Sie gehört mittlerweile zu Sylt wie der Sand zum Strand: Zum bereits 66. Mal lud die Zahnärztekammer Schleswig-Holstein vor Pfingsten zur renommierten „Sylter Woche“ ein, die sich einmal mehr als (Fach-)Besuchermagnet erweist: 726 Zahnärztinnen und Zahnärzte aus dem gesamten Bundesgebiet, aber auch aus Dänemark, Österreich, der Schweiz, den Niederlanden und sogar aus Italien, Liechtenstein, Norwegen und Finnland waren angereist, hinzu kamen 157 Zahnmedizinische Fachangestellte.
„Implantate: Eine Basis – viele Möglichkeiten“ lautet das diesjährige Leitthema der Fortbildungstagung, die noch bis Freitag andauert und mit vielen Vorträgen und Seminaren gespickt ist. Die neuesten Erkenntnisse vermitteln dabei insgesamt 21 Referentinnen und Referenten. Und auch die 62 Dentalaussteller im Foyer des Congress Centrum Sylt zeigen ihre Innovationen auf.
Konnten Teilnehmende der Tagung in den vergangenen Jahren aufgrund der Pandemieauswirkungen auch zu Hause online beiwohnen, hatte man sich diesmal bewusst wieder für eine Präsenzveranstaltung entschieden: „Dies ist der Sinn einer Tagung, bei der auch der fachliche Austausch untereinander eine große Rolle spielt“, unterstrich Tagungsleiter Dr. Andreas Sporbeck.
Deutliche Worte zur Eröffnung
Für Dr. Michael Brandt, Präsident der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein, war es bei der Tagungseröffnung eine besondere Freude, im Auditorium mehrere Gäste namentlich zu begrüßen. Dazu zählten Prof. Dr. Christoph Benz (Präsident der Bundeszahnärztekammer), Stefanie Tiede (Vorsitzende der Zahnärztekammer Mecklenburg-Vorpommern), Peter Oleownik (1. Stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein), Stephan Allroggen (Vorstandsvorsitzender der KZV Hessen), Dr. Christian Öttl (Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte) sowie gleichsam als Gastgeber der Bürgervorsteher der Gemeinde Sylt, Andreas Dobrzinski.
Traditionell sparte der Eröffnungsvortrag von Dr. Michael Brandt Kritik nicht aus. Wie auch die weiteren Redner ging der Kammerpräsident dabei mit Karl Lauterbach ins Gericht. „Der Bundesgesundheitsminister will den Krankenhäusern den ambulanten Bereich komplett eröffnen, um ambulantes Honorarvolumen zu erzielen. Mit dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz möchte der Minister seine Ideologie durchsetzen, zu der Nahversorgungszentren und Gesundheitskioske gehören, anstatt auf freiberufliche ärztliche Praxen zu setzen.“
Kritischer Blick auf die Kosten
„Ich frage mich wirklich: Was hat der Mann im Sinn?“, konstatierte Brandt und führte dazu ein konkretes Beispiel an: Deutschlands erster Gesundheitskiosk mit medizinisch geschulten „Community Health Nurses“ steht seit 2017 in Hamburg-Billstedt. Die letzten veröffentlichen Daten dieser Einrichtung datieren von 2018. Demnach standen 4.277 Einzelberatungen Betriebskosten von einer Million Euro gegenüber. „In Relation bedeutet dies eine Vergütung von 233,80 Euro pro Beratung. Im Vergleich dazu erhalten wir für eine Beratung von den Krankenkassen rund elf Euro!“
Gute Unterstützung durch Landesministerin
Erfreulich sei hingegen, dass die Zahnärztinnen und Zahnärzte des nördlichsten Bundeslandes engagierte Unterstützung durch Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin erhalten: „Kerstin von der Decken hat eine überzeugende Rede zur Stärkung der freien Praxis gehalten. Federführend hat sie Bundesratsbeschlüsse bewirkt, die den Bundesgesundheitsminister auffordern, jene Medizinischen Versorgungszentren einzuschränken, die von Investoren geführt werden. Aktuell vertritt Kerstin von der Decken die Länderinteressen beim Krankenhausversorgungs-Verbesserungsgesetz und es ist gut, sie an unserer Seite zu haben.“
Für die inhabergeführte Praxis
Dr. Michael Brandt unterstrich unter Applaus: „Die inhabergeführten Hauszahnarztpraxen haben Deutschland hinsichtlich der Mundgesundheit an die Weltspitze geführt. Und eben diese Praxen sind gerade für Schleswig-Holstein mit seinen großen ländlichen Bereichen von essenzieller Bedeutung!“
Freude am Beruf nicht nehmen lassen
Auch Dr. Christian Öttl ist mit der Politik des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach nicht zufrieden: „Unser dringliches Anliegen einer Erhöhung der GOZ-Punktewerte wurde bis dato nicht unterstützt, die Endbudgetierung nicht umgesetzt“, monierte der Bundesvorsitzende des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte (FVDZ). „Zahnärztinnen und Zahnärzte erbringen innovative Leistungen. Aber diese haben auch ihren Preis." Mit Blick auf die vom FVDZ gestartete Imagekampagne „Wir bringen Deutschland das Lächeln zurück“ betonte Dr. Christian Öttl: „Wir wollen eine gute zahnärztliche Versorgung auch künftig aufrechterhalten und Freude an unserem Beruf haben – dies lassen wir uns vom Bundesgesundheitsminister nicht nehmen.“
Ausblick auf die Präventionserfolge und die DMS VI
„Präventive Zahnmedizin ist von größter Bedeutung“, betonte Prof. Dr. Christoph Benz, Präsident der Bundeszahnärztekammer, und verwies auf hervorragende Ergebnisse der 6. Deutschen Mundgesundheitsstudie der Bundeszahnärztekammer und der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, die allerdings erst im kommenden Jahr veröffentlicht wird. Beispielhaft verriet Benz: „In der Altersgruppe der 35- bis 44-Jährigen ergab die Studie des Jahres 1997, dass im Durchschnitt bereits vier Zähne fehlten. 2015 lag dieser Wert bei zwei Zähnen, in der aktuellen Studie bei nur einem Zahn. Ein anderes Beispiel: In der Altersgruppe der 65- bis 74-Jährigen trugen im Jahre 2005 22,6 Prozent ein Gebiss, aktuell sind es nur noch fünf Prozent. Pflegezahnmedizin hat immer mehr Gewicht – wir liefern Gesundheit, Herr Lauterbach! Gespannt sind wir nun auf die nächsten Gespräche mit dem Bundesgesundheitsminister.“
Sorgen wegen iMVZ und ePA
„Immer weiter dringen Fremdinvestoren in den Markt“, warnte Peter Oleownik von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein. Dies sei umso unverständlicher, da „Minister Lauterbach einst erklärte, dass investorengeführte Medizinische Versorgungszentren unser System plündern und die Versorgung verschlechtern würden“.
Peter Oleownik sprach zudem das Thema elektronische Patientenakte an, die ab 2025 verpflichtend sei. „Allerdings ist die konkrete Umsetzung noch immer unklar. Auf jeden Fall aber wird sie für die Ärzte umfangreiche Führungspflichten mit sich bringen.“
„Mit Stolz blickt die Gemeinde Sylt auf die traditionsreiche Fortbildungstagung der Zahnärztekammer Schleswig-Holstein in Westerland und dankt für Ihre Treue“, betonte Bürgervorsteher Andreas Dobrzinski in seinem Grußwort.
Dem schloss sich ein fachfremder Vortrag an: In diesem Jahr stellte Prof. Dr. Uwe Jensen vom Kieler Institut für Statistik und Ökonometrie die Frage: „Ist Glück messbar?“ Und das sei es tatsächlich. Der Referent verwies dabei unter anderem auf die vielen Faktoren, die zu Glück und Zufriedenheit beitragen. Deren Spektrum reicht von den ererbten Genen über soziale Beziehungen bis hin zum Beruf. Besondere Relevanz habe dabei ein Faktor: „Gesündere Menschen sind glücklichere Menschen!“