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UK Würzburg setzt neue Maßstäbe in der zahnärztlichen Lehre – praxisnah, wissenschaftlich fundiert und zukunftsorientiert

Die Grafik zeigt von links die digitale Rekonstruktion eines echten Zahns, den Zahn im Querschnitt und Wurzelkanäle mit Pulpa.

Rekonstruktion eines echten Zahns, basierend auf einer Mikro-CT-Aufnahme (von links): Übersicht des ganzen Zahns, Querschnitt des Zahns und Wurzelkanäle mit Pulpa.

(c) Christian Höhne/UKW

Die Zahnärztliche Prothetik am Uniklinikum Würzburg druckt Zähne, die den Studierenden eine neue, realistische, faire und kosteneffiziente Übungsmöglichkeit bieten. Die innovativen Übungszähne vereinen alle wichtigen Behandlungsschritte – von der Kariesentfernung über die Wurzelkanalbehandlung bis hin zur Kronenpräparation. Aktuelle wissenschaftliche Studien belegen den hohen Lerneffekt, die Akzeptanz bei Studierenden und den didaktischen Nutzen des universellen Übungszahns.

 Wer in Würzburg Zahnmedizin studiert, benötigt im Schnitt 300 Übungszähne, um die verschiedenen Techniken und Behandlungen zu üben und später Patientinnen und Patienten sicher, effizient und erfolgreich behandeln zu können. Künstliche Übungszähne müssen die Studierenden selbst erwerben und darüber hinaus Echtzähne in Zahnarztpraxen und bei Chirurgen sammeln – mit ethischen, hygienischen und rechtlichen Herausforderungen. So ist eine Zustimmung zur Weiterverwendung durch eine aufwendige Dokumentation erforderlich, es besteht ein geringes Infektionsrisiko. Die Zähne sind häufig stark vorbehandelt oder beschädigt, sodass sie sich nicht immer für Übungszwecke eignen und keine einheitlichen Lernbedingungen bieten. Kommerziell hergestelltes Übungsmaterial entspricht oft nicht den realen Bedingungen.

 3D-gedruckter Zahn basiert auf dreidimensionaler Röntgenaufnahme

Deshalb stellt die Würzburger Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik ihre Übungszähne seit 2020 selbst her. „So können wir nicht nur Kosten sparen, sondern auch möglichst viele Lerninhalte in einen realitätsnahen Zahn zusammenfassen und den Studierenden ein intensiveres Training ermöglichen“, erklärt PD Dr. Christian Höhne. Der Oberarzt ist unter der Leitung von Prof. Dr. Marc Schmitter, dem ärztlichen Direktor der Poliklinik für Zahnärztliche Prothetik, für die vorklinische Lehre der Abteilung zuständig. Neben seinem Zahnmedizinstudium und seiner Habilitation zum 3D-Druck in der Zahnmedizin hat Höhne Wissen im Maschinenbau erworben, hierbei vor allem in der Konstruktion und Herstellung von Prototypen sowie Nanostrukturtechnik.

Bereits 2019 hatte er basierend auf einer dreidimensionalen Röntgenaufnahme eines kariösen Zahns einen ersten 3D-gedruckten Zahn hergestellt. Um den harten Zahnschmelz, das darunterliegende Dentin, die kariöse Substanz und den empfindlichen Zahnnerv (Pulpa) realistisch darzustellen, verwendete er Materialien mit unterschiedlicher Härte. So erhielten die Studierenden beim Bohren durch die entsprechenden Schichten eine taktile Rückmeldung, ähnlich wie beim natürlichen Zahn. Die im Journal of Dental Education publizierte Studie zeigte, dass 3D-gedruckte Zähne eine vielversprechende Alternative zu klassischen Modellzähnen sind.

Sechs Jahre und einige Publikationen später präsentiert das Team der Zahnärztlichen Prothetik einen 3D-gedruckten Zahn, der sich für sämtliche wichtigen zahnmedizinischen Eingriffe eignet – von Kariesentfernung und Füllung über die Wurzelkanalbehandlung, Kronenpräparation und Stiftbohrung bis hin zur Röntgenuntersuchung – und bis der Zahn in der Realität extrahiert werden müsste. Für seine herausragenden Lehrmethoden wurde das Team im Dezember 2023 mit dem Albert-Kölliker-Lehrpreis der Medizinischen Fakultät der Universität Würzburg ausgezeichnet.

Originalpublikation:
Christian Höhne DMD, Raphael Schwarzbauer DMD, Marc Schmitter DMD. 3D Printed Teeth for the Preclinical Education of Dental Students, Journal of Dental Education https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.21815/JDE.019.103 

Additiv gefertigter Übungszahn für Wurzelkanalbehandlungen

Die Auswertungen der verschiedenen Behandlungsschritte wurden unter einigen der mehr als zwölf Doktorandinnen und Doktoranden, die an diesem Lehrprojekt beteiligt sind aufgeteilt. Für ihre Promotionsarbeit beschäftigte sich Isabella Di Lorenzo mit der Wurzelkanalbehandlung dieses universellen Zahns mit der Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie (Prof. Dr. Gabriel Krastl). Nach dem Druck kümmerte sie sich um die weitere Verarbeitung wie das Waschen der Zähne, und erprobte den Zahn in einem präklinischen Kurs mit 38 Zahnmedizinstudierenden. Die Ergebnisse veröffentlichte Di Lorenzo als Erstautorin in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Scientific Reports des Nature Research-Verlags. „Die Studierenden bewerteten den 3D-gedruckten Zahn als eine signifikant bessere Übungsmöglichkeit als die üblichen transparenten Acrylblöcke, die oft zum Üben für Wurzelkanalbehandlungen zum Einsatz kommen, und fast ebenbürtig zu natürlichen Zähnen, insbesondere hinsichtlich Realismus, Handhabung und Lernwert“, resümiert Di Lorenzo. „Der gedruckte Zahn ist nicht nur realistisch und kosteneffizient, sondern auch fair. Mit dem neuen Übungszahn haben wir für alle Studierenden identische Prüfungs- und Lernbedingungen geschaffen.“

Auch Oberarzt Dr. Michael del Hougne M.Sc., Kursleiter der klinischen Lehre, ist vom Übungszahn begeistert. „Unsere Studierenden können an dem Modell sogar die elektrische Längenmessung des Wurzelkanals sehr realistisch üben. Dafür mussten wir jedoch etwas tricksen, um die benötigte Leitfähigkeit herzustellen, denn der Zahn ist aus Harz, das den Strom nicht leitet.“ Im nächsten Schritt sollen 3D-Zähne mit unterschiedlichen Wurzelkanalformen entwickelt werden, um die klinischen Herausforderungen, die sich aus der anatomischen Vielfalt ergeben, zu simulieren.

 Einfache Anwendung, hoher Lerneffekt 

Auch die Kariesentfernung und die Behandlung des Zahnnervs wurden am neuen Übungszahn optimiert. Die ehemalige Doktorandin Dr. Lisanne Carnier veröffentlichte im Oktober 2024 eine äußerst positive Bewertung des gedruckten Zahnes im Journal BMC Medical Education vom Springer Nature Verlag. Die Studierenden bewerteten den 3D-Zahn deutlich besser als bisherige Modelle und wünschten sich mehr Übungen mit den neuen Modellen. Die Anwendung sei einfacher und der Lerneffekt höher.
Im September 2024, einen Monat zuvor, publizierte die Forschungsgruppe um Michael del Hougne in Scientific Reports die erfolgreichen Testläufe eines 3D-gedruckten Zahns. An diesem durften 42 Studierende das Präparieren für eine adhäsive Brücke üben. Der Zahn wurde im Rahmen einer Doktorarbeit von Dr. Greta Behr entwickelt. Er verfügt über zwei farbige Schichten, die exakt anzeigen, wie viel und wo Material abgetragen werden muss. Auch hier bewerteten die Studierenden den Übungszahn im Durchschnitt mit der Note „sehr gut”. Sie konnten sich das Übungsziel besser vorstellen und ihre Arbeit selbst kontrollieren.

Genau zur richtigen Zeit

„Die additive Fertigung eines Übungszahns, der mehr oder weniger alles kann und die Lehre optimiert, kommt in der zahnärztlichen Prothetik genau zur richtigen Zeit“, meint Marc Schmitter. Durch die neue Approbationsordnung für Zahnärztinnen und Zahnärzte habe die Prothetik in der Lehre nur noch ein Drittel der Zeit, die sie zuvor hatte. Dabei seien in der zahnärztlichen Prothetik sehr viel Wissen und handwerkliche Fertigkeiten erforderlich. „Abgesehen von der Kieferorthopädie müssen wir alle Disziplinen beherrschen, um dem Zahn schließlich die Krone aufzusetzen. Manchmal müssen wir den Zahn sogar chirurgisch verlängern. Hinzu kommt der Wissenszuwachs hinsichtlich der Materialien. Wir müssen also in kürzester Zeit immer mehr Wissen und Fertigkeiten vermitteln“, erklärt Marc Schmitter. Dank des 3D-Drucks ist dies möglich. Die geringen Kosten und die einfache Reproduzierbarkeit ermöglichen ein häufigeres und intensiveres Training.

Augmented Reality erlaubt bessere und einfachere Korrektur im Aufwachskurs

Eine weitere Innovation in der zahnmedizinischen Lehre ist eine Augmented-Reality-App für den Aufwachskurs. Die App unterstützt Studierende dabei, das Formen von Zähnen mit Wachs sowie den Umgang mit Wachswerkzeugen zu üben. Mithilfe der App können Studierende und Lehrende die Wachsvorlage über die Kamera des Smartphones oder Tablets betrachten und ein ideales Wax-up als Überlagerung auf die Aufwachsplatte einblenden. So können sich die Studierenden selbst besser beurteilen und schneller lernen. Die mehrfach ausgezeichnete Machbarkeitsstudie vom Erstautor Johannes Schrenker ist derzeit als Preprint auf der Plattform Research Square zu lesen und wird zeitnah bei Scientific Reports erscheinen.

Auswertung von 3D-gedruckten provisorischen Zahnkronen

Auch Patientinnen und Patienten profitieren von den Innovationen in der zahnmedizinischen Lehre. Einerseits führen besser ausgebildete Zahnärztinnen und Zahnärzte zu besseren Behandlungen. Andererseits wird den Patientinnen und Patienten am UKW bereits 3D-gedruckter Zahnersatz angeboten – mit Erfolg. Im Rahmen seiner Masterarbeit hat Michael del Hougne in einer Kohortenstudie mit 63 Patientinnen und Patienten die Langlebigkeit von insgesamt 98 3D-gedruckten provisorischen Zahnkronen untersucht. Die in Scientific Reports veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass 98 Prozent der Kronen den Untersuchungszeitraum von durchschnittlich 256 Tagen ohne größere Probleme überstanden. Die Patientinnen und Patienten waren mit dem Aussehen sehr zufrieden. Auch ihre Lebensqualität verbesserte sich im Zusammenhang mit der Mundgesundheit deutlich.

 Behandlung, Forschung und Lehre im Dreiklang

„Generell ist jeder herzlich willkommen, sich bei uns behandeln zu lassen und Teil unserer Innovationen zu sein”, erklärt Schmitter. Bei dem Klinikdirektor stehen Behandlung, Forschung und Lehre gleichwertig im Fokus. Erst dieser Dreiklang, verbunden mit einem motivierten und hervorragend kooperierenden Team sowie interdisziplinärer Zusammenarbeit macht die Zahnklinik des UKW zu einem Ort zahnmedizinischer Innovation und Exzellenz. Damit das so bleibt, erforscht das Team von Marc Schmitter weitere Anwendungsmöglichkeiten des Zahnes. Auch das Material soll weiter optimiert werden. „Wir wollen neue Harze entwickeln, deren Eigenschaften natürlichem Dentin und Schmelz noch ähnlicher sind, um das taktile Feedback zu verbessern“, so Höhne. Ein weiteres Ziel ist die Automatisierung der Produktion. Schließlich sollen das Ausbildungskonzept und die Lernkurve validiert sowie die Übertragbarkeit der Modelle in andere Länder und Kulturen geprüft werden.

Reference: Zahnmedizin Chirurgie Endodontie Interdisziplinär Restaurative Zahnheilkunde Digitale Zahnmedizin Studium & Praxisstart

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