Der Einfluss Europas wächst – auch auf Medizin und Zahnmedizin. EU-Vorgaben, gesundheitspolitische Vorhaben sowie für den europäischen Binnenmarkt erstellte Auflagen haben unmittelbare Auswirkungen auf die deutschen Heilberufe. Ob damit deutsche Standards aufgeweicht werden und welche Zukunft die in Deutschland bewusst regulierten Berufe im europäischen Binnenmarkt haben, diskutierten Politiker mehrerer im Europaparlament vertretener Parteien auf dem 14. Europatag der Bundeszahnärztekammer (BZÄK).
Die Veranstaltung in Berlin stand im Zeichen der Ende Mai anstehenden Europawahl sowie der Umsetzung der sogenannten Verhältnismäßigkeitsrichtlinie in Deutschland. Rund 80 Teilnehmer diskutierten mit Kandidaten und Vertretern der sich zur Wahl für das Europaparlament stellenden Parteien über deren europapolitische Zielvorstellungen. Schwerpunkt waren die aktuellen Entwicklungen der europäischen Gesundheits- und Binnenmarktpolitik. Es wurde deutlich, wie wichtig die Entscheidungen des Europäischen Parlaments und der Europäischen Union für den zahnärztlichen Berufsstand geworden sind.
Nach einer Impulsdiskussion mit Dr. Heinz Hetmeier, Leiter der Unterabteilung „EU Mitgliedsstaaten und sonstige europäische Länder, EU Binnenmarkt, Europa 2020“ im Bundeswirtschaftsministerium, stellten sich Norbert Lins (CDU), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, Gaby Bischoff (SPD), Kandidatin für die Europawahl und ehemalige Präsidentin der Arbeitnehmergruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), sowie Dr. Wieland Schinnenburg (FDP), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags, der Diskussion mit den Gästen.
BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel erklärte, er missbillige, bewährte Sicherheits-Strukturen der freiberuflichen Selbstverwaltung leichtfertig zugunsten vermeintlicher Beschäftigungseffekte zur Disposition zu stellen. „Kurzfristiges Wirtschaftswachstum ist nicht alles. Man muss alle Nebenwirkungen und Folgekosten berücksichtigen“, so Engel. Er warb für ein hohes Qualifikationsniveau der Zahnärzte in Europa. Dies sei der beste Patientenschutz.
Engel, für den der Blick nach Europa und das verstärkte Engagement der deutschen Zahnärzteschaft auf europäischer Ebene seit seinem Amtsantritt 2008 eines seiner wichtigen politischen Anliegen ist, verwies auf die Entwicklungen der vergangenen Jahre. Der Einfluss der Europäischen Union auf nationaler Ebene habe deutlich zugenommen, ihre Entscheidungen wirkten immer stärker auch auf die Zahnarztpraxen. Obwohl die EU-Mitgliedstaaten formal die Verantwortung für Organisation und Finanzierung ihrer Gesundheitssysteme hätten, sei das Gewicht Europas doch unübersehbar, so Engel.
Er erinnerte daran, dass die zahnmedizinische Versorgung in Deutschland im europäischen Vergleich einen Spitzenplatz einnehme. „Patienten profitieren von einem hohen Ausbildungsniveau der Zahnärzteschaft und einer hohen Versorgungsqualität. Dies ist diversen deutschen Spezifika zu verdanken. Deutschland agiert auf einem hohen Niveau. Dies darf nicht in Frage gestellt werden. Besser wäre es, gute Strukturen als Benchmark zu begreifen und voneinander zu lernen“, so Engel. Es müsse sichergestellt sein, dass diese Versorgungs- und Ausbildungsqualität auch in Zukunft erhalten bleibe. „Die hohe Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung ist zu gewährleisten.“
„Dazu ist es wichtig, dass die Berufsausübung frei und ohne Einfluss Dritter erfolgen kann. Zudem lehnen wir als BZÄK die überbordende Bürokratie ab. Durch eine konsequente Entbürokratisierung sollen Praxen endlich von unzumutbaren Belastungen befreit werden, bei künftigen Vorhaben und Gesetzesvorschlägen sollen zudem die bürokratischen Auswirkungen frühzeitig geprüft werden. So bleibt mehr Zeit für die Patienten“, bekräftigte er die Forderungen der Bundeszahnärztekammer zur Europawahl.
Diese gesundheitspolitischen Forderungen sind in einem europapolitischen Positionspapier formuliert, das auf dem Europatag vorgestellt wurde. Es enthält acht Kernanliegen. So fordert die BZÄK im Patienteninteresse die Sicherstellung der unbeeinflussten freien Berufsausübung, die Verabschiedung einer Europäischen Charta der Freien Berufe, die Prüfung von EU-Vorgaben auf deren bürokratische Auswirkungen, die Gewährleistung einer hohen Qualität der zahnmedizinischen Ausbildung, die Digitalisierung im Gesundheitswesen ausschließlich zum Nutzen der Patienten zu gestalten, Amalgam als notwendiges Füllungsmaterial zu erhalten, die Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen konsequent fortzusetzen und weitere Initiativen zur Verbesserung der Mundgesundheit und damit Lebensqualität der Menschen anzustoßen.