Nach den Jägern und anderen Berufsgruppen hat der Satiriker Jan Böhmermann in seiner für das ZDF produzierten Sendung „ZDF Magazin Royale“ am 8. März 2024 die Zahnärzte aufs Korn genommen. Drei Themen spießte Böhmermann in seiner Sendung „Alles für ein schönes Lächeln“ mit dem Hashtag „#ZDFMagazinDental“ auf: Die Professionelle Zahnreinigung (PZR), die Kieferorthopädie und den Bereich Fortbildung.
Die PZR sei eine der wichtigsten Privatleistungen bei Zahnärzten, ihre Wirksamkeit aber nicht in Studien nachgewiesen, griff er eine altbekannte Kritik auf. Die Kritik und die Informationen waren unterhaltsam aufbereitet, aber eher oberflächlich. Entsprechend ausgewählte Einspieler von Social-Media-Kanälen mit (mehr oder weniger bekannten) Zahnärzten oder Fachpersonal dienten als Illustration.
Thema Geld schwingt immer mit
Auch bei der Kieferorthopädie gab es das Übliche. Hier kam ebenfalls die Frage, ob kieferorthopädische Behandlungen über die „geraden Zähne“ hinaus einen Nutzen für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten haben. Das Thema „Zahnärzt:innen wollen Geld verdienen“ schwang dabei zwar immer mit, wurde aber nicht sehr plakativ herausgestellt.
Kritik an Fortbildungsinhalten
Anders war das beim Thema Pflichtfortbildungen und dem, was sich da auf dem Fortbildungsmarkt tummelt und auch bei Zahnärztekammern so angeboten und mit Fortbildungspunkten bedacht wird. Neben altem Videomaterial (2009) aus einem „Verkauftstraining“ eines Profi-Trainers wurden unter anderem ein „Verkaufswebinar“ der ZA und ein Seminar vom FVDZ-Sommerkongress 2019 auf Sylt herangezogen und von Böhmermann parodiert und kommentiert.
Aus Sicht Böhmermanns „abenteuerliche“ Angebote auf den Kammerseiten wie „Face-Mapping“ zur Patientenkommunikation (Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg), oder „Verkaufsförderung“ der Zahnärztekammer Hamburg und der Bayerischen Landeszahnärztekammer wurden ebenfalls gezeigt. Die zitierten Kammern seien dazu angefragt worden, bei der Kammer Bayern seien die Hinweise auf „Verkaufsinhalte“ daraufhin gelöscht worden, erklärte Böhmermann in der Sendung.
Nonsens-Fortbildungsinhalte platziert
Wie einfach man auch Nonsens-Inhalte bei Kammern einstellen und dafür auch noch Fortbildungspunkte bekommen kann, hatte das Böhmermann-Team auch vorgeführt. So wurden vor allem in den Online-Fortbildungskalender der LZKBW Online-Veranstaltungen wie „Asbest-Implantate – Die überraschenden Eigenschaften von Asbest-Sand-Mixturen“, „ParoNoditis – wie man mit Heilsteinen gekonnt NEIN zu Zahnfleischentzündungen sagen“, „Wenn der Doktor will, wirst du wieder geweckt?!? – wie man anästhesiologische Humorfettnäpfchen in der Patientenberatung vermeiden kann“ und „Online-Seminar: Richtiges Abrechnen von Cashmoney pur“ platziert, zum Teil nachts um 3 Uhr, und von der Kammer mit Fortbildungspunkten versehen. Auch „Forever young – Milchzahn-Veneers als Produkt der Zukunft“ schaffte es in den Kalender.
Die Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt hatte einen beantragten Kurs „Zahnfleischhypnose – Grundlagen der Entspannungsfähigkeit im Mundraum“ per E-Mail bestätigt und dafür Punkte gewährt. Und die Zahnärztekammer Hamburg „Interaktive und kreative Praxis – Gemeinsames Brainstorming mit Patient*innen zu möglichen Behandlungen“ genehmigt und mit vier Fortbildungspunkten bedacht. Man habe so viele Nonsens-Fortbildungen bei so vielen Kammern platziert, dass man inzwischen den Überblick verloren habe, erklärte der Satiriker in der Sendung am 8. März 2024.
Fortbildungsseiten nicht mehr zu finden
Die in der Sendung gezeigten Beispiele waren am Montag (letzter Aufruf 12 Uhr mittags) allerdings nicht mehr zu finden. Der Fortbildungskalender der Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg existiert aktuell nicht. Bei der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt können ohnehin keine Fortbildungen eingestellt werden.
Update: Die LZKBW teilte am Montagnachmittag (17.04 Uhr eingegangen) in ihrem Newsletter „Kammer kompakt“ Folgendes mit: „Am Freitag, 1. März erhielten alle Pressestellen der Landeszahnärztekammern und die BZÄK eine Anfrage des ZDF Magazins Royale. Für die geplante Sendung zur Zahnmedizin in Deutschland wurde der LZK die Gelegenheit zur Stellungnahme bis Montag, 4. März eingeräumt und ein Fragenkatalog mit vier Fragen zum Fortbildungskalendarium übermittelt. Die LZK hat die Stellungnahme fristgerecht im Namen des Präsidenten abgegeben. Aufgrund der tendenziösen Berichterstattung in der Satiresendung am Freitag, 8. März und der Überflutung des Fortbildungskalendariums mit Fake-Fortbildungen, musste die LZK ihr externes Fortbildungskalendarium sowie die Selbsteintragung im Bereich der Zahnärzte und des Praxisteams vorübergehend deaktivieren. Wir bedauern, dass unser liberales Fortbildungssystem, das auf Eigenverantwortung setzt statt auf Kontrolle, missbraucht wurde und nun den Kolleginnen und Kollegen, die ihre beruflichen Kompetenzen fortentwickeln wollen, vorübergehend nicht mehr zur Verfügung steht.“
Weitgehend unaufgeregte Reaktionen aus der Zahnärzteschaft
Die ersten Reaktionen aus der zahnmedizinischen Community auf Social Media waren weitgehend unaufgeregt, nicht wenige fühlten sich durchaus gut unterhalten. Man wisse ja, was einen bei Böhmermann erwarte, hieß es oft. Es sei das übliche Zahnärzte-Bashing, so andere. Dazu kam die inzwischen übliche Kritik an den öffentlich-rechtlichen Medien, den Rundfunkbeiträgen und am sechsstelligen Honorar, dass der Satiriker vom ZDF erhalte.
Kritisiert wurde die schlechte Recherche der Böhmermann-Redaktion. Erwartet wurde ein höherer Erklärungsaufwand für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Praxis gegenüber den Patienten, vor allem in Sachen PZR. Das sei alles nichts Neues, hieß es. Für einiges Amüsement, aber auch Kritik an den eigenen Standesorganisationen sorgten die von Böhmermanns Redaktion platzierten Nonsens-Fortbildungen. (MM)
Zwischenruf
Dass man bei Jan Böhmermann und seinem „ZDF Magazin Royale“ – das im ZDF übrigens unter „Comedy“ läuft – keine seriös-sachliche Berichterstattung erwarten sollte, hat sich inzwischen herumgesprochen. Verglichen mit dem, was der Satiriker (nicht Journalist) Böhmermann mit seiner Redaktion sonst schon so verteilt hat, war die Sendung vom 8. März 2024 eher harmlos und oberflächlich. Da war nichts dabei, was nicht schon andernorts und schärfer zum Beispiel in Ratgebersendungen etc. thematisiert worden war. Manches, wie wohl der breit lächelnde Böhmermann als Hinweis auf die Kampagne „Lächeln für Deutschland“ des Freien Verbands Deutscher Zahnärzte, war nur für sehr aufmerksame Insider direkt zu erkennen. Für die Zahnärztinnen und Zahnärzte, die mit ihren Teams täglich daran arbeiten, ihre Patientinnen und Patienten zu besserer Mundhygiene zu motivieren, könnte sich nach der Sendung – wieder einmal – mehr Erklärungsbedarf zur PZR ergeben.
Entlarvend war allerdings der Teil über die mit Punkten bedachten Fortbildungsangebote, die sich auch bei vielen Zahnärztekammern finden. Es war schon erschreckend zu sehen, wie leicht man bei vielen Zahnärztekammern offensichtlich ohne jegliche fachliche Prüfung Nonsens-Angebote mit offiziellen Fortbildungspunkten bewertet bekommt oder gar selbst in die Online-Fortbildungskalender eintragen kann.
Das ist seit Einführung der Pflichtfortbildungen und der Fortbildungspunkte ein Dauerbrennerthema, gerade reine „Verkaufsthemen“, aber auch wissenschaftlich Fragwürdiges und eher in die Esoterik-Richtung gehende Angebote werden immer wieder im Berufsstand kritisiert. Da beruft man sich auf der einen Seite auf die wissenschaftliche, evidenzbasierte ZahnMedizin, bedenkt aber auf der anderen Seite Veranstaltungen, die diesen Ansprüchen in keiner Weise genügen, mit Fortbildungspunkten. Diese Angriffsfläche dürfen die Zahnärztekammern einfach nicht geben! Wer das zulässt, diskreditiert damit nicht zuletzt die guten Angebote und die Arbeit der eigenen Fortbildungsakademien, und leistet der eigenen Kollegenschaft einen Bärendienst.
Vielleicht sollte man den Begriff „verkaufen“ am besten ganz aus Fortbildungstiteln streichen, egal ob Kammerfortbildung oder privater Anbieter. Wir sind in den Zeiten des „shared decision making“, Patientinnen und Patienten wollen informiert und aufgeklärt werden und dann mitentscheiden können. Die Zahnmedizin hat nun einmal den Vorteil – und manchmal auch den Fluch –, dass es oft mehrere, unterschiedlich funktionale, ästhetische und finanziell aufwendige Lösungen für ein Problem gibt, unter denen der Patient wählen kann. Und es ist politisch gewollt, dass in vielen Bereichen nur die medizinisch notwendigen und wirtschaftlich ausreichenden Regelleistungen von der Gesetzlichen Krankenversicherung übernommen werden. Das haben die Patientinnen und Patienten längst verstanden. Prävention vermeidet Kosten, auch das ist bei vielen angekommen und sie erleben es selbst.
Dr. Marion Marschall, Berlin
Aktualisiert am 11. März 2024, 17.15 Uhr, um die Meldung der LZK Baden-Württemberg. -Red.
Nachtrag 12.03.2024, 14.40 Uhr: In der ursprünglichen Fassung des Beitrags hieß es, dass die Fortbildungen bei den Zahnärztekammern Hamburg und Sachsen-Anhalt nicht mehr zu finden waren. Korrekt ist, dass bei der ZÄK Sachsen-Anhalt keine Fremdfortbildungen eingestellt werden können, die Böhmermann-Redaktion hatte dort nur Fortbildungspunkte für eine Nonsens-Veranstaltung beantragt und erteilt bekommen. Wir haben das nach einem entsprechenden Hinweis korrigiert. -Red.