Der Termin steht, aber der Patient kommt nicht. Arztpraxen leiden immer häufiger unter nicht abgesagten Terminen. Sieben von zehn Praxen beklagen in einer Online-Umfrage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Probleme mit verpassten Terminen.
Der Vorstandschef der KBV, Dr. Andreas Gassen, wiederholt daher sein Plädoyer für eine Ausfallgebühr, die dann die Krankenkasse an die Arztpraxen wegen nicht erschienener Patienten entrichten soll. Die Krankenkassen kontern: Helge Dickau, Pressereferent des GKV-Spitzenverbands, erklärte laut Ärzte-Zeitung: „Wie wäre es denn mit einem finanziellen Ausgleich für Patientinnen und Patienten, die viele Stunden Lebenszeit in Warteschleifen und Wartezimmern ärztlicher Praxen verbringen?“
AOK verweist auf Terminsysteme und elektronische Erinnerungsservices
Der AOK-Bundesverband lehnte Gassens Forderung ebenfalls ab und verwies auf Terminsysteme mit Erinnerungsservice. ,,Wir können den Ärger vieler Arztpraxen über nicht abgesagte beziehungsweise wahrgenommene Arzttermine gut nachvollziehen. Insbesondere im fachärztlichen Bereich werden Termine ja oft Monate im Voraus vergeben und können nicht einfach kurzfristig von anderen Versicherten übernommen werden. Mit Blick auf die vielen anderen Patientinnen und Patienten, die wochen-, ja monatelang auf Arzttermine warten müssen, ist das höchst unsolidarisch. Daher lehnen wir aber auch die Forderung der KBV ab, dass die Versichertengemeinschaft dafür eine pauschale Ausfallgebühr zahlen soll. Um die Termintreue der Patientinnen und Patienten zu erhöhen, bewähren sich ein gutes Terminmanagement und elektronische Erinnerungsservices im Vorfeld“, so die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands Dr. Carola Reimann.
„Mehr als ein Ärgernis“
Der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion Prof. Dr. Andrew Ullmann äußerte sich auf LinkedIn dazu. „Gerade vor dem Hintergrund knapper Ressourcen und der hohen Nachfrage nach Terminen sind nicht abgesagte Arzttermine mehr als ein großes Ärgernis. Sie haben vielmehr einen negativen Effekt auf die allgemeine Gesundheitsversorgung. Die Zahlen zeigen dabei eine bedenkliche Entwicklung. Allerdings würde die Zahlung durch die Kassen keinen unmittelbaren Effekt auf das Verhalten der Patienten haben. Damit wären zwar die Praxen geringfügig entschädigt, aber eine Verhaltensänderung wäre nicht zu erwarten. Wichtig wäre jetzt zu evaluieren, warum Patientinnen und Patienten Termine nicht wahrnehmen, um dann direkte und effektive Maßnahmen zu ergreifen, ggf. Ausfallgelder den Patienten direkt in Rechnung zu stellen.“
Forderung vor dem Hintergrund der schwierigen Honorarverhandlungen
„Die Termine sind geblockt und stehen dann für andere Patienten nicht zur Verfügung“, betonte Gassen zu den Umfrageergebnissen. Praxen könnten die Termine nicht zweimal vergeben. Jede Forderung nach schnelleren und mehr Terminen sei angesichts der Zahlen „einfach lächerlich“. Der KBV-Chef erinnerte in diesem Zusammenhang an die „bisher unverändert unzureichende Vergütung, die für rund 10 Prozent der in Anspruch genommenen Termine bereits kein Honorar mehr auslöst“. Angemessen wäre aus seiner Sicht „eine von den Kassen zu entrichtende Ausfallgebühr, wenn deren Versicherte Termine vereinbaren und dann nicht wahrnehmen“. Die KBV steht aktuell vor den schwierigen Finanzierungsverhandlungen mit den Krankenkassen.
Der Präsident des Verbands der Kinder- und Jugendärzte, Dr. Thomas Fischbach, forderte zudem angesichts der Überlastung der Notdienste für Kinder und Jugendliche eine Gebühr für Eltern, die Kinder mit Bagatellerkrankungen in den Notdienst bringen. „Notfallversorgung ‚nicht für Pickel am Po‘“, heißt es im Beitrag der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (NOZ). Er sprach von Eltern, die am Wochenende mit ihren Kindern wegen Bagatellerkrankungen in die Notfallpraxen kämen, weil sie in der Woche keine Zeit für einen regulären Praxisbesuch hätten, und die ohnehin schon überfüllten Notfallpraxen der Pädiater noch weiter überlasteten. „Für solche Fälle hielte ich eine Eigenbeteiligung der Versicherten für sinnvoll“, so Fischbach. Sei ein echter Notfall gegeben, ließe sich die Gebühr leicht rückerstatten. Er bedauere, dass die Politik hier vor Maßnahmen zurückschrecke.
Ausfallhonorare sind möglich
Das Thema nicht abgesagter Behandlungstermine beschäftigt auch Zahnärztinnen und Zahnärzte immer wieder. Viele Praxen sind inzwischen dazu übergegangen, die Patienten bei der Terminvereinbarung gerade für umfangreichere Termine über mögliche Ausfallhonorare bei Nichtabsage/Nichterscheinen schriftlich zu informieren und diese dann auch privat in Rechnung zu stellen. Der Bundesgerichtshof hat in einem aktuellen Urteil den grundsätzlichen Anspruch eines Arztes/Therapeuten auf Geltendmachung eines Ausfallhonorars (Zusammenfassung bei BFS Health Finance) bestätigt.
Mehr als 2.000 Ärzte beteiligen sich
An der Online-Umfrage der KBV hatten sich laut KBV Ende Juni innerhalb einer Woche mehr 2.000 niedergelassene beteiligt. Auf die Frage „Haben Sie in Ihrer Praxis Probleme mit unabgesagten Terminen?“ antworteten fast 70 Prozent mit „Ja“ und rund 30 Prozent mit „Nein“.
Bis zu 20 Prozent „No Shows“
Dabei geht es bei mehr als 40 Prozent der betroffenen Praxen um 5 bis 10 Prozent aller Termine, die Patienten vereinbart hatten, aber ohne Absage nicht erschienen sind („No Shows“). Bei 16 Prozent der betroffenen Praxen waren es sogar 10 bis 20 Prozent.
Die Ergebnisse der Umfrage im Überblick
Haben Sie in Ihrer Praxis Probleme mit nicht abgesagten Terminen?
- Ja: 68,76 Prozent der Praxen
- Nein: 31,24 Prozent der Praxen
Falls ja, wie viel Prozent der Termine betrifft dies?
- 36,93 Prozent der Termine: bis 5 Prozent der Praxen
- 43,91 Prozent der Termine: 5 bis 10 Prozent der Praxen
- 16,06 Prozent der Termine: 10 bis 20 Prozent der Praxen
- 3,09 Prozent der Termine: 20 Prozent und mehr der Praxen
Quelle: KBV