Die Zahl der zahnärztlichen Medizinischen Versorgungszentren steigt, für das erste Quartal 2023 schätzt die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung 1.513 MVZ bundesweit. Der Anteil der MVZ, die von Fremdinvestoren betrieben werden, zeigt parallel auch steigende Tendenz, aktuell sind es rund 29 Prozent aller MZV oder 430 bundesweit. Das führt die KZBV in einer aktuellen Analyse aus.
Der Großteil der Investoren-MVZ verteilt sich auf die einwohner- und wirtschaftlich starken Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, in denen sich zusammengenommen rund 61 Prozent aller iMVZ angesiedelt haben, so die Analyse. Der Großteil der iMVZ befindet sich in Berlin und in den westlichen Bundesländern, sie konzentrieren sich auf die Städte und auf Ballungsräume. In den östlichen Bundesländern gibt es danach zwölf, von denen sieben in Großstädten liegen.
Weite Spreizung der Zahl der angestellten Zahnärzte
Was die Mitarbeiterzahl angeht, so berichtet die KZBV in ihrer Analyse folgende Zahlen: „In den zahnärztlichen MVZ sind insgesamt 5.572 Zahnärztinnen und Zahnärzte behandelnd tätig, Tendenz weiter steigend. Somit kommen derzeit auf jedes MVZ durchschnittlich 3,80 Zahnärztinnen und Zahnärzte. In den zahnärztlichen MVZ, an denen Investoren beteiligt sind, sind insgesamt 1.753 Zahnärztinnen und Zahnärzte beschäftigt. Mit einer durchschnittlichen Anzahl von knapp 4,11 behandelnd tätigen Zahnärztinnen und Zahnärzten pro iMVZ liegt der Durchschnittswert nochmals etwas höher als bei allen MVZ. Die Streubreite ist jedoch sehr groß. In großen iMVZ sind derzeit bis zu 28 Zahnärztinnen und Zahnärzte tätig, in den kleinsten iMVZ nur eine Zahnärztin oder ein Zahnarzt. Der Median liegt bei iMVZ bei 3 Zahnärztinnen und Zahnärzten.“ Allerdings seien nach Ausweitung der Beschäftigungsmöglichkeiten mehr als 75 Prozent aller angestellten Zahnärztinnen und Zahnärzte in der vertragszahnärztlichen Versorgung immer noch in einer Einzelpraxis oder einer Berufsausübungsgemeinschaft beschäftigt.
Drei große Betreiber
Zwei Betreiber – Acura und die Zahneins-Gruppe – vereinen jeweils 82 iMVZ unter ihrem Dach. Drittgrößter Investor mit 77 iMVZ ist Colosseum Dental (Jacobs-Holding). Zur Investorenstruktur heißt es in der Analyse der KZBV: „Insgesamt konnten zum 31. Dezember 2022 dreizehn Groß- und Finanzinvestorengruppen in der vertragszahnärztlichen Versorgung identifiziert werden. Davon konnten neun überwiegend als Private-Equity-Gesellschaften und vier als Family-Office-Gesellschaften eingestuft werden. Alle dreizehn Groß- und Finanzinvestoren verfügen bereits über mindestens ein als iMVZ-Träger fungierendes Krankenhaus.“ Die Analyse enthält auch eine detaillierte Auflistung der Investoren, der zugehörigen MVZ-Ketten und Krankenhäuser.
„Besorgniserregende Ausbreitung“
„Getrieben von der Hoffnung auf zweistellige Renditen nimmt der Zustrom von Private Equity Gesellschaften und Finanzinvestoren in die vertragszahnärztliche Versorgung seit Jahren mit hoher Dynamik zu“, heißt es. Die KZBV habe diese Entwicklung von Anfang an einer substantiierten Analyse unterzogen und warne vor den erheblichen Folgen für die Patientenversorgung und das Gesundheitswesen. Das aktuelle Analysepapier „unterstreicht die besorgniserregende Ausbreitung investorengetragener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ) und verdeutlicht erneut die große Gefahr für die Versorgungsqualität, das Patientenwohl und die Sicherstellung der Versorgung insgesamt, die von diesen Strukturen ausgehen“, so die KZBV.
Politik muss handeln
„Unsere aktuelle Analyse belegt anhand klarer Fakten, welch große Bedeutung inzwischen einem konsequenten Handeln der politisch Verantwortlichen zukommt, will man die zunehmend bedrohliche Gefährdung der flächendeckenden zahnärztlichen Versorgung durch vornehmlich renditeorientierte Investoren nicht länger tatenlos mit ansehen. Die ärztliche und zahnärztliche Versorgung dürfen nicht den Prinzipien der Gewinnmaximierung geopfert, vielmehr muss die fortschreitende Vergewerblichung des Gesundheitswesens endlich wirksam gestoppt werden!“, so Martin Hendges für den KZBV-Vorstand.
Besonderheiten der zahnärztlichen Versorgung Rechnung tragen.
Dabei gelte es den Besonderheiten der zahnärztlichen Versorgung Rechnung zu tragen. Hendges: „Unsere konkreten Vorschläge dazu liegen seit langem auf dem Tisch: Ein räumlicher und – das ist wichtig – auch fachlicher Bezug eines Trägerkrankenhauses muss gesetzlich zur Voraussetzung der Gründungsbefugnis eines Krankenhauses von iMVZ gemacht werden. Darüber hinaus ist zur Herstellung erforderlicher Transparenz die Schaffung von iMVZ-Registern und die Verpflichtung für iMVZ-Betreiber, auf Praxisschildern und Websites Angaben über Träger- und Inhaberstrukturen zu machen, dringend erforderlich.“
Erst kürzlich habe Gesundheitsminister Lauterbach angekündigt, den Aufkauf von Praxen durch Investoren einzuschränken zu wollen. „Es ist an der Zeit, diesen Worten endlich Taten folgen zu lassen und klare gesetzliche Regelungen zu schaffen!“, betont Hendges.
Forderung von Standespolitik und Landesgesundheitsministern
Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder fordert bereits seit längeren, die Aktivitäten von Fremdinvestoren bei den MVZ stärker zu regulieren, insbesondere in der Zahnmedizin. Nach längerem Zögern und einer Initiative der Länder zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe hatte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach Ende 2022 angekündigt, Investoren im Gesundheitswesen stärker zu beschränken.
Gesetzentwurf wohl frühestens im Herbst 2023
Wie jetzt bekannt wurde, wird die dazu angekündigte gesetzliche Regelung aber noch auf sich warten lassen – ein Arbeitsplan des Bundesgesundheitsministeriums sieht das Versorgungsgesetz II, in dem auch die MVZ-Frage geregelt werden soll, erst für Herbst 2023 vor – nach Abschluss des Versorgungsgesetzes I, für das es aktuell aber keinen Termin mehr gibt. Nach der Ankündigung der Ländergesundheitsminister und des Bundesgesundheitsministers setzte eine rege Argumentations- und Lobbytätigkeit der Investoren und iMVZ-Betreiber sowie der ärztlichen und zahnärztlichen Standespolitik ein, zudem wurden diverse rechtliche Bewertungen über Möglichkeiten und Grenzen politischer Regulierungen veröffentlicht.
Aufseiten der Praxisinhaber ist durchaus eine Bereitschaft zu erkennen, die eigene Praxis an einen Investor zu verkaufen, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. Das ermittelte die Stiftung Gesundheit jetzt in einer Fokus-Studie. Besonders gefragt sind bei den Investoren fachärztliche und zahnärztliche Praxen.
Ergebnisse der iMVZ-Analyse der KZBV
- Der Anteil der iMVZ an allen MVZ beläuft sich Ende 2022 mittlerweile bereits auf 29 Prozent, mit steigender Tendenz.
- iMVZ leisten dabei nach wie vor keinen nennenswerten Beitrag zur Versorgung in strukturschwachen, ländlichen Gebieten. So siedeln sich 80 Prozent der iMVZ im städtischen Bereich an.
- An der Versorgung von pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderung im Rahmen der aufsuchenden Versorgung nehmen iMVZ kaum teil. Auch bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit präventiven Leistungen der Individualprophylaxe leisten iMVZ einen deutlich unterdurchschnittlichen Beitrag.
- Eine steigende Zahl von iMVZ konzentriert sich auf nur wenige Inhaber: Die beiden Investoren mit den meisten iMVZ verfügen derzeit über je 82 Standorte (Acura und Zahneins-Gruppe).
- iMVZ haben mit lediglich 33 Prozent die schlechteste Teilzeitquote von allen Praxisformen. Dies widerspricht der häufig von Investoren vorgetragenen Argumentation, iMVZ würden im Gegensatz zu den etablierten Praxisformen und Inhaberstrukturen die Wünsche junger Zahnärztinnen und Zahnärzte nach Anstellung und einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf besser berücksichtigen.
Das komplette Analysepapier kann auf der Internetseite der KZBV abgerufen werden.