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Eine wichtige Säule, um die orale Gesundheit insbe­sondere nach parodontalen Vorerkrankungen und Implan­tatrekonstruktionen zu erhalten

Solo-Bürste zur Reinigung der Marginalregion, hier an einer implantatgetragenen Krone (CS Single, Fa. Curaden, Stutensee).

Immer mehr Patienten sind sich der Notwendigkeit ihrer aktiven Beteiligung zur Erhaltung der eigenen Mundgesundheit bewusst und bereit, die dazu erforderliche häusliche Mundhygiene auf hohem Niveau zu erbringen. Dazu sind sie auf die Kooperation mit dem zahnärztlichen Prophylaxeteam angewiesen, damit das Mundhygienekonzept individuell abgestimmt werden kann. Der Erstellung des individuellen Mundhygienekonzeptes kommt eine entsprechend hohe Bedeutung für dessen künftigen Erfolg zu. Viele Patienten besitzen eine Vorgeschichte mit parodontalen Entzündungen oder Zahnverlusten, die wiederum umfangreiche prothetische Rekonstruktionen oder Implantate erforderten. Diese Patienten benötigen eine Tertiärprävention mit komplexen Mundhygienelösungen zur Reinigung von schwer zugänglichen Bereichen. Hierzu existieren verschiedene Maßnahmen, die die Autorin Prof. Petra Schmage in ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 3/21 ausführlich vorstellt. Besonders die mechanische Interdentalraumreinigung, sowohl hinsichtlich der Selektion der Interdentalraumbürsten als auch der Konfiguration der Interdentalräume, steht im Fokus.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wurde 2019 wie der Verlag selbst 70 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit zwölf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Der Stellenwert der Mundgesundheit steigt im Bewusstsein der Patienten und damit auch ihre Be­reitschaft, eine effektive häusliche Mundhygiene zu erbringen, die die Mundgesundheit sicherstellt12. Erfolgsrelevant für die Effizienz der häuslichen Mundhygiene sind: die Wirksamkeit der Maßnahmen zum vollständigen oralen Biofilmmanagement, die Regel­mäßigkeit der Anwendung und die Vermeidung von Nebenwirkungen in Form von Beschädigungen der Zahnsubstanz beziehungsweise der Gingiva5. Hinzu kommt, dass Patienten ihre natürlichen Zähne – also zum Beispiel auch parodontal kompromittierte Zähne – bis ins hohe Alter behalten wollen. Zudem sind die Patienten mit hochwertigen prothetischen Rekonstruktionen beziehungsweise Implantaten zum Ersatz fehlender Zähne versorgt und wünschen die dauerhaft einwandfreie Funktion dieser Versorgungen. Damit dieser Wunsch nach langfristiger Erhaltung auch unter schwierigen Ausgangsbedingungen auf oraler Ebene oder ungünstiger werdenden patientenbezogenen Bedingungen wie Alter und systemischen Erkrankungen erfüllt werden kann, ist eine differenzierte häusliche Mundhygiene im Verein mit einer intensiven professionellen Nachsorge erforderlich.

Inzwischen ist die regelmäßige Inanspruchnahme der professionellen Zahnreinigung für viele Patienten selbstverständlich geworden. Dadurch sind sie bereits gut informiert und erwarten eine hohe Prozessqualität dieser Leistung. Das Prophylaxeteam steht vor der Herausforderung, die Patienten dort abzuholen, wo sie stehen. Außerdem kommt dem Prophylaxeteam eine hohe Verantwortung zu, das individuelle Mundhygienekonzept inhaltlich opti­mal zu erstellen. Ihre Empfehlungen werden an dem Anspruch gemessen, dass diese – unter der Voraus­setzung von Adhärenz und Persistenz von­seiten der Patienten – zukünftig die Mundgesundheit langfristig garantieren4. Es gilt also, die individuellen Mundhygienekonzepte so zu erstellen, dass sie die erforderliche Effizienz besitzen und gleichzeitig mögliche Beschädigungen im Verlauf vermeiden19.
Im Folgenden soll die Erstellung individualisierter Mundhygienekonzepte für Zähne und Implantate differenziert vorgestellt werden. Insbesondere das mechanische Biofilmmanagement in den Inter­dental­räumen wird unter Berücksichtigung ihrer Anatomie ausführlich betrachtet.

Individuelle Mundhygienekonzepte

Zu den verschiedenen Mundhygienehilfsmitteln oder -techniken liegen inzwischen evidenzbasierten Empfehlungen vor5,32. Damit ein Mundhygienekonzept den gewünschten Erfolg bewirkt, muss es nicht nur optimal der individuellen Situation angepasst sein, sondern der Patient muss seine korrekte Umsetzung auch gelernt und verinnerlicht haben. Die Entwicklung von Adhärenz und Persistenz stellt den kritischen Faktor dar10. Der Handlungspfad bei der Erstellung des individuellen Mundhygienekonzeptes lässt sich folgendermaßen gliedern:

  1. Zahnärztliche Untersuchung: Sie stellt sicher, dass kein akuter zahnmedizinischer Behandlungsbedarf besteht.
  2. Analyse der oralen Hygienefähigkeit, der Qualität der bisherigen häuslichen Mundhygiene und Regionen mit Verbesserungsbedarf: Danach wird die benötigte Präventionsart eingeteilt und es werden Bereiche, die der Mundhygiene schwer zugänglich sind, identifiziert.
  3. Selektion geeigneter Produkte: Aus dem am Markt vorhandenen Portfolio werden geeignete Produkte ausgewählt, die auf die individuelle Situation abgestimmt sind, und ihre Passung geprüft.
  4. Information und Motivierung: Die Patienten werden über die bestehenden Probleme und Erfordernisse sowie über die dafür verfügbaren Lösungen informiert und zu der Anwendung der neu ausgewählten Produkte motiviert.
  5. Instruktion mit Demonstration: Das Handling der ausgewählten Produkte wird erklärt und die Anwendung am Modell demonstriert.
  6. Einübung des Handlings: Die Anwendung wird am Patienten demonstriert und gemeinsam eingeübt.
  7. Häusliches Üben: Das Handling wird durch wiederholte Anwendung verstetigt und auftretende Schwierigkeiten werden erkannt.
  8. Kontrolltermin: Die korrekte und atraumatische Anwendung wird überprüft und beobachtete Schwierigkeiten werden kommuniziert.

In Abhängigkeit von den Vorkenntnissen des Patienten und seinen taktilen und kognitiven Fähigkeiten kann es sinnvoll sein, ein sehr differenziertes Mundhygienekonzept stufenweise erst im Verlauf mehrerer Gesprächstermine komplett einzuführen. Trotzdem sollte vonseiten des Prophylaxeteams immer das ganze Konzept entwickelt sein und nur der Grad seiner Umsetzung individuell angepasst werden. Ohnehin muss das einmal erstellte Mundhygienekonzept im Rahmen des Recall regelmäßig überprüft und gegeebenenfalls angepasst werden, da sich die Situation, zum Beispiel die Größe der Interdentalräume, verändern kann.
Das effektive häusliche Biofilmmanagement soll alle supragingival gelegenen Zahn- und Implantatflächen erreichen, wobei die Approximalflächen und der marginale Sulkus die Problembereiche darstellen. Daher untergliedert sich das individuelle Mundhygienekonzept in die Basiszahnpflege, Reinigung der Interdentalräume (IDR) und Pflege besonderer Problemstellen.

Basiszahnpflege

Zur Basiszahnpflege besteht Einigkeit darüber, dass sie manuell oder elektrisch erbracht werden kann5. Bei der Wahl der manuellen Zahnbürste sind ein kleiner Kopf, weiche Borsten und möglichst viele flexi­ble Borstenfilamente (zum Beispiel Curaprox 5460) zu präferieren. Die Borsten sollen sich dem koronalen Fissurenrelief, interdentalen Einziehungen und Kronenkurvaturen anschmiegen. Bei der Wahl elektrisch betriebener Zahnbürsten werden aktuell solche mit oszillierend-rotierender Bewegung (Oral-B, Procter & Gamble) oder Schwingungen in Schall­frequenz (Sonicare, Phillips) unterschieden19. Beide werden in der Literatur akzeptiert, wobei die rotierende Bewegung etwas mehr Rezessionen verursachte5. Die Wirksamkeit der Schalltechnologie hat sich inzwischen auch für Implantatoberflächen bewährt8. Elektrische Zahnbürsten besitzen den Vorteil der ermüdungsfreieren Anwendung und sind nicht nur bei Patienten mit motorischen Einschränkungen zu erwägen. Ihr Handling sollte unbedingt – ebenso wie das der manuellen Zahnbürste – pro­fessionell instruiert und geübt werden5. Nur eine korrekte Anwendung erzielt eine optimale Effizienz ohne unerwünschte Nebeneffekte wie zum Beispiel zervikale Putzdefekte19.
Zu beachten sind ein systematisches Vorgehen und die Einhaltung einer ausreichend langen Reinigungsdauer von mindestens zwei Minuten zweimal am Tag. Günay und Meyer-Wübbold bestätigten die Effektivität „zweimaligen Zähneputzens“6. Auf die Wahl von Zahnpasta und Spüllösungen soll hier nicht näher eingegangen werden. Gemäß dem Postulat von Van de Weijden und Slot, „es ist das Grundprinzip der Prävention, dass ihre Wirkung dort am größten ist, wo das höchste Risiko für eine Erkrankung besteht“, erfordern diejenige Bereiche besondere Beachtung, an denen die Mundhygiene nicht leicht erbracht werden kann27. Es handelt sich dabei um folgende Regionen und Versorgungen:

  • generell die posterior lokalisierten Zähne und Implantate, da Mundöffnung und Wange die Zugänglichkeit limitieren,
  • Interdentalräume,
  • Distalflächen endständiger Zähne der Zahnreihe und im Lückengebiss die Approximalflächen der lückenbegrenzenden Zähne,
  • Zahnfehl- oder -engstellungen, Kippungen,
  • festsitzende kieferorthopädische Apparaturen,
  • Ränder und Konturen zahnärztlicher Restaurationen, besonders überkonturierte Kronenränder, starke Wölbungen, Geschiebe, der Margo gingivae,
  • Rezessionen der Gingiva aufgrund vorangegan­ge­ner Parodontitis, freiliegende Wurzelmorphologien, Furkationseingangsbereiche,
  • Brückensättel und Verblockungen, festsitzende Schienungen.

Reinigung der Interdentalräume

Der Interdentalraum (IDR) bildet hierbei einen Schwer­punkt, weil die Risiken für Karies beziehungsweise Wurzelkaries und parodontale Entzündungen im interdentalen Bereich am größten sind und das gesamte Gebiss betreffen, während die meisten anderen Aspekte nur lokalisiert auftreten. Bis heute besteht keine Möglichkeit, den Biofilm im IDR nur mithilfe der Basis­zahnpflege zu erreichen. Deshalb ist eine täg­liche Reinigung des IDR zur dauerhaften Erhaltung der Mundgesundheit unerlässlich5,27. Dazu stehen Zahnseide beziehungsweise Floss, IDR-Sticks oder -Bürsten zur Verfügung32. Der Entscheidungsbaum sieht die Wahl der Methode zur IDR-Hygiene, dann die Wahl des konkreten Produkts und zuletzt der geeigneten Größe vor. Dazu müssen die Konfi­gurationen der IDR analysiert und die Eigenschaften der Hilfsmittel hinsichtlich Wirksamkeit und unerwünschten Nebeneffekten berücksichtigt werden.

Pflege besonderer Problemstellen

Bei den übrigen Problemstellen, die der Basiszahnpflege schwer zugänglich sind, handelt es sich um bukkale beziehungsweise labiale oder orale Regionen, die vorrangig zervikal lokalisiert sind. Um solche Problembereiche gezielt zu reinigen, werden Spezialzahnbürsten mit nur einem Borstenbüschel, sogenannte Solo-Zahnbürsten, oder einem Mini-Borstenfeld, um Beispiel die Interspace-Bürste (Oral-B), angeboten – auch mit oszillierendem Antrieb (zum Beispiel paro sonic Er­satz­aufsatz F, Profimed)28. Die manuelle Solo-Zahnbürste (Compact Tuft, TePe; Curapox CS 1006 Single, Curaden) wird folgendermaßen angewendet (Abb. 1)17: Das Borstenbüschel wird im steilen Winkel marginal am Sulkus positioniert und leicht an die Zahnoberfläche gedrückt, sodass sich die Borstenfilamente fächerförmig aufspreizen. Durch eine Rüttel- oder Wischbewegung dringen die einzelnen Filamente in den Sulkus ein und entfernen den Biofilm.

Interdentalraumbürste

Die IDR-Bürste wurde bereits 1976 von Waerhaug vorgestellt, der nachgewiesen hat, dass die Borstenfilamente 2 bis 2,5 mm tief in den Sulkus eindringen30. Die Evidenz der Wirksamkeit von IDR-Bürsten ist allgemein anerkannt7,13,19,27,32. IDR-Bürsten sollen gemäß S3-Leitlinie5 gegenüber anderen IDR-Reinigungsmethoden bevorzugt werden. Die individuelle Auswahl der Größen der IDR-Bürste, passend zu den jeweiligen IDR, erbringt eine bessere Reinigungsqualität als die Nutzung nur einer einzigen Bürstengröße für alle Zahnzwischenräume13. IDR-Bürsten werden jeweils in diversen Größen und Formen ange­boten, wobei diese unterschiedlich farblich codiert und somit schlecht vergleichbar sind33.

IDR-Bürsten bestehen aus einem Drahtkern, den Borstenfilamenten, Schaft und Handgriff:

  • Die Borstenfilamente können sich in Durchmesser und Länge sowie ihrer Anzahl, Steifigkeit und der Abrundung ihrer Enden unterscheiden31 (Inter­dentalbürsten „Standard“ versus „Soft“, TePe).
  • Der Drahtkern variiert hinsichtlich Durchmesser und Flexibilität und kann eine Beschichtung besitzen, um Implantatoberflächen nicht zu zerkratzen.
  • Der Schaft ist entweder fest am Griff montiert oder wird in einen Halter arretiert.
  • Der Handgriff kann mit dem Bürstenteil gerade oder anguliert verbunden sein.

Die DIN EN ISO 16409:20161 ist die gültige Regelung zur Definition der IDR-Größen. Sie hat den PHD-Wert, die Messung des sogenannten „Passage hole diameter“, eingeführt, damit die IDR-Bürstengrößen einheitlich vermessen werden können. Der PHD-Wert beschreibt den Durchmesser eines Loches in Millimeter, in das die jeweilige IDR-Bürste mit dosiertem Druck eingeführt werden kann, ohne dass der Drahtkern verbiegt. Der Kraftaufwand, der zum Einführen der Bürste benötigt wird, wird als Ein­führungswiderstand bezeichnet. Die Kraft, die zum Herausziehen der Bürste aufgebracht werden muss, wird Arbeitswiderstand genannt. Beide werden ebenfalls gemessen. Der PHD-Wert entspricht nicht dem Drahtkerndurchmesser, sondern diesem zu­züglich der zusammengefalteten Borstenfilamente.Ursprünglich wurde eine kodierte Messsonde zur Auswahl der IDR-Bürstengrößen entwickelt, deren Größenzuordnung als „Gängigkeit“ bezeichnet wurde. Die Begriffe Gängigkeit und PHD-Wert sind dem­entsprechend synonym zu verwenden. Der äußere Durchmesser der IDR-Bürsten wird als „Reichweite“, „Reinigungsdurchmesser“ oder nur „Durchmesser“ bezeichnet23,33.
Bei der Applikation quetschen sich die Bürsten­filamente zusammen, legen sich längs an den Drahtkern an und entfalten sich nach dem Durchdringen des IDR (Abb. 2). Das „Entfalten“ der IDR-Bürsten­filamente wird mit dem Aufklappen eines Re­gen­schirms verglichen. IDR-Bürsten mit längeren, flexib­len Filamenten können in einem IDR platziert werden, der kleiner als der äußere IDR-Bürstendurchmesser ist. Dadurch können sie auch unterminierende Bereiche des IDR ausfüllen27.
IDR-Bürsten mit dickem Drahtkern und kurzen, steifen Borsten können denselben PHD-Wert beziehungsweise dieselbe Gängigkeit besitzen wie eine IDR-Bürste mit dünnem Drahtkern und langen, feinen flexiblen Borsten, haben aber eine geringere Reichweite31. In IDR der gleichen Gängigkeit liefert die IDR-Bürste mit höherer Reichweite ein besseres Reinigungs­ergebnis, ohne dass sie die angrenzenden Gewebe traumatisiert (zum Beispiel Curaprox CPS prime, Curaden). Längere, flexible IDR-Bürstenfilamente haben einen besseren Reinigungseffekt bei komplizierter Morphologie der IDR und dringen tiefer in verbliebene Residualtaschen ein27 (Curaprox CPS perio, Curaden). Allerdings verbiegen IDR-Bürsten mit dünnem Drahtkern leichter und können nur von taktil geschickten Patienten genutzt werden. Während­des­sen besitzen steifere IDR-Bürsten mit kürzeren Borsten ihren Indikationsbereich für ältere beziehungsweise manuell oder visuell eingeschränkte Patienten (Cura­prox CPS regular, Curaden).
Nach einigen Anwendungen verlieren die IDR-Bürsten allerdings ihre Flexibilität zum Zurückstellen und die feinen Filamente passen sich der zusammengedrückten Form an, sodass sie sich nicht mehr so weit entfalten, das heißt, an Reichweite verlieren. IDR-Bürsten, die auf kurzen Handgriffen gerade montiert sind, haben sich für den anterioren Bereich bewährt (IDR Standard, TePe und Halter Cura­prox UHS 409, Curaden). Viele Patienten haben aber Schwierigkeiten, ihre IDR im posterioren Bereich damit zu reinigen. Das Problem besteht darin, dass bei geradlinigem Einführen der IDR-Bürste in posteriore IDR bei der Mundöffnung die Wange im Weg ist. Beim Versuch, die IDR-Bürsten vorgebogen von der Seite in die Zwischenräume einzuführen, ver­biegen sie sehr leicht, weil der Drahtkern gestaucht wird. Daher eignen sich für Molarenbereiche angulierte IDR-Bürsten (Angle-IDR, TePe und Halter Curaprox UHS 451, Curaden). Mit ihrer Griffrückseite kann die Wange aufgehalten werden und die IDR-Bürste geradlinig in den Interdentalraum eingeführt werden (Abb. 3). Bei einer Empfehlung muss also differenziert werden: Die geraden Bürsten sollten eher im leicht zugänglichen Bereich für Frontzähne und Prämolaren benutzt werden, an denen sie gradlinig eingeführt werden können; die angulierten Bürsten bieten sich eher für den poste­rioren Bereich an. Im Gegensatz zu dieser klinischen Erfahrung konnte prinzipiell keine bessere Reinigungsleistung mit den angulierten Bürsten gemessen werden11.
Zur Frage des Handlings der IDR-Bürsten wird das einmalige Einführen und Herausziehen der Bürste als Basistechnik beschrieben, die einmal täglich und ohne Zahnpasta für die Reinigung des IDR ausreicht und auf Dauer atraumatisch ist. IDR-Bürsten werden auch elektrisch betrieben mit oszillierendem Modus angeboten (UBrush!, Loser & Co). Sie versuchen durch die Schwingung ihre Effizienz zu erhöhen. Allerdings besteht die Gefahr der Traumatisierung angrenzender Strukturen in engen IDR. Früher angebotene Antriebs­arten, wie zum Beispiel ein rotierendes Zahnseide­filament, haben sich nicht bewährt20. Ebenso sind Mundduschen obsolet, da sie aufgelagerte Biofilme nicht abtragen, dafür aber mit ihrem harten Wasserstrahl parodontal entzündete Taschen akut exazerbieren können.

Konfigurationen des Interdentalraums

Die IDR-Bürsten müssen formkongruent passend zu den IDR ausgewählt werden. Dazu sollte die Drei­dimensionalität des IDR berücksichtigt werden. Klinisch sind die Widerstände zum Ein- und Ausführen der IDR-Bürste nicht nur von ihrer Dimension abhängig, sondern auch vom Querschnitt des IDR und der Tiefe der bukkooralen Strecke, die die Bürste im IDR zurücklegen muss29. Zudem spielt ihr Einführwinkel eine Rolle, der klinisch nicht immer rechtwinklig zur Einführachse gewählt wird.
Das Messmodell des PHD-Werts von IDR-Bürsten imitiert die Form des IDR als Tunnel. Statt eines runden Querschnittes besitzen die IDR – von bukkal beziehungsweise oral betrachtet – aber einen dreieckigen. Die interdentalen Dreiecke können nicht nur bezüglich ihrer Größe, sondern auch hinsichtlich ihrer Dimensionen beschrieben werden29,31: Sie können an der Basis schmal oder breit sein und eine unterschied­liche Höhe zum approximalen Kontaktpunkt hin aufwei­sen24. Entsprechend variieren sie von gleichseitig bis gleichschenklig, wobei das Dreieck zum Kontaktpunkt hin spitz zuläuft. Bei Zahnengständen sind die IDR nur noch schlitzförmig. Die Position der IDR-Bürste stellt den Inkreis zu dem Dreieck dar, wobei der Durchmesser des Inkreises kleiner ist als die Basis des Dreieckes. Nicht die interdentale Breite, also der maximale Abstand zwischen den Nachbarzähnen, sondern der Inkreis entspricht der Gängigkeit beziehungsweise dem PHD-Wert. Bislang wurde die Dreidimensionalität der IDR bei ihrer Beschreibung kaum beachtet: Pino Prato et al. beschreiben den IDR als Pyramide mit der Spitze am approximalen Kontaktpunkt16. Dies trifft auf die Inzisiven zu. Die Kontaktbereiche gestalten sich an Molaren oft flächiger, sodass der IDR dann unterhalb des Kontaktpunkts die Form eines tri­angularen Prismas annimmt (Abb. 4).
Zur effektiven Reinigung wird eine größtmög­liche Kontaktfläche der IDR-Bürsten zu den begrenzenden, mit Biofilm kontaminierten Approximal­flächen gefordert22,29. Um die IDR-Bürstengröße passend zum IDR wählen und mithin eine maximale Kontaktfläche erzielen zu können, müssen das Vo­lumen des IDR und die Reichweite der IDR-Bürste in Deckung gebracht werden. Zur Dokumentation und Verlaufskontrolle der Interdentalpapillen in der Parodontalchirurgie und bei Implantatrekonstruk­tionen werden Indizes zur Klassifikation der Interdentalpapillen genutzt. Die gängigste Klassifikation haben Norland und Tarnow 1998 vorgenommen, die den Grad des Verlustes der Interdentalpapille in 4 Stufen einteilt14. Drei Referenzpunkte werden beurteilt: der approximale Kontaktpunkt, die tiefste Stelle der Schmelz-Zement-Grenze labial beziehungsweise bukkal und die höchste Stelle der Schmelz-Zement-Grenze approximal.

  • Grad 0: Im gesunden Zustand füllt die Interdentalpapille den gesamten IDR bis zum Kontaktpunkt aus.
  • Grad 1: Die Interdentalpapille hat sich bis maximal auf Höhe der approximalen Schmelz-Zement-Grenze zurückgezogen.
  • Grad 2: Die Interdentalpapille ist flach und befindet sich unterhalb der approximalen Schmelz-Zement-Grenze, aber oberhalb derjenigen der labialen beziehungsweise bukkalen.
  • Grad 3: Die Interdentalpapille ist flach bis negativ eingesunken und befindet sich unterhalb der la­bia­len beziehungsweise bukkalen Schmelz-Zement-Grenze.

Tanwar et al. nutzten in einer Studie die Vermessung von Höhe und Breite der IDR, um diese Werte mit der Ausprägung der Papille zu korrelieren24. Mit einem zunehmenden Verlust der Interdentalpapille vergrößert sich das Volumen des triangulären Prismas. Zudem wird seine Form komplexer, weil mit dem horizontalen Gewebeabbau Wurzelmorphologien freiliegen, wie beispielsweise Wurzeleinziehungen und approximale Furkationseingangsbereiche (Abb. 5). Solche Wurzelmorphologien stellen Konkavitäten in der transversalen Ebene dar22. Von bukkal nach oral betrachtet, befinden sich diese in der Mitte der Approximalfläche9. Der Querschnitt des Prismas in der Mitte des IDR ist dann gegenüber dem Ein- und Austrittsbereich vergrößert. IDR-Bürsten mit größerer Reichweite müssen gewählt werden, um solche Konkavitäten auszufüllen.
Um die IDR-Gängigkeiten zu bestimmen und dadurch die individuell geeigneten Größen der IDR-Bürsten auszuwählen, steht bislang nur eine Messsonde (Curaprox IAP-Sonde für Zahnzwischenräume, Curaden) zur Verfügung. Damit kann eine Vorauswahl getroffen werden. Die farblich kalibrierte Sonde zeigt die Farben der CPS prime-IDR-Bürsten an. Zur Größenselektion von IDR-Bürsten anderer Hersteller muss der Farbcode entsprechend übertragen werden. Die infrage kommenden IDR-Bürstengrößen werden hinsichtlich ihres Einführungs- und Arbeitswiderstands direkt am Patienten geprüft. Diese Beurteilung erfolgt nichtkalibriert aufgrund klinischer Expertise.
Üblicherweise werden für die Patienten im Zahnschema die empfohlenen Hilfsmittel für die einzelnen IDR notiert, damit sie nach diesem Schema die Reinigung in der Häuslichkeit umsetzen können. Dabei werden die IDR nur mittels der Gängigkeit der passenden IDR-Bürste kategorisiert, wobei die Farbe der Bürstengröße in Abhängigkeit vom verwendeten Hersteller eingetragen wird.
Überlegenswert wäre eine Klassifizierung der IDR, ähnlich der, die Wolff et al. bereits 2006 vorgeschlagen haben und die ebenfalls die Dreidimensionalität berücksichtigt31 (Tab. 1). Damit könnten die IDR-Gängigkeiten eingeteilt und im Verlauf dokumentiert werden. Hinzu kommen möglicherweise Residualtaschen. Deshalb sollte die Reichweite der IDR-Bürste über die beiden basalen Spitzen des Dreiecks hinaus reichen, um auch den Sulkus zu reinigen23. Wenn die Rezession der Gingiva zur Exposition des Wurzeldentins geführt hat, steigt die Gefahr von Wurzel­karies erheblich12,15. Demzufolge birgt insbesondere der orale Marginalbereich bei weit offenen IDR ein hohes Risiko für Wurzelkaries, weil die IDR-Bürsten meist nur von labial beziehungsweise bukkal angewendet werden können. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, empfiehlt sich die zusätzliche Anwendung von Fluoridpräparaten.
Als „Line-angle“ wird der Übergang zwischen der bukkalen beziehungsweise lingualen Glattfläche zur Approximalfläche bezeichnet3,9. Es handelt sich um das bukkale beziehungsweise linguale Drittel der Approximalfläche. Diese konvex geformten Areale erreicht die IDR-Bürste beim geradlinigen Einführen meist nicht vollständig (Abb. 6). Auch die Zahnbürste dringt nicht tief genug in den Interdentalbereich ein, um eine vollständige Reinigung zu erbringen. Daher muss die IDR-Bürste in solchen Fällen nach dem Positionieren im IDR einmal an die distobukkale Fläche des anterior stehenden Zahns gedrückt und herausgezogen werden sowie einmal unter der Arbeitsbewegung an die mesio­bukkale Fläche des posterior stehenden Zahns gedrückt werden. Unter diesen beiden Arbeitsbewegungen werden die jeweils bukkalen und lingualen Flanken der benachbarten Zähne ebenfalls gereinigt. Diese Arbeitsweise wird X-Technik genannt17. Verläuft der IDR zum Kontaktpunkt hin spitz, kann zudem eine Vertikalbewegung mit der IDR-Bürste sinnvoll sein, um eine vollständige Reinigung zu erzielen. Das spezielle Handling mit den IDR- oder Solo-Bürsten, um gezielt besondere Problembereiche von Biofilm zu reinigen, steht im Internet in Form verschiedener instruierender Videosequenzen zur Verfügung17. Darin werden ebenfalls die Indikationen von Zahnseide und Floss differenziert und fallbezogen gezeigt.
Für IDR-Bürsten werden gerade Borstenfelder gegenüber konischen Formen präferiert, weil die konischen Formen die lingualen Flanken noch schlechter erreichen. Alternativ werden zur besseren Reinigung dieser Übergangsbereiche taillierte IDR-Bürsten angeboten ( Circum, Topcaredent). Sie sollen ohne X-Technik eine effiziente Reinigung bewirken3,9,22. Bei nach approximal gekippten Zähnen oder approximal stark bauchigen Kronenkonturen, die häufig die Gestaltung von Implantatkronen ausmachen, setzt sich bei Ansicht von labial beziehungsweise bukkal die interdentale Dreiecksform an ihrer Basis über eine Ecke hinaus schlitzförmig fort. Die für diesen IDR gängige Bürste kann zu voluminös sein, um in diesen schlitzförmigen Bereich einzudringen. In solchen Fällen wird zusätzlich mit einer zweiten dünneren IDR-Bürste gearbeitet oder Floss-Zahnseide benutzt, um bis zum Marginalbereich des Zahns oder Implantatpfostens vorzudringen17 (Abb. 7a und b).

Handlungspfade in der Prävention

Grundlegend unterscheiden sich drei Handlungs­pfade in der Prävention – abhängig vom Alter und von der oralen Situation der Patienten sowie den Folgen von Vorerkrankungen und deren Sanierung. Basierend auf dem jeweiligen Handlungspfad wird das individuelle Mundhygienekonzept entwickelt. Die kon­kreten Handlungsempfehlungen variieren zwischen den verschiedenen Präventionsarten. Der Aufwand und der Differenzierungsgrad des Handlings für ein vollständiges Biofilmmanagement steigern sich von der Primär- zur Tertiärprophylaxe immer mehr. Das Flächenmaß der zu reinigenden Approximalflächen erhöht sich exponenziell.

Primärprävention

Die Primärprävention ist indiziert bei einem parodontal und dental gesunden Zustand ohne At­tachmentverlust (CAL) und ohne Restaurationen, wie er häufig bei Kindern und jungen Erwachsenen vorkommt. Das Ziel ist, diesen gesunden Zustand langfristig stabil zu erhalten. Die Interdentalpapillen füllen die IDR vollständig aus und bilden mittig appro­ximal eine Konkavität. Die IDR stellen sich tunnel­artig unterhalb des Kontaktpunktes dar und sind ausgefüllt von der Interdentalpapille. Um nicht die Papille zu traumatisieren und mit der Zeit zu reduzieren, erfolgt die IDR-Reinigung mit Zahnseide oder sehr feinen IDR-Bürsten. Zahnseide kann aufgrund ihrer kleinen Kontaktoberfläche nur geringe Biofilmmengen abtragen und erreicht konkave Oberflächenstrukturen nicht. Bei der Primärprävention sind die aus den IDR zu entfernenden Biofilmmengen gering und komplizierte Zahn­morphologien liegen nicht frei, weshalb die Zahnseide für diese Aufgabe adäquat ist.
Wichtig ist die In­struktion eines atraumatischen Handlings, wobei der Zahnseidefaden einmal mesial und einmal distal der jeweiligen Papillenspitze in den Sulkus eingeführt wird17. Fluoridierungsmaßnahmen unterstützen die Gesunderhaltung. Es sollten allenfalls im poste­rioren Bereich IDR-Bürsten von Grad 0 verwendet werden. Sie werden vorgebogen unter dem Kontaktpunkt hindurch rotiert, wobei die Basistechnik mit einmaligem Einführen und Herausziehen ausreicht. Die Pflege bei Lückenständen oder kiefer­ortho­pä­di­schen Apparaturen erfordert die zusätzliche An­wendung graziler kieferortho­pädischer Zahnbürsten, Einbüschel-Zahnbürsten und geeigneter großvolumi­ger IDR-Bürsten für Lücken oder Bereiche unter dem Kieferorthopädiedraht.

Sekundärprävention

Die Sekundärprävention ist indiziert bei vorhandenem parodontalen CAL, der physiologisch auf die Alterung oder eine frühere Parodontitis zurückzuführen ist. Die parodontale Entzündung ist ausgeheilt und die parodontalen Sondierungstiefen sind physiologisch. Folgeschäden von Karies wurden in Form von Füllungen oder Einzelzahnrestaurationen behoben. Das Ziel ist, diesen parodontal reduzierten, wieder geheilten beziehungsweise restaurierten Zustand stabil zu erhalten. Eine erneute parodontale Entzündung und die Bildung von Karies sollen vermieden werden. Hauptsächlich findet sich diese Situation bei erwachsenen Patienten im mittleren Alter. Die IDR stellen sich bei der Sekundärprophylaxe unterschiedlich klein oder moderat geöffnet und unterschiedlich morphologisch geformt dar. Für ihre Reinigung passen IDR-Bürsten von Grad 1 bis 2. Diese sind Zahnseide und anderen Arten von IDR-Hilfsmitteln wie Sticks überlegen7,21,27,29. Aufgrund ihrer nachgewiesenen Wirksamkeit wird die Instruktion der IDR-Bürsten in der Sekundär- und Tertiärprophylaxe zwingend gefordert7,21,30. Zahn­seide hat in der Sekundärprophylaxe nur bei sehr schmalen IDR oder Zahnengständen vor allem an Frontzähnen ihre Berechtigung.
Die IDR-Bürsten werden in der Basistechnik geradlinig unterhalb des Kontaktpunkts eingeführt. Die Approximalflächen der am weitesten posterior gelegenen sowie der lückenbegrenzenden Zähne werden mithilfe von Solo- oder Einbüschel-Zahnbürsten gezielt gereinigt. Ebenso werden Problemstellen wie eventuell vorhandene tastbare Restau­rationsränder und singuläre Rezessionen, die an Glattflächen apikal jener Ebene lokalisiert sind, die die Basiszahnpflege erreicht, mit der Solo-Bürste einmal täglich zusätzlich geputzt17.

Tertiärprävention

Die Tertiärprävention ist indiziert bei Erkrankungen, die bereits zu irreversiblen Schäden geführt haben und mit ausgedehnter Destruktion von parodontalem Stützgewebe oder Zahnverlusten einhergegangen sind. Nach der systematischen Parodontaltherapie können Residualtaschen persistieren. Verloren gegan­gene Zähne wurden mittels ausgedehnter prothetischer Rekonstruktionen oder Implantaten ersetzt. Daher fallen auch Implantatversorgungen in den Bereich der Tertiärprävention. Das Ziel ist, diesen therapierten beziehungsweise sanierten Zustand möglichst langfristig funktionstüchtig zu erhalten und eine erneute Erkrankung zu vermeiden.

Tertiärprävention im parodontal geschädigten Gebiss

Parodontitis geht mit einem horizontalen und ver­tikalen Abbau des Alveolarknochens einher. Die Gingi­va folgt der knöchernen Struktur. Wenn die Interdentalpapille nicht mehr vom knöchernen Stützgewebe unterlegt ist, reduziert sich ihre Höhe. Der IDR wird nicht mehr vollständig ausgefüllt. Ob ein IDR durch eine Papille gefüllt ist, wird auch durch den Abstand zwischen den beiden benachbarten Zähnen, der Lage und Form des approximalen Kontaktpunkts und der Wölbung der klinischen Kronen bestimmt. Eine Interdentalpapille füllt den IDR vollständig aus, wenn die Distanz zwischen dem interdentalen Knochenseptum und dem approximalen Kontaktpunkt nicht mehr als 5 mm beträgt25. Der klinische Stützgewebeverlust durch die parodontale Destruktion ist interdental häufig besonders fortgeschritten, was zu einem Knochenabbau in Kraterform geführt haben kann. Daher folgt die Gingiva der Knochenkontur und senkt sich mit einer konkaven Oberfläche ein, was auch als „negative Papille“ bezeichnet wird. Wenn sich das approximale Knochenseptum mehr als 7 mm apikalwärts des Kontaktpunkts befindet, füllt die Interdentalpapille den IDR mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr vollständig aus. Zusätzlich können komplizierte Wurzelmorphologien bis zu den Furkationseingangsbereichen frei­liegen und Residualtaschen persistieren.
Solche IDR sind von komplex geformten und flächenmäßig großen Zahnoberflächen begrenzt, von denen der Biofilm entfernt werden muss. Sie liegen zudem häufig im schwer zugänglichen Molarenbereich. Bei unvollständigem Biofilmmanagement drohen approximal-lingual an den freiliegenden Wurzeloberflächen Wurzelkaries und besonders interdental erneute parodontale Entzündungen. Solche Interdentalräume können nur mit großvolumigen IDR-Bürsten mit langen, flexiblen und weichen Filamenten gereinigt werden, die gezielt nacheinander zu den mesialen und distalen Marginalregionen beider Nachbarzähne geführt werden und auch die ap­proximalen Flanken – die „Line-angle“-Bereiche – mittels der X-Technik einbeziehen17,22,23,30. Furka­tions­eingangsbereiche sollten zusätzlich mit der Solo-Zahnbürste geputzt werden.

Tertiärprävention bei prothetischen Rekonstruktionen

Die Zugänglichkeit des IDR für die häusliche Mundhygiene kann durch zahnärztliche Restaurationen erschwert sein, weil die Randgestaltung von Fül­lungen beziehungsweise indirekten Restaurationen insuffizient ist, Randkonturen zu promi­nent, Kronenformen aufgewölbt und Verblockungen, Geschiebe, Stege oder sattelartige Zwischengliedformen bei prothetischen Rekonstruktionen zu eng an der Gingiva gestaltet wurden. Die Hygienefähigkeit mit geeigneten Hilfsmitteln sollte bereits bei der Anfertigung der Suprakonstruktion überprüft werden und der Patient mit den notwendigen Hygienemaßnahmen vertraut gemacht worden sein. Interdentale Verblockungen, die so tief heruntergezogen wurden, dass eine interdentale Reinigung durch den Patienten nicht erbracht werden kann, müssen chairside ausgear­beitet werden. 
Die IDR-Bürste kann zwar die Approximalräume von Brückenpfeilern erreichen, aber die Reinigung unter dem Sattel von Brücken oder Stegen muss zusätzlich mithilfe eines Floss mit Einfädelhilfe (Super Floss, Oral B und Implant + Floss, GUM) erfolgen. Im Gegensatz zur Zahnseide ist das Floss aufgefasert und nimmt mehr Biofilm auf. Das Floss wird mithilfe einer verstärkten Einfädelhilfe unter der Brücke beziehungsweise dem Steg eingeführt und unter dem Sattel entlang gezogen, bis der Approximalraum des anderen Brückenpfeilers erreicht ist17.
Bei einer teleskopierenden Rekonstruktion sind die Pfeilerzähne mit Primärteleskopen versorgt. Ebenso wie im mit Modellgussprothesen versorgten Lückengebiss können die Lücken zwischen den Zähnen beziehungsweise Primärteleskopkronen einen zu geringen Abstand besitzen, um vom Borstenfeld der Zahnbürste interdental bis zum Sulkus erfasst zu werden. Daher kann an solchen prothetischen Versorgungen eine vollständige Biofilmkontrolle nur mit Spezialzahnbürsten wie der Solo-Bürste oder sehr großen und steifen IDR-Bürsten erbracht werden. Zum Handling wird mit der Solo-Bürste zirkulär mindestens einmal täglich um den gesamten Marginal­bereich jedes Primärtelekops beziehungsweise entlang des Sulkus der lückenbegrenzten Approximalfläche im Restgebiss gebürstet, bis der Biofilm entfernt ist.

Besonderheiten bei Implantatversorgungen

Grundsätzlich unterscheidet sich die Mundhygiene an Zähnen und Implantaten nicht2,5,22. Dennoch müssen morphologische Besonderheiten bei Implantaten beachtet werden:

  • Zwischen der periimplantären Mukosa und der Gingiva bestehen strukturelle Unterschiede, wobei die Anfälligkeit der periimplantären Mukosa für Entzündungen in Form von Mukositis beziehungsweise Peri­implantitis stärker ausgeprägt ist. Deshalb muss der Biofilm insbesondere am periimplan­tären Sulkus akribisch entfernt werden.
  • Implantate besitzen üblicherweise eine Makrostruktur in Form von Schraubgewinden und eine mikrostrukturierte Oberfläche. Sofern es zu einer Rezession des periimplantären Gewebes gekommen ist, liegen diese Strukturen zur Mundhöhle hin frei und müssen durch die Mundhygienemaßnahmen gereinigt werden8. Dies gelingt zuverlässig unter anderem mit Schallzahnbürsten. Besonders an den Mikrorauigkeiten ist eine hohe Biofilmretention zu erwarten. Vonseiten der Zahnärzte/-innen ist eine Politur solcher Rauigkeiten zu erwägen. Die Empfehlung, Mundduschen mit Chlorhexidindigluconat (CHX)-Spüllösung zu verwenden8, sollte angesichts der Gefahr von Bakteriämien und der kurzfristigen Anwendungsdauer von CHX-Lösung kritisch abgewogen werden.
  • Das horizontale Knochenniveau am Implantat ist vertikal ca. 2 mm apikalwärts versetzt gegenüber dem Knochenniveau an den Nachbarzähnen25. Der Grund dafür ist, dass die Implantate ohne Knochenaugmentation üblicherweise auf dem approximalen horizontalen Level des verloren gegangenen Zahns inseriert werden (Abb. 8). Nach den Umbauprozessen bei der Einheilung und der Einstellung der biologischen Breite am Übergang vom Implantat zum Abutment reduziert sich aber das Knochenlevel um das Implantat auf ein einheitliches Niveau und verliert die ehemals girlan­denförmige Ausprägung am Zahn. Dadurch wird die Interdentalpapille nicht mehr knöchern unterstützt und ihre Höhe zum approximalen Kontaktpunkt vergrößert sich18. Aus diesem Grunde ist der implantatseitige Sulkus weiter apikalwärts lokalisiert als der zahnseitige. Bei zwei benachbarten Implantaten fehlt die Interdentalpapille häufig. Diese Nischen müssen gezielt mit IDR-Bürsten und Impantat-Floss gereinigt werden22. Meist passen eher mittlere bis großvolumige IDR-Bürsten für die Zwischenräume zwischen Implantaten und werden nach der X-Technik verwendet, damit die Flanken des Implantatpfostens gereinigt werden können.
  • Der Implantatquerschnitt ist rund und geht koronal in eine Kronenform über, die dem ehemaligen Querschnitt des Zahnes entspricht. Dieses sogenannte Emergenzprofil der klinischen Zahnkrone bildet oft eine bauchige Wölbung, um Kontakt zu den Nachbarzähnen herzustellen und die Krone ästhetisch und funktionell zu gestalten26. Durch Individualisierung der Abutments kann eine extreme Wölbung vermieden und bereits ab Implantatniveau vom runden Implantatquerschnitt auf die Kronenform vermittelt werden.
  • Am mukosalen Sulkus soll immer – zusätzlich zur Basiszahnpflege – täglich mittels Solo- oder Implantat-Zahnbürsten (Curaprox CRS 708 Ortho/Implant, Curaden) gezielt Biofilm­mana­gement erfolgen. Die Solo- oder Implantat-Zahnbürste wird labial beziehungsweise bukkal und oral im rechten Winkel über die Balkonform der Krone hinweg auf den Implantathals angesetzt, ihr Borsten­feld unter leichten Rüttelbewegungen aufgespreizt und soweit nach lateral geführt, wie die approximalen Bereiche zu erfassen sind.
  • Die periimplantäre Mukosa kann dicker sein als die Gingiva und der periimplantäre Sulkus entsprechend höhere Sondierungstiefenwerte zeigen. Dann sind diese marginalen Implantatbereiche wie parodontale Residualtaschen zu behandeln, da sich Biofilme auch submukosal befinden können. Das Implantat-Floss wird mithilfe der Einfädelhilfe zusätzlich zur IDR-Bürste durch den IDR geführt und um den Implantatpfosten geschlungen. Dann wird er sehr vorsichtig – entsprechend der sogenannten Criss-Cross-Technik – hin und her bewegt (Abb. 9).
  • Durch die Kieferkammatrophie vor der Implantation kann die befestigte Mukosa an den Implantaten fehlen. Übergänge zwischen Sulkus und der beweglichen vestibulären Mukosa sind besonders kritisch für die Ausprägung künftiger Entzündungen und müssen explizit mit der Solo-Bürste sauber gehalten werden, um dauerhaft stabil zu bleiben.

Resümee

  • Der IDR sollte in seiner Dreidimensionalität betrachtet werden; also nicht mehr als Dreieck, sondern als trianguläres Prisma.
  • Eine Klassifizierung der IDR sollte nicht nur bezüglich ihrer Gängigkeiten, sondern auch hinsichtlich ihrer dreidimensionalen Konfiguration erfolgen.
  • Die Tertiärprävention wird künftig einen Schwerpunkt bilden, um die orale Gesundheit insbe­sondere nach parodontalen Vorerkrankungen und Implan­tatrekonstruktionen zu erhalten.
  • Die Tertiärprävention erfordert differenzierte Tech­niken, die in geeigneter Form selektiert und instruiert werden müssen.
  • Die erforderlichen Mundhygienetechniken sollten bereits vor der Implantatversorgung kommuniziert werden.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Petra Schmage, Hamburg

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Quelle: Quintessenz Zahnmedizin 03/21 Zahnmedizin

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