial­läsionen nachgewiesen werden können, wurde von Bechtold et al. verwendet. In einer rando­misierten klinischen Cross-over-Studie wurde der chemisch härtende Sealer Protecto (Bona Dent) und der lichthärtende, hoch gefüllte Sealer Light Bond (Reliance Orthodontic Products), die beide fluoridhaltig sind, auf ihren entkalkungsprophylaktischen Effekt während einer Multibracketbehandlung getestet.

Die Messung erfolgte über einen sechsmonatigen Zeitraum. Zu Beginn und Abschluss der Unter­suchung wurden die Schmelzoberflächen der Zähne durch Laserfluoreszenzmessung mit dem DIAGNOdent-Pen (KaVo Dental) auf Demineralisationen untersucht. In allen Gruppen traten Entkalkungen in gleicher Qualität sowie Quantität auf. Eine entkalkungsprophylaktische Wirkung konnte durch einmalige Anwendung der untersuchten Bracketumfeldversiegelungslacke nicht nachgewiesen werden. Das laseroptische Gerät kann die Läsionsentwicklung auf Zahnoberflächen zwar reproduzierbar nachweisen, über die verbliebene Versieglerschicht kann jedoch keine Aussage getroffen werden17.

Zur Erfassung der Ausdehnung von Entkalkungen wurde von einigen Untersuchern das quantitative, lichtinduzierte Fluoreszenzverfahren (QLF) verwendet17,18, während andere, so wie in unserer Studie, sich auf Fotos beschränkten1. In anderen, vergleichbaren Studien wurde jedoch durchaus auf einen modifizierten Gorelick­Index zur Erfassung von WSL zurückgegriffen19,20, das heißt, einer rein visuellen Beurteilung wurde gegenüber einer apparativen Erfassung der Vorzug gegeben. Tatano et al. konnten zudem zeigen, dass die räumliche Ausdehnung einer Entkalkung auf einer Zahnoberfläche mittels digitaler Fotografien mit besserer Reproduzierbarkeit erfassbar ist als mittels QLF21. O’Reilly et al. haben Patienten mit initialen WSL ausgesondert20. Dies geschieht in der Praxis ja auch nicht unbedingt und bedeutete bereits einen gewissen Bias. Außerdem handelt es sich bei diesen initialen White Spots nicht zwangsläufig um Entkalkungen, sondern um anlagebedingte Schmelzveränderungen. Von Leizer et al. wurde dies ähnlich gesehen und in ihrer Studie entsprechend umgesetzt7.

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse von Banks et Richmond und Knösel et al. entschieden wir, in unserer Studie das Material Maximum Cure zu testen und nicht Pro Seal.  Angesichts der Ergebnisse von Schiffner und entsprechend der Empfehlung von Engel et al. entschieden wir uns für Glycin als Strahlmittel, welches weniger abrasiv ist als Bicarbonat. Dies schien angesichts der gehäuften PZR-Sitzungen (ca. zweimal pro Quartal) geboten. Das gewählte Split-Mouth-Design sollte denkba­re exogene und endogene verfälschende Einflussfaktoren (zum Beispiel Zahnputzverhalten, Ess­gewohn­heiten, Kariesanfälligkeit) ausschließen. Vergleiche zwischen den Versieglern wurden aufgrund der besseren Beurteilbarkeit nur im Oberkiefer angestellt (Zähne 14–24). Hier sind die versiegelten Schmelzareale größer und bei der Auswertung kann ein klareres Bild erwartet werden. Die Brackets sitzen im Unterkiefer oft dicht an der Gingiva, die bei Entbänderung häufig entzündet und geschwollen ist, was die Auswertbarkeit erschweren würde. Einen ähnlichen Ansatz wählten O’Reilly et al., indem sie sich in ihrer prospektiven klinischen Studie zum Nutzen eines Versiegelers zur Ver­meidung von WSLs auf die Zähne 13–23 in einem „alternating-tooth split-mouth design“ beschränkten20.

Diskussion der Ergebnisse

Die in mehreren Studien beobachtete stark abrasive Wirkung der Pulver-Wasserstrahl-Zahnreinigung auf die Versiegelung wurde in unserer Studie eindrucksvoll bestätigt. Der Versieglerverlust ist mit durchschnittlich ca. 80 Prozent für beide Präparate erheblich. Ohne PZR ist der Versieglerverlust nur etwa halb so hoch (und damit höchst signifikant geringer), mit einem leichten, schon signifikanten Vorteil für das Präparat Maximum Cure im Versieglervergleich. Wäre Natriumbicarbonat als Strahlmedium verwendet worden, wäre mög­licherweise gar kein Restversiegler mehr nachweisbar gewesen. Dass in unserer Untersuchung Maximum Cure besser abschnitt als Fissurit FX, ist insofern bemerkenswert, als Maximum Cure lediglich ein einfaches, ungefülltes Bonding Agent darstellt, während Fissurit FX ein gefülltes (Füllstoffanteil: 55 Gewichtsprozent) Versieglermaterial darstellt.

Der klinisch relevante Effekt von Maximum Cure als Demineralisationsschutz, den Banks und Richmond sowie Knösel et al. in ihren Untersuchungen nachwiesen, wird durch unsere Studie somit zumindest indirekt unterstützt. Im Widerspruch hierzu stehen jedoch die Ergebnisse von Benham. Angesichts der starken Versieglerverluste, insbesondere bei Pulver-Wasserstrahl-Anwendung, sollte die gängige Praxis der einmaligen Anwendung der Bracketumfeldversiegelung beziehungsweise der Glatt­flächenversiegelung beim Bebänderungstermin überdacht werden. Die Reapplikation nach ca. sechs Monaten scheint notwendig zu sein, je nach Gesamtdauer der Multibandphase sogar mehrmals, um einen suffizienten Demineralisationsschutz sicherzustellen und um bei fluoridhaltigen Versiegelungsmaterialien eine kontinuierliche Fluoridabgabe zu ermöglichen. Dies steht im Einklang mit den Schlussfolgerungen, die in anderen Untersuchungen zu dieser Frage gezogen wurden9,13. Bennett und McLaughlin empfahlen, die Integrität des Versieglers unabhänging von der Verwendung eines PWS in jeder zweiten oder dritten Kontrollsitzung mittels UV-Licht zu überprüfen (die Autoren verwenden Opal Seal) und im Bedarfsfalle zu ergänzen22. Dass es keine signifikanten Korrelationen gab zwischen der Verweildauer der Multibracketapparatur und der Ausdehung der angeätzten Schmelzareale, unabhängig vom Versiegler und unab­hängig davon, ob auch eine regelmäßige PZR durchgeführt worden war, entsprach nicht unseren Erwartungen und gibt Raum zur Spekulation. Möglicherweise hätte eine Varianzeinschränkung der Variable Zeitdauer und/oder eine noch größere Stichprobe einen Effekt auf das Ergebnis gehabt. Vielleicht hatte auch eine große Variabilität des Mundhöhlenmilieus einen Einfluss; exogene Faktoren wie etwa das Zahnputzverhalten und Essgewohnheiten könnten ebenfalls eine Rolle gespielt haben.

White Spots traten im Vergleich zu den in anderen Studien angegebenen Häufigkeiten (bis zu 96 Prozent)23 selten auf, dafür aber bei einigen, wenigen Patienten massiv. Der Grund ist unklar. Alle Patienten, die an der Studie teilgenommen haben, waren angewiesen worden, einmal wöchentlich Elmex Gelée (Gaba) anzuwenden, welches sich in der Studie von Knösel et al. als karies­prophylaktisch besonders wirksam erwies. Möglicherweise war der prozentuale Anteil der Patienten, die in unserer Studie den ihnen gegebenen Anweisungen Folge leisteten, doch höher als die von Geiger et al. und von Millett et al. angegebenen 13 Prozent24–26. Dabei befanden sich viele von ihnen bei einem Durchschnittsalter von 14 Jahren in einer schwierigen Entwicklungsphase, in der Anweisungen zur Mundhygiene oft nicht zuverlässig befolgt werden. Andererseits war die durchschnittliche Verweildauer der Multibracketapparatur mit 18 Monaten nicht überaus lang. Bei der Konzeption der Studie aufgeworfene Fragen nach dem entkalkungsprophylaktischen Effekt von Versieglern und PZR konnten aufgrund der geringen Zahl der aufgetretenen White Spots leider nicht beantwortet werden.

Danksagung 

Die Autoren danken Frau F. Rohlfsen und Herrn Prof. Dr. W. Frank für die Unterstützung bei der statistischen Auswertung. Ebenso gilt der Dank Herrn Dr. Klaus Wirtgen für die Mithilfe bei der Erfassung der klinischen Daten.

Einhaltung ethischer Richtlinien

Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Von allen beteiligten Patienten liegt eine Einverständniserklärung vor.

Interessenkonflikt 

A. Roth, Z. Fakher und M. Wagner geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Ein Beitrag von Dr. Alexander Roth, Jena, Dr. Zohal Fakher, Trier und Dr. Michael Wagner, Zweibrücken

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Der vollständige Beitrag mit sämtlichen Tabellen findet sich in der Kieferorthopädie 2/20.

Quelle: Kieferorthopädie 2/20 Kieferorthopädie

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