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Die 275 Millionen Euro sind ein Stück(chen) Gerechtigkeit, aber kein Ende der Ungleichbehandlung von Ärzten und Zahnärzten – ein Kommentar von Dr. Uwe Axel Richter

(c) Avi Rozen/Shutterstock.com

275.000.000 – mit dieser Zahl machte die Pressemeldung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) vom 1. April 2021 zur vertragszahnärztlichen Zahl des Monats auf. Was eher an die Bekanntgabe eines Lottojackpots erinnert denn an eine bundesmantelvertragliche Vereinbarung, soll neben dem finanziellen Aspekt jedoch eine weitere Dimension haben: „ein Stück Gerechtigkeit“. So formulierte es zumindest der KZVB-Vorstand.

Rückblende. Corona: Pandemie, Lockdown, Praxisschließungen, fernbleibende Patienten, einbrechende Umsätze, fortlaufende Kosten, Kampf um Handschuhe, Desinfektionsmittel etc. Es ist die Zeit der Rettungsschirme, die zumindest eine gewisse Sicherung versprechen. Jedoch – während für die Ärzte ein Rettungsschirm aufgespannt wurde, bleiben die Zahnärzte im wahrsten Sinne des Wortes im Regen stehen.

Fatales Signal an den Berufsstand

Das von dieser politischen Entscheidung ausgehende Signal an einen Berufsstand, der gesetzlich geregelter Teil der ambulanten Versorgung in Deutschland ist, war fatal und ist nicht vergessen: Die ambulanten Versorger in Deutschland mutierten in eine Zweiklassengesellschaft. Die zahnärztliche Seele wurde wund.

Nun sollen also 275 Millionen Euro die zusätzlichen pandemiebedingten Zusatzbelastungen und -kosten der Vertragszahnärzte ausgleichen. Auf Praxisebene ist der Pandemiezuschlag – um im Bilde zu bleiben – zwar kein Sechser im Lotto geworden, aber immerhin sollen mit dieser Einmalzahlung, die die KZVen nach einem bundeseinheitlichen Schlüssel verteilen werden, „die den Praxen entstandenen Mehrkosten spürbar abfedern“. Und das unabhängig von der Gesamtvergütung.

Entscheidung mehr als überfällig

Damit bogen die KZBV und der GKV-Spitzenverband auf den Weg ein, den die Bundeszahnärztekammer mit den privaten Krankenversicherungen und Beihilfeträgern bereits seit 2020 beschreitet – eine Beteiligung der Versicherer an den pandemiebedingten Mehrkosten mittels Hygienepauschale je Sitzung. Die aktuelle Gültigkeit dieser Vereinbarung wurde kürzlich bis zum 30. Juni 2021 verlängert.

Warum nicht bis zum Ende der Pandemie?

Die Entscheidung des GKV-SV für einen finanziellen Ausgleich für die Vertragszahnarztpraxen war also mehr als überfällig. Immerhin – die gesetzlichen Krankenkassen anerkennen, dass die pandemiebedingten Mehrkosten in der Versorgung auch von selbigen mitgetragen werden müssen und nicht einseitig dem versorgenden Vertragspartner aufgebürdet werden können. Wenn dem aber so ist, sollte dann aus Sicht der Zahnärzte eine Kostenbeteiligung nicht wenigstens bis zum erklärten Ende der Pandemie erfolgen?

Kaum Interesse in der Öffentlichkeit

Interessant war in diesem Zusammenhang das geringe bis kein Interesse in der Öffentlichkeit. Gibt man „Pandemiezuschlag Zahnärzte“ in Google ein, so findet man erstaunliche wenige Treffer. Das in der Suchmaschine aufscheinende Presseecho auf die KZBV-Meldung ist – abgesehen von der zahnärztlichen Standespresse – zurückhaltend bis nicht vorhanden. Selbst beim GKV-Spitzenverband wie auch den Bundesverbänden der einzelnen Kassenarten ist diese Vereinbarung, immerhin auf Ebene des Bundesmantelvertrags geschlossen, im Pressebereich nicht zu finden. Und auch bei „Spiegel“ und Co. blieb der sonst übliche Reflex gegenüber der Zahnärzteschaft aus.

Ob es am Datum 1. April in Kombination mit der Höhe der Summe lag? Oder ist es der Erkenntnis geschuldet, dass auch bei den Zahnärzten die Rosen in Zeiten der Corona-Pandemie deutlich mehr Dornen als Blüten haben?

Kein Ende der nicht nachvollziehbaren Unterschiede

Fakt ist: Staat und Krankenkassen tragen, wie der Vorstand der KZBV formulierte, eine Mitverantwortung für den Erhalt funktionierender Versorgungsstrukturen. Dass diese Mitverantwortung für die zahnärztliche Versorgung immer erst mühsam herbeiverhandelt werden musste – Stichwort Liquiditätshilfe und Neuregelungen im GPVG –, lässt tief blicken. Balsam für die zahnärztliche Seele, ein Ende der nicht nachvollziehbaren Unterschiede in der Behandlung von Ärzten und Zahnärzten hinsichtlich der Auswirkungen der Pandemie, ist diese Vereinbarung daher nicht. Aber immerhin ein Stück(chen) Gerechtigkeit.

Wertschätzung sieht anders aus

„Eine unmittelbare finanzwirksame Regelung war aber mit dem Gesetzgeber nicht zu machen“, ließ der Vorstand der KZBV in diesem Zusammenhang verlauten. Wertschätzung sieht anders aus. Da passt es ins Bild, dass Apotheker und Tierärzte seitens der Politik fürs Impfen geeigneter angesehen werden als Zahnärzte – in Anbetracht der durchlaufenen Ausbildung eigentlich unfassbar. Eigentlich.

Bleiben Sie negativ!

Dr. Uwe Axel Richter, Fahrdorf


Foto: Verena Galias
Dr. med. Uwe Axel Richter (Jahrgang 1961) hat Medizin in Köln und Hamburg studiert. Sein Weg in die Medienwelt startete beim „Hamburger Abendblatt“, danach ging es in die Fachpublizistik. Er sammelte seine publizistischen Erfahrungen als Blattmacher, Ressortleiter, stellvertretender Chefredakteur und Chefredakteur ebenso wie als Herausgeber, Verleger und Geschäftsführer. Zuletzt als Chefredakteur der „Zahnärztlichen Mitteilungen“ in Berlin tätig, verfolgt er nun aus dem hohen Norden die Entwicklungen im deutschen Gesundheitswesen – gewohnt kritisch und bisweilen bissig. Kontakt zum Autor unter uweaxel.richter@gmx.net.

 

 

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