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Erfahrungen und Einschätzungen aus dem interdisziplinären Alltag einer oralchirurgischen Überweiserpraxis
Überwachungsmonitor uMEC10 (Fa. Mindray Medical Germany, Darmstadt): Blutdruckanzeige (1), Sauerstoffsättigung und Atemintervall (2), EKG- Anzeige (3). Das Set-up des Displays ist bei diesem Gerät individuell einstellbar und hier nur beispielhaft.
Die ambulante perioperative Sedierung ist ein gängiges Behandlungskonzept und längst Teil der modernen Zahnmedizin. Die Indikationsstellung, notwendiges pharmakologisches Grundwissen und die primäre Aufklärung sind entscheidende Abläufe für den therapeutischen Erfolg. Oft entstehen Kommunikationsprobleme zwischen Patienten/-innen und Behandler/-in, die mit dem nötigen Basiswissen nicht entstehen müssten. Die Autoren Dr. Ali Abriani, Dr. Stefan Braun und Dr. Georg Huber schildern in ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 02/2024 einen Erfahrungsbericht aus dem interdisziplinären Alltag einer oralchirurgischen Überweiserpraxis, vermitteln Grundwissen zu den gängigen Sedativa und bieten den überweisenden Zahnärzten/-innen eine Basis, wie mit der Überweisung für eine Sedierung idealerweise umzugehen ist. Gemeinsam als interdisziplinares Team aus Oralchirurgen und Anästhesist haben sie ein Schema entwickelt, das den zahnärztlichen Kolleg/-innen als Orientierung bei Indikationsstellung zur Lokalanästhesie, der eigens durchgeführten Sedierung, der Sedierung durch Kolleg/-innen der Anästhesiologie und der Intubationsnarkose (ITN) dienen soll.
Die „Quintessenz Zahnmedizin“, Monatszeitschrift für die gesamte Zahnmedizin, ist der älteste Titel des Quintessenz-Verlags, sie wird 2024 wie der Verlag selbst 75 Jahre alt. Die Zeitschrift erscheint mit elf Ausgaben jährlich. Drei Ausgaben davon sind aktuelle Schwerpunktausgaben, die zusätzlich einen Online-Wissenstest bieten mit der Möglichkeit, Fortbildungspunkte zu erwerben. Abonnenten erhalten uneingeschränkten Zugang für die Online-Version der Zeitschrift und Zugang zur App-Version. Mehr Infos, Abo-Möglichkeit sowie ein kostenloses Probeheft bekommen Sie im Quintessenz-Shop.
Einführung
Die ambulante perioperative Sedierung ist ein gängiges Behandlungskonzept und längst Teil des oralchirurgischen Alltags. Die Indikationsstellung und primäre Aufklärung wird jedoch häufig vom Überweiser, sprich Zahnarzt und Zahnärztin gestellt. Hier treten oft Konfliktpotenziale auf, die mit dem nötigen Basiswissen nicht entstehen müssten. Nicht selten werden Patient/-innen überwiesen mit der Vorstellung, bei Oralchirurg/-innen nur noch tief einzuschlafen und nach der Therapie wieder aufzuwachen. Im Aufklärungsgespräch mit Oralchirurg/-in und Anästhesist/-in stellt sich dies dann als falsche Erwartungshaltung heraus. Eine Sedierung ist keine Vollnarkose und gleichermaßen nicht für alle Patient/-innen zu empfehlen beziehungsweise überhaupt nicht möglich. Transparente Kommunikation ist wichtig, denn die Erwartungshaltung auf Patientenseite spielt eine entscheidende Rolle für den Therapieerfolg.
Perioperative Sedierungen sind in Deutschland Teil der oralchirurgischen Weiterbildung. Darunter fallen eigenständig durchgeführte „Operator sedation“ sowie mit Kolleg/-innen der Anästhesie durchgeführte Sedierungen. Auch einige zahnärztliche Kolleginnen und Kolle führen eigenständige Sedierungen durch. Um adäquat und lege artis sicher sedieren zu können, sollte die Pharmakokinetik und Pharmakodynamik gängiger Sedativa und Opiate bekannt sein, das Risiko-/Komplikationsmanagement beherrscht werden sowie die organisatorischen, apparativen und personellen Voraussetzungen erfüllt sein. Zu den gängigen Sedierungsmitteln gehören hierzulande das Midazolam, Propofol und seltener andere Sedativa. Midazolam unter seinem Handelsnamen Dormicum wird insgesamt am häufigsten verwendet. Um einen Überblick über die gängigen Sedativa im ambulanten Setting der Oral- beziehungsweise Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie (MKG) zu geben, werden im Folgenden die wichtigsten Fakten zur Pharmakokinetik und Pharmakodynamik aufgeführt sowie im Anschluss Voraussetzungen für eine erfolgreiche Sedierung, Risikofaktoren und die richtige Patientenauswahl erläutert. Zudem reflektieren wir, warum Lachgas bei adulten Patient/-innen aus unserer Sicht keine sinnvolle Alternative darstellt, und geben an einigen Stellen einen kurzen Einblick in die Zukunft.
Gängige Sedativa
Midazolam
Midazolam gehört zu den Benzodiazepinen und ist ein reversibler Agonist an zentralen GABA-A-Rezeptoren. Durch die Antagonisierung kommt es zu einer Erhöhung der Durchflussfrequenz von Chloridionen am entsprechenden Ionenkanal. Das Wirkspektrum von Midazolam ist anxiolytisch, sedierend und bedingt antiepileptisch, jedoch besitzt Midazolam keine analgetische Wirkung. Im Vergleich zu anderen Benzodiazepinen erzeugt Midazolam häufig eine anterograde Amnesie. Midazolam wird vorwiegend über CYP-450-Proteine in der Leber und teilweise im Darm abgebaut, dabei werden hydroxylierte Metabolite frei, die keine relevante Wirkpotenz aufweisen. Konjugiert an Glucuronide werden diese dann über die Niere eliminiert. Studien belegen, dass im Eliminat nur noch etwa 0,03 Prozent nicht metabolisiertes Midazolam nachweisbar ist. Diazepam beispielsweise wird metabolisiert in systemisch wirksame Stoffe, die etwa 12 Stunden nach Injektion noch nachweisbar sind. Die Halbwertszeit für die Metabolisierung und Exkretion Midazolams beträgt in etwa 2 bis 2,5 Stunden. Midazolam wird im ambulanten Setting in der Regel p. o., intranasal oder i. v. appliziert. Die Dosierung sollte unter apparativer Überwachung nach Wirksamkeit titriert werden. Dabei ist eine visuelle Überwachung der patientenindividuellen Reaktion und die Betrachtung der zu leistenden Operation inklusive Operationsdauer von entscheidender Bedeutung für die Titrationsgeschwindigkeit. Wobei wir deutlich betonen möchten, dass die apparative Überwachung maßgebend ist. Bei Patient/-innen höheren Alters empfiehlt es sich, die Dosis niedrig zu halten. Zudem ist eine langsame Injektion mit einer Konzentration 1 mg/ml i. v. zu empfehlen, da dadurch das Atemdepressionsrisiko deutlich verringert wird. Midazolam kann durch Kolleg/-innen der Anästhesiologie sowie eigenständig durch Oralchirurg/-innen beziehungsweise MKG-Chirurg/-innen im Sinne einer „Operator sedation“ verabreicht werden15,20,22,24.
Remifentanil
Remifentanil gehört wie das pharmakologisch verwandte Fentanyl zur den opioiden Anästhetika. Vielen Kolleg/-innen ist Remifentanil unter dem Handelsnamen Ultiva geläufiger. Dabei hat jedoch Remifentanil eine etwa 200-fach stärkere Wirkung als Morphin. Pharmakologisch zeichnet sich Remifentanil durch eine sehr schnelle und vollumfängliche, rein agonistische Wirkung am µ-Opiatrezeptor und geringe Bindung an die κ-, σ- und δ-Rezeptoren aus. Dieser Wirkmechanismus bewirkt eine zuverlässige und gezielt schnelle Ausschaltung der Schmerzwahrnehmung, sprich es wirkt vorwiegend analgetisch. Der Abbau geschieht zum größten Teil direkt im Blut durch unspezifische Esterasen mit einer Halbwertszeit von 6 Minuten oder weniger und ist dabei unabhängig von der Leber- beziehungsweise Nierenfunktion. Idealerweise kann Remifentanil während einer laufenden Sedierung mit Midazolam intravenös verabreicht werden, um die Potenz der Sedierung auch während einer erhöhten operativen Schmerzerzeugung aufrechtzuerhalten. Remifentanil ist ein vergleichsweise junges Arzneimittel, welches momentan in mehreren randomisierten Studien analysiert wird. Die Studienlage ist – für ambulante Sedierungen wohlbemerkt – undurchsichtig und qualitativ mangelhaft. Zu diesem Ergebnis kam eine groß angelegte Metaanalyse von 2017, welche die Wirksamkeit Remifentanils alternativen Arzneimitteln gegenüberstellte. Nichtsdestotrotz zeigt sich im klinischen Alltag der Vorteil Remifentanils: schneller Wirkeintritt, mit fachärztlicher Begleitung gutes Management möglicher Nebenwirkung und die hohe Potenz der Analgesie sowie der Erhalt der Wirksamkeit von Midazolam und Propofol. Herauszustellen ist die stark atemdepressive Wirkung Remifentanils, die in Kombination mit Midazolam signifikant verstärkt wird8,21,22,35.
Propofol
Propofol ist ein Alkylphenol, welches in niedrigen intravenösen Dosen für flache sowie für tiefe Sedierung genutzt werden kann. Die Wirkung von Propofol ist stark dosisabhängig und reicht von flacher Sedierung bis hin zur tiefen Narkose. Die Titration von Propofol ist stets eine schmale Gradwanderung zwischen Über- und Unterdosierung, demnach als „operator sedation“ vor allem für unerfahrene Behandler/-innen schwieriger umzusetzen als die Sedierung mit Midazolam. Propofol besitzt ein ideales Wirkspektrum für den anästhesiologischen Gebrauch: rascher Wirkungseintritt, schnelles Abklingen der Wirkung, keine aktiven Metaboliten und eine hohe Clearence. Das schnelle Abklingen der Wirkung macht hierbei eine kontinuierliche Titration unabdingbar. Dies kann Fluch und Segen zugleich sein. Zum einem ist der Sedierungszeitraum gut einstellbar, zum anderem kann es jedoch zur Über- beziehungsweise Unterdosierung kommen. Ein großangelegtes Review aus dem Jahr 2018 verglich unter anderem Midazolam und Propofol im Hinblick auf die Sedierungswirkung und kam zu dem Ergebnis, dass das Sedierungslevel etwa gleich ist, jedoch die Wirkungsdauer des Midazolam etwa doppelt so lange anhält und trotz dessen die Qualität sowie die Dauer der Erholung nach Sedierung beim Propofol nicht signifikant besser sind3,11,12.
Ketamin
Ketamin ist ein potenter, reversibler NMDA-Rezeptorblocker aus der Gruppe der Anästhetika, welcher dosisabhängig ein breites Wirkspektrum besitzt. So wirkt Ketamin antikonvulsiv, bronchodilatorisch, lokalanästhetisch, sympathomimetisch und es entfaltet eine antidepressive Wirkung. Zudem besitzt Ketamin die Eigenschaft, über die Aktivierung von Opioid-Rezeptoren analgetisch zu wirken. Anders als bei den anderen oben genannten Pharmaka erzeugt Ketamin eine „dissoziative Anästhesie“, einen Zustand, in dem Patient/-innen unter Erhalt der Schutzreflexe einen Bewusstseinsverlust erfahren. Die Wirkdauer ist kurzweilig: etwa 15 Minuten Bewusstseinsverlust, Analgesie etwa 30 bis 40 Minuten, für kurze Eingriffe wie Zahnextraktion ideal. Ketamin kann transnasal, oral, intramuskulär und intravenös verabreicht werden. Die Metabolisierung erfolgt über die Leber durch CYP-Enzyme und die Elimination der Metabolite über die Niere. Die Dosierung ist abhängig vom Körpergewicht. Es empfiehlt sich die Kombination mit Midazolam, da als häufige Nebenwirkungen von Ketamin starke Alpträume und teilweise Halluzinationen auftreten, welche durch Midazolam gemindert werden können. Im schon genannten Review von 2018 wurden auch Midazolam und Ketamin in ihrer Sedierungswirkung verglichen. Es zeigte sich, dass Ketamin bei Kindern eine deutlich tiefere Sedierung auslöst, jedoch kein signifikanter Unterschied in der Qualität und in der Erholung nach Sedierung festzustellen ist. Erstaunlicherweise konnte auch kein signifikanter Vorteil von Ketamin bezüglich der Sauerstoffsättigung ermittelt werden6,9,16,19.
Lachgas – Wirklich eine Alternative?
Wir stellen diese Frage bewusst provokativ, wollen Ihnen jedoch wissenschaftlich fundiert erläutern, weshalb. Lachgas ist ein heiß diskutiertes Thema in der Zahnmedizin und Anästhesie. Die Gegenüberstellung zu den oben genannten Sedativa sprengt den Rahmen dieses Artikels, sodass wir lediglich die für uns negativen Eigenschaften des Lachgases speziell in der zahnmedizinischen Anwendung erläutern. Zudem unterscheiden sich die Meinungen zwischen der Anwendung bei adulten und Patient/-innen im Kindesalter, weshalb wir hier ausschließlich zu adulten Patientinnen und Patienten Stellung nehmen wollen. Hierbei möchten wir erklären, warum Lachgas für uns keine Alternative darstellt. Lachgas ist bei vielen Kolleginnen und Kollegen beliebt, da die Wirkung sehr schnell eintritt, Lachgas anxiolytisch und analgetisch zugleich wirkt, daneben marketingtechnisch hochattraktiv ist. Gleichwohl wird häufig fälschlicherweise die Harmlosigkeit des Lachgases angepriesen. Für kurze Therapien ist Lachgas nicht signifikant schädlich für Patientinnen oder Patienten, jedoch besitzt Lachgas nachweislich einen negativen Einfluss auf die Gesundheit des Personals und ist assoziiert mit Infertilität, spontanem Schwangerschaftsabbruch, Blutdyskrasien und neurologischen Störungen von Mitarbeitenden. Unter der Verwendung von Lachgas kann nicht vollständig gewährleistet werden, dass keine schädliche Exposition des Personals während der Behandlung stattfindet. Zudem kann eine längere Behandlung unter Lachgas zu schweren gesundheitlichen Folgen für Patientinnen oder Patienten führen. Die Eigenschaft, Kobaltverbindungen dauerhaft zu oxidieren, birgt die Gefahr eines iatrogenen Vitamin-B12-Mangels und infolgedessen auch einer megaloblastären Anämie. Lachgas wirkt negativ inotrop, erhöht dadurch den Sympathikotonus und die Atemfrequenz, kann damit bei unerkanntem Herzleiden eine Dekompensation auslösen. In Betrachtung dessen stellt sich unsere Risiko-Nutzen-Abwägung sowohl aus anästhesiologischer als auch fachzahnärztlicher Sicht klar gegen die Sedierung mit Lachgas – vor allem zum eigenen Wohl und dem des Personals15,23,34.
Remimazolam –Neue Alternative in der Zukunft?
Abschließend möchten wir einen Einblick in ein spannendes Sedativum geben, welches mit hoher Wahrscheinlichkeit in den kommenden Jahren an Bedeutung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde gewinnen wird. Remimazolam ist ein seit 2020 im angloamerikanischen Raum zugelassenes Sedativum, welches unter anderem für die moderate Sedierung im zahnmedizinischen Bereich verwendet wird. Remimazolam ist ein GABA-A-Rezeptor-Agonist aus der Gruppe der Benzodiazepine, welches im Prinzip biochemisch die veresterte Form des Midazolams darstellt. Remimazolam ist zudem antagonisierbar durch Flumazenil. Es wirkt ebenso sedierend, anxiolytisch, hypnotisch, leicht muskelrelaxierend und amnesiogen. Aufgrund seiner Veresterung wird Remimazolam mit einer Halbwertszeit von etwa 6 bis 7 Minuten rasch im Gewebe durch Carboxylesterasen abgebaut. Die kurze Halbwertszeit verbessert die Steuerbarkeit der Sedierung und ermöglicht die Nutzung der Sedierung auch für beispielsweise kurze zahnmedizinische Eingriffe wie Einzelzahnextraktionen oder einzelne Implantationen. Im deutschsprachigen Raum warten wir derzeit noch auf die Zulassung7,36.
Praktische Anwendung
In unserer oralchirurgischen Praxisklinik werden ca. 50 Prozent der umfangreichen operativen Behandlungen unter Sedierung durchgeführt. Dazu gehören Extraktionen mehrerer Zähne, Osteotomie retinierter Zähne, Implantationen mit und ohne Augmentationen, Kieferhöhlenoperationen sowie Operationen im Weichgewebebereich – je nach Allgemeinzustand im Beisein eines Facharztes oder einer Fachärztin für Anästhesiologie. Möchte man als Behandlerin oder Behandler Sedierungen im ambulanten Setting anbieten, sollte man sich vor jeder Sedierung folgende Fragen stellen:
Grundsätzliche Überlegungen:
Welche Kontraindikationen müssen beachtet werden?
Ab welchem Zeitpunkt ist eine Sedierung im Beisein von Anästhesist/-innen notwendig?
Welche Voraussetzungen sind zu beachten?
2. Patientenbezogene Überlegungen:
Ist der Patient beziehungsweise die Patientin für eine Sedierung geeignet und wie kommuniziere ich die Indikation richtig?
Ab welchem Alter der Patient/-innen sollte ich eine Sedieru-ng durchführen?
All diese Fragen sind zu klären, bevor eine perioperative Sedierung („Operator sedation“) angeboten wird. Im Folgenden beleuchten wir diese genauer und möchten schematisch eine systematische Herangehensweise präsentieren (Abb. 1).
Welche Kontraindikationen müssen beachtet werden?
Orientierung für alle genannten Sedativa bietet die aktuelle Klassifikation der American Society of Anesthesiologists (ASA). Patientinnen oder Patienten, die als ASA-Klasse-III oder höher eingestuft werden, sollten nicht im Rahmen einer „Operator sedation“ sediert werden. Zu betrachten sind bei den Kontraindikationen die medikamentenspezifischen Kontraindikationen, die sich häufig überschneiden. Alle bekannten absoluten und relativen Kontraindikationen zu den genannten Sedativa zu nennen, würde den Rahmen dieses Artikels sprengen und wäre nicht zielführend. Deshalb betrachten wir Midazolam als Vertreter der Benzodiazepine sowie Propofol und deren Kontraindikationen genauer. Dazu gehören bei Midazolam als absolute Kontraindikationen bekannte Überempfindlichkeiten gegenüber Benzodiazepinen, akute Atemdepression, Schwangerschaft und schwere Ateminsuffizienz. Als relative Kontraindikationen sind Opioidabusus, neuromuskuläre Erkrankungen, starker Alkoholismus und COPD zu nennen. Bei der zusätzlichen Anwendung von Remifentanil sind bekannte Überempfindlichkeiten gegenüber Remifentanil und andere Fentanyl-Analoga zu beachten. Da sowohl Midazolam als auch Remifentanil eine Atemdepression auslösen können, ist vor Beginn der Applikation die Sauerstoffsättigung zu kontrollieren. Dabei ist akribisch darauf zu achten, wie die Grundsättigung ist. Ein Langzeitraucher mit COPD hat im Allgemeinen eine niedrigere Grundsättigung, während ein Nichtraucher im Normbereich liegen sollte. Beim Propofol ist als absolute Kontraindikation gleichermaßen die bekannte Überempfindlichkeit zu nennen. Relativ als Kontraindikation zu betrachten ist eine häufig in der Literatur genannte bekannte Allergie auf tierische Eiweiße (speziell vom Huhn), Erdnüsse und Soja. Des Weiteren wird als relative Kontraindikation für Propofol eine Mitochondriopathie genannt. Abschließend empfiehlt sich eine gründliche allgemeine und spezielle Anamnese. Eventuell ist die Rücksprache mit Kolleginnen oder Kollegen der Allgemeinmedizin, inneren Medizin und Anästhesiologie notwendig2,5,10,25,27,29,32.
Ab wann ist ein Monitoring durch Fachpersonal der Anästhesiologie notwendig?
Bei Patientinnen oder Patienten mit kardialen und pulmonalen Vorerkrankungen, die keine Kontraindikation darstellen, Langzeitrauchenden, einer langen Operationsdauer und bei Unsicherheit der sedierungsdurchführenden Person sollte das Monitoring und die Durchführung der Sedierung in die Hand der Anästhesiologinnen oder Anästhesiologen gelegt werden. Bei längeren Operationen sollte eine Sedierung mit einer alternativen ITN konsiliarisch abgewogen werden. Als Orientierung, ob eine „Operator sedation“ noch angezeigt oder ob eine fachärztliche Betreuung der Sedierung notwendig ist, dient der Blick in die Risikoklassifikation gemäß den ASA-Klassen1,30,33.
Abb. 1 Schematische Entscheidungshilfe Lokalanästhesie, Sedierung, Masken- oder Intubationsnarkose (ITN) in der Zahnmedizin für den klinischen Alltag, basierend auf unserem Praxiskonzept. Die Grafik zeigt eine „Fahrbahn“, die Behandler/-innen zur Orientierung sowohl bei der Beratung als auch bei der Entscheidungsfindung der geeigneten Therapiewahl dienen soll.
Abb. 2 Überwachungsmonitor uMEC10 (Fa. Mindray Medical Germany, Darmstadt): Blutdruckanzeige (1), Sauerstoffsättigung und Atemintervall (2), EKG-Anzeige (3). Das Set-up des Displays ist bei diesem Gerät individuell einstellbar und hier nur beispielhaft.
Welche Voraussetzungen sind zu beachten?
Zunächst ist zu sagen, dass zum Zeitpunkt der Artikelverfassung noch keine fundierte Leitlinie für die Sedierung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde vorliegt, weshalb wir uns an Leitlinien anderer Fachgesellschaften orientieren. Um Sedierungen mit den genannten Sedativa anbieten zu können, muss gesichert sein, dass validiertes Monitoring möglich ist. Die S3-Leitlinie „Analgesie, Sedierung und Delirmanagement in der Intensivmedizin (DAS-Leitlinie 2020)“ setzt voraus, dass sowohl die Sauerstoffsättigung als auch die Hämodynamik begleitend überwacht wird26,28 (Abb. 2). Notwendige Werte sind dementsprechend:
Sauerstoffsättigung (Prozent),
Blutdruck (systolisch/diastolisch in mmHg),
Atemfrequenz (RF in Atemzüge/Minute).
Dabei sind die patientenindividuellen Normwerte zu beachten. Ein erweitertes Monitoring mithilfe von EKG-Überwachung und eine prophylaktische Sauerstoffgabe über die Nase sollte gegebenenfalls erwogen werden. Nicht vergessen werden darf, dass für ein Monitoring befähigtes und geschultes Personal notwendig ist, das ein perioperatives Monitoring durchführen kann. Eine gezielte Einweisung des Personals ist obligat. Da wir in der Zahnmedizin zum GroßteilSedierungen im ambulanten Setting durchführen, lohnt sich neben der oben genannten aktuellen Leitlinie der DAS ein Blick in die S3-Leitlinie „Sedierungen in der gastrointestinalen Endoskopie“ von 2014. Die Überwachung ist ein Teil der Voraussetzung für eine Sedierung. Zur Überwachung gehört auch ein konsequentes Komplikationsmanagement im Falle eines Zwischenfalls während der Sedierung. Komplikationen während der Sedierung sind in erster Linie kardiopulmonale Ereignisse. Hierzu muss das Notfallmanagement beherrscht werden, die Praxis dementsprechend ausgestattet und das Personal regelmäßig geschult sein. Ein internes Qualitätsmanagement ist dabei unerlässlich. Hierfür lässt sich die oben genannte S3-Leitlinie zur gastrointestinalen Endoskopie zitieren: „Es soll eine schriftliche und klar verständliche Ablaufplanung für die Durchführung von Sedierungen und/oder Analgesie, die Überwachung der Patienten (während und) nach der Sedierung, die Entlassungskriterien in den ambulanten bzw. allgemeinstationären Bereich, sowie hinsichtlich eines möglichen Komplikationsmanagements vorliegen. Die jeweiligen Zuständigkeiten sollen hierbei klar definiert sein.“ Zurzeit erarbeitet die DGMKG in Zusammenarbeit mit weiteren Gesellschaften eine Leitlinie zur Sedierung in der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, deren Veröffentlichung zeitnah zu erwarten ist.
Ist der Patient für eine Sedierung geeignet und wie kommuniziere ich richtig?
Eine Sedierung beziehungsweise volksmündlich ein „Dämmerschlaf“ wird allgemein definiert als eine kontrollierte und gezielte Reduktion des Niveaus des Bewusstseins durch die Wirkung von Pharmaka im Bereich des Zentralnervensystems18. Diese Definition beinhaltet nicht, dass Sedierte zwangsläufig narkotisiert sind. Der typische Patient, der für eine Sedierung an uns überwiesen wird, ist deklariert als „Angstpatient“. Dabei sollte vorher klar herausgefiltert werden, ob eine echte Phobie im Sinne des F40.2 ICD10 (bald 6B03 ICD11) als spezifische Phobie mit pathologischem Wert vorliegt oder ob der Patient lediglich Angst oder gesunden Respekt vor der Behandlung hat. Die Wunschvorstellung von Patientinnen oder Patient ist meist eine Vollnarkose ohne Vollnarkose. Dabei ist der Begriff des „Dämmerschlafs“ oft irreführend. Dies bedeutet, Patientinnen oder Patient kommen mit folgender Erwartungshaltung: „Mir wird ein Mittel gespritzt, ich schlafe ein und danach ist es vorbei.“ Diese Erwartungshaltung gilt es zunächst zu bremsen. Eine Sedierung ist keine Vollnarkose. Nicht alle Sedierten schlafen tief ein und erfahrungsgemäß wirkt eine Sedierung bei jedem Patienten und jeder Patientin unterschiedlich stark. Das Ziel einer Sedierung ist also nicht das klassische „Schlafen“, sondern eher ein „Angenehmmachen“ des Eingriffs. Kommunikation ist dabei sehr entscheidend, denn es hat direkten Einfluss auf den Erfolg einer Sedierung. Es gilt das Motto „Lower expectations cause better outcome“. Ein Patient, der von dem Eingriff garantiert nichts mitbekommen möchte, ist nicht für eine Sedierung, sondern für eine Vollnarkose (ITN) geeignet. Zunächst sollte diese Selektion vorgenommen werden. Der ideale Sedierungspatient ist an sich motiviert den Eingriff durchzustehen, möchte jedoch die Erfahrung des operativen Eingriffs so angenehm wie möglich erleben. Nur mit dieser notwendigen Grundcompliance ist ein Erfolg der perioperativen Sedierung garantiert, die unerfüllte Erwartungen verhindert. Dabei ist besonders die Rolle der Erstaufklärung hervorzuheben. Werden Patientinnen oder Patienten mit einer falschen Erwartungshaltung von Kollegeninnen oder Kollegen überwiesen, so hat dies einen signifikanten Einfluss auf das Therapieergebnis.
Ist der Patient alt genug?
Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin e. V. (DGAI) plant momentan unter der Federführung von Dr. Karin Becke-Jakob die Fertigstellung der Leitlinie zur „Sedierung und Analgosedierung für diagnostische und interventionelle Prozeduren bei Kindern“. Einen ersten Einblick gibt ein veröffentlichter Entwurf, in dem die Zahnbehandlung als Sedierungsbegründung direkt aufgeführt wurde. Hier wird für Midazolam eine Zulassung von Neugeborenen ab einem Alter von mehr als 6 Monaten angegeben. Wir empfehlen, die Auswahl selektiver vorzunehmen. In unserer Praxis wird eine Sedierung erst ab einem Alter von 14 Jahren angeboten, da wir davon ausgehen, dass ab dem 14. Lebensjahr die notwendige Compliance entwickelt ist, um eine oralchirurgische Behandlung in Sedierung ohne große Komplikationen zu überstehen. Die meisten Patientinnen oder Patienten, die jünger als 14 Jahre alt und nicht in Lokalanästhesie zu behandeln sind, werden von uns in ITN oder Maskennarkose behandelt13,17.
Diskussion
Sedierungen im oralchirurgischen und zahnmedizinischen Bereich stellen eine komplexe Thematik dar. Selbst bei tiefgehender Recherche bleiben viele Fragen offen. Ab welchem Alter eine Sedierung sinnvoll ist, ob auch jüngere Patienten als 14-Jährige sediert werden können, ist durchaus diskutabel. Hier ergibt sich für uns die Altersgrenze aus der Kausalität der Compliance. Aus unserer Sicht sind nur grundsätzlich behandlungswillige Patientinnen oder Patienten für eine Sedierung geeignet. Kinder unterhalb des 14. Lebensjahres sind oft noch zu kindlich, stark ängstlich und besitzen häufig noch keine ausreichende kognitive Entwicklung, um die Sinnhaftigkeit oder Notwendigkeit einer medizinischen Behandlung zu begreifen. Natürlich ist diese Aussage sehr allgemein gehalten und individuell gibt es deutliche Unterschiede in der Entwicklung und Compliance junger Menschen. Nur benötigt ein klares Behandlungs-konzept nun einmal klare Absprachen und auch Grenzen. Des Weiteren setzt die eigenständige Sedierung durch die Behandelnden selbst – ohne anästhesiologische Begleitung – die sichere Behandlung aller Eventualitäten und möglichen Komplikationen voraus. Hierzu gehören die eingehende präanästhesistische Aufklärung, eine gezielte Indikationsstellung, die korrekte Einschätzung von Kontraindikationen, die gezielte Patientenselektion und der sichere Umgang mit Risikopatientinnen oder -patienten. Neben dem sicheren Umgang mit notfallmedizinischen Maßnahmen sind zudem kausale organisatorische, personelle und apparative Voraussetzungen zu erfüllen. Sollte dies nicht der Fall sein, empfiehlt es sich, entweder Sedierungen nicht in das Behandlungsspektrum einzugliedern oder Kolleginnen beziehungsweise Kollegen der Anästhesiologie hinzuzuziehen.
Fazit
Die perioperative Sedierung ist eine attraktive Alternative zur ITN beziehungsweise Maskennarkose, welche durch geschultes Personal eigenständig oder mit Begleitung von Fachärztinnen und Fachärzten gut ambulant durchzuführen ist. Der Stellenwert der perioperativen Sedierung im Bereich der Oralchirurgie und Zahnmedizin steigt stetig, auch weil aus Patientenkreisen der Wunsch nach Sedierung – subjektiv gesehen – immer öfters genannt wird. Nichtsdestotrotz sollten vor der Sedierung auch bei Überweisungen patientenbezogene Selektionen vorgenommen, keine falschen Hoffnungen geschürt und keine falsche Erwartungshaltungen geschaffen werden. Der „Key to succes“ ist wie so oft in unserem Beruf die richtige Kommunikation. Auch die zur Sedierung überweisenden Kolleginnen und Kollegen sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen und ihren Beitrag zum Erfolg der Behandlung nicht unterschätzen. Wer selbst perioperative Sedierung anbieten möchte, sollte sich intensiv mit der Thematik auseinandersetzen, Vor- und Nachteile reflektieren und bedenken, dass nicht nur die technischen, sondern auch die räumlichen und personellen Gegebenheiten stimmen müssen. Als „Take-home message“ möchten wir Ihnen folgendes Statement an die Hand geben: „Sedieren darf nur, wer die Komplikationen erkennen, sicher und zielgerichtet behandeln kann. Wer die richtige Patientenauswahl trifft und zudem entsprechend technisch ausgerüstet sowie personell hinreichend aufgestellt ist.“
Ein Beitrag von Dr. Ali Abriani, Dr. Stefan Braun und Dr. Georg Huber, alle Herrenberg
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