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Eine Kurzübersicht zum klinischen Erscheinungsbild und zur Abgrenzung von anderen Zahnfehlbildungen


Dr. med. dent. Julian Schmoeckel

Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) ist ein scheinbar zunehmendes Phänomen und tritt in Deutschland bei etwa 10 Prozent aller Kinder zwischen 6 und 9 Jahren relativ häufig auf11. Laut der Definition der EAPD sind bei der MIH mindestens ein erster bleibender Molar und fakultativ die Schneidezähne betroffen6. Ähnliche Defekte können jedoch auch an anderen Zähnen wie zum Beispiel zweiten Milchmolaren2 und anderen permanenten Zähnen wie Prämolaren oder zweiten permanenten Molaren auftreten2. Aufgrund des drastischen Kariesrückgangs in den vergangenen Jahrzehnten ist aber auch denkbar, dass mindermineralisierte MIH-Zähne früher schlicht für kariös gehalten wurden4. Dr. Julian Schmoeckel gibt in seinem Beitrag im Quintessenz Team Journal 2/2017 eine Übersicht zur Diagnostik und Abgrenzung von MIH zu anderen Zahnfehlbildungen.

Den Erfordernissen einer modernen Zahnarztpraxis entsprechend, wendet sich das "Quintessenz Team-Journal" an das gesamte zahnärztliche Team - den Zahnarzt und seine Mitarbeiterinnen, von der Auszubildenden bis zur Dentalhygienikerin. Neben dem Basiswissen für die Auszubildende sorgen Beiträge aus dem klinischen Bereich für ein Kompetenz-Plus. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.



Tab. 1  Differenzialdiagnose von MIH, Karies und Fluorose, Amelogenesis Imperfecta, einer Schmelzveränderung am per­manenten Nachfolger durch ein Frontzahntrauma im Milchgebiss oder eine apikale Milchzahnparodontitis (Turner-Zahn).

Typisch für MIH sind weißlich-gelbe bis gelb-braune, deutlich umschriebene Opazitäten im Zahnschmelz an den bleibenden ersten Molaren und Schneidezähnen mit unterschiedlicher Schwere des Befalls (Abb. 1 bis 6)1,6,10. Aufgrund der hypomineralisierten Schmelzbereiche, die weniger Kalzium und Phosphat enthalten7, sind die Zähne oft auch hypersensibel. Betroffene haben Schwierigkeiten beim Zähneputzen oder vermeiden sehr kalte oder sehr warme Getränke, entwickeln mitunter auch Zahnarztangst. Zudem kann dies auch zu Schmelzeinbrüchen unterschiedlicher Ausdehnung führen. Aufgrund des Erscheinungsbildes und der Lokalisation ist MIH deutlich von kariösen Prozessen unterscheidbar (siehe Tab. 1)3. Die Anfälligkeit für Karies ist zugleich erhöht, da der Schmelz eine geringere Reife1 hat und mitunter die Mundhygiene aufgrund der Hypersensibilitäten verschlechtert ist.

Differenzialdiagnose

Ursächlich werden genetisch bedingte Strukturstörungen (zum Beispiel Amelogenesis imperfecta oder Dentinogenesis imperfecta) von exogen (Turner-Zähne, traumatisch induzierte Zahnhartsubstanzdefekte) und endogen (Fluorosen, medikamentös verursachte Strukturstörungen) bedingten Defekten der Zahnhartsubstanz unterschieden3. Ersteres ist in der Regel leicht von der MIH zu unterscheiden, da es genetisch bedingt familiär gehäuft auftritt (Familienanamnese) und meist alle Zähne betrifft und nicht wie bei MIH auf die ersten Molaren und Inzisiven beschränkt ist11.

Ursachen

Die genauen Ursachen sind nicht bekannt. Es werden multifaktorielle oder multiple Ursachen vermutet. Wahrscheinlich entsteht MIH in den ersten drei Lebensjahren, da dort die Schmelzbildung der meist betroffenen ersten Molaren und der Schneidezähne stattfindet und die Ursache folglich erworben sein müsste6. Kinder in Deutschland, die unter anderem in diesem Zeitraum häufig Atemwegsinfekte und/oder eine schwierige Schwangerschaft hatten oder länger als sechs Monate gestillt wurden, tragen ein höheres Risiko für MIH5.


Tab. 2  Stufenweises Therapiekonzept nach Schweregrad und Symptomatik.

Therapie

Die Therapie dient der Verbesserung der Lebensqualität, erfolgt daher symptombasiert (subjektive Beschwerden) und meist stufenweise (siehe Tab. 2)6,8. Die Schmerzausschaltung und der Schutz der Pulpa haben daher Priorität. Eine invasive Behandlung ist trotz Lokalanästhesie aufgrund einer verlangsamten beziehungsweise schlechteren Wirkung durch eine chronische Pulpitis nicht immer ganz leicht.

Ein Beitrag von Dr. med. dent. Julian Schmoeckel, Greifswald

Literatur


1. Crombie FA, Manton DJ, Palamara JE, Zalizniak I, Cochrane NJ, Reynolds EC. Characterisation of developmentally hypomineralised human enamel. J Dent 2013;41(7):611–618.


2. Elfrink ME, Ghanim A, Manton DJ, Weerheijm KL. Standardised studies on Molar Incisor Hypomineralisation (MIH) and Hypomineralised Second Primary Molars (HSPM): a need. Eur Arch Paediatr Dent 2015;16(3):247–255.


3. Ghanim A, Elfrink M, Weerheijm K, Mariño R, Manton D. A practical method for use in epidemiological studies on enamel hypomineralisation. Eur Arch Paediatr Dent 2015;16(3):235–246.


4. Kalkani M, Balmer RC, Homer RM, Day PF, Duggal MS. Molar incisor hypomineralisation: experience and perceived challenges among dentists specialising in paediatric dentistry and a group of general dental practitioners in the UK. Eur Arch Paediatr Dent 2016;17(2):81–88.


5. Kühnisch J, Mach D, Thiering E, Brockow I, Hoffmann U, Neumann C, Heinrich-Weltzien R, Bauer CP, Berdel D, von Berg A, Koletzko S, Garcia-Godoy F, Hickel R, Heinrich J; GINI Plus 10 Study Group. Respiratory diseases are associated with molar-incisor hypomineralizations. Swiss Dent J 2014;124(3):286–293.


6. Lygidakis NA, Wong F, Jälevik B, Vierrou AM, Alaluusua S, Espelid I. Best Clinical Practice Guidance for clinicians dealing with children presenting with Molar-Incisor-Hypomineralisation (MIH): An EAPD Policy Document. Eur Arch Paediatr Dent 2010;11(2):75–81.


7. Martinović B, Ivanović M, Milojković Z, Mladenović R. Analysis of the mineral composition of hypomineralized first permanent molars. Vojnosanit Pregl 2015;72(10):864–869.


8. Mast P, Rodrigueztapia MT, Daeniker L, Krejci I. Understanding MIH: definition, epidemiology, differential diagnosis and new treatment guidelines. Eur J Paediatr Dent 2013;14(3):204–208.


9. Petrou MA, Giraki M, Bissar AR, Wempe C, Schäfer M, Schiffner U, Beikler T, Schulte AG, Splieth CH. Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH): Prävalenz und Therapiebedarf in Deutschland. Molar-Incisor-Hypomineralisation (MIH): Prevalence and therapeutic needs in Germany. Dtsch Zahnärztl Z 2014;69:647–650.


10. Petrou MA, Giraki M, Bissar AR, Wempe C, Schäfer M, Schiffner U, Beikler T, Schulte AG, Splieth CH. Severity of MIH findings at tooth surface level among German school children. Eur Arch Paediatr Dent 2015;16(3):271–276.


11. Petrou MA, Giraki M, Bissar AR, Basner R, Wempe C, Altarabulsi MB, Schäfer M, Schiffner U, Beikler T, Schulte AG, Splieth CH. Prevalence of Molar-Incisor-Hypomineralisation among school children in four German cities. Int J Paediatr Dent 2014;24(6):434–440.


Quelle: Quintessenz Team-Journal, Ausgabe 2/17 Team Prävention und Prophylaxe

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