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„Wo ist Implantieren sinnvoll?“ – Interview mit Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle zu APW-Kontrovers am 1. Dezember 2018

In kaum einer anderen medizinischen Disziplin bieten sich bei einer Ausgangssituation so viele Therapiealternativen wie in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde. Diese Erkenntnis ist die Basis des Heidelberger Kolloquiums und der Reihe APW-Kontrovers, die Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle bereits seit mehr als 20 Jahren in loser Folge organisiert. In diesem Jahr widmet sich der wissenschaftliche Disput am 1. Dezember 2018 einem Thema, das schon früher Gegensatz kontroverser Diskussionen war, bei dem aber gerade in letzter Zeit etliche neue Erkenntnisse hinzugekommen sind. Es geht um die Abwägung unterschiedlicher Therapieoptionen bei Einzelzahnlücken und um die Frage: „Wo ist Implantieren sinnvoll? Wo gibt es heute bessere Alternativen?"

Im folgenden Interview geht Staehle auf die Besonderheiten der diesjährigen akademischen Auseinandersetzung ein, bei der auch das Auditorium zu Wort kommt.

Angesichts des Umstands, dass die orale Implantologie als eines der jüngeren Fachgebiete in der ZMK ständig neue Lösungen für den Ersatz verlorener Zähne hervorzubringen scheint und sich als Boom-Fach schlechthin erweist, mutet die APW-Kontrovers-Fragestellung an sich schon etwas provokant an. Welche Absicht steckt dahinter?

Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle: Die Implantologie ist zweifellos ein Meilenstein der Zahnmedizin. Ein Implantat ist aber im Fall einer Einzelzahnlücke keineswegs die einzige Therapieoption, wie dies zuweilen suggeriert wird. Die Auffassung, dass ein Implantat über kurz oder lang das Mittel der ersten Wahl beim Management von Einzelzahnlücken werden wird, teile ich nicht ganz. Manchmal gibt es gleichwertige oder sogar bessere Alternativen. Der Zahnarzt muss die Alternativen kennen, damit er im Sinne einer ausgewogenen Nutzen-Risiko-Abwägung dem Patienten eine angemessene Beratung und gegebenenfalls Behandlung zukommen lassen kann.

Eruieren, ob der Patient profitiert

Was ist das Kriterium für eine „bessere“ Alternative als der implantatgetragene Zahnersatz – das Wohl des Patienten, dessen Geldbeutel oder beispielsweise die Haltbarkeit einer solchen Lösung?


Prof. Dr. Dr. Hans Jörg Staehle am Patienten (Foto: Staehle/Uni Heidelberg)

Staehle: Zunächst muss man eruieren, ob ein Patient von einem Einzelzahnersatz aus funktionellen, ästhetischen oder sonstigen Gründen überhaupt profitiert. Der Zahnarzt muss also primär entscheiden, ob das Belassen einer Lücke (Monitoring) oder der Lückenschluss die bessere Behandlungsvariante ist. Falls ein Lückenschluss indiziert ist, geht es darum, eine Vielzahl von Faktoren zu erfassen, zu denen unter anderem die dentalen und oralen Voraussetzungen des Patienten und die allgemeinmedizinischen Aspekte zählen. Auf dieser Grundlage erfolgt die Beratung über verschiedene Behandlungsalternativen, deren Vor- und Nachteile sowie deren Kosten. Es gibt neben oralchirurgischen auch prothetische, konservierende und kieferorthopädische Optionen.

Inwieweit kann die Kieferorthopädie tatsächlich eine solche Alternative sein? Bezieht sich das nur auf den Seitenzahnbereich oder sehen Sie das auch im Frontzahnbereich?

Staehle: Es gibt in der Kieferorthopädie diverse Möglichkeiten, Lücken im Front- und Seitenzahnbereich ganz oder partiell zu schließen oder – umgekehrt – auch zu vergrößern, um in Kooperation mit oralchirurgisch, prothetisch und/oder konservierend tätigen Kollegen eine angemessene Versorgung zu realisieren.

Mut zur Lücke – und zum Lückenschluss

Darf und sollte ein Zahnerhalter - auch unter ästhetischem Gesichtspunkt - tatsächlich den „Mut zur Lücke“ haben?

Staehle: Der Zahnerhalter darf nicht nur den Mut zur Lücke haben, sondern auch zum Lückenschluss. Es gibt neben den Implantaten nicht nur die höher invasiven klassischen Brücken, sondern auch die geringer invasiven Adhäsivbrücken, die von den prothetischen Kollegen in den vergangenen Jahren immer mehr verbessert wurden. Das sind die indirekten Verfahren. Im konservierenden Bereich wurden neue direkte Verfahren zum Lückenschuss entwickelt. Dazu zählen zum Beispiel direkte Zahnverbreiterungen (im Seitenzahnbereich zum Lückenschluss in Prämolarenbreite), zu denen inzwischen langjährige Erfahrungen vorliegen. Hinzu kommen vielversprechende Neuerungen wie direkte, non-invasive Zahnanhänger (einflügelig) und Blockverbindungen (zweiflügelig). Auch hier gibt es Einsatzmöglichkeiten sowohl im Front- als auch im Seitenzahnbereich.

Was erwarten Sie vom Aufeinanderprallen der im Dezember vertretenen Fachgebiete? Gibt es jeweils den Königsweg oder nur ein Abwägen zwischen besser oder schlechter?

Staehle: Es geht nicht darum, Fronten zwischen den einzelnen Fachdisziplinen aufzubauen. Im Gegenteil: Es geht darum, im interkollegialen Disput herauszufinden, in welchem Fall das Monitoring eingeschlagen werden kann und wann eine implantologische, prothetische, konservierende oder sonstige Intervention zu bevorzugen ist.

Siehe auch Artikel „In jede Lücke ein Implantat? – die Alternativen“ vom 17.09.2018


Anmeldungen zur Veranstaltung sind auf der Internetseite der APW oder bei Monika Huppertz, E-Mail apw.huppertz@dgzmk.de, möglich.

Titelbild: Universitätsklinikum Heidelberg
Quelle: DGZMK/APW Interdisziplinär Implantologie Prothetik

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