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RA Dr. Justin Doppmeier zur Zumutbarkeitsklausel, im Regelfall zulässige Bindungsdauern und Freistellung vs. Urlaub

(c) Andrii Yalanskyi/Shutterstock.com

In der heutigen schnelllebigen Arbeitswelt ist kontinuierliches Lernen und Weiterentwicklung unerlässlich, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Berufsbegleitende Fortbildungen – solche, bei denen die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer (Aus Gründen der besseren Lesbarkeit dieses juristisch komplexen Textes wird im Folgenden nur Arbeitnehmer geschrieben. Dies schließt alle Geschlechter ein.) neben dem Arbeitsalltag einmalig oder wiederkehrend stunden-/tageweise oder mehrere Tage am Stück an der Maßnahme teilnimmt – bieten eine hervorragende Möglichkeit, neue Fähigkeiten zu erwerben und bestehende Kenntnisse zu vertiefen, ohne dabei die berufliche Tätigkeit unterbrechen und dabei Einkommenseinbußen, verbunden mit einer Herabsetzung des Lebensstandards, hinnehmen zu müssen. Diese Form der Weiterbildung ermöglicht es Fachkräften, sich flexibel und praxisnah weiterzubilden, was sowohl für die persönliche Karriereentwicklung als auch für die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens von großem Vorteil ist.

Die Ausgangssituation

Aufgrund der beidseitigen Interessen der Arbeitsvertragsparteien an einer zusätzlichen Qualifikation des Arbeitnehmers stellt sich jedoch häufig die Frage, wer für die Kosten der berufsbegleitenden Fortbildung aufkommt. Um die Kontroverse besser einordnen zu können, bietet sich zunächst ein Blick auf die Rechtslage bei arbeitnehmerseitiger Fortbildung ohne Fortbildungsvereinbarung an:

Anordnung der Fortbildung: Wandlung von Beschäftigungs- in Fortbildungspflicht

Weist die Arbeitgeberin beziehungsweise der Arbeitgeber (Aus Gründen der besseren Lesbarkeit dieses juristisch komplexen Textes wird im Folgenden nur Arbeitgeber geschrieben. Dies schließt alle Geschlechter ein.) die Teilnahme an einer der beruflichen Tätigkeit des Arbeitnehmers dienliche Fortbildung an, wandelt sich die arbeitsvertragliche Beschäftigungspflicht im Umfang der Fortbildung in eine Fortbildungspflicht. Der Arbeitgeber hat in diesem Fall die Fortbildungskosten zu übernehmen, während der Arbeitnehmer im Rahmen seiner gewöhnlichen Arbeitszeit verpflichtend an der Fortbildung teilnimmt.

Beim Arbeitgeber verbleibt das Risiko, dass der sich auf arbeitgeberseitige Kosten qualifizierende Arbeitnehmer nach Abschluss der Weiterbildung auf dem Arbeitsmarkt an Attraktivität gewinnt und ein besserbezahltes Jobangebot einer anderen Zahnarztpraxis annimmt – die Investition des Arbeitgebers wäre in diesem Fall vergebens.

Fortbildung des Arbeitnehmers in Eigeninitiative

Meldet sich hingegen der Arbeitnehmer in Eigeninitiative und ohne Rücksprache mit dem Arbeitgeber zu einer Fortbildung an, hat er diese in seiner Freizeit zu absolvieren und muss die entstehenden Kosten selbst aufbringen. Der Arbeitgeber partizipiert, jedenfalls zunächst, an den neu erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen – die Forderung nach einer Gehaltserhöhung für den Verbleib in der Praxis wird allerdings vorprogrammiert sein.

Um aus der verfahrenen Situation einen Ausweg zu finden, bieten rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten die Option, arbeitgeberfinanzierte Fort- und Weiterbildungen für beide Arbeitsvertragsparteien gleichermaßen attraktiv auszugestalten:

Win-Win-Situation

Der Arbeitgeber übernimmt die meist üppigen Kursgebühren und kann diese als Betriebsausgaben verbuchen. Der Arbeitnehmer kann sich somit kostengünstig weiterbilden und damit Chancen auf ein höheres Einkommen verwirklichen. Dem Arbeitgeber wird hingegen die Möglichkeit eingeräumt, den sich fortbildenden Arbeitnehmer für einen gewissen Zeitraum nach erfolgreicher Beendigung der Weiterbildung an sich zu binden und somit ein Stück Personalsicherheit zu erlangen und zeitgleich an den erlangten Fähigkeiten und Kenntnissen partizipieren zu können.

Rückzahlungsklausel vor Beginn der Fortbildung schriftlich fixieren

Umgesetzt wird diese arbeitnehmerseitige Bindung im Regelfall durch eine Rückzahlungsvereinbarung für den Fall des Ausscheidens vor Ablauf des Bindungszeitraums. Dabei setzt der Anspruch des Arbeitgebers auf Rückzahlung von Aus- und Fortbildungskosten eine ausdrückliche einzelvertragliche oder kollektivrechtliche Vereinbarung voraus, eine sogenannte Rückzahlungsklausel, die aus Beweis- und Transparenzgründen vor Beginn der Weiterbildungsmaßnahme schriftlich fixiert werden sollte.

An der grundsätzlichen Zulässigkeit derartiger Vereinbarungen bestehen keine arbeitsrechtlichen Bedenken – Ausnahmen sind jedoch bei Ausbildungsverhältnissen zu beachten. Einem äußerst strengen gerichtlichen Bewertungsmaßstab unterfallen Fortbildungsvereinbarungen mit Rückzahlungsklausel aber dennoch, da sie aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts den Arbeitnehmer nicht unbillig in seinem grundrechtlich geschützten Recht auf freie Berufswahl und freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) einschränken dürfen.

Zumutbarkeitsformel

Als Ausgangspunkt für die gerichtliche Überprüfung der Rückzahlungsklausel dient die sogenannte Zumutbarkeitsformel. Dabei wird die Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers gerichtlich nicht beanstandet, „wenn die Kostentragungspflicht bei verständiger Betrachtung einerseits einem billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entspricht, der Arbeitnehmer mit der Fortbildungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Beteiligung an den Ausbildungskosten erhalten hat und ihm die Kostenbeteiligung zumutbar ist“ (BAG, Urteil vom 24. Juni 2004 – 6 AZR 383/03).

Gerichtlich zulässige Bindungsdauern

Die tatsächlichen Zumutbarkeitsgrenzen der Rückzahlung von Fortbildungskosten sind nach den vorgenannten Maßstäben für den Anwender kaum bestimmbar. Die Gerichte kommen dem Bedürfnis der Praxis nach festen Maßstäben allerdings insoweit entgegen, als über Jahre beziehungsweise Jahrzehnte hinweg aus gerichtlich beurteilten Fortbildungsvereinbarungen im Regelfall zulässige Bindungsdauern, abhängig von der Dauer der jeweiligen Fort- oder Weiterbildung, herausgefiltert werden konnten. Diese lassen sich wie folgt definieren:

  • Dauert die Fortbildung nicht länger als einen Monat, ist regelmäßig eine Bindung des Arbeitnehmers bis zu sechs Monaten zulässig.
  • Bei einer Fortbildungsdauer von bis zu zwei Monaten kann im Regelfall höchstens eine einjährige Bindung vereinbart werden.
  • Bei einer Kursdauer von drei bis vier Monaten ist eine Bindungsdauer von zwei Jahren nicht zu lang.
  • Eine Lehrgangsdauer von sechs Monaten bis zu einem Jahr kann im Regelfall keine längere Bindung als drei Jahre rechtfertigen.
  • Bei einer mehr als zweijährigen Dauer der Weiterbildungsmaßnahme ist eine Bindung bis zu fünf Jahren zulässig, dies stellt auch den höchstzulässigen Kündigungsausschlusses bei Kündigung durch den Arbeitnehmer dar, Paragraf 15 Abs. 5 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG).

Abweichungen vom Regelfall sind im Einzelfall möglich

Hervorzuheben ist aber nochmals, dass es sich um Grenzwerte im Regelfall handelt. Abweichungen sind im Einzelfall möglich. So können beispielsweise besonders kostenintensive Weiterbildungen – verbunden mit hieraus resultierenden überdurchschnittlichen Vorteilen für den Arbeitnehmer – eine längere als nach den obigen Grundsätzen dargestellte Bindungsdauer bis zum Maximalwert von fünf Jahren rechtfertigen.

Empfehlung: zulässige Bindungsdauer eher im unteren Bereich ansiedeln

Zu empfehlen ist auf Arbeitgeberseite stets, die im Regelfall zulässige Bindungsdauer im konkreten Einzelfall eher im unteren Bereich der dargestellten Grenzwerte anzusiedeln. Da es sich bei Fortbildungsvereinbarungen zumeist um vorformulierte Vertragsbedingungen handeln wird, sogenannte allgemeine Geschäftsbedingungen im Sinne der Paragrafen 305 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), folgt aus dem dort geltenden Rechtssatz des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion die Gesamtunwirksamkeit der Vereinbarung bei zu hoch gegriffener Bindungsdauer. Konsequenz wäre damit sowohl der Wegfall der Bindung selbst als auch der Rückzahlungspflicht.

Die degressive Rückzahlungspflicht

Wurde eine zulässige Bindungsdauer gewählt, muss nun eine degressive Rückzahlungspflicht ausgestaltet werden. Dabei sollte die Verminderung des Rückzahlungsbetrages je absolviertem Beschäftigungsmonat nach Beendigung der Fortbildung dem Kehrwert der vereinbarten Bindungsdauer entsprechen. Haben sich beispielsweise Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei einer neunmonatigen Weiterbildung auf eine Bindung von drei Jahren geeignet, sollte sich die Rückzahlungsverpflichtung für jeden Monat des Bestands des Anstellungsverhältnisses nach Abschluss der Weiterbildung um 1/36 reduzieren.

Differenzierung des Verantwortungsbereichs bei Vertragsbeendigung

Als weiteres Kriterium im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Fortbildungsvereinbarung mit Rückzahlungsklausel stellt die Rechtsprechung auf eine Differenzierung im Verantwortungsbereich einer etwaigen Vertragsbeendigung ab. Plakativ dargestellt, soll der Arbeitnehmer nicht zur Rückzahlung der vom Arbeitgeber übernommenen Fortbildungskosten verpflichtet sein, wenn der Anlass der Vertragsbeendigung nicht aus seiner Sphäre stammt oder ihm kein Verschulden anzulasten ist, wie beispielsweise im Falle einer dauerhaft unverschuldeten Leistungsunfähigkeit.

Abbruch der Fortbildung/Nichtbestehen der Abschlussprüfung

Zudem bedarf es einer Regelung zum Verantwortungsbereich des Arbeitnehmers bei Nichterreichen des Fortbildungsziels, insbesondere im Falle des Abbruchs der Fortbildung oder dem Nichtbestehen der Abschlussprüfung. Die Rechtsprechung formt auch in diesem Bereich die Anforderungen an die vertragliche Ausgestaltung der Rückzahlungsverpflichtung und damit die im Umlauf befindlichen Vertragsmuster. Besonders die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts sollten daher beobachtet und in neu zu erstellende Vereinbarungen einbezogen werden.

Freistellung oder Urlaub

Sind sämtliche Eventualitäten der vertraglichen Bindung sowie der Rückzahlungsverpflichtungen und ihrer Ausnahmen fixiert, ist noch ein Blick auf das Thema der Freistellung für die Teilnahme an der Fortbildungsvereinbarung zu lenken. Durch das Wandeln der Arbeitspflicht in eine Pflicht, sich fortbilden zu lassen, ist der Arbeitnehmer insoweit grundsätzlich auch von der Arbeitsleistung unter Fortzahlung seiner vertraglichen Vergütung freizustellen. Diese Freistellung zum Zwecke der beruflichen Fortbildung stellt nicht automatisch eine Urlaubsgewährung dar und der Anspruch auf Erholungsurlaub bleibt unangetastet. Es handelt sich daher im Regelfall um gewöhnliche Arbeitszeit. Anfallende Fortbildungszeiten außerhalb der regulären/üblichen Arbeitszeiten oder am Wochenende sind nach den üblicherweise in der Praxis/im Unternehmen geltenden Regelungen für den Ausgleich von Mehrarbeit und Überstunden zu berücksichtigen.

Abweichend hiervon kann jedoch eine Urlaubsgewährung zum Zwecke der Fortbildung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart werden, wenn die Fortbildung auf Initiative beziehungsweise Wunsch des Arbeitnehmers erfolgt. Es bedarf jedoch auch hier einer ausdrücklichen Regelung.

Fazit

Durch den Arbeitgeber finanzierte berufsbegleitende Fort- und Weiterbildungen stellen für beide Arbeitsvertragsparteien Chancen auf berufliches Fortkommen auf Wettbewerbsfähigkeit dar. Doch gerade auf Arbeitgeberseite ist ein gewisses Maß an Umsicht geboten, denn es bedarf zum Ausgleich der wechselseitigen Interessen – arbeitgeberseitige Übernahme der Fortbildungskosten gegen Bindung an das Unternehmen – einer ausdrücklichen Fortbildungsvereinbarung, deren Kernstück die Rückzahlungsklausel bildet.

Aufgrund des mit einer vertraglichen Bindung einhergehenden Eingriffs in die Berufsfreiheit des Arbeitnehmers, überprüfen die Arbeitsgerichte insbesondere die Angemessenheit der Bindungsdauer, die degressive Rückzahlungsverpflichtung sowie die Ausnahmetatbestände der Rückzahlung bei nicht verschuldeter Vertragsbeendigung. Gerade letztere sind ohne fundierte arbeitsrechtliche Kenntnisse kaum noch wirksam in den Vertrag zu integrieren.

Eine sprachliche Ungenauigkeit oder das Außerachtlassen einer gerichtlich geforderten Ausnahmeregelung zur Rückzahlungsverpflichtung können schnell fatale Folgen für den Arbeitgeber nach sich ziehen, denn bei Unwirksamkeit einer Regelung in der Fortbildungsvereinbarung ist im Regelfall ihre Gesamtunwirksamkeit anzunehmen. Eine Erstattungspflicht des Arbeitnehmers schiede damit aus und der Arbeitnehmer würde frei, anderweitige Stellenangebote anzunehmen. In kaum einem anderen Bereich des Arbeitsrechts sind individualisierte und aktuelle Vertragswerke daher so wichtig wie bei der Fortbildungsvereinbarung.

RA Dr. Justin Doppmeier, RA Dr. Karl-Heinz Schnieder, KWM LAW

Quelle: Quintessence News Fortbildung aktuell Praxisführung Team Unternehmen Dentallabor Fortbildung aktuell

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