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Viele Komplikationen treten erst Wochen später auf, daher ist es wichtig, die Erstversorgung klinisch zu kontrollieren

Zweijähriger Patient, wenige Wochen nach Dislokationsverletzung mit (beginnendem) submukösem Abszess.

Verfärbung, Pulpanekrose, Obliteration und – etwas seltener – infektionsbedingte Wurzelresorption sind typische Folgen und Komplikationen im Milchgebiss nach einem Milchzahntrauma. Sie sind meist erst nach Wochen oder Monaten erkennbar, was klinische Kontrollen nach der Erstversorgung wichtig macht. Nicht jede Folge oder Komplikation verlangt eine sofortige Intervention. Treten allerdings infektionsbedingte Symptome auf, muss in der Regel therapeutisch interveniert werden, außer der Zahnwechsel steht kurz bevor. Judith Erb und Prof. Dr. Andreas Filippi stellen in ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 06/2022 mögliche Komplikationen nach MIlchzahntraumata vor und beschreiben vorbeugende Behandlungsabläufe.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Nach einem Zahnunfall können sowohl im bleibenden Gebiss als auch im Milchgebiss verschiedene parodontale oder endodontologische Folgen beziehungsweise Komplikationen auftreten. Am häufigsten passiert dies nach einer Dislokationsverletzung und meist innerhalb der ersten sechs Wochen bis zu wenigen Monaten4. Die häufigste Folge nach einem Zahnunfall im Milchgebiss ist die Verfärbung des betroffenen Milchzahns1 (Abb. 1). Im Gegensatz zur Verfärbung können Infektionen, die von einer Nekrose der Pulpa ausgehen, ein potenzielles Risiko für den darunterliegenden bleibenden Zahnkeim sein. Daher sollten auch nach scheinbar unspektakulären Milchzahnunfällen klinische Nachkontrollen erfolgen und auch die Eltern sollten in das Erkennen von möglichen Komplikationen nach einem Milchzahnunfall instruiert werden, die sie beim (Nach-)Putzen der Zähne ihres Kindes erkennen könnten. Treten tatsächlich infektionsbedingte Komplikationen nach einem Milchzahnunfall auf, entscheiden die Beeinträchtigung der Lebensqualität des Kindes sowie das Risiko für den bleibenden Zahnkeim über die Art und Dringlichkeit der erforderlichen Intervention.

Pulpanekrose

Eine dunkle Verfärbung ist die häufigste erkennbare Folge nach einem Milchzahntrauma. Sie tritt in der Regel zehn bis 14 Tage nach dem Unfall auf, kann sehr unterschiedlich stark ausgeprägt sein und reicht von leicht bräunlich-violett bis grau oder gar schwarz8 (Abb. 2).

Nach einem Milchzahntrauma dunkel verfärbte Milchfrontzähne erfordern zunächst keine endodontische oder gar chirurgische Intervention, sofern keine zusätzlichen klinischen Symptome oder radiologische Pathologien vorliegen9. In diesen Fällen profitieren weder der betroffene Zahn, der bleibende Zahnkeim noch das Kind von einer Intervention7. Meist stören sich allerdings die Eltern an der optisch oft gut sichtbaren Veränderung5, während sie den Kindern in dieser Altersgruppe praktisch nie missfällt.

Sollten tatsächlich nach einem Milchzahntrauma Zahnfilme angefertigt worden sein (wofür es nach einem Milchzahntrauma nur wenige Indikationen gibt), können apikale Aufhellungen grundsätzlich nach einigen Wochen radiologisch erkannt werden4 (Abb. 3 und 4). Zu beachten ist hier jedoch, dass das Zahnsäckchen des bleibenden Zahns in Einzelfällen fälschlicherweise als apikale Aufhellung interpretiert werden kann4.

Bei klinisch symptomlos verfärbten Milchzähnen kann in der Regel unter regelmäßiger Kontrolle und entsprechender Aufmerksamkeit der Eltern der physiologische Zahnwechsel abgewartet werden7. Wenn jedoch klinische Infektionszeichen wie lokale Beschwerden, Aufbissempfindlichkeit, eine Fistel, apikale Druckdolenz, Schwellung oder Abszess oder – falls überhaupt ein Zahnfilm angefertigt worden ist – röntgenologische Befunde einer apikalen Parodontitis zu erkennen sind, sollte eine Therapie diskutiert und in Abhängigkeit von der Beeinträchtigung der Lebensqualität des Kindes und dem Zeitpunkt des zu erwarteten Zahnwechsels eingeleitet werden9 (Abb. 5 bis 7). Konkret heißt das: Je stärker die Beschwerden und je jünger das Kind, umso eher muss interveniert werden. Dabei gibt es grundsätzlich zwei Therapieoptionen: Entfernung des Zahns oder endodontische Intervention. Beide Therapien, insbesondere aber die letzte, erfordern eine entsprechende Behandlungsfähigkeit des Kindes. „Wait and see“-Strategien sollten in den oben genannten Fällen vermieden werden.

Die chirurgische Entfernung eines Unfallzahns ist in der betroffenen Altersgruppe eine Herausforderung, auch weil sie oft die erste invasive zahnärztliche Behandlung in Lokalanästhesie im Leben des betreffenden jungen Menschen ist. Es empfiehlt sich, bei Kindern dieser Altersgruppe immer ein gutes Oberflächenanästhetikum (meist Lidocain-Prilocain-Gemische) sowie ein computerassistiertes Anästhesiesystem zu verwenden. Eine Lachgassedierung kann ab dem 4. Lebensjahr und bei fehlender Kontraindikation die Behandlung für das Kind zusätzlich erleichtern. Bei jüngeren Kindern oder einer limitierten Behandlungsfähigkeit ist eine Allgemeinanästhesie durch einen Kinderanästhesisten erforderlich.

Die Indikation für eine endodontologische Intervention anstatt einer Zahnentfernung in diesem Kontext besteht eher selten, da der Arbeitsablauf aufwendig und techniksensibel ist und die begrenze Behandlungsfähigkeit die Prognose schmälert. Manche Eltern wollen dies jedoch in Absprache mit ihren Kindern versuchen, sodass es zumindest in Erwägung gezogen und diskutiert werden muss. Für die Wurzelkanalfüllung muss dann ein resorbierbares Material verwendet werden. Wurzelkanalbehandlungen in Allgemeinanästhesie sollten in dieser Altersgruppe grundsätzlich vermieden werden, um eine zweite Allgemeinanästhesie bei Misserfolg zu verhindern.

Obliteration

Häufig im bleibenden Gebiss und deutlich seltener im Milchgebiss kann die irritierte Pulpa mit einer Obliteration reagieren. Durch eine verstärkte Hartgewebebildung der Odontoblasten kommt es durch dentinartige Hartsubstanz (irreguläres Dentin) zu einer Verkalkung des Wurzelkanals2. Radiologisch stellt sich die Obliteration durch einen verengten oder gar vollständig durch Hartgewebe gefüllten Wurzelkanal dar (Abb. 8 und Abb. 9).

Eine Obliteration des Wurzelkanals wird im Einzelfall nach leichten Dislokationsverletzungen bei jüngeren Patienten beobachtet6. Die betroffenen Zähne sind in der Regel gelblich verfärbt (Abb. 10), die Pulpa ist vital und benötigt keine Therapie. Obliterierte Milchfrontzähne benötigen keine weiteren therapeutischen Maßnahmen; die Eltern sind jedoch über den Grund der Verfärbung zu informieren. Grundsätzlich kann nach einem Zahnunfall nicht nur im Milchgebiss, sondern auch im bleibenden Gebiss anhand der Farbe beurteilt werden, ob es sich um eine Pulpanekrose oder um eine Obliteration handelt. Das Röntgenbild bestätigt dann höchstens die Diagnose.

Infektionsbedingte Wurzelresorption

Eine infektionsbedingte Wurzelresorption entsteht auf dem Boden einer schweren Dislokationsverletzung. Die Pulpa wird apikal abgerissen oder zerquetscht und zusätzlich entstehen größere Zementdefekte auf der Wurzeloberfläche. Durch die Dentinkanälchen und die Zementdefekte dringen Bakterien bzw. deren Toxine ins Parodont und führen zu einer akuten infektionsbedingten Wurzelresorption. Dabei kommt es zur Resorption des Dentins, des Wurzelzements und des umgebenden Knochens3 (Abb. 9 und 11). Obwohl sich externe Wurzelresorptionen bei Milchzähnen grundsätzlich identisch verhalten wie bei bleibenden Zähnen, treten diese deutlich seltener auf. Dies ist dadurch zu erklären, dass die Zahndislokation beim Milchzahn weniger Schaden auf der Wurzeloberfläche nimmt, da der umgebende Knochen elastisch und weich ist4. Die klinische Symptomatik einer infektionsbedingten Wurzelresorption erfordert in der Regel eine rasche Intervention.

Schlussfolgerung

Nicht jede dunkle Zahnverfärbung nach einem Milchzahntrauma erfordert eine Therapie. Sind allerdings Infektionszeichen wie eine Fistel, Schwellung oder ein Abszess vorhanden, sollte nicht weiter zugewartet werden. Obliterierte Milchzähne, in der Regel gelblich verfärbt, benötigen hingegen keine weitere Diagnostik oder Therapie. Infektionsbedingte Resorptionen treten im Milchgebiss gelegentlich nach schweren Dislokationsverletzungen auf. Die Resorption des Dentins, Wurzelzements und umliegenden Knochens in Kombination mit der oft dominierenden klinischen Symptomatik erfordert die Entfernung des betroffenen Milchzahns. Regelmäßige Kontrollen nach einem Milchzahntrauma sollten sicherstellen, dass Komplikationen zeitnah erkannt und gegebenenfalls behandelt werden. Der Schutz des bleibenden Zahnkeims hat bei allen diesbezüglichen Entscheidungen oberste Priorität. Beim Auftreten infektionsbedingter Symptome werden die betroffenen Zähne in der Regel entfernt, außer der Zahnwechsel steht unmittelbar bevor.

Ein Beitrag von Judith Erb und Prof. Dr. Andreas Filippi, beide Basel

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 06/2022 Zahnmedizin

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