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Ästhetische Weichgewebeaugmentation bei Brückenversorgungen
Die Rekonstruktion von hart- und weichgewebigen Defekten des Alveolarkamms mit rein weichgewebiger Augmentation ist weniger invasiv und langfristig stabil
Von bukkal unterminierende Präparation Regio 12 im Sinne einer Spaltlappenpräparation.
Am Beispiel einer Adhäsivbrücke am lateralen Schneidezahn stellen Dr. Philip Stähler et al. in der Quintessenz Zahnmedizin 1/22 die ästhetisch motivierte Kieferkammaugmentation vor. Der heutzutage übliche weichgewebige Kieferkammaufbau erfolgt mit tunnelierenden Techniken sowie intraoral gewonnenen Bindegewebetransplantaten. Der gleichzeitige bindegewebige Kammaufbau mit Einbringen der prothetisch bereits ideal ausgeformten Adhäsivbrückenbasis ermöglicht die einzeitige Etablierung eines ästhetischen Emergenzprofils am Brückenglied.
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Einleitung
Hart- und weichgewebige Defekte am Alveolarfortsatz können als Folge von Zahnextraktionen5,6,12,13,15 entstehen oder bei Nichtanlagen von Zähnen vorkommen. Im ästhetisch relevanten Bereich der Oberkiefer- beziehungsweise Unterkieferfront erschwert dies die prothetische beziehungsweise implantatprothetische Versorgung der Patienten insofern, als kein natürlich wirkender Übergang der Krone in das Weichgewebe erzielt werden kann11. Kompromisslösungen zur Kompensation des Defekts mit verlängerten Zahnkronen oder gingivafarbener, rosa Keramik erreichen nur unbefriedigende ästhetische Ergebnisse, gerade bei Patient/-innen mit hohen Lachlinien. Unabhängig davon, ob die Zahnlücke implantatprothetisch mit Implantation in rekonstruierten oder ortsständigen Knochen oder rein prothetisch über (Adhäsiv-)Brücken versorgt wird, können ästhetische Ergebnisse daher nur mit zusätzlichen Augmentationen erzielt werden. Selbst erfolgreich durchgeführte präimplantologische Hartgewebeaugmentationen können die darüberliegende ästhetisch relevante Weichgewebekontur nicht zufriedenstellend rekonstruieren.
Verschiedene Klassifizierungen zur Defektbeschreibung sind publiziert. Die meiste Verbreitung findet die Klassifikation nach Seibert et. al.16. Dabei werden drei Defektklassen in bukkolingual, apikal-koronal sowie kombinierte Defekte unterschieden. Darauf aufbauende Klassifikationen der folgenden Jahre ergänzten neben den qualitativen Aspekten nach Seibert et. al. lediglich quantitative Messgrößen zur Defektbeschreibung1,17.
Während in der Vergangenheit hartgewebige Augmentationsmaterialien zur ästhetischen Kieferkammaugmentation vorgeschlagen wurden1, steht heutzutage die rein weichgewebige Augmentation im Vordergrund. Anfangs erwartete Schrumpfungstendenzen des transplantierten Gewebes stellten sich in verschiedenen Studien nicht ein3,4,7,9,14. So untersuchten Sanz-Martin et. al.14 das Weichgewebe unterhalb von Brückengliedern bei 24 Patient/-innen, von denen 12 ein subepitheliales Bindegewebetransplantat zur Augmentation des Brückengliedbereichs erhalten hatten. Die digitale volumetrische Vermessung des weichgewebigen Bereichs unterhalb des Brückenglieds zeigte über 5 Jahre keine signifikante Schrumpfung, weder im augmentierten noch im nichtaugmentierten Bereich.
Wurde früher die sukzessive Ausformung des weichgewebig augmentierten Bereichs mithilfe von Provisorien, die sogenannte Weichgewebekonturierung19, angewendet, um das Weichgewebetransplantat in die ästhetisch erwünschte Form zu bringen, wird dieser Prozess inzwischen durch das Einbringen eines bereits final ausgeformten Provisoriums zum Zeitpunkt des Weichgewebeaufbaus überflüssig. Durch das Einbringen des Provisoriums mit idealem Emergenzprofil lassen sich beim Weichgewebeaufbau das ortsständige und transplantierte Gewebe in der richtigen Position mit Nähten fixieren. Beim anschließenden Integrationsprozess des transplantierten Gewebes entlang des Provisoriums wird die erwünschte Weichgewebekontur etabliert.
Der folgende Fall zeigt exemplarisch einen ästhetischen Kieferkammaufbau an einem lateralen Schneidezahn mit gleichzeitigem Einbringen einer provisorischen Adhäsivbrücke mit bereits ideal ausgeformten Emergenzprofil.
Abb. 1 Das Ausgangsfoto zeigt die Lachlinie des Patienten. Der Defekt im Bereich des rechten lateralen Schneidezahns ist erkennbar.
Abb. 2 Die Situation entspricht nicht den ästhetischen Ansprüchen des Patienten. Im Bereich der nicht angelegten seitlichen Schneidezähne sind Defizite im Weichgewebevolumen erkennbar.
Abb. 3 Nach Entfernen der prothetischen Arbeit wird in der Okklusalansicht die horizontale Komponente des Weichgewebedefizites deutlich, hier beispielhaft in Regio 12.
Abb. 4 Im Bereich der zukünftigen Brückenglieder wird das Weichgewebe mit einer feinen mikrochirurgischen Klinge (Keydent Micro Blade SR, Fa. American Dental Systems, Vaterstetten) entepithelisiert.
Abb. 5 Anschließend folgt von bukkal die unterminierende Präparation des Areals im Sinne einer Spaltlappenpräparation. Zum Einsatz kommen hierbei biegbare Tunnelierungsklingen (Keydent Micro Blade Tunnel und Keydent Spin Blade 360°, Fa. American Dental Systems).
Abb. 6 Zwei mit der „Single-incision technique“ entnommene subepitheliale Bindegewebetransplantate vom lateralen Gaumen werden zur Wiederherstellung des Weichgewebevolumens genutzt.
Abb. 7 Auf Höhe der Eckzähne wird jeweils eine kleine vertikale Inzision gesetzt, welche auf die bewegliche Alveolarmukosa begrenzt ist.
Abb. 8 Dieser Zugang wird anschließend genutzt, um die angepassten Bindegewebetransplantate mithilfe einer Naht (Keydent Cytoplast 4.0 DS15, Fa. American Dental Systems) über den präparierten Tunnel an der gewünschten Stelle zu positionieren.
Fallpräsentation
Der 20-jährige Patient stellte sich zur Beurteilung der Oberkieferfrontsituation in unserer Praxis vor. Der allgemeinmedizinische Zustand sowie der zahnmedizinische Status waren unauffällig. Die nicht angelegten seitlichen Schneidezähne waren prothetisch mit zweiflügeligen Adhäsivbrücken versorgt. Darüber hinaus zeigte sich in den betroffenen Regionen 12 und 22 ein ausgeprägtes Defizit an Weich- und Hartgewebe. Um den ästhetischen Ansprüchen des Patienten gerecht zu werden, wurden verschiedene Behandlungsoptionen wie konventionelle Brücken, Implantate und Gaumenimplantate diskutiert. Basierend auf sehr guter externer und interner klinischer Evidenz wurde entschieden, die prothetische Versorgung mittels zweier einflügeliger Adhäsivbrücken10 sowie einer Weichgewebeaugmentation zur Wiederherstellung des verloren gegangenen Gewebes durchzuführen. Im Nachfolgenden werden die einzelnen Schritte der Behandlung (Abb. 1 bis 14) erläutert.
Abb. 9 Provisorische zweiflügelige Adhäsivbrücken aus Polycarbonat werden zur Ausformung der Weichgewebeverhältnisse gleichzeitig zum Weichgewebeaufbau genutzt. Die provisorientragenden Zähne werden dabei nicht präpariert. Der dünnschichtig aufgetragene und lichtgehärtete Haftvermittler visio.link (Bredent Group) für die Adhäsivbrücke aus Polycarbonat wird für die adhäsive intraoperative Befestigung mit Panavia F 2.0 (Kuraray) verwendet. Die Brückengliederbasis mit ideal ausgeformtem Emergenzprofil sorgt dafür, dass die Weichgewebe bereits bei der Heilung die gewünschte Form annehmen. Dadurch wird ein einzeitiges Vorgehen mit idealer Weichgewebekonturierung ermöglicht. Die doppelt gekreuzte vertikale Umschlingungsnaht trägt hierbei zur koronalen Stabilisierung des Lappens bei (Seralene, Serag-Wiessner). Zur Adaption der Wundränder im Bereich der vertikalen Inzisionen werden einfache Einzelknopfnähte genutzt.
Abb. 10 Eine Woche nach der Operation bei Nahtentfernung ist die Schwellung der Weichgewebe gut erkennbar.
Abb. 11 Sechs Monate nach der Operation zeigen sich bei Entfernung der provisorischen Adhäsivbrücken regelrecht ausgeheilte Weichgewebeverhältnisse. Das Emergenzprofil ist entsprechend den ästhetischen Erfordernissen der definitiven Adhäsivbrücken ausgeformt.
Abb. 12 Nach abgeschlossener Wundheilung und Eingliederung der definitiven Adhäsivbrücken aus verblendeter Zirkonoxidkeramik mit entsprechender minimalinvasiver Präparation an den Zähnen 13 und 23 zeigt sich im Ergebnis eine deutliche Verbesserung der prothetischen und weichgewebigen Situation. Die Eingliederung erfolgte mit Panavia F2.0 entsprechend den Herstelleranweisungen.
Abb. 13 Auf der Okklusalansicht ist der harmonische Weichgewebeverlauf nach Ausfüllen der horizontalen Defektkomponente zu erkennen.
Abb. 14 Die Abbildung zeigt die Lachlinie des Patienten mit den zuvor eingesetzten definitiven Adhäsivbrücken 11 Monate nach weichgewebiger Augmentation. Durch die Weichgewebeaugmentation wird ein natürlich wirkendes Emergenzprofil der beiden Adhäsivbrücken an 12 und 22 geschaffen.
Diskussion
Hart- und weichgewebige Defekte des Alveolarkamms können besonders im ästhetisch relevanten Bereich für unbefriedigende Behandlungsergebnisse sorgen. Nachdem in den 80er-Jahren noch hartgewebige Rekonstruktionen zum Aufbau des Kieferkamms versucht wurden1, hat sich inzwischen die rein weichgewebige Augmentation als überlegen und langfristig stabil herausgestellt4,14.
Früher vorgeschlagene Verfahren zur Weichgewebeaugmentation wie zum Beispiel weichgewebige Onlay-graft-Plastiken16 führen aufgrund von Narbenbildung und der erkennbaren unterschiedlichen Gewebeherkunft zu kompromittierten ästhetischen Ergebnissen. Da die Verbesserung der Ästhetik jedoch indikationsgebend ist, werden zur weichgewebigen Augmentation heutzutage tunnelierende Techniken angewandt.
Alternativ zur im vorliegenden Fall durchgeführten vestibulären Tunnelierung unter Einbeziehung der lückenangrenzenden Zähne hätte ein palatinaler Verschiebelappen mit Mobilisierung der gaumenseitigen Weichgewebe und Tunnelierung der vestibulären Weichgewebe erfolgen können22. Die Miteinbeziehung der palatinalen mastikatorischen Mukosa erhöht die Lappenmobilität nach vestibulär und ermöglicht darüber hinaus noch die Möglichkeit, den Lappen spannungsfrei weiter koronal zu fixieren. Aufgrund der ausreichenden vertikalen Weichgewebehöhe an den lückenbegrenzenden Zähnen war die alleinige vestibuläre Lappenpräparation in diesem Fall ausreichend zur Kompensation der hauptsächlich horizontalen Defektkomponente.
Da bei ästhetisch bedingten Kieferkammaufbauten ein Volumendefizit ausgeglichen werden soll, ist die freie Transplantation von Weichgewebe naheliegend. Das hier verwendete subepitheliale Bindegewebetransplantat vom seitlichen Gaumen zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass es selbst bei Exponierung kleiner Transplantatbereiche noch ästhetisch unauffällig einheilt und durch die lockere Gewebezusammensetzung keine Nekrosen in diesen Bereichen auftreten. Es gilt immer noch als „Goldstandard“ der Weichgewebetransplantate21. Nachteilig sind die begrenzte Größe durch die Rücksichtnahme auf die Ausdehnung der Arteria palatina und eine etwas größere Schrumpfungstendenz18. Als Alternative zu dem hier angewandten subepithelialen Bindegewebetransplantat ist das als freies Schleimhauttransplantat entnommene, extraoral entepithelisierte Bindegewebetransplantat nach Zucchelli verfügbar20. Vorteilhaft ist die deutlich größere verfügbare Transplantatgröße, da durch die oberflächliche Entnahme am Gaumen keine Gefahr einer Verletzung der tiefer liegenden Arteria palatina besteht. Gleichzeitig zeigen diese Transplantate allerdings ästhetisch weniger ansprechende Ergebnisse und sollten darüber hinaus nicht exponiert gelassen werden. Eine weitere Entnahmestelle ist die Tuberregion21. Dieses Bindegewebe zeichnet sich durch seinen hohen Kollagenanteil aus und bietet sich zur Augmentation großvolumiger Defekte an. Gleichzeitig entsteht durch die Entnahme am Tuber im Vergleich zur Entnahme am Gaumen kaum Patientenmorbidität2. In einigen Fällen wurde jedoch ein hyperplastisches Wachstum des Tuberbindegewebes nachgewiesen, sodass die Anwendung im nichtästhetischen Bereich bzw. – wenn dort nicht vermeidbar – die großzügige Entfernung des Epithels über dem Tuberbindegewebetransplantat empfohlen wurde8. Perspektivisch wünschenswert wäre es, die autologen Transplantate durch allogene, xenogene oder alloplastische Materialien zu ersetzen. Daten zur weichgewebigen ästhetischen Kieferkammaugmentation mit Ersatzmaterialien sind jedoch kaum vorhanden. Im Bereich der Rezessionsdeckung wurden verschiedene Materialien getestet, die bisher jedoch keinen gleichwertigen Ersatz für autologe Materialien bieten können21.
Fazit
Ästhetisch motivierte Kieferkammaugmentationen können heute vorhersagbar mit autologen Weichgewebetransplanten durchgeführt werden. Abhängig von Defektgröße und -ausdehnung kommen tunnelierende Techniken mit oder ohne Einbeziehung der Gaumenmukosa in Betracht. Durch das Einbringen der prothetischen Versorgung – in diesem Fall eine Adhäsivbrücke am lateralen Schneidezahn – in die Operationswunde des gleichzeitig durchgeführten Kieferkammaufbaus wird einzeitig das ideale Emergenzprofil des Weichgewebes hergestellt. Weitere, früher notwendige schrittweise Ausformungen der Basis des Brückenglieds mit Kunststoff entfallen. Perspektivisch könnten Ersatzmaterialien anstelle von autologen Weichgewebetransplantaten eingesetzt werden, wodurch die Morbidität einer zweiten Operationswunde verhindert würde.
Ein Beitrag von Dr. Philip Stähler, Erdem Gülnergiz, beide München, Dr. Otto Zuhr, Frankfurt am Main, und Univ.-Prof. Dr. Markus Hürzeler, Freiburg im Breisgau
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