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Durch MTA-Matrizen-Technik können selbst bei Ausdehnung bis zum Knochenniveau chirurgische oder kieferorthopädische Maßnahmen vermieden werden

Röntgenmessaufnahme von Zahn 27 nach Verschluss der distalen Perforation.

(c) Mente et al.

Die Restauration von Zähnen mit sehr tiefen Hartsubstanzdefekten mit Ausdehnung bis zum Knochenniveau stellen Behandlerinnen und Behandler vor große Herausforderungen. Um die Restaurierbarkeit solcher Zähne zu ermöglichen, sind vorausgehende Maßnahmen wie eine chirurgische Kronenverlängerung, eine chirurgische oder auch die forcierte kieferorthopädische Extrusion Therapieoptionen. Mit dem vorliegenden Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 1/2023 stellen die Autoren um Prof. Johannes Mente die „MTA-Matrizen-Technik“ als neue Restaurationstechnik vor, mit deren Hilfe unter Verwendung von „Mineral trioxide aggregate“ (MTA) das Eindringen von Blut und Sulkusflüssigkeit suffizient verhindert werden kann, sodass extrem tiefe Zahnhartsubstanzdefekte suffizient ohne zusätzliche chirurgische oder kieferorthopädische Maßnahmen mithilfe von Komposit restauriert werden können. Das klinische Vorgehen wird Schritt für Schritt beschrieben, klinische sowie radiografische Ergebnisse von drei Behandlungsfällen über Zeiträume von drei bis 4,5 Jahren werden vorgestellt.

Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.

Einleitung

Ein Zahn mit einem ausgedehnter Kronen-Wurzel-Defekt, der bis in den epikrestalen Bereich reicht, wie in Abbildung 1a dargestellt, kann je nach pulpaler oder parodontaler Beteiligung zahlreiche Symptome aufweisen. Mikroorganismen können von der Mundhöhle aus in diesen Bereich eindringen, was in der Regel zu einer lokalen parodontalen Entzündung führt. Dies kann sich als lokaler Attachmentverlust und Bluten auf Sondieren („Bleeding on probing“, BOP) äußern (Abb. 1a).

Abb. 1a bis c Zeichnung eines Zahns mit einer resorptiven oder kariösen Läsion, die bis zum Knochenniveau reicht. Typischerweise führt die parodontale Sondierung in diesem Bereich zu einer Blutung nach Sondierung („Bleeding on probing”, BOP; a). Zeichnung desselben Zahns nach Entfernung von Karies oder resorptivem Weichgewebe und Einsetzen eines Metallmatrizenbands (b). Der Spalt zwischen dem unteren Rand des Matrizenbandes und dem krestalen Knochen wird mit einer dünnen Schicht „Mineral trioxide aggregate” (MTA) verschlossen (s. rot eingekreister Bereich). Koronal und hinter dem MTA-Zement besteht die gesamte Restauration der Kavität aus weißem Komposit (WK) und im sichtbaren Bereich aus zahnfarbenem Komposit (ZFK; c) .
Abb. 1a bis c Zeichnung eines Zahns mit einer resorptiven oder kariösen Läsion, die bis zum Knochenniveau reicht. Typischerweise führt die parodontale Sondierung in diesem Bereich zu einer Blutung nach Sondierung („Bleeding on probing”, BOP; a). Zeichnung desselben Zahns nach Entfernung von Karies oder resorptivem Weichgewebe und Einsetzen eines Metallmatrizenbands (b). Der Spalt zwischen dem unteren Rand des Matrizenbandes und dem krestalen Knochen wird mit einer dünnen Schicht „Mineral trioxide aggregate” (MTA) verschlossen (s. rot eingekreister Bereich). Koronal und hinter dem MTA-Zement besteht die gesamte Restauration der Kavität aus weißem Komposit (WK) und im sichtbaren Bereich aus zahnfarbenem Komposit (ZFK; c) .

Die Restaurierung solcher Defekte erfordert trockene Bedingungen, insbesondere bei der Verwendung von Komposit mithilfe der Adhäsivtechnik. Das Eindringen von Blut oder Sulkusflüssigkeit während der Kompositapplikation muss daher unbedingt vermieden werden. Folglich sind tiefe subgingivale Hartsubstanzdefekte, die durch nicht restaurierbare Karies, externe zervikale Wurzelresorptionen oder tiefe Höckerfrakturen verursacht werden, oftmals Ursachen für den Verlust von Zähnen, auch wenn diese bereits wurzelkanalgefüllt sind38,40,42.

Ein Problem, welches bei der Restauration von derart tief zerstörten Zähnen oft besteht, ist dass der Restaurationsrand so tief subgingival lokalisiert ist, dass er bis zum Knochenniveau reicht. Das suprakrestale Gewebeattachment („Supracrestal tissue attachment“, STA), früher als „biologische Breite“ bezeichnet, setzt sich aus dem Saumepithel und dem suprakrestalen Bindegewebe zusammen17. Eine Verletzung der STA ist mit Zahnfleischentzündungen, dem Verlust des parodontalen Attachments und lokalisiertem Knochenabbau assoziiert13,29,30.

Um eine Verletzung der STA durch eine Restauration zu vermeiden, stehen in der Regel drei Behandlungsoptionen zur Verfügung: die chirurgische Kronenverlängerung, die forcierte kieferorthopädische beziehungsweise auch eine chirurgische Zahnextrusion. Eine chirurgische Kronenverlängerung wird häufig bei tiefer subgingivaler Karies, ausgedehnten zervikalen Wurzelresorptionen oder nach Kronen-Wurzel-Frakturen durchgeführt4,15. Dies kann jedoch zu einem Attachmentverlust mit unerwünschten ästhetischen Resultaten führen, das Kronen-Wurzel-Verhältnis ungünstig beeinflussen oder eine Furkationsbeteiligung zur Folge haben4,15. Ein alternativer Therapieansatz ist die forcierte kieferorthopädische Zahnextrusion in Kombination mit einer Fibrotomie, das heißt mit einer Durchtrennung der suprakrestalen Attachmentfasern16,33. Dies führt zwar zu ästhetisch ansprechenderen Ergebnissen, ist aber aufwendiger und teurer als eine chirurgische Kronenverlängerung.

Die chirurgische Extrusion ist die dritte Behandlungsoption, um eine Verletzung des STA langfristig zu vermeiden. Sie ist im Vergleich zur kieferorthopädischen Extrusion einfacher und weniger zeitaufwendig6. Die Prognose nach einer chirurgischen Extrusion scheint günstig zu sein, und die Zahl der Misserfolge ist gering6,9,24. Als Nachteil dieser Behandlungsoption sind das geringe Risiko einer erhöhten Zahnbeweglichkeit, eines marginalen Knochenverlusts und von Wurzelresorptionen (überwiegend nicht progredient) zu nennen, obwohl die Evidenz aus den vorhandenen Studien und Fallserien eher limitiert ist6,9. Diese Behandlungsoption wird vor allem bei einwurzeligen Zähnen nach Kronen-Wurzel-Fraktur angewandt6,9,18.

Mit der „MTA-Matrizen-Technik“ stellen die Autoren eine Technik vor, die es ermöglicht, bei Zähnen mit Hartsubstanzdefekten, die bis zum Knochenniveau reichen, unter trockenen Bedingungen eine suffiziente Kompositfüllung applizieren zu können, ohne dass es dabei zu den beschriebenen Folgen zu kommen scheint, die mit der Verletzung der STA assoziiert sind. Diese Technik ist somit eine Alter-native zur chirurgischen Kronenverlängerung und der chirurgischen oder kieferorthopädischen Extrusion.

Schritt-für-Schritt-Beschreibung der „MTA-Matrizentechnik“

Nach erfolgter Lokalanästhesie sollte – falls vorhanden – Karies exkaviert oder Resorptionsgewebe entfernt werden, wenn es sich um einen resorptiven Defekt handelt. Anschließend wird ein Metall-Matrizenband (zum Beispiel Tofflemire, 1102/30;  KerrHawe, Schweiz) sehr tief in den Sulkus des betreffenden Zahns appliziert (Abb. 1b) und sofort mit einem entsprechenden Matrizenhalter (Tofflemire Matrix Band Holder) fixiert, um eine koronale Dislozierung des Bandes zu verhindern. Die Autoren bevorzugen ein MOD Tofflemire-Matrizenband, das mithilfe einer scharfen gebogenen Schere individuell angepasst werden kann, um das tiefe Einführen in den Sulkus zu erleichtern.

Der untere Rand des Matrizenbandes kann oft nicht vollständig an den Zahn adaptiert werden (Abb. 1b und c), sodass ein kleiner Spalt zum umliegenden Gewebe entsteht, durch den Flüssigkeit (Blut oder Sulkusflüssigkeit) in den Restaurationsbereich sickern kann. Der Spalt wird dann durch die Applikation von „Mineral trioxide aggregate“ (MTA) am unteren Ende des Matrizenbandes abgedichtet, um trockene Bedingungen für die Kavitätenversorgung mithilfe eines lichthärtenden Komposits zu schaffen (Abb. 1c). Diese Methode kann auch in subkrestalen Kavitäten dazu dienen, ein zu kurzes, nicht bis zum Knochengewebe reichendes Matrizenband durch den applizierten MTA-Zement quasi geringfügig zu verlängern.

Der MTA-Zement sollte vorzugsweise in winzigen Portionen mit einer MTA-Pistole (MAP-System, gelbe Kanüle Ø 0,90 mm, Produits Dentaires, Schweiz) appliziert werden. MTA kann mit einem kleinen abgerundeten Stopfer (HWH 155-00, Hammacher) oder bei sehr engen Spalten mithilfe einer Parodontalsonde (PCPUNC 15; Hu-Friedy) in dem Spalt kondensiert werden. Geringfügig überschüssiger MTA-Zement kann mithilfe eines kleinen sterilen, feuchten Wattepellets (unter Verwendung einer Chlorhexidin-Lösung) vorsichtig entfernt werden. Abschließend sollte die dünne MTA-Schicht stets mithilfe eines feuchten Wattepellets erneut komprimiert werden. Auf diese Weise wird das somit nochmals verdichtete MTA durch das anschließende Ätzen und Spülen sowie das Aufbringen von Primer und Bonding nicht ausgewaschen, selbst wenn die MTA-Schicht sehr dünn ist. Dieses Vorgehen ermöglicht eine sofortige Restauration des Zahns. Nach der Applikation und Komprimierung des MTA-Zements wird das Dentin mit 37-prozentiger Phosphorsäure 20 Sekunden lang geätzt und anschließend mindestens 30 Sekunden lang mit Wasser abgespült. Dann kann ein lichthärtendes Adhäsivsystem (zum BeispielOptibond FL, Kerr) appliziert werden. Nach diesem Schritt werden in kleinen Portionen einige Schichten fließfähiges weißes Komposit (Tetric EvoCeram Bleach XL flow, Ivoclar Vivadent, Liechtenstein) appliziert.

Weißes Komposit (WK) hat den Vorteil, dass dieses tief applizierte Komposit deutlich zu erkennen ist. Hierfür kann zum Beispiel eine flexible Kunststoffkanüle (Capillary Tip Ø 0,35 mm, Ultradent) zum Einsatz kommen, die auf die Spitze einer Kompositkarpule aufgesetzt werden kann. Wenn Flow-Komposit aus einer Kompositspritze verwendet wird, können auch Metallkanülen mit verschiedenen Durchmessern am Luer-Lock-Anschluss der Spritze adaptiert werden. Für eine optimale Lichtpolymerisation empfiehlt es sich, eine spezielle Polymerisations-lampe (Valo-LED-Lichthärtegerät, Ultradent) mit adaptierbarem Lichtleiteraufsatz (EndoGuide Linse für Valo-LED-Lichthärtegerät) zu verwenden (siehe auch Fall 1, Abb. 2e). Im weiter koronal befindlichen, sichtbaren supragingivalen Bereich bietet sich die Verwendung von zahnfarbenem Komposit (ZFK) an ( Abb. 1c). Die Entfernung beziehungsweise das Glätten des MTA-Überschusses nach Matrizenentfernung ist nicht erforderlich. Die Autoren empfehlen die Verwendung eines dentalen Operationsmikroskops während des gesamten Behandlungsablaufs.

Fall 1

Ein 45-jähriger männlicher Patient wurde mit einer unregelmäßigen, asymmetrischen Radioluzenz an Zahn 11 überwiesen (Abb. 2a). Der Patient hatte keine Beschwerden und alle Oberkieferfrontzähne sprachen normal auf Sensibilitätstests (Kälte- und elektrischen Pulpatest) an. Die Sondierungstiefen (ST) an diesem Zahn lagen im physiologischen Bereich. Die klinische Untersuchung ergab an Zahn 11 eine rötlich-transluzente Verfärbung mit einer kleinen, lokalisierten Perforation palatinal im Bereich der Schmelz-Zement-Grenze (Abb. 2b). Da angesichts der präoperativen Röntgenaufnahme (Abb. 2a) und den oben beschriebenen klinischen Anzeichen der Verdacht auf eine invasive zervikale Resorption (IZR) bestand, wurde zur weiteren Abklärung eine kleinvolumige digitale Volumentomografie (DVT) akquiriert (Abb. 2c). Anhand aller klinischen und röntgenologischen Befunde wurde an Zahn 11 eine invasive zervikale Resorption diagnostiziert (Klasse 4 entsprechend der Klassifikation von Heithersay)14.

Der Patient wünschte den Erhalt des Zahns. Er stimmte dem vorgeschlagenen Therapieplan zu, der die Entfernung des Resorptionsgewebes, die Restauration sowie die interne Stabilisierung des Zahns mit lichthärtendem Komposit und eine Wurzelkanalbehandlung (WKB) vorsah. Der Patient wurde über Therapiealternativen aufgeklärt (Extraktion und anschließende Versorgung der Schaltlücke mit einer Klebebrücke oder eine implantatgetragene Versorgung).

Nach der Trepanation von Zahn 11 wurde das Resorptionsgewebe von der palatinalen Seite der Krone mithilfe von Mueller-Bohrern (Komet Dental,  Brasseler) entfernt. Zur Rekonstruktion der palatinalen Strukturen des Zahns wurde die „MTA-Matrizen-Technik“ in der oben beschriebenen Weise angewandt ( Abb. 1b und c sowie Abb. 2d und e). Dadurch konnte die weitere Behandlung unter absoluter Trockenlegung mit Kofferdam (Roeko Dental Dam, Roeko) durchgeführt werden. Der Wurzelkanal wurde mithilfe von rotierenden Nickel-Titan-Instrumenten (Reciproc) und Handfeilen (VDW) aufbereitet. Während der Wurzelkanalaufbereitung erfolgten kontinuierliche Spülungen vorwiegend mit Natriumhypochlorit 3 Prozent (Hedinger). Anschließend erfolgte eine medikamentöse Einlage von Calciumhydroxid (Apotheke, Universitätsklinikum Heidelberg). Nach zwei Wochen wurde der offene Apex des Wurzelkanals mit einem MTA-Plug verschlossen. Aufgrund des umfangreichen Hartsubstanzverlustes wurde das restliche Wurzelkanalsystem, einschließlich der Zugangskavität, in sehr kleinen Inkrementen mithilfe von Komposit (Tetric evo ceram bleach flow, Ivoclar Vivadent) aufgefüllt, um das Frakturrisiko für die Wurzel dieses Zahns zu verringern19,41. Die oben bereits erwähnte Polymerisationslampe (Valo-LED-Lichthärtungsgerät) mit dem adaptierbaren Glasfaseransatz (EndoGuide-Linse für Valo-LED-Lichthärtungsgerät) wurde verwendet, um auch in tiefen Wurzelregionen eine optimale Lichtpolymerisation zu gewährleisten (vgl. Abb. 2e). Das postoperative Röntgenbild zeigte eine homogene Wurzelkanalfüllung aus Komposit mit einem apikalen MTA-Plug (Abb. 2f).

Die klinischen und röntgenologischen Befunde bei den Nachuntersuchungen, die sechs Monate, ein Jahr und drei Jahre nach der Behandlung durchgeführt wurden (Abb. 2g bis i), zeigten keine klinischen oder röntgenologischen pathologischen Befunde und der Zahn blieb vollständig asymptomatisch. Ein nach einem Jahr angefertigtes DVT zeigte keine Anzeichen für eine persistierende Wurzelresorption, periapikale Pathologie oder einen Knochenverlust in der Region der tief subgingivalen Kompositfüllung und des epikrestalen MTA-Randes (Abb. 2g). Während des gesamten Nachbeobachtungszeitraums lagen die ST am Zahn 11 im Bereich von 2 bis 4 mm ohne BOP, was auf gesunde parodontale Verhältnisse hindeutet, auch im Bereich der tief subgingivalen Füllung auf der palatinalen Seite des Zahns (Abb. 2i).

Fall 2

Eine 44-jährige Patientin wurde mit anhaltenden Schmerzen an Zahn 27 einen Monat nach einer WKB von alio loco überwiesen. Die klinische Untersuchung ergab eine Perkussionsempfindlichkeit an diesem Zahn. Die Erhebung der parodontalen ST am schmerzhaften Zahn und dem Nachbarzahn zeigte eine isolierte Tasche von 6 mm mit ausgeprägtem BOP im distalen Bereich von Zahn 27. Die übrigen ST an diesem Zahn und alle ST am Nachbarzahn 26 lagen zwischen 2 bis 3 mm ohne BOP. Ein vor der WKB vom überweisenden Zahnarzt angefertigtes DVT in Regio 027 zeigte einen transluzenten Bereich im distalen zervikalen Bereich von Zahn 27, der einer IZR der Heithersay-Klasse 3 entsprach (Abb. 3a).

Auf dem Röntgenbild nach der WKB von Zahn 27, das vom überweisenden Zahnarzt angefertigt wurde, zeigte sich, dass die perforierende Resorption – entsprechend der Eintrittspforte der IZR31 – distal im Bereich der Schmelz-Zement-Grenze alio loco nicht verschlossen worden war (Abb. 3b, s. Pfeil).

Aufgrund dieser klinischen und röntgenologischen Befunde wurde bezüglich Zahn 27 die Diagnose eines bereits wurzelkanalgefüllten Zahns mit symptomatischer apikaler Parodontitis sowie einer invasiven zervikalen Resorption (Klasse 3 entsprechend der Klassifikation von Heithersay) gestellt. Mit der Patientin wurden die Vorteile und Risiken einer Revision der Wurzelkanalbehandlung mit Verschluss der distal am Zahn perforierenden Resorption besprochen. Die Patientin entschied sich für den Erhaltungsversuch des Zahns.

Die präendodontische Restauration der perforierenden resorptiven Kavität auf der distalen, zervikalen Seite des Zahns erfolgte mithilfe der „MTA-Matrizen-Technik“. Nach Kofferdamapplikation wurde ein Tofflemire-Matrixband (KerrHawe) tief in den Sulkus distal an diesem Zahn inseriert und mit einem Matrizenbandhalter (KerrHawe) fixiert, wodurch bis zur Versorgung des distalen Resorptionsdefekts auch die Funktion der Kofferdamklammer durch das Matrizenband übernommen wurde. Durch die anschließende Entfernung des Resorptionsgewebes über die Zugangskavität des Zahns wurde der distale Zahnhartsubstanzdefekt geringfügig vergrößert. Die Kavität wurde dann am unteren Rand der Kavität mit MTA „abgedichtet“ und anschließend schichtweise mit Komposit aufgefüllt. Im Gegensatz zu Fall 1 erfolgte die MTA-Versiegelung des unteren Randes des Matrizenbandes und auch die anschließende Kompositapplikation über die Zugangskavität des Zahns.

Wie bereits in der Beschreibung der „MTA-Matrizen-Technik“ erwähnt, wurde der MTA-Zement mithilfe eines feuchten Wattepellets einige Sekunden lang komprimiert, was das Auswaschen von MTA während des nachfolgenden Ätzens, Spülens und der Applikation von Adhäsiv und Bonding verhindert, bevor Komposit appliziert wird. Das Matrizenband wurde dann entfernt und durch eine Kofferdamklammer ersetzt. Anschließend erfolgte die Entfernung des alten Wurzelkanalfüllmaterials mithilfe von maschinellen und manuellen Wurzelkanalinstrumenten (VDW). Die anschließende Röntgenmessaufnahme zeigte den suffizienten Verschluss der zervikalen Perforation und die erfolgreiche Entfernung des alten Wurzelkanalfüllmaterials (Abb. 3c). Die Behandlung wurde in zwei Sitzungen durchgeführt. Zwischen den Sitzungen erfolgte eine medikamentöse Einlage mit einer Mischung aus Calciumhydroxidpulver und 2-prozentiger CHX-Lösung (Engelhard Arzneimittel). In der zweiten Sitzung wurden in alle Wurzelkanäle apikale MTA-Plugs eingebracht. Die Wurzelkanäle wurden dann thermoplastisch mit Guttapercha (Obtura III, Obtura Spartan) und AH Plus Sealer ( Dentsply) bis ca. 3 mm vor Kanaleingangsniveau aufgefüllt. Die Zugangskavität wurde intrakanalär verankert, mit Komposit (Optibond FL, Kerr, Tetric Evo Ceram Bleach XL flow und Tetric Evo Ceram A3 XL) verschlossen und ein postoperatives Röntgenbild angefertigt (Abb. 3d).

Die klinischen und röntgenologischen Befunde bei den Nachuntersuchungen, die ein Jahr (Abb. 3e), drei Jahre und viereinhalb Jahre (Abb. 3f) nach der Behandlung durchgeführt wurden, zeigten keine pathologischen Befunde. Die ST an Zahn 27 betrugen 2 bis 3 mm. Die Reduzierung der ST von 6 auf 3 mm ohne BOP distal an diesem Zahn deutet auf eine vollständige parodontale Heilung im Bereich des ursprünglich durch die IZR verursachten epikrestalen Hartgewebedefekts hin.

Fall 3

Ein 45-jähriger männlicher Patient stellte sich mit zunehmenden Aufbissbeschwerden an Zahn 37 vor. Er berichtete, dass ein Teil der Krone dieses Zahns beweglich zu sein schien. Der Zahn reagierte weder auf den Sensibilitätstest mit Kälte (C02) noch auf den elektrische Pulpatest (Digitest, Parkell). Die klinische Untersuchung ergab eine tiefe, komplizierte Höckerfraktur, die sich distolingual bis zum Alveolarfortsatz erstreckte (Abb. 4a und b). Die parodontale Sondierung zeigte eine isolierte Tasche von 9 mm distal an Zahn 37 mit ausgeprägtem BOP. Die anderen ST an Zahn 37 und dem Nachbarzahn 36 betrugen 2 bis 3 mm. Bei der Röntgenuntersuchung wurden ein leicht verbreiterter Parodontalspalt an der mesialen Wurzel und eine koronale Frakturlinie festgestellt, die bis in die epikrestale Region reichte (Abb. 4c).

Aufgrund dieser klinischen und röntgenologischen Befunde wurde bezüglich Zahn 37 eine komplizierte, bis nach subkrestal reichende distolinguale Höckerfraktur diagnos-tiziert. Der Patient wurde über die Therapieoptionen einer WKB mit Kompositrestauration des
Zahns mit der „MTA-Matrizen-Technik“ und die Therapiealternativen der Extraktion oder einer intentionellen Replantation aufgeklärt. Der Patient entschied sich für die WKB und Restauration des Zahns als Behandlungsoption. Die Behandlung erfolgte analog zur Anwendung der „MTA-Matrizen-Technik“ in Fall 1, sodass die WKB und die Kompositrestauration des frakturierten Teils der Krone unter Kofferdam durchgeführt werden konnten. Das postoperative Röntgenbild zeigte eine homogene Wurzelkanalfüllung (Abb. 4d). In der Nähe des Alveolarfortsatzes ist am unteren Ende der Kompositrestauration eine sehr dünne Schicht aus MTA-Zement erkennbar (Abb. 4d). Klinische und röntgenologische Nachuntersuchungen drei Monate, neun Monate (Abb. 4e), anderthalb Jahre und drei Jahre (Abb. 4f) nach der Behandlung zeigten kein Auswaschen von MTA und keine pathologischen Befunde mit Ausnahme einer ST von 4 mm auf der distolingualen Seite von Zahn 37 ohne BOP. Alle anderen ST lagen bei jeder Nachuntersuchung bei 2 bis 3 mm. Der Patient ist seit dem Tag der Behandlung vollkommen beschwerdefrei.

Diskussion

Die Restauration von Zähnen mit tiefen subgingivalen Hartsubstanzdefekten, die bis zum Knochenniveau reichen, stellt hohe Ansprüche an Behandlerinnen und Behandler. Mithilfe der beschriebenen „MTA-Matrizen-Technik“ können entscheidende Herausforderungen gemeistert werden, die darin bestehen, trockene Bedingungen für die Kompositrestaurationen zu ermöglichen, auch wenn eine optimale Matrizenadaption nicht erreicht werden kann. Somit ermöglicht diese Technik einen dichten Abschluss am unteren Ende des Matrizenbandes in Fällen extrem tiefer Kavitäten. MTA stellt dabei eine biokompatible Schicht in direktem Kontakt mit dem krestalen Knochengewebe dar, wirkt als Barriere für die Flüssigkeitskontrolle und ist sogar in der Lage, einen zu kurzen Matrixrand zu kompensieren (vgl. Abb. 1 b und c). Wenn der MTA-Zement mithilfe eines feuchten Wattepellets einige Sekunden lang in den kleinen Spalt zwischen dem unteren Ende der Matrize und dem Alveolarknochen gepresst wird, verhindert dies das Auswaschen von MTA-Zement während des anschließenden Ätzens, Spülens sowie des Auftragens von Adhäsiv und Bonding. So kann direkt im Anschluss Komposit auf den komprimierten MTA-Zement aufgebracht werden.

Es könnte die Frage aufgeworfen werden, ob der basische pH-Wert des MTA-Zements während der Aushärtung die Qualität des adhäsiven Verbunds mit dem Dentin beeinträchtigt, da das Komposit auf noch nicht ausgehärteten MTA-Zement aufgetragen wird. Der Frage des besten Zeitpunkts für die Applikation von Komposit auf MTA-Zement wurde von Tsujimoto et al. nachgegangen, welche die Grenzflächen zwischen MTA und Komposit nach verschiedenen Restaurationszeitpunkten mit und ohne selbstätzende Haftvermittler untersuchten39. Die Ergebnisse dieser Studie unterstützen das Vorgehen der sofortigen Applikation von Komposit auf noch nicht ausgehärteten MTA-Zement, noch in der gleichen Sitzung.

Nach Anwendung der „MTA-Matrizen-Technik“ für den präendodontischen Kompositaufbau kann bei der anschließenden postendodontischen Versorgung des Zahns mit einer Krone in der Regel kein Ferrule-Effekt erzielt werden. Alternativ gibt es aber auch andere prothetische Versorgungskonzepte, zum Beispiel eine Teilkrone oder die sogenannte „Endokrone“, bei denen auf den Ferrule-Effekt verzichtet wird2,12,25. Bei Anwendung der „MTA-Matrizen-Technik“ ist es nicht möglich, die STA zu respektieren. Chirurgische Maßnahmen zur Vermeidung der Verletzung der STA, zum Beispiel die chirurgische Kronenverlängerung oder einer Gingivektomie, können allerdings zu schwarzen Dreiecken oder anderen nachteiligen ästhetischen oder parodontalen Folgen führen4,15,37. Die kieferorthopädische Extrusion bietet diesbezüglich bessere ästhetische Ergebnisse, ist aber teurer und zeitaufwendiger. Eine kieferorthopädische Extrusion wird in der Regel in mehreren Terminen über mehrere Wochen durchgeführt, und es ist eine Retentionszeit von zwei bis drei Monaten erforderlich, um den Zahn in der extrudierten Position zu stabilisieren10,34.

Bei Verletzung der STA wurde im Rahmen verschiedener Untersuchungen Gingivitis, der Verlust des parodontalen Attachments und auch lokaler Knochenverlust beobachtet, weshalb dies als Risikofaktor bei der Restauration von Zähnen mit tiefen Kavitäten gilt13,30,36. Eine interessante prospektive klinische Studie von Dragoo et al.deutet darauf hin, dass dies nicht zwangsläufig der Fall ist. Die Autoren untersuchten zwei Kompomere und einen lichthärtenden Glasionomerzement für die Restauration von 50 subgingivalen Kavitäten und führten anschließend histologische Untersuchungen durch. Die histologischen Befunde deuteten auf eine Adhäsion von Epithel und Bindegewebe an die Kompomere hin8. Mit einer neueren prospektiven klinischen Studie wurde die klinische und histologische Reaktion von suprakrestalem Parodontalgewebe auf subgingivale Kompositrestaurationen drei Monate nach der Behandlung im Vergleich zu unbehandelten Wurzeloberflächen untersucht3. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass gut modellierte und ausgearbeitete subgingivale Kompositrestaurationen zu gesunden parodontalen Verhältnissen führen können, welche vergleichbar mit natürlichen Wurzeloberflächen sind3.

Um die technischen Schwierigkeiten bei der Versorgung extrem tiefer und unterminierender Zahndefekte zu überwinden und eine geeignete Kofferdamisolierung zur absoluten Trockenlegung für das Einsetzen direkter oder indirekter Restaurationen unter klinisch handhabbaren Bedingungen zu ermöglichen, wurden Behandlungstechniken wie die „Cervical margin relocation“ (CMR)7, „Deep margin elevation“ (DME)3,5,27,35, „R2-technique“11, oder „Proximal box elevation“ (PBE)21,32 eingeführt, die ermutigende klinische und histologische Ergebnisse zeigten3,5. Das Dogma, dass das suprakrestale Gewebeattachment stets erhalten werden muss, wird durch die Ergebnisse einiger diesbezüglicher klinischer Studien und Fallserien infrage gestellt. Diese Elevationstechniken führten zu stabilen und nicht zu schlechteren parodontalen Verhältnissen im Vergleich zu Fällen, in denen eine chirurgische Kronenverlängerung durchgeführt wurde11,28,35.

Als Ergänzung zu diesen Elevationstechniken ermöglicht die „MTA-Matrizen-Technik“ die Rekonstruktion noch tieferer Hartgewebedefekte, die bis zum Knochenniveau reichen. Die Autoren haben bisher keine ungünstige Reaktion der parodontalen Gewebe bei Anwendung der „MTA-Matrizen-Technik“ beobachtet. Fall 1 zeigt, dass nicht einmal der überhängende Restaurationsrand in direktem Knochenkontakt zu Knochenrückgang oder Osteolyse geführt hat (vgl. Abb. 2g). Aufgrund seiner Biokompatibilität scheint MTA keine Reaktion des parodontalen Gewebes hervorzurufen.

Im Gegensatz zu den „Sandwich-Techniken“, zu denen seit vielen Jahren immer wieder Veröffentlichungen in Form von In-vitro-Studien1,22, Fallberichten23 und klinischen Studien26 publiziert wurden, dient das bei der „MTA-Matrizen-Technik“ verwendete MTA nicht als Dentinersatz. Es wird nicht auf den gesamten Kavitätenboden geschichtet oder als Schutzschicht für die Pulpa verwendet, sondern dient zur Abdichtung oder der geringfügigen Verlängerung des Matrixbandes (das nicht tief genug inseriert werden konnte) und schafft eine Barriere, die das Eindringen von Blut und Sulkusflüssigkeit zuverlässig verhindert (zur Ver-anschaulichung vgl. Abb. 1c, hier insbesondere den rot umrandeten Bereich, und Abb. 2d, s. gelber Pfeil). Dies ermöglicht die trockene und somit suffiziente Applikation von Komposit, das Calciumsilikat-basierten Zementen wie MTA oder Biodentin in Bezug auf den Verbund mit Dentin im trockenen Zustand überlegen ist20.

Schlussfolgerungen

Die klinischen Ergebnisse der drei vorgestellten Fälle reichen noch nicht aus, um die Anwendung der „MTA-Matrizen-Technik“ generell zu empfehlen. Dennoch scheint diese Technik eine praktikable Behandlungsoption für Zähne mit extrem tiefen subgingivalen Zahnhartsubstanzdefekten zu sein, die in ausgewählten Fällen durchaus in Betracht gezogen werden kann. Klinische Studien, insbesondere prospektive Studien sind erforderlich, um die langfristige Durchführbarkeit und den klinischen Erfolg dieser Technik mit einer größeren Fallzahl zu bestätigen. An der Universitätszahnklinik der Autoren wurde diesbezüglich bereits eine klinische Studie initiiert.

Klinische Relevanz

Die „MTA-Matrizen-Technik“ ist eine alternative Technik zur Rekonstruktion von Zähnen mit extrem tiefen subgingivalen Hartgewebedefekten, die bis zum Knochenniveau reichen. Sie kombiniert MTA und Komposit, ohne dass zusätzliche chirurgische oder kieferorthopädische Maßnahmen erforderlich sind.

Danksagung

Die Autoren danken Sybille Sukop/Heidelberg, Dr. Sarah Rampf/Heidelberg und Samuel Mente/Mannheim für ihre Unterstützung bei der Erstellung der Abbildungen.

Ein Beitrag von Prof. Dr. Johannes Mentes, Dr. Caroline Sekundo, Dr. Dorothee L. Schüßler und Dr. Holger Gehrig, alle Heidelberg, Dr. Fabian Hieber, Köln

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Zahnmedizin

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