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Update für das Team – Gesundes periimplantäres Gewebe ist von essenzieller Bedeutung

Abb. 2 Klinisches Bild einer Periimplantitis.

(c) Eik Schiegnitz

Das periimplantäre Bindegewebe unterscheidet sich maßgeblich von dem komplexen parodontalen Faserapparat, der den Zahn umschließt. Worin die Unterschiede liegen und wo der Zusammenhang zu Periimplantitis besteht, wird im Folgenden erklärt.

Im „Team Journal – Präventionsmedizin und Oralprophylaxe“ wird das Fachwissen vermittelt, das ZMP, DH, Zahnärztinnen und -ärzte und alle Fortbildungswilligen für einen erfolgreichen Arbeitsalltag brauchen. Besonders hervorzuheben ist der Fokus auf die Präventionsmedizin in der Rubrik „Interdisziplinär“, die den Patienten als Ganzes betrachtet. Mehr Infos zur Zeitschrift, zum Abo und zum Bestellen eines kostenlosen Probehefts finden Sie im Quintessenz-Shop.

Das Parodont

Als Zahnhalteapparat oder auch Parodont wird die Gesamtheit der den Zahn umfassenden Strukturen beschrieben. Dazu gehört die Gingiva, das Wurzelzement, der Alveolarknochen und das Desmodont (Wurzelhaut), welches der Faserapparat ist, der den Zahn im Alveolarknochen hält (Abb. 1). Die oberste Schicht der Gingiva, das sogenannte Epithel, ist je nach Lokalisation unterschiedlich zusammengesetzt. Zum einen gibt es ein orales gingivales Epithel, welches die Außenfläche der Gingiva zur Mundhöhle hin überdeckt. Weiter gibt es ein spezielles Epithel, das den gingivalen Sulkus auskleidet (das sogenannte Sulkusepithel), sowie ein Saumepithel.

Das orale Gingivaepithel erstreckt sich von der Mukogingivallinie bis zum Zahnfleischrand. Die Mukogingivallinie ist die Grenze zwischen der befestigten Gingiva (Gingiva propria) und der Mundschleimhaut (Alveolarmukosa). Es geht fließend in das orale Sulkusepithel über, welches die Seitenwand des gingivalen Sulkus auskleidet und der befestigten Gingiva in ihrem histologischen Aufbau und der Funktion stark ähnelt. Das Saumepithel ist dem Zahn angelagert und bildet die sogenannte dentoepitheliale Verbindung. Das koronale Ende des Saumepithels stellt damit den Boden des gingivalen Sulkus dar und wird vom oralen Sulkusepithel überlappt. Da das Saumepithel durchlässig für bakterielle Produkte und verschiedene Antigene aus der Mundhöhle ist, findet hier vermehrt die chronische Entzündungsreaktion statt. Eine Übersicht über die verschiedenen gingivalen Gewebe gibt Tabelle 11,2.

Die übrigen Bestandteile des Parodonts (Wurzelzement, Alveolarknochen und Desmodont) sind notwendig, um den Zahn in der Alveole zu verankern. Zwischen dem Wurzelzement und dem Alveolarknochen befindet sich das Desmodont. Es enthält Nerven und Gefäße, sowie einen Faserapparat, der aus sogenannten primären Fasern und Sharpey-Fasern besteht. Dank des Desmodonts ist der Zahn in der Alveole fest verankert und vor leichten Stößen geschützt. Diese werden teilweise passiv von den Fasern aufgenommen und zusätzlich durch die extravaskuläre Gewebeflüssigkeit, welche bei Druck auf den Zahn aus den Gefäßen gepresst wird, abgefangen. So kann von uns neben Schmerz auch Druck über das Desmodont wahrgenommen werden. Außerdem hat die Wurzelhaut eine Ernährungsfunktion und beinhaltet alle Zelltypen, die es zum Remodeling des Zahnhalteapparats braucht.

Die Sharpey-Fasern heißen auch Fibrae cemento alveolares, diese Bezeichnung verrät bereits deren Ausrichtung: Sie erstrecken sich vom Alveolarknochen zum Wurzelzement. Bei Zug oder Druck können sie die Osteoklasten aktivieren und einen Stimulus zur Knochenregeneration setzen. Wenn der Zahn verloren gegangen ist, fehlt dieser Stimulus, was unter anderem ein Grund für die Atrophie des Knochens ist. Man unterteilt die primären Fasern nach ihrer anatomischen Ausrichtung. Es gibt horizontale, schrägverlaufende, apikale und interradikuläre Fasern, allesamt bestehen aus Kollagen Typ 1 und dienen der Verankerung des Zahns in der Alveole1,2.

Die Verbindung zwischen Implantat und Knochen

Einem Implantat fehlt es an Desmodont und Wurzelzement, weshalb nur eine ankylotische Verbindung mit dem Alveolarknochen möglich ist. Implantate sind demnach physiologisch nicht beweglich, daher kann man auch keinen Druck auf das Implantat empfinden, wie es bei einem natürlichen Zahn möglich ist. Ziel einer Implantation ist immer die Osseointegration, also die feste Integration des Implantats in den umgebenden Knochen. Dazu muss sich ein struktureller und funktioneller Verbund zwischen dem Knochengewebe und der Implantatoberfläche bilden.

Der Prozess der Osseointegration lässt sich in zwei Abschnitte unterteilen. Zuerst handelt es sich lediglich um eine anfängliche Verzahnung zwischen Alveolarknochen und Implantat, man nennt diesen Zustand primärstabil. Später kommt es durch kontinuierliche Knochenanlagerung und Remodellierungsvorgänge zur Ausbildung von Sekundärstabilität. Die Oberflächenbeschaffenheit und Form des Implantats ist ständiger Untersuchungsschwerpunkt der Hersteller, um ein Implantatdesign zu entwickeln, welches eine besonders hohe Stabilität aufweist3,4.

Das periimplantäre Bindegewebe

Die Gingiva, die sich um das Implantat herum ausbildet, spielt eine essenzielle Rolle bei der Vermeidung von Periimplantitis, darum sollen hier die Unterschiede zum Parodont beschrieben werden. Die keratinisierte Mukosa am Implantat ist zu vergleichen mit dem oralen gingivalen Epithel. Der Ursprung von keratinisierter Mukosa liegt in parodontalen Zellen. Auch transplantierte keratinisierte Mukosa, beispielsweise vom Gaumen, behält seine Eigenschaften5.

Im Gegensatz zum Zahn gibt es beim Implantat keinen natürlichen inserierenden Faserapparat. Die Kollagenfasern verlaufen grob gebündelt im Periost des marginalen Knochens und sind parallel zur Implantatoberfläche ausgerichtet6. Zudem fehlt die zusätzliche Blutversorgung des umgebenden Alveolarknochens, die normalerweise vom Desmodont ausgeht. Ein Implantat kann daher okklusale Belastungen, beispielweise bei der Mastikation, nicht durch ein elastisches Puffersystem auffangen, sodass diese direkt auf den das Implantat umgebenden Knochen auftreffen.

Perimplantitis

Diagnostisch lässt sich zwischen periimplantärer Mukositis und Periimplantitis unterscheiden. Periimplantitis zeigt sich sowohl klinisch durch Entzündungszeichen, Blutung auf Sondierung, ggf. auch Pus-Austritt sowie durch eine Zunahme der Sondierungstiefe (Abb. 2). Das röntgenologische Korrelat dazu ist der radiologisch sichtbare Knochenabbau, wie Abbildung 3 zeigt. Man spricht von Periimplantitis bei einem Knochenabbau von > 3 mm, immer im Vergleich zur Baseline-Aufnahme, gemessen wird ab der Implantatplatform7,8. Die aktuelle Leitlinie „Die Behandlung periimplantärer Infektionen an Zahnimplantaten“ fasst die in Tabelle 2 gezeigten Kriterien für das Vorhandensein einer Mukositis und die einer Periimplantitis nochmal vereinfacht zusammen.

Periimplantitis ist multifaktoriell bedingt. Die Pathogenese ist ähnlich wie bei Parodontitis9, allerdings schreitet die Periimplantitis schneller fort. Dies liegt unter anderem daran, dass es keinen zirkulären Faserapparat gibt, sondern nur Fasern längs entlang des Implantats – somit wird die Entzündung schneller zum Knochen weitergegeben6. Ein weiterer Grund für das schnelle Fortschreiten einer Periimplantitis ist, dass die im vorherigen Absatz bereits angesprochene geringere Vaskularisierung im Vergleich zum Zahnhalteapparat eine verschlechterte Abwehr durch Immunzellen mit sich bringt, da diese über das Blut an den Entzündungsort transportiert werden.

Phänotyp spielt eine Rolle

Interessant ist auch die Betrachtung des Phänotyps. Die Gingiva des Patienten lässt sich kategorisieren in: einen dünnen Phänotyp, einen dicken Phänotyp oder einen gemischten Phänotyp. Der dünne Phänotyp ist gekennzeichnet durch eine schmale Zahnform und einen ausgeprägt girlandenförmigen Zahnfleischsaum. Wenn man mit der Parodontalsonde sondiert, schimmert diese durch. Ein dicker Phänotyp zeichnet sich durch eine breite Zahnform und eine flache Girlandenform aus. Beim Sondieren ist die Sonde nicht durchscheinend, die Papille ist meist vollständig vorhanden und füllt das interdentale Dreieck aus. Die Dicke des Zahnfleischs beträgt beim dicken Phänotyp meist > 1 mm5,10–12. Patienten mit dünnem gingivalem Phänotyp neigen eher zu Rezessionen und parodontalen Erkrankungen13. Zudem ist die Periimplantitistherapie in dieser Patientengruppe besonders herausfordernd14,15.

Die Frage, ob und wie viel befestigte Gingiva am Implantat vorhanden sein sollte und wie groß der Zusammenhang zur Periimplantitis ist, wird schon lange diskutiert. Eine recht aktuelle Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2023 hat sich erneut der Fragstellung gewidmet, ob das Fehlen von befestigter Schleimhaut am Implantat nachweislich die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Periimplantitis erhöht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich eine Breite von < 2 mm befestigter keratinisierter Schleimhaut negativ auswirkt16,17. Dabei wurden verschieden Versorgungstypen untersucht, hier konnten allerdings keine spezifischen Unterschiede herausgearbeitet werden.

Es gibt allerdings auch Übersichtsarbeiten, die zu dem Ergebnissen kommen, dass keine signifikant erhöhte Wahrscheinlichkeit für das Auftreten einer Periimplantitis nachweisbar ist18. Ein Grund für diese unterschiedlichen Ergebnisse ist, dass verschiedene Definitionen für das Vorhandensein einer Periimplantitis existieren und die Messung nicht vollständig objektivierbar ist.

Neben der Höhe beziehungsweise Breite der keratinisierten Gingiva ist auch deren Dicke (horizontale Breite der Gingiva) von großem Interesse und seit langem Untersuchungsschwerpunkt zahlreicher Studien19,20. Dass auch eine ausreichende Dicke notwendig ist, um stabile periimplantäre Verhältnisse zu schaffen und langfristig beizubehalten, ist nachgewiesen21. Welche Dicke allerdings ausreichend ist, ist nicht eindeutig auszumachen. Die meisten Autoren halten zwei Millimeter für ausreichend, im Hinblick auf Ästhetik und Gesundheit des periimplantären Gewebes21–23.

Ausreichend periimplantäres Gewebe wichtig

Nicht nur unter dem Aspekt der Periimplantitis, sondern auch aus ästhetischen Gründen ist die Rolle des periimplantären Bindegewebes von großer Bedeutung, denn es kann, insbesondere bei einer hohen Lachlinie, zum Vorschein kommen. Hier gilt es unschöne Rezessionen zu vermeiden, die aus Gründen falscher Positionierung oder auch Periimplantitis entstehen. Um bei defizitären Verhältnissen ein ausreichend großes Angebot an Weichgewebe um das Implantat herum zu schaffen, gibt es etliche chirurgische Möglichkeiten. Weichgewebeaugmentationen lassen sich bereits im Vorfeld, während der Implantation, bei der Freilegung und sogar auch im Verlauf durchführen. Die Operationstechniken sind vielfältig. Weichgewebeaugmentationen können rein autolog, meist mit Bindegewebetransplantaten vom Gaumen oder auch mittels körperfremder Materialien durchgeführt werden, ein Beispiel zeigt Abbildung 4.

Zur Weichgewebeaugmentation gibt es eine eigene Leitlinie „Periimplantäre Weichgewebeaugmentaionen“, die sich mit der Evidenz der verschiedenen Techniken sowie der Wertigkeit der periimplantären Weichgewebeaugmentation zur Vermeidung periimplantärer Infektionen, mukosalen Rezessionen und Knochendefekten beschäftigt.

Zusammenfassung

Das periimplantäre Gewebe ist aufgrund seiner strukturellen Unterschiede nicht so widerstandsfähig wie das parodontale Gewebe. Die ankylotische Verbindung des Implantats mit dem Alveolarknochen birgt verschiedene Nachteile wie eine geringere Vaskularisierung und damit einhergehend geringere Widerstandskraft gegenüber Entzündungsprozessen. Des Weiteren gibt es einen Zusammenhang zwischen einem unzureichenden Angebot von das Implantat umgebender keratinisierter Mukosa und der Entstehung von Periimplantitis. Dies ist von großem Interesse im Hinblick auf die Möglichkeit etwaiger Weichgewebeaugmentationen, die bereits im Vorfeld erfolgen können, um langfristig gesunde periimplantäre Verhältnisse zu schaffen. Ein gesundes periimplantäres Gewebe ist also von essenzieller Bedeutung, wenn es um Langzeiterfolge in der Implantologie geht. 

Ein Beitrag von Dr. Helena Albrecht, Frankfurt (Main), und Prof. Dr. Dr. Eik Schiegnitz, Mainz

Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de

Reference: Zahnmedizin Praxis Team

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