Kann man den allgemeinen Wandel der gesellschaftlichen Digitalisierung auf die Kieferorthopädie übertragen?, fragt Chefredakteur Björn Ludwig im Editorial der KFO 2/21, und lädt dazu ein, sich mit den Möglichkeiten (und Grenzen) der digitalen KFO-Techniken zu befassen. Die vorliegende Ausgabe beinhaltet ausschließlich Artikel, die sich mit CAD/CAM-Techniken befassen und ist damit hochaktuell.
Zuvorderst beeindruckend ist die Bandbreite der Möglichkeiten, mit CAD/CAM-gestützten Verfahren kieferorthopädische Hilfsmittel zu erstellen. Auch die Kombination „analoger“ und digitaler Techniken eröffnet viele neue Möglichkeiten. So stellen Wilmes et al. einen klinisch anspruchsvollen Lückenschluss im Seitenzahngebiet durch eine kombinierte Aligner-Behandlung mit skelettal verankerten Slidern vor. Anhand von zwei Patientenbeispielen wird die konventionelle Methode dem Full digital Workflow gegenübergestellt.
Kinzinger et al. beschreibt anhand eines komplexen Patientenbeispiels die vollständige digitale Umsetzung des Functional Mandibular Advancer (FMA), der sich klinisch und wissenschaftlich seit mehr als zwei Jahrzehnten bei diversen Angle Klasse-II-Therapieaufgaben bewährt hat. Bock stellt in den Technobytes die digitale Planung und klinische Applikation von zwei frontalen Aufbissen vor.
Zahntechnische und klinische Umsetzung
Im Beitrag Perinetti wird ein eine neues Planungsverfahren für die Insertion von Miniimplantaten zu kieferorthopädischen Zwecken beschrieben. Das Verfahren mit der Bezeichnung REPLICA ist insofern sehr flexibel in seiner Anwendung, als sich Systeme aller Hersteller einbinden lassen. Außerdem werden zwei klinische Patientenbeispiele vorgestellt, eine Klasse-II-Korrektur und eine Kasuistik mit palatinal verlagerten retinierten Eckzähnen, um die klinische und zahntechnische Umsetzung des Verfahrens zu illustrieren.
Casetta beschreibt die Vorteile einer Kombination aus computergestützter Piezozision und transparenten Alignern zur Behandlung einer Klasse-II-Malokklusion mit moderatem Engstand.
Modellerstellung ohne Wachsbiss oder Gips
Einen weiteren Aspekt zum Thema digitale KFO liefert der Beitrag Meereis. 3-D-Scans des Gebisses sind in der Kieferorthopädie Standard. Daran anknüpfend, werden in vielen Praxen mittlerweile auch Arbeitsmodelle für das zahntechnische Labor mittels 3-D-Drucker erstellt, um möglichst vollständig auf Abformmaterialien und Gips verzichten zu können. Bei bignathen Geräten erfordert der Herstellungsprozess jedoch immer einen Konstruktionsbiss und das Festgipsen der Modelle im Fixator. Die Etablierung eines Arbeitsablaufs ohne Wachsbiss und Gips reduziert die Zahl der Arbeitsschritte. Ziel war, ein System zu schaffen, dass auch in der Praxis auf Basis frei erhältlicher Software leicht angewendet werden kann und die Laborabläufe im Übergang von digitalen Daten zu analoger Herstellungstechnik vereinfacht.
Die „Kieferorthopädie“ informiert viermal im Jahr über die neuesten Erkenntnisse und Entwicklungen aus Praxis und Wissenschaft. Die Beiträge befassen sich mit allen Sachgebieten der modernen Kieferorthopädie. Praxisnahe Patientenberichte und Übersichtsartikel bilden das Herzstück jeder Ausgabe. Kongressberichte, Buchbesprechungen, Praxistipps, Interviews und eine ausführliche Übersicht über kieferorthopädische Fortbildungsveranstaltungen runden das redaktionelle Spektrum ab. Eine Vielzahl von anschaulichen, zum größten Teil farbigen Abbildungen in optimaler Reproduktionsqualität illustriert die einzelnen Beiträge. Mit kostenlosem Zugang zur Online-Version recherchieren Abonnenten komfortabel online – auch rückwirkend ab 2003 im Archiv. Kostenloser Zugang zur App-Version für Abonnenten. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.
Auch der Beitrag in der Rubrik „Interdisziplinäre Erwachsenen-KFO“ ist digital ausgerichtet: Bei einer gelenkprotektiven Dysgnathietherapie wird der Einsatz moderner 3-D-Methodik zur Sicherung der Kondylenposition bei kombiniert kieferorthopädisch-kieferchirurgischer Therapie vorgestellt. Abgerundet wird die Ausgabe mit der zweiten Folge der radiologischen Diagnostik, einer Rezension zum Buch von Sandra Khong Tai, den Zeitschriftenreferaten sowie der 50. Folge der differenzialdiagnostisch interessanten Kasuistik aus der Feder von Dr. Binger.
Die Zeitschrift gibt einen interessanten Überblick, was alles schon mit digitalen Verfahren in der KFO möglich ist, zeigt aber auch, dass die derzeit effektivste Strategie in der Kombination von digitalen und analogen Verfahren liegt. Dank offener Systeme sind die Kombinationsmöglichkeiten komfortabel hoch und erweitern sich ständig. Dadurch wird jeder seine ideale Kombination beider Welten finden – eine schöne Aussicht!