0,00 €
Zum Warenkorb
  • Quintessence Publishing Deutschland
Filter
594 Views

Uni Tübingen spürt schwierigen Phasen der frühen Lebensjahre vor mehreren Zehntausend Jahren nach

Makroaufnahme einer hochaufgelösten Replik des unteren rechten Eckzahns eines Neandertalers aus der Fundstelle Le Moustier (Frankreich). Defekte in der Zahnschmelzentwicklung sind mit roten Pfeilen markiert.

(c) Kate McGrath/Laura S. Limmer

Kinder von Neandertalern, die bis vor rund 40.000 Jahren lebten, und moderne Menschen der Jüngeren Altsteinzeit vor 50.000 bis 12.000 Jahren waren wahrscheinlich vergleichbaren Belastungen ausgesetzt, jedoch lag die jeweilige höchste Intensität in verschiedenen Entwicklungsphasen. Das hat eine Untersuchung von Zähnen ergeben, deren Struktur Stressphasen etwa durch Krankheiten und Mangelernährung während der frühen Lebensjahre widerspiegelt. Sie wurde von Laura Limmer, Dr. Sireen El Zaatari und Professorin Katerina Harvati vom Institut für Naturwissenschaftliche Archäologie der Universität Tübingen gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen durchgeführt. Die Forscherinnen vermuten, dass die modernen Menschen möglicherweise bessere Strategien hatten als die Neandertaler, die Belastungen für ihre Kinder während schwieriger Abschnitte der Entwicklung zu verringern. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift Scientific Reports veröffentlicht.

Zähne von 176 Menschen aus dem westlichen Eurasien

Die Paläoanthropologinnen untersuchten 867 Zähne, davon stammten 423 von 74 Neandertalerindividuen und 444 von 102 Individuen moderner Menschen aus der Jüngeren Altsteinzeit. Die Zähne wurden an 56 verschiedenen archäologischen Stätten im westlichen Eurasien gefunden. Sowohl die Milchzähne als auch die bleibenden Zähne der Menschen werden bereits in der Kindheit gebildet. „Wenn die Kinder Infektionen oder andere Krankheiten durchmachen oder die Ernährungslage schlecht ist, kommt es zu Fehlbildungen im Zahnschmelz. Da die bleibenden Zähne später nicht weiterwachsen, können wir solche Defekte auch noch an den Zähnen Erwachsener erkennen“, erklärt Sireen El Zaatari. Die reguläre Schmelzbildung der Zähne ermöglicht es, solche Ereignisse mit bestimmten Entwicklungsstufen der Kinder in Verbindung zu bringen.

Fundorte der untersuchten Zähne: Orangefarbene Sterne bezeichnen Funde von Neandertalern; blaue Kreise bezeichnen Funde moderner Menschen aus der Jüngeren Altsteinzeit. Bild: Laura S. Limmer
Fundorte der untersuchten Zähne: Orangefarbene Sterne bezeichnen Funde von Neandertalern; blaue Kreise bezeichnen Funde moderner Menschen aus der Jüngeren Altsteinzeit. Bild: Laura S. Limmer

Abstillen war eine riskante Zeit

Insgesamt seien die Neandertaler und die modernen Menschen aus der Jüngeren Altsteinzeit in ihrer frühen Kindheit Belastungen in vergleichbarem Ausmaß ausgesetzt gewesen, stellen die Forscherinnen fest. „Wir beobachten jedoch eine unterschiedliche Verteilung der Zahnschmelzdefekte auf die Entwicklungsphasen der Kinder: Bei den modernen Menschen traten die Schmelzdefekte mit größerer Wahrscheinlichkeit in dem Alterszeitraum auf, in dem die Kinder abgestillt wurden“, sagt Limmer. Bei den Kindern der Neandertaler hätten sich Schmelzdefekte zwar ebenfalls vermehrt zum Zeitpunkt des vermutlichen Beginns des Abstillens gezeigt, jedoch habe die Spitzenbelastung durch physischen Stress in einer Entwicklungsphase nach diesem Zeitraum gelegen.

Orignialpublikation:
Laura S. Limmer, Matteo Santon, Kate McGrath, Katerina Harvati, Sireen El Zaatari: Differences in childhood stress between Neanderthals and early modern humans as reflected by dental enamel growth disruptions. Scientific Reports, https://doi.org/10.1038/s41598-024-61321-x

Die Forscherinnen nehmen an, dass die Kinder der Altsteinzeit durch das Abstillen vermehrt Stress ausgesetzt waren, weil ein steigender Energiebedarf im Wachstum mit dem steigenden Risiko von Mangelernährung zusammentraf. „Möglicherweise gewannen die modernen Menschen gegenüber den Neandertalern dadurch Vorteile, dass sie ihre Kinder in dieser schwierigen Phase besser unterstützten, etwa dadurch, dass die Kinder länger beschützt und besser mit Nahrung versorgt wurden“, sagt El Zaatari. Denkbar sei, dass dieses Verhalten ein Baustein gewesen sei bei der Entwicklung, dass die modernen Menschen bis heute überlebten und die Neandertaler ausstarben. „Häufig wurde angeführt, dass die Neandertaler in einem besonders rauen Klima mit niedrigen Temperaturen lebten und daran scheiterten. Über einen gewissen Zeitraum waren jedoch Neandertaler und moderne Menschen den gleichen Klimabedingungen ausgesetzt, sodass wir auch andere Erklärungen untersuchen.“

Zahnmedizin Nachrichten Menschen Bunte Welt

AdBlocker active! Please take a moment ...

Our systems reports that you are using an active AdBlocker software, which blocks all page content to be loaded.

Fair is fair: Our industry partners provide a major input to the development of this news site with their advertisements. You will find a clear number of these ads at the homepage and on the single article pages.

Please put www.quintessence-publishing.com on your „adblocker whitelist“ or deactivate your ad blocker software. Thanks.

More news

  
17. Jun 2024

IDS-Ausstellerverzeichnis steht online zur Verfügung

Die Zahl der Aussteller für die weltgrößte Fachmesse der Dental-Industrie wächst weiter
17. Jun 2024

Kurz und knapp

Kurznachrichten und Informationen aus der (dentalen) Welt – Juni 2024
14. Jun 2024

Rundum-sorglos-Paket für 2-D- und 3-D-Röntgengeräte

Orangedental: Mit OD Protect & Care sollen Anwender vor teuren Überraschungen geschützt werden
11. Jun 2024

Mythen und Fakten in der Zahnmedizin

Die aktuelle Ausgabe der Quintessenz Zahnmedizin setzt Evidenz gegen stramme Behauptungen
11. Jun 2024

Neue Studie: Der Süßstoff Xylit ist mit erhöhtem Risiko für Herzprobleme verbunden

Zuckeralkohole wie Erythrit oder Xylit sind leider keine harmlosen Alternativen zu Zucker – Konsum überdenken
10. Jun 2024

Parodontale und kieferorthopädische Therapie

Die Parodontologie 2/2024 ist ein Schwerpunktheft zur Behandlung von Patientinnen und Patienten im PAR-Stadium IV
7. Jun 2024

Die Diagnosewachsung – ,,Bauplan“ funktioneller, ästhetisch komplexer Rehabilitation

Als Basis für einen Präparationsplan zeigt sie, was prothetisch möglich, aber auch was nicht möglich ist
6. Jun 2024

Neuartiges Gel soll Aerosol beim Einsatz von Ultraschallscalern reduzieren

Innovation in der Prophylaxe: Ivoclar stellt Neuheit für die Professionelle Zahnreinigung vor