Der Dens invaginatus ist eine seltene Zahnfehlbildung, die meist als Zufallsbefund im Röntgen oder durch Beschwerden im oftmals jugendlichen Alter auffällig wird. Je nach Schweregrad gibt es mehrere Optionen für die Therapie: Es sollte immer versucht werden, vitales Pulpagewebe zu erhalten oder bei weitem Foramen eine Revaskularisation vorzunehmen. Bestehen diese Möglichkeiten nicht, ist die orthograde Wurzelkanalbehandlung mit biokeramischen Materialien das Mittel der Wahl. In ihrem Beitrag für die Quintessenz Zahnmedizin 11/2022 zeigt Dr. Heike Steffen, dass auch ein Dens invaginatus mit den modernen, zur Verfügung stehenden Mitteln und Methoden langfristig erhalten werden kann.
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Einleitungrozent
Der Dens invaginatus oder als Synonym Dens in dente ist vorliegenden Studien zufolge mit einer Inzidenz von 0,04 bis 10 Prozent eine seltene Zahnfehlbildung, die meist bei oberen seitlichen Schneidezähnen auftritt13. Aber auch über mittlere Schneide-, Eck- und Unterkieferfrontzähne sowie Prämolaren und Molaren liegen vereinzelte Berichte vor2,19,23,26. In 43 Prozent der Fälle kommt diese anatomische Besonderheit bilateral vor11,28. Die Ätiologie ist bis heute noch nicht vollständig geklärt: Meist wird ein Defekt im Schmelzorgan oder eine Einstülpung desselben während der Amelogenese verantwortlich gemacht14. Eine genetische Veranlagung ist nicht auszuschließen2,4. Morphologisch stellt sich ein schmelzbegrenzter Pseudokanal dar, der bis in die Zahnkrone oder Zahnwurzel reichen und sogar über ein eigenes Foramen Verbindungen zum apikalen Gewebe aufweisen kann2,14,15. Einer von Oehlers vorgeschlagenen Einteilung anhand von Röntgenbildern und basierend auf der vertikalen Ausdehnung der Invagination folgend, hat sich folgende Klassifikation durchgesetzt:
- Typ I: Die Invagination reicht nur bis zur Schmelz-Zement-Grenze.
- Typ II: Die Invagination reicht über die Schmelz-Zement-Grenze hinaus und endet blind in der Wurzel, eine Verbindung zwischen Invagination und Pulpa ist möglich.
- Typ III: Die Invagination verläuft entlang der gesamten Wurzel und besitzt apikal oder lateral über ein Pseudoforamen eine direkte Verbindung zum Parodont19,20.
Typ I und II sind somit inkomplette Invaginationen, während Typ III eine komplette Invagination bedeutet. Während die Invagination selbst kein pulpales Gewebe enthält, sind Verbindungen ausgehend von der Invagination zur Pulpa bei allen drei Typen über Dentinkanälchen möglich. Die sehr komplexe Anatomie erschwerte in der Vergangenheit eine rein konservative endodontische Behandlung, die mitunter mit einem chirurgischen Eingriff kombiniert werden musste und manchmal sogar die Entfernung des ent-sprechenden Zahns notwendig machte8. Neuere Methoden zielen darauf ab, wenn immer möglich einen Teil der Pulpa vital zu erhalten oder den Zahn mit einer Wurzelkanal-behandlung mit biokeramischen Materialien langfristig in der Mundhöhle zu erhalten.
Diagnostik
Beim Dens invaginatus handelt es sich oft um einen Zufallsbefund2, der radiologisch oder nach Ausbildung einer Fistel entdeckt wird. Eine ungewöhnliche Kronenform und/oder tiefe Einziehungen am Foramen caecum können erste Hinweise auf das Vorliegen dieser anatomischen Variante geben14 und müssen röntgenologisch verifiziert werden. Der Eingang der Invagination an der Zahnkrone liegt meist auf der palatinalen Seite und erscheint äußerlich wie ein vertieftes Foramen caecum (Abb. 1). Hier können sich nach einem Zahndurchbruch Plaque akkumulieren, die eine bakterielle Besiedlung der Invagination verursachen, welche dann über Dentinkanälchen die eigentliche Pulpa infiziert und bereits kurze Zeit nach dem Zahndurchbruch eine Pulpanekrose verursachen kann12,19,25. Häufig werden diese Patienten auch mit einer Schmerzanamnese auffällig: Pulpitische Beschwerden sind ebenso möglich wie eine Nekrose ohne jegliche Vorgeschichte von Trauma oder Karies oder einer Schwellung.
Der Sensibilitätstest kann in Abhängigkeit vom Zustand der Pulpa positiv ausfallen. Die Invagination selbst enthält kein Pulpagewebe, das heißt, wenn eine Infektion nur in der separaten Invagination vorliegt, kann der Sensibilitätstest trotzdem positiv sein, da die Pulpa im eigentlichen Wurzelkanal vital ist. So kann es vorkommen, dass ein Zahn vom Typ III mit einer apikalen Aufhellung trotzdem positiv auf den Sensibilitätstest reagiert, da die Ursache der apikalen Läsion in der Infektion der tiefen Invagination liegt, die zwar mit dem periapikalen Gewebe kommuniziert, nicht aber mit der Pulpa selbst. Die Sondierungstiefen können erhöht sein, ebenso wie die Zahnbeweglichkeit.
Mit einem Röntgenbild kann die Diagnose bestätigt werden: Die Invagination erscheint meist als eine Art Tasche, die von einer radioopaken Schmelzbegrenzung umgeben ist und bis in die Wurzel hineinreichen kann. Eine Verbindung zwischen der Invagination und dem apikalen oder lateralen Parodont kann mit einer apikalen Aufhellung verbunden sein (Abb. 2a bis d). Das Röntgenbild liefert aufgrund seiner Zweidimensionalität nur bedingt Informationen über die komplexe Anatomie eines Dens invaginatus. Daher sollte unbedingt eine digitale Volumentomografie (DVT) angefertigt werden, um die Anatomie des Zahns in seiner gesamten Komplexität bewerten und die beste Therapieoption eruieren zu können21. Die Anatomie ist sehr vielfältig und kann selbst in verschiedenen Schnittebenen desselben Zahns stark variieren, C-förmige Kanalstrukturen sind keine Seltenheit (Abb. 3a bis c).
Therapieoptionen
Die Therapie sollte – wenn immer möglich – darauf abzielen, vitales Gewebe zu erhalten. Bei nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum kann eine Revaskularisation versucht werden. Sollte das nicht möglich sein, sind bei weitem Foramen ein apikaler Plug mit einem biokeramischen Material und eine Wurzelkanalbehandlung indiziert. Nur in Ausnahmefällen ist heute noch eine chirurgische Intervention nötig.
Typ I
Wenn die Pulpa gesund ist und der Zahn auf den Sensibilitätstest normal reagiert, ist es ratsam, die tiefe Invagination prophylaktisch mit einem fließfähigen Komposit zu versiegeln. Falls Karies vorhanden ist, muss diese entfernt und die Kavität mit einer Füllung versorgt werden. Weil die bakterielle Besiedlung der Invagination die häufigste Ursache für die Infektion der Pulpa ist, sollte sie vor einer Füllung umfassend desinfiziert werden3,14.
Ist die Infektion über die Invagination bereits in das eigentliche Wurzelkanalsystem fortgeschritten, sollte bei Zähnen mit nicht abgeschlossenem Wurzelwachstum und vitaler Pulpa eine partielle oder vollständige Pulpotomie versucht werden3. Ist die Pulpa bereits irreversibel entzündet, nekrotisch oder liegt bereits eine apikale Aufhellung ausgehend vom eigentlichen Wurzelkanal vor, kann bei ausreichend weitem Apex eine Revaskularisation beziehungsweise eine Apexifikation mit biokeramischen Materialien durchgeführt werden3,27.
Typ II
Beim Typ II penetriert die Invagination die Wurzel neben dem eigentlichen Wurzelkanal und endet blind im Zahn; eine Verbindung zur Wurzeloberfläche besteht nicht. Wenn möglich kann die Invagination unbehandelt bleiben und nur der eigentliche Wurzelkanal therapiert werden. Liegen die Invagination und der eigentliche Wurzelkanal jedoch sehr dicht beieinander, kann man sie häufig nicht separat behandeln. Dann kann zum Beispiel mit Ultraschall oder kleinen Rosenbohrern die Invagination geöffnet und dem eigentlichen Wurzelkanal zugeführt werden24,27.
Ist die Pulpa bereits irreversibel entzündet, sollten sowohl der Wurzelkanal als auch die Invagination therapiert werden. Dieses Vorgehen erhöht nach Siqueira et al. die Prognose. Bei weitem Foramen kann eine Revaskularisa-tion oder Apexifikation versucht werden. Zur Desinfektion wird höherprozentiges Natriumhypochlorit (NaOCl 3 bis 5%ig) und zur Wurzelfüllung biokeramisches Material und ggf. eine thermoplastische Fülltechnik empfohlen, da das Material besser in die unregelmäßigen Kanalstrukturen kondensiert werden kann3,27.
Typ III
Die Invagination steht hier in direktem Kontakt zur Wurzeloberfläche und damit zum apikalen oder lateralen Parodont. Liegt eine entzündungsfreie Pulpa vor, ist es normalerweise ausreichend, nur die Invagination zu desinfizieren und zu füllen. Damit kann die Vitalität der Pulpa erhalten werden3 (Abb. 4). Wenn die Pulpa jedoch schon irreversibel oder nekrotisch entzündet ist, dann sollten sowohl die Invagination als auch der eigentliche Wurzelkanal therapiert werden. Als Therapieoptionen sind eine Pulpotomie oder bei weitem Foramen die Revaskularisation oder Apexifikation möglich27.
Die Therapie der Invagination ist hier von essenzieller Bedeutung für die Beseitigung der Infektion und somit für den klinischen Erfolg. Wenn bereits eine apikale Aufhellung vorliegt, die eindeutig der Invagination zugeordnet werden kann, sollte auch nur die Invagination therapiert werden. Klinisch ist es jedoch meist unmöglich festzustellen, ob die Ursache für die Beschwerden oder für eine Fistel auf die Infektion der Invagination oder des eigentlichen Wurzelkanals zurückzuführen ist. Daher sollten nach Siqueira et al.27 beide Anteile behandelt werden.
Li et al. führten mit einer Erfolgsquote von 80 Prozent bei 10 Patienten mit einer Typ-III-Invagination (Front- und Eckzähne, meist Oberkiefer) eine intentionelle Replantation durch16. Diese Patienten im Alter zwischen 10 und 29 Jahren wiesen allesamt klinische und radiologische Symptome auf. Nach vier bis 39 Monaten befanden sich noch acht Zähne ohne klinische und radiologische Pathologien in der Mundhöhle.
Falldarstellung
Eine 11-jährige Patientin wurde 2004 vom Kieferorthopäden zur Behandlung des rechten oberen seitlichen Schneidezahns überwiesen. Der Zahn wies seit Jahresbeginn eine Fistel in Regio 12/13 bei klinischer Beschwerdefreiheit auf. Der Zahn regierte auf den Kältetest sensibel, die Sondierungstiefen lagen distal bei 6 mm und bukkal, palatinal sowie mesial bei 3 mm. Die Familienanamnese ergab, dass bei Mutter und Großmutter die Frontzähne zum Teil nicht angelegt waren: Welche Zähne genau betroffen waren, konnte nicht mehr eruiert werden. Die Zahnhartsubstanz der Krone von Zahn 12 war infolge von Einschleifmaßnahmen durch den Vorbehandler bei einem vorbestehenden Kopfbiss massiv reduziert. Karies konnte nicht festgestellt werden (Abb. 5a). Die Beweglichkeit des Zahns war geringgradig erhöht.
Das Röntgenbild zeigte eine Invagination Typ III am Zahn 12 und eine nach distal ausgedehnte apikolaterale Aufhellung. Bei eingelegtem Guttapercha-Point in den Fistelgang konnte der Ausgang radiologisch distal auf halber Wurzelhöhe lokalisiert werden (Abb. 5b). Eine Übersichtsaufnahme in Form einer Orthopantomografie (OPG) zeigte Nichtanlagen des linken oberen seitlichen Schneide- und Eckzahns sowie eine Anomalie des oberen seitlichen rechten Schneidezahns.
Der Wunsch des Kieferorthopäden war es, aufgrund der Nichtanlage der Zähne 22 und 23 den Erhalt des Zahns 12 zu prüfen und diesen zu therapieren, um ihn in die kieferorthopädische Behandlung miteinbeziehen zu können.
Die Aufklärung der Mutter und des Kinds über die anatomischen Verhältnisse mit den sich daraus ergebenden Problemen für eine konservative Behandlung umfasste auch die Darstellung weitergehender Therapiemaßnahmen, die mit einem chirurgischen Eingriff oder der Extraktion des Zahns mit nachfolgendem kieferorthopädischen Lückenschluss einhergehen könnten. Nach Anästhesie und Anlegen von Kofferdam wurde der Zahn trepaniert. Die Zugangskavität musste weit nach mesial und distal extendiert werden, um einen ausreichenden Zugang zum ausgedehnten Wurzelkanallumen zu ermöglichen. Die Wurzelkanaleingänge wurden ca. 4 bis 5 mm unterhalb der vestibulären Gingiva dargestellt. Bei starker Blutung wurde zunächst die vitale Pulpa aus einem weitlumigen Kanal exstirpiert. Mit einem Dentalmikroskop (Spectrum 500, Möller-Wedel) konnten nach Blutstillung zwei Kanalstrukturen dargestellt werden: ein der Anatomie eines durchschnittlichen oberen seitlichen Schneidezahns entsprechender Wurzelkanal, welcher mit Handinstrumenten (K-Feilen, VDW) in „Step-back“-Technik bis ISO-Größe 70 aufbereitet wurde, und eine enge, neben dem Hauptkanal liegende Invagination, die maschinell bis zur ISO-Größe 40/06 instrumentiert wurde. Nach endometrischer Bestimmung der Arbeitslängen mit dem Root ZX (Morita) wurden diese mithilfe einer Messaufnahme bestätigt. Nach Aufbereitung und intensiver Spülung mit NaOCl 3 Prozent unter Einsatz von Ultraschall (Piezon Master, EMS) erfolgte eine medikamentöse Einlage mit frisch angerührtem Calciumhydroxid und der temporäre adhäsive Verschluss der Zugangskavität mit Komposit.
Nachdem die Fistel geschlossen war, wurde in der folgenden Sitzung das weitlumige Foramen mit Pro Root MTA (Dentsply Sirona) versorgt. Zur Schaffung einer Barriere kam Kollagenvlies (Parasorb Cone, Resorba Medical) zum Einsatz. Das „Mineral trioxide aggregate“ (MTA) wurde mithilfe eines vorher eingemessenen Pluggers auf die apikalen 3 bis 4 mm kondensiert und mit Papierspitzen adaptiert; für zwei Tage erfolgte dann die Einlage mit einem feuchten Chlorhexidin (CHX)-Wattepellet. In der nächsten Sitzung wurde mit Sonde und Plugger kontrolliert, ob die apikale Barriere ausgehärtet war. Für die Wurzelfüllung des komplexen Wurzelkanalsystems wurde die vertikale Kondensation mit dem System B- und Obtura-Gerät (Jadent) durchgeführt. Als Sealer wurde AH plus (Dentsply Sirona) verwendet. Im größeren Kanal wurde ein Glasfaserstift (VDW,) mit Rely X Unicem Aplicap (3M, jetzt Solventum) befestigt. Die langzeit-provisorische Versorgung erfolgte mithilfe einer mehrfach geschichteten adhäsiven Kompositfüllung (Spectrum, Dentsply Sirona; Abb. 5 c und d).
Die Kontrolle des Zahns sechs Monate später zeigte unauffällige klinische Verhältnisse ohne Fistel oder Ähnliches, das Röntgenbild war ebenfalls ohne pathologischen Befund (Abb. 5 e). Nach Abschluss der kieferorthopädischen Behandlung erfolgte eine Röntgennachkontrolle und die Versorgung des Zahns mit einer Vollkeramikkrone, die mit Rely X Unicem Aplicap am relativ kleinen Kronenstrumpf befestigt wurde. Hinsichtlich parodontalästhetischer Aspekte war die Krone nicht optimal, die Patientin zeigte sich mit dem Resultat dennoch zufrieden (Abb. 5f). Eine Nachkontrolle 15 Jahre nach der Wurzelbehandlung zeigt gesunde apikale Verhältnisse (Abb. 5g).
Diskussion
Wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Therapie eines Dens invaginatus ist die Compliance des meist noch kindlichen Patienten. Es war in unserem nicht akutem Fall von Vorteil, die ohnehin anstrengende und zeitaufwendige Behandlung auf mehrere längerfristige Termine zu verteilen, auch um den Therapieverlauf mit Verschluss der Fistel vor definitiver Wurzelfüllung beobachten zu können. Häufig wird die Diagnose jedoch kurz nach Zahndurchbruch im Rahmen einer Schmerzanamnese mit sofortigem Behandlungsbedarf und den sich daraus ergebenden Problemen gestellt.
Präventiv wird empfohlen, Zähne mit tiefer Invagination am Foramen caecum mit einer Fissurenversiegelung oder einer kleinen adhäsiven Füllung vor dem Eintritt einer Infektion in das Wurzelkanalsystem zu schützen14. Bestehen diese Möglichkeiten nicht mehr, sind heute der Vitalerhaltungsversuch mit Überkappung, Pulpotomie oder Revaskularisation angezeigt. Sind auch diese Wege verstellt, sollte eine Wurzelkanalbehandlung durchgeführt werden27,32.
Das Röntgenbild liefert hierbei nur unzureichende Informationen über die internen Wurzelstrukturen5. Heute ist die DVT das Mittel der Wahl zur Diagnostik und Therapieplanung21. Auch ein Dentalmikroskop ist für das Auffinden und Therapieren der Kanalstrukturen unerlässlich und erhöht die Wahrscheinlichkeit, auf einen chirurgischen Eingriff verzichten zu können3,21,27.
Die alleinige Therapie der Invagination mit Belassen der vitalen Pulpa im eigentlichen Wurzelkanal, wie es in der Literatur vereinzelt angegeben wird6,10,15,21,22,25, war in unserem Fall nicht möglich, da der Zugang zur Invagination unterhalb des eigentlichen Wurzelkanals lag und somit eine Eröffnung beider Strukturen unumgänglich war. Yang et al.31 beschreiben die Therapie eines Dens invaginatus an Zahn 12 vom Typ II mit unvollständigem Wurzelwachstum, bei dem eine Revaskularisation der Pulpa nach Einlage mit einem Antibiotikacocktail mit einer Füllung der Invagination erfolgreich kombiniert wurde.
Auch von erfolgreichen intentionellen Replantationen wird berichtet16,17. Aufgrund der kleinen Zahnkrone wurde diese Option für den beschriebenen Patientinnenfall nicht in Betracht gezogen.
Die Irregularitäten des Wurzelkanalsystems sind schwer zu reinigen und zu desinfizieren. Eine intensive Spülung mit mindestens dreiprozentigem NaOCl in Kombination mit Ultraschall und eine kurzzeitige desinfizierende Einlage mit Calciumhydroxid sind aus diesen Gründen empfehlenswert5,27,28,32.
Für die Wurzelfüllung erscheinen thermoplastische Methoden besser geeignet, um kleinste Kanalunregelmäßigkeiten auszufüllen3,27, auch wenn in der Literatur von erfolgreichen Therapien mit lateraler Kondensation berichtet wird5,10. Für die Überkappung, Pulpotomie, Revaskularisation oder Apexifikation sind heute biokeramische Materialien angezeigt.
Bei weitem apikalen Durchmesser des Foramens ist für die thermoplastische Kondensation die Schaffung eines apikalen Plugs angezeigt9,29. Das Material Pro Root MTA war zum Zeitpunkt der Therapie das Mittel der Wahl, um unter Feuchtigkeit einen biologisch inerten apikalen Verschluss zu erreichen. Zum Zeitpunkt der Behandlung stand es in graufarbiger Zusammensetzung zur Verfügung. Hier wird in der Literatur von Schleimhautpigmentierungen berichtet, welche bei unserer Patientin auch nach 15 Jahren nicht beob-achtet wurden1,18.
Der massive Substanzverlust der Zahnkrone durch das initiale Einschleifen des Vorbehandlers, durch die Zugangserweiterung und durch die bestehende Invagination kann zur Schwächung des Zahne mit Frakturgefahr führen7. Im vorliegenden Fall wurde ein Glasfaserstift in den Wurzelkanal eingeklebt, zunächst um eine Stabilisierung zu erreichen, vor allem aber um koronal die Kompositfüllung beziehungsweise spätere Krone befestigen zu können. Angaben zur prothetischen Versorgung werden in der Literatur vermisst.
Die Zahl der publizierten Langzeitergebnisse zur Therapie eines Dens invaginatus ist in den vergangenen Jahren gestiegen und zeigt, dass auch komplexe anatomische Herausforderungen dank moderner Methoden gelöst und entsprechend diagnostizierte Zähne langfristig erhalten werden können9,10,16,21,30,31. So berichten Wayama et al.30 über ein 18-jähriges Recall, bei der die apikale Läsion vollständig ausheilte: Der Zahn wurde mit einem Stift und einer Vollkeramikkrone versorgt. Bei dieser Patientin wurde im Alter von 27 Jahren aufgrund einer großen apikalen Aufhellung und eines palatinalen Abszesses an Zahn 12 die Infektion eines Dens invaginatus als Ursache eruiert. Sowohl die Invagination als auch der eigentliche Wurzelkanal wurden wurzelkanalbehandelt. Anschließend erfolgte eine Wurzelspitzenresektion mit retrograder Wurzelfüllung. Es wurde ein engmaschiges Recall durchgeführt und 18 Jahre nach der Therapie stellte sich die Patientin mit einer Fraktur der Krone vor. Es erfolgte die Versorgung mit einem konfektionierten Stift und einer Vollkeramikkrone. Bei Misserfolg einer konservativen endodontischen Therapie ist ein zusätzlicher chirurgischer Eingriff angezeigt. Falls kein Therapieerfolg eintritt und der Zahn entfernt werden muss, ist eine Implantation im Erwachsenenalter indiziert.
Schlussfolgerung
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es möglich, einen Dens invaginatus konservativ ohne chirurgischen Eingriff zu erhalten. Die DVT und das Dentalmikroskop sind dabei unverzichtbare Hilfsmittel zur Planung und Durchführung einer erfolgreichen Therapie. Eine kurzzeitige medikamentöse Einlage mit Calciumhydroxid ist empfehlenswert. Für die Wurzelfüllung ist eine thermoplastische Füllmethode zu bevorzugen. Für eine Pulpotomie, Revaskularisation oder bei weitem Apex empfiehlt es sich, einen biokompatiblen Zement einzusetzen. Mit modernen Methoden ist es möglich, auch Zähne mit komplexen anatomischen Strukturen langfristig zu erhalten.
Ein Beitrag von Dr. Heike Steffen, Greifswald
Literatur auf Anfrage über news@quintessenz.de