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Vertreter von Ärzte- und Zahnärzteschaft, PKV und Experten waren sich einig – Einheitsvergütungssysteme keine Lösung

Im Sitzungssaal des Gesundheitsausschusses im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestags in Berlin kamen am 24. April 2024 Abgeordnete und Experten zu einer öffentlichen Anhörung zur Novellierung von GOÄ und GOZ zusammen.

(c) starmaro/Shutterstock.com

Die Aussagen waren klar und deutlich: Die Gebührenordnungen für Ärzte und für Zahnärzte (GOÄ/GOZ) sind in ihren Leistungsbeschreibungen und Bewertungen veraltet. Sie spiegeln nicht mehr die moderne Medizin und Zahnmedizin. Die Abrechnung neuer Leistungen über Analogleistungen führe zu Irritationen und Verwirrung bei den Patientinnen und Patienten und sei längst an ihre Grenzen gekommen.

Ort dieser klaren Einordnungen war der Deutsche Bundestag, genauer gesagt die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss zu einem Antrag von CDU und CSU „Gebührenordnungen für Ärzte und für Zahnärzte jetzt novellieren“ (Bundestagsdrucksache 20/7586). Der Antrag stammt bereits vom Juli 2023, die Anhörung dazu war schon einmal für den 10. April 2024 angesetzt, dann aber wegen anderer Termine auf den 24. April 2024 verschoben wurde (was dazu führte, dass der für diesen Tag angesetzte „Europatag“ der Bundeszahnärztekammer abgesagt werden musste, weil alle Teilnehmenden die Anhörung wahrnehmen mussten.) Für die Zahnärzteschaft war die Vizepräsidentin der Bundeszahnärztekammer (BZÄK), Dr. Romy Ermler, als Expertin geladen. Sie ist im Geschäftsführenden Vorstand der BZÄK für das Thema GOZ zuständig. Die BZÄK hatte im Vorfeld auch eine schriftliche Stellungnahme zum Antrag der Unionsfraktion eingereicht.

Die Unionsfraktion fordert in ihrem Antrag die Bundesregierung dazu auf, eine Novelle der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ) in Form einer Rechtsverordnung unverzüglich auf den Weg zu bringen. Zudem sollte ein Mechanismus etabliert werden, der eine regelmäßige Anpassung der Gebührenordnungen mit Blick auf den medizinischen Fortschritt und die Kostenentwicklung ermögliche.

BZÄK hält Gebührenordnung für veraltet

Die Mehrheit der Fragen der Abgeordneten im Gesundheitssausschuss befassten sich mit der GOÄ und der Ärzteschaft. Zwei Fragen in der gut einstündigen Anhörung (die Aufzeichnung ist in der Mediathek des Bundestags verfügbar) richteten sich gezielt auf die GOZ und an die BZÄK. Der Bundestagsabgeordnete Christian Bartelt (FDP), selbst Zahnarzt, fragte, wie sich die BZÄK zur GOZ-Novellierung und einer Option einer Einheitsgebührenordnung positionieren. Dr. Christina Baum (AfD), ebenfalls Zahnärztin, richtete ihre Frage auf die Wirkung der veralteten GOZ auf die Bereitschaft junger Zahnärztinnen und Zahnärzte, sich niederzulassen. Sie und ihr Mann hätten ihre Praxis zum 31. März 2024 an einen Nachfolger übergeben können, aber viele Praxen fänden keine Nachfolger, führte sie aus.

Ermler machte in ihren Antworten deutlich, dass nach Ansicht der Bundeszahnärztekammer eine Novelle der GOZ dringend notwendig sei. Die GOZ sei fachlich wie betriebswirtschaftlich veraltet und als Abrechnungsgrundlage für eine moderne Versorgung nicht mehr oder nur noch bedingt geeignet. Seit 1988 habe es keine Anpassung des für die Abrechnung relevanten Punktwerts an veränderte gesamtwirtschaftliche oder strukturelle Verhältnisse in Zahnarztpraxen gegeben, wie sie an den Beträgen von 11 Pfennig/ 5,62421 Cent und Beispielen deutlich machte. „Ausnahmslos alles ist teurer geworden – außer die Leistungen der Zahnärztinnen und Zahnärzte“. Sie bekomme für das Entfernen eines Zahns heute genau so viel wie vor 30 Jahren. „Ein wöchentlich erscheinendes Politikmagazin kostete 1988 umgerechnet 2,30 Euro, heute 4,99 Euro. Ein Preisanstieg von mehr als 100 Prozent.“

„Viele 1988 fachlich korrekte Leistungen werden heute als fachlich überholt nicht mehr erbracht. Manche Leistungen haben ihr Gesicht völlig verändert. Und inzwischen gibt es über 160 zahnärztliche Leistungen, die in der GOZ nicht beschrieben sind.“ Damit diene eine Novellierung der GOZ auch den Patientinnen und Patienten.

Entwertung des zahnärztlichen Honorars

Die Realwertentwicklung des durchschnittlichen Einnahmeüberschusses sei auf lange Sicht rückläufig. Inflationsbedingt sei das Honorar der Zahnärzte seit 1988 um knapp 109 Prozent entwertet worden. Auch die Teilnovellierung 2012 habe daran nichts Wesentliches geändert. Rund 100 Leistungen seien inzwischen in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Bema) höher bewertet als in der GOZ. Ermler erklärte, junge Zahnärzte würden angesichts der steigenden Kosten, die in der GOZ nicht abgebildet sind, davon abgeschreckt, sich niederzulassen. Das mache die Versorgung insbesondere im ländlichen Raum zunehmend problematisch.

BÄK: Novelle der GOÄ ist überfällig

Ähnlich argumentierte die Bundesärztekammer, für die ihr Präsident Dr. Klaus Reinhardt den Abgeordneten Rede und Antwort stand. Die Novelle der GOÄ sei überfällig. Die aktuell gültige GOÄ stamme im Wesentlichen aus dem Jahr 1982 und sei 1996 nur teilnovelliert worden. Sie bilde weder den medizinischen Fortschritt ab noch die Kosten- und Preisentwicklung der vergangenen Jahrzehnte. Ärztliche Leistungen, die in der GOÄ nicht enthalten seien, müssten über oft komplizierte Analogbewertungen abgerechnet werden.

Entwurf für GOÄ-Leistungsverzeichnis liegt vor

Die BÄK habe mit Experten einen Entwurf für das Leistungsverzeichnis einer neuen GOÄ erarbeitet. Die Bundesregierung müsse auf Basis der Vorarbeiten eine Novelle der GOÄ endlich auf den Weg bringen. Das sei auch im Sinne der Patienten, betonte Reinhardt in der Anhörung, denn die Rechnungen müssten nachvollziehbar bleiben.

Darauf wies auch der Sachverständige Dr. Helmut Weinhart vom Spitzenverband Fachärzte Deutschland (SpiFa) hin. Es sei für Patientinnen und Patienten völlig unverständlich, wenn für eine Leistung bei einem Facharzt für die Abrechnung dann eine Leistung aus einer völlig anderen Fachrichtung angeführt werde, weil diese in der Analogabrechnung passe. Ganze Leistungsbereiche seien in der GOÄ gar nicht abgebildet, weil sie erst nach der letzten Novelle entstanden seien. Das betonten auch Reinhardt und Dr. Florian Reuther, Verbandsdirektor des Verbands der Privaten Krankenversicherung, in ihren Statements. Ebenfalls betont wurde, dass die privaten Gebührenordnungen die GKV-Versorgung stützten und ohne sie neue Verfahren und Leistungen nicht so zügig in die Versorgung eingeführt werden würden.

Harmonisierung ja, Einheitssystem nein

Unterstützung bekamen die Vertreter der Ärzte- und Zahnärzteschaft durch die geladenen Experten. So verwies Prof. Dr. Ferdinand Gerlach darauf, dass GOÄ und GOZ überholt seien und die immer wieder geforderte Zusammenführung von privater Gebührenordnung und Leistungskatalog und Abrechnung in der GKV schon systematisch an Grenzen stoße. Er verwies auf das Sachverständigengutachten zu einem modernen Vergütungssystem von Dezember 2019.

Eine private Gebührenordnung müsse die korrekte Abrechnung erbrachter Leistungen mit dem Patienten und in der Folge mit den Kostenerstattern abbilden. In der Gesetzlichen Krankenversicherung hingegen gebe es neben Einzelleistungen viele Pauschalleistungen und Leistungsgruppen, deren Bewertung auch mit bestimmten Anreizen versehen werde, um Intentionen des Gesetzgebers hinsichtlich der Gesundheit der Bevölkerung/Versorgungslage etc. zu incentivieren. So sei zwar eine Harmonisierung der Gebührenordnungen und der Kataloge vom EBM und Bema denkbar, eine parallele wirtschaftliche Bewertung aber nicht.

Anpassungen in kurzen Zeitabständen gefordert

Der Gesundheitsökonom Prof. Dr. Jürgen Wasem schloss sich den Forderungen der Ärzte und Zahnärzte an und unterstrich auch die Feststellungen Gerlachs – auch wenn er nicht Mitglied der Kommission gewesen sei, wie er betonte. Als Mitglied im Erweiterten Bewertungsausschuss erlebe er immer wieder, wie häufig Anpassungen erforderlich seien und wie schwierig dies oft sei. Es sei nötig, die Gebührenordnungen zu aktualisieren, um den medizinischen Fortschritt durch die Aufnahme neuer Leistungen abzubilden. Das Vergütungsniveau müsse ebenfalls angepasst werden. Hier gelte es, einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen der Ärzte und Zahnärzte einerseits und den Kostenträgern andererseits zu finden.

„Politikversagen“ und Arbeitsverweigerung

Wasem plädierte dafür, die Gebührenverzeichnisse in der Zukunft in kurzen Zeitabständen anzupassen. Angesichts der aus seiner Sicht überfälligen Reform der Gebührenordnungen und der Verlagerung der Novellierungsaufgabe der GOÄ auf BÄK und PKV durch einen früheren Bundesgesundheitsminister sprach Wasem in der Anhörung von einem eklatanten Politikversagen, das überwunden werden müsse. Das, was bei der GOÄ-Novellierung jetzt seit 2013 passiere, grenze an Arbeitsverweigerung.

Von Sachlichkeit geprägte Anhörung

Insgesamt war die Anhörung vonseiten der Abgeordneten und der Sachverständigen und Experten von großer Sachlichkeit und Informiertheit auch bei den Abgeordneten geprägt. Es war kein Trend in Richtung einer Einheitsversicherung oder Einheitsgebührenordnung in den Fragen erkennbar – vielleicht auch, weil viele der Abgeordneten selbst Mediziner/Zahnmedizier oder im Gesundheitswesen tätig sind. Die Statements der unabhängigen Sachverständigen unterstützten die Forderung nach einer Novellierung von GOÄ und GOZ und einer neu einzuführenden Regelung für eine regelmäßige Anpassung von Leistungskatalogen und Bewertungen. Der Ausschuss wird nun eine Beschlussempfehlung zum Unions-Antrag erstellen. Wann der Antrag dann in das Plenum des Bundestags eingebracht und wie er dort beraten wird, steht noch nicht fest. (MM)

Mit Material der Bundeszahnärztekammer und des Deutschen Bundestags.

Quelle: Quintessence News Politik Wirtschaft Abrechnung

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